Inken

  • Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    "Herr, wir müssen-" Ich hob die Hand mit dem Senatorenring daran. "Scht. Es genügt, wenn wir ein wenig später kommen", erwiderte ich, und der Sklave schwieg.


    "Nun können wir gehen", sagte ich zu dem Sklaven, der eben das Wort ergriffen hatte. Ich hatte tatsächlich kurz mit dem Gedanken gespielt, mitzubieten. Die Sklavin hatte mich doch sehr an Siv erinnert. Doch dreißig aurei für eine Sklavin, die weder etwas Besonderes konnte noch sonderlich folgsam schien, war mir zu viel gewesen.


    Im Vorübergehen erhaschte ich einen Blick auf die neue Herrin der Sklavin - und erkannte sie. Das war Germanica Calvena, und - täuschte ich mich, oder sprach sie da fließend Germanisch? Mit erstaunt erhobenen Augenbrauen nickte ich ihr zu und ging ich meiner Wege. Dass jemand, der eigentlich so kultiviert war wie die Germanicer, in aller Öffentlichkeit die Sprache eines Barbarenvolkes in Fehde mit den Römern sprach, mutete seltsam an. Ich selbst hatte zwar einige Worte von Siv gelernt, doch selbstverständlich nie in der Öffentlichkeit angewandt. Nach wenigen Schritten hatten wir die Menschentraube hinter und gelassen.

  • Leise seufzte sie und als dann Simplex in eine Hab-Acht Stellung ging, weil Inken aufbrauste, konnte sie nur zu gut verstehen, dass er in der Germanin eine Gefahr für sie sah. Seine Miene verfinsterte sich zusehends und sein Blick sagte Eindeutig, dass er ihre Neuerwerbung für keine gute Idee hielt. Nun war es wohl schon zu spät das Angebot zurück zu nehmen, sie hatte es auch nicht vor. Auch wenn Inken wohl lieber sterben würde, als es zu zugeben, sie hatte Angst. „Glaub was du willst von mir. Doch es gibt ebenso viele Vorurteile über dein Volk, wie über mein Volk“, sie zuckte leicht mit den Schultern. Kurz musterte sie Simplex. „Ich hab ihn nicht verschleppt. Seine Eltern haben ihn verkauft, weil sie in Armut lebten. Er war Gladiator und ist nun mein Leibwächter, erklärte sie dann knapp. Mehr würde sie ihr nicht über Simplex anvertrauen. Sollte sich Inken erst einmal an ihr neues Leben gewöhnen und sich dann ein neues Urteil bilden. Kurz wurde sie abgelenkt, als sie ein weiteres bekanntes Gesicht erblickte: Marcus Aurelius Corvinius. Kurz nickten sie einander höflich zu.


    Ans Simplex gewandt sagte sie: „Ich fürchte sie will deine Hilfe nicht. Lass es gut sein. Sie soll sich selbst um ihre Wunden kümmern. Wenn sie Hilfe braucht kann sie immer noch darum bitten!“ Kurz zuckte er mit den Schultern und drückte die Salbe und die Verbände Inken in die Hand. „Wenn sie eine Dummheit anstellt, schlag ich sie nieder“, raunte er Calvena zu, ehe er wieder hinter ihr seinen Posten bezog und Inken keinen Augenblick aus den Augen ließ. "Du tätest gut daran schnell Latein zu lernen," sagte sie zu Inken. Diesmal recht kurz angebunden. Das konnte ja noch heiter werden. Sie legte ihre ganze Hoffnung nun in Elissa. Zwar waren die beiden Frauen nicht vom selben Volk, aber sie teilten ein ähnliches Schicksal.

  • Der Blick der nun auf Simplex zum Ruhen kam mochte wohl Bände sprechen. Auch wenn sie aufbrausend und störrisch wirken mochte, blieb sie doch friedlich. Sie beliess es bei einem warnenden Blick, der jedoch deutlich genug Aussprach das sie wohl auch handgreiflich werden konnte, wenn man sie bedrängte ohne ihr Einverständnis. Die Salbe und die Bandagen nahm sie entgegen und sah Simplex erneut warnend an, ehe sie sich wieer Calvena zuwandte.


    "An vielen Vorurteilen ist soviel Unsinn wie Sinn zu finden.", bemerkte sie knapp. "Denn man stellt sie wohl nicht einfach so dahin.", sah dann zu Titus, dessen Gehilfen und danach wieder zu Calvena, ehe sie die hölzernen Stufen vom Podest hinab stieg und sich neben Calvena stellte.


    "Ich werde versuchen sie zu lernen, da ich fürchte das es sonst ein sehr schweigsames Dasein hier sein wird.", wobei ihr auch nicht wirklich viel einfiel worüber sie mit diesen Tyrannen reden sollte. Immerhin fand sie an Germanica Calvena etwas, was sie zuvor erhofft hatte. Verständnis. Etwas, das in dieser Stadt scheinbar nicht überall zu finden war. Es war befremdlich inmitten der Römer zu stehen und deren Masse um fast einen Kopf zu überragen, in gewisser Hinsicht mochte das vielleicht sogar etwas Genugtuung bedeuten.

  • Kurzerhand drückte Calvena dem Sklavenhändler das Geld in die Hand. Simplex behielt derweil Inken misstrauisch im Blick. Er traute diesem Mannweib nicht über den Weg. „Lasst uns nach Hause gehen!“ sagte sie an Beide, wobei sie für Inken es noch einmal auf germanisch wiederholte, ehe sie ihren Weg durch die Menge suchte. Kurz verabschiedete sie sich noch von Octavius Macer und Tiberia Septima, ehe sie sich ihren weg durch die Straßen Roms suchte.


    In einer Nebengasse wurde sie dann wieder etwas gesprächiger. „Wir haben bereits zwei germanische Sklaven in der Casa: Saldir und Gundhraban. Sie werden dir sicherlich, dass du dich schnell zurecht findest und auch schnell Latein lernst. Du solltest wissen, dass ich mit zwei Senatoren zusammen lebe. Diesen bringst du immer Respekt bei. Du musst nicht zwingend unterwürfig sein, aber wenn du sie beleidigst, kann das Böse enden. Ich kann dich dann nicht in Schutz nehmen. Sie verstehen deine Sprache. Mein Onkel Sedulus war lange in Mogontiacum!“ erklärte sie Inken und hoffte, dass diese verstehen würde, worauf sie hinaus wollte. „Wenn du dich gut anstellst, dann bin ich auch gewillt, dir eines Tages deine Freiheit zurück zu geben“, fügte sie dann mit einem Lächeln hinzu und blieb kurz stehen. „Hast du irgendwelche Fähigkeiten?“ fragte sie dann. „Oder gibt es Aufgaben die du gern machst? Ich will dir den Einstieg so einfach wie möglich machen!“ meinte sie freundlich. „Erst einmal wirst du im Haus bleiben, aber ich werde dich sicherlich das ein oder andere Mal mitnehmen. Zu den Tempeln der Stadt. Ich bin nämlich ein Mitglied des Cultus Deorum. Ich werde Priesterin!“ fügte sie erklärend hinzu. Es war vielleicht etwas zu viel auf einmal. Kurz hielt sie Inne, ehe sie fortfuhr. „Derzeit leben fünf Familienmitglieder hier in Rom: das bin ich, Sabina, meine Cousine, Laevina eine Großtante -nimm dich vor ihr in Acht-, Quintus Germanicus Sedulus, mein Onkel und Vormund und dann noch Medicus Germanicus Avarus, mein Großonkel und pater gens -Familienoberhaupt!“

  • Inken folgte Calvena und lauschte, die Tatsache das sie noch andere germanische Sklaven hielten war für den Augenblick vielleicht ein ganz glücklicher Umstand, doch die Tatsache das sie scheinbar nicht die einzige Verschleppte aus Germanien war, liess einmal mehr den Wunsch in ihr reifen, das sich in ihrer Heimat ein starker Anführer fand, der die Stämme vereinte, um Roms Vormachtstellung entschieden entgegen zu treten. All jene zu befreien. Der Eine, dessen Stimme laut und stark genug war, das sie den Flug der Vögel beeinflussen konnte, den Zug der Wolken. Der Mann genug war die Stärksten in seine Gefolgschaft zu bringen, um Rom bis in seine Grundfesten zu erschüttern.


    "Ich werde ihnen nichts zu sagen haben.", stellte sie knapp fest und sah Calvena an. "Ich werde es bedenken. In meiner Heimat verdient man sich seinen Respekt durch sein Auftreten. Seine Wirkung. Nicht durch irgendwelche Titel. Ich werde versuchen nicht mehr als ein Schatten zu sein.", zog kurz die Stirn in Falten. War sie denn jetzt mehr? Kaum, doch mochte dies wohl niemand beurteilen können.


    "Ich verrichte, was es zu verrichten gilt. Mein Stamm ist nicht deshalb stark weil man unliebsames nicht genauso angeht wie liebsames.", inken runzelte die Stirn und sah sich das Gewirr in den Straßen an. Diese schieren Menschenmassen, den Staub, Dreck, das Stimmengewirr. Sicherlich hatte sie schon andere Städte besucht, wie den Sitz des Fürsten am Dünsberg. Doch mochten dort auf jeden Einwohner hier mehr als zehn kommen. Das nicht schon längst Krankheiten und Seuchen um sich gegriffen hatten, grenzte beinahe schon an ein Wunder.

  • Leise seufzte sie. Inken würde es ihr wohl schwerer machen, als sie gehofft hatte. Mit Simplex hatte sie damals Glück gehabt und Elissa war nun etwas völlig anderes. Die Keltin und sie hatten sich auf Anhieb verstanden und gemocht. Außerdem hatte sich Elissa irgendwie abgefunden. Wobei sie glücklicher wirkte, seit dem sie ihre Freundin war. Ob sie und Inken einander jemals verstehen würden. Sie wünschte es sich. „Meine Onkel haben sich ihre Ränge hart erarbeitet. Sie sind nicht einfach so dort hin gekommen, wo sie nun sind. Solche Reden, wie du sie mir gegenüber führst, könnte sie verärgern", erklärte sie ihr im ruhigen Ton. Kurz überlegte sie, Inken zu belehren, sie brauchte kein Schatten sein, aber das würde diese ihr wohl nicht glauben. Wieder seufzte sie und fragte sich, was sie geritten hatte, als sie mit gesteigert hatte. Nun war es wohl zu spät und noch gab sie die Hoffnung nicht auf.


    „Kannst du kochen?“ fragte sie nun direkter. „Wie alt bist du eigentlich?“ Sie schätze Inken auf etwa ihr Alter. Nicht älter wie zwanzig. „Ich weiß wie es dir geht!“ sagte sie, als sie ihren Blick sah. Rom war für jemanden der noch nie in einer solchen Stadt gelebt hatte, verwirrend, beängstigend, laut und groß. „So ging es mir auch, als ich vor einem knappen Jahr hier her kam...“, sie verstummte, ihr Blick wurde dunkel und traurig. Damals war sie noch jemand anderes gewesen, bis sie alles verloren hatte. Die Kehle wurde ihr eng und sie spürte den vertrauten Schmerz des Verlustes. Sie brauchte einen Moment, bis sie sich wieder gefasst hatte.

  • Nun, wie sollte sie sich sonst verhalten? Eine wildfremde Stadt die sich vor ihr auftat wie ein Abgrund, die Tatsache das sie kaum aus eigenem Willen hier war und zudem der einzige Grund neben Calvena herzugehen darin bestand das sie ihre Sklavin war. Inken mochte wohl wirklich die Tatsache das Calvena mitgeboten hatte nun wie puren Unsinn aussehen lassen, doch lag es in ihrer Art zu Leben, ihrem Verständnis von Dasein nunmal das jeder Mensch Herr über sich selbst war. Natürlich mochten auch einige Germanenstämme gefangenge und besiegte Krieger versklaven, doch war dies wohl etwas anderes. Und obwohl sie um diesen Zustand wusste ihr fremd, denn die Sippen der Lahnsenke waren nicht bekannt dafür Gefangene zu machen.


    Wären sie in der Heimat, vielleicht sogar in der Stadt des Fürsten wäre es vielleicht gänzlich anders verlaufen, wohl auch ihr Auftreten ein gänzlich anderes gewesen. Doch versuchte sie erst garnicht den Eindruck zu verschleiern den sie von den Römern gewonnen hatte. Das es Tyrannen waren, Räuber, Invasoren. Viele der Stämme Germaniens hatten sich mit ihnen arangiert, trieben Handel, lebten friedlich mit den neuen Herren. Doch waren es nunmal nicht alle.....und Inken betete gerade jetzt das sich noch mehr Stämme erhoben.


    Dann blieb sie stehen und sah Calvena an. "Dreiundzwanzig Sonnenwenden.", antwortete sie knapp. "Sieh mich an und sag mir wie Du Dich geben würdest, wenn Du an meiner Stelle wärst.", Inken sah Calvena feste an. "Verschleppt aus Deiner Heimat! Deinem Mann und Deiner Sippe geraubt! Von Deinem Kind getrennt!", Inken biss sich auf die Lippe und rang mit sich. "Vielleicht schulde ich Dir Dank. Vielleicht mögen die Nornen mir eines Tages ein anderes Bild von Euch geben. Aber hier....und jetzt kann ich nichts als Verachtung für Euch empfinden!".


    Zumindest mochte Calvena sehr schnell klar werden das Inken wohl alles war, aber kaum falsch. "Ich werde niemals Unterwürfigkeit heucheln. Das liegt nicht in meiner Art.", kurz schluckte sie. "Und das Schicksal das unsere Wege sich hat kreuzen lassen erkenne ich im Moment nur als grausam und unrecht. Unsere Art ist zu verschieden...und ich bete das ihr es niemals schafft den freien Stämmen Germaniens dieses Leben hier aufzuzwingen. Denn das....", kurz deutete sie um sich, "....ist keines. Sei unbesorgt, Deinen Sippenführern werde ich solche Gedanken verschweigen. Aber ich möchte das Du erkennst das ich jene die ich wirklich achte, diese Achtung verdienen müssen. Du kannst mir Ketten anlegen lassen, mich einsperren. Aber in meinen Kopf wirst Du nicht kommen. Was hast Du vor mir mehr geleistet als einen Beutel Münzen zu ziehen? Nichts. Wofür soll ich Dir also Respekt entgegen bringen? Oder weshalb solltest Du mir Respekt entgegen bringen. Sieh es wie es ist, ich bin eine Sklavin. Was vielleicht schlimmer ist als der Tod.", rieb sich die Unterarme und setzte sich in Bewegung.


    "Ich kann dem allem nichts abgewinnen außer Ekel. Diese Stadt stinkt, ist laut....ein Gefängnis für alle, die den Blick für Freiheit und das Leben verloren haben.", Inken sah kurz zu Boden. "Ich hoffe Du bist weise genug das Dir klar ist das ich Dich hassen muss.", sah dann wieder zu ihr. Sie war ein Stück weiter gegangen und blieb erneut stehen. "Vielleicht magst Du ja in dieser Masse der einzige Mensch sein, dessen Art sich völlig von jenen unterscheidet die ich von Eurem Volk bisher traf. Aber sag mir wie eine unter all diesen......Kranken.....gesund bleiben kann?", machte schließlich eine verwerfende Handbewegung. "Du solltest besser alles vergessen, meine Worte waren einmal mehr unbedacht.", folgte ihr dann weiter. "Und ich kann kochen, so wie jede Frau es können sollte. Vielleicht nicht so gut wie meine Mutter, aber noch hat jeder die Mahlzeiten überlebt. Mehr oder weniger..."

  • Aufmerksam hörte sie zu, hörte den Schmerz, den Kummer und viele andere Gefühle heraus. Gefühle dir ihr nicht fremd waren, die sie selbst durchlebt hatte und sie beinahe um den Verstand gebracht hatten. Ihre ungeweinten Tränen könnten ein Meer füllen und doch hatte sie ebenso ihr Schicksal angenommen, wie es Inken nun tat. Sie entwickelte einen gewissen Respekt für sie und Verständnis und hoffte, dass die Germanin eines Tages verstand, dass sie nicht ihre Feindin war. Aber Inken würde Zeit brauchen und sie würde sie nicht bedrängen. Sie ging weiter und hing ihren eigenen düsteren Gedanken nach, ehe sie dann wieder Inken zuhörte. „Mit mir kannst du offen reden, ich werde dir nicht Böse sein, nur weil du unangenehme Wahrheiten aussprichst. Hin und wieder brauch ich einen anderen Blick um die Dinge klarer zu sehen“, sagte sie gelassen. „Ich will nicht das du Unterwürfig bist, nur vorsichtiger und nachdenkst, bevor du redest!“ riet sie ihr eindringlich.


    Sie zuckte sichtlich zusammen, als Inken ihr offenbarte, dass sie älter war, als sie gedacht hatte und dass diese ein Kind hatte. Bestürzung zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Bona Dea... machen diese elende Hunde, denn vor nichts halt?“ fragte sie empört und ballte die Hände zu Fäusten. Sie überlegte ernsthaft Inken in diesem Augenblick die Freiheit zu schenken. Es ungerecht und furchtbar. Sie wollte nicht wissen, wie sie sich fühlen würde. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, schon bald würde sie ihre eigene Familie gründen und sie wollte sich gar nicht ausmalen, Valerian zu verlieren. Calvena drehte sich zu Inken um und sah ihr in die Augen. „Wenn du es willst, kannst du auf der Stelle deine Freiheit bekommen“, erklärte sie Sie biss sich auf die Unterlippe, mal wieder zeigte sich ihre impulsive Art. Sie hatte geredet ohne nach zu denken. Aber das spielte für den Moment keine Rolle, auch dass sie eine Menge Geld ausgegeben hatte. „Ich würde nicht wollen, dass du von deinem Kind getrennt bist...“, fügte sie etwas leiser zu, aber nicht minder ernst. „Du sollst zu deiner Familie zurück, wenn du es willst. Ich habe nicht vor deinen Willen zu brechen. Wenn du nicht auf mein Angebot eingehen willst, dann lasse ich mir etwas einfallen um deiner Familie mit zu teilen, das es dir Gut geht!“ Simplex runzelte die Stirn und sah von einer Frau zur anderen, hier spielte sich gerade etwas wichtiges ab und er verstand kein Wort. Dennoch sagte er in Richtung von Inken: „Calvena ist eine gute Herrin!“ Er wollte sie einfach unterstützen, dennoch sah er sie fragend an.
    „Warum ich in dieser Stadt nicht krank werde? Weil ich gelernt habe mich anzupassen. Weil ich alles verloren habe, was ich geliebt habe...“, in ihrer Stimme schwang nun auch Bitterkeit mit. „Meine Ziehfamilie wurde grausam nieder gemetzelt... wir waren Gaukler, waren immer frei und waren glücklich. Zu Hause war dort, wo wir lagerten. Mehr brauchten wir nicht, nur einander. Willst du wissen wer sie mir genommen hat? Einfach Banditen, aus reiner Habgier haben sie gemordet und mich am Rande des Todes zurück gelassen. So etwas prägt. Um so kostbarer ist das Leben, nach einer solchen Erfahrung...“, sie verstummte, sie hatte mehr gesagt, als sie wollte. Sie drehte sich um, da sie nicht wollte, dass Inken sah, wie aufgewühlt sie war.

  • Inken schwieg, im Grund genommen zu lange als sie es wollte und sah Calvena intensiv an. Simplex und dessen für sie unverständlichen Worte sah sie nur knapp an und kurz verschränkte sie die Arme. "Dieser Sklavenhändler hat wohl nicht berichtet wie ich in die Fänge der Römer gekommen bin.", stellte sie kurz fest. "Du bietest mir die Freiheit an? Wegen meines Kindes?", Inken nickte kurz. "Ich kann Dir sagen wie weit Eure Soldaten gehen. Zu weit. Sie fallen in unsere Stammesgebiete ein. Sie zwingen uns unser Land zu verlassen. Sie treiben die Stämme in gegenseitige Kriege.", Inken rieb sich die Handgelenke.


    Ihre germanischen Worte mochten wohl in der Gasse etwas exotischer klingen als das Gewirr ringsum. "Meine Sippe kämpft gegen die Invasoren. Mein Vater war ein bedeutendes Sippenoberhaupt. Er führte Krieger gegen Eure Soldaten und während sie Euro Befestigungen angriffen, kamen die Soldaten zu unserer Siedlung.", Inken atmete tief ein. "Du denkst das Du meinen Schmerz kennst? Ich denke es nicht.", kurz zog sie die Augenbrauen zusammen. "Ich vermisse meine Familie über alles. Es macht mich wahnsinnig nicht zu wissen was aus ihnen geworden ist. Und selbst wenn Du Boten schickst, wohin sollen sie gehen? Zu meinem vielleicht toten Mann? Meinem wahrscheinlich ebenso verschleppten Kind? Zu den kalten Gräbern die Eure Soldaten hinterlassen haben? Wie weit werde ich kommen? Wieviele Tage wird es dauern bis ich erneut in Eurem Land in Ketten gelegt werde?"


    Inken´s Blick suchte kurz die Wand einer der Mietskasernen ab, wanderte übere deren Schmierereien an der Wand. "Ich fürchte das meine Familie nicht mehr existiert, auch wenn ich mir mehr als alles andere Wünsche das ich mich irre. Aber eines hoffe ich mehr als alles andere, das ein starker Anführer sich erhebt, unsere Sippen eint und durch den großen Wall dringt. Eure Siedlungen verwüstet wie es mit unsere geschehen ist. Das Blut der Euren fordert wie ihr es mit unserem tatet. Ich bete zu den Nornen das sich unsere Stämme einmal mehr erheben und den Krieg hierher tragen.", sah Calvena an. "Mir ist bewusst das Du nicht in meiner Heimat warst, als all das geschehen ist. Aber es ändert nichts an der Tatsache das Du unter solchen Bestien lebst, die ihre Art über die der anderen stellt.", Inken hatte zu oft den Reden ihres Vaters gelauscht.


    "Ich hoffe auf den Tag an dem ein chattischer Speer ins Herz von Rom gestoßen wird. Und dann, Germanica Calvena, werden Du und ich gleich sein. Dann wirst Du meinen Schmerz kennen und ich Deinen. Wenn Deine Kinder Dir genommen werden, wenn sie Deinen Mann erschlagen haben. Dann wirst Du mich genauso sehen wie ich Dich nun sehe. Wenn ich meinen Platz an der Seite meines Vaters einnehme. Ihr bringt Eure Kultur mit blutigen Schwertern und redet von Zivilisation.", Inken nahm keinen Anteil an Calvena´s Schmerz, zumindest nicht offensichtlich. "Ich danke Dir dennoch für dieses Angebot, aber selbst wenn ich es annehme, würde es nichts an der Tatsache ändern das Rom mir alles genommen hat. Ich würde ausziehen und meinen Sohn suchen. Ich würde ihn wahrscheinlich nicht finden. Mein Herz ist so voller Hass auf Eure Legionen, das ich wohl jeden Mann der mich vielleicht erwählt darin bestärken würde jeden römischen Soldaten zu erschlagen den er sieht, gleich wo er auch sein mag. So wie ich es am liebsten tun würde.", zog die Augenbraue nach oben und musterte Calvena.


    "Wir haben diese Welt nicht geschaffen, aber sie ist wie sie ist.", sah wie Calvena mit sich rang. "Genau das sagen auch jene, die fern von hier die Schwerter ziehen. Vielleicht werden die Kinder unserer Kinder erkennen das Kampf immer das falsche Mittel ist. Auch wenn er mir der einzig mögliche Weg scheint. Lass mich gehen! Gib mir meine Freiheit und mein Leben zurück! Meine Sippe, mein Land und meine Heimat! Sag Euren Legionen das sie die Wälle verlassen sollen, die Kasernen räumen und sich dorthin zurückziehen woher sie kamen. Rate ihnen zu beten das das lange Atmen vor dem Sturm hören, der eines Tages über Euch kommen wird."

  • Schweigend breitete sich zwischen ihnen aus und zog sich in die Länge. Schwer und erdrückend. Kurz biss sie sich auf die Unterlippe, Zweifel kamen ihr, ob es das Richtige gewesen war, Inken diesen Vorschlag zu machen. Die Germanin sah sie grimmig an, ehe diese dann ihrem Blick auswich.
    Schon fast höhnisch, aber vor allem verbittert erzählte Inken dann von den Ereignissen, welche sie nach Rom gebracht hatten. Calvena fühlte sich plötzlich ziemlich Unwohl in ihrer Haut. Eigentlich zu Unrecht, denn sie trug keine Schuld an den Ereignissen, die die andere Frau nach Rom gebracht hatten, in die Fänge von Sklavenhändlern. Sie hätte erwidern können, dass es nicht immer Römer waren, die andere Völker in den Krieg trieben, dass die Fehden zwischen den Stämmen oftmals wesentlich blutiger waren und sich hin und wieder versuchten gegenseitig auszurotten. Nur weil sie in Streit miteinander geraten waren. Doch es wäre sinnlos gewesen. Inken würde ihre Erfahrungen selbst machen müssen und vielleicht würde sie dann sehen, dass sie sich irrte. Schweigend ließ sie deren Wortschwall über sich ergehen. Es war eindeutig, dass sie ihr Angebot ihr die Freiheit zu schenken ablehnte. Doch als Inken, alle Römer als Bestien bezeichnete, zeigte sich Verärgerung auf ihren Zügen. „Irgendwann wirst du sehen, dass du dich irrst!“ entgegnete sie hitziger, als sie wollte. „Nähre ruhig deinen Hass, aber du solltest dadurch nicht Blind vor Zorn werden“, meinte sie etwas ruhiger und ließ das Thema fallen. Leicht schüttelte sie den Kopf. „Nicht alles ist so, wie es den Anschein hat. Viele römische Frauen haben auch das Recht dein Volk zu hassen. Denn ihr seid ebenso kriegerisch und habt auch nie davor halt gemacht, unsere Siedlungen zu überfallen, zu morden, zu plündern und schlimmeres... Alles hat zwei Seiten, vergiss das nie“, sie holte tief Luft, zittrig, denn dieses Gespräch wühlte sie auf. Es öffnete Wunden, von denen sie gehofft hatte, dass die Narben endlich verheilen würden. Kurz schloss sie die Augen, um sie gleich wieder zu öffnen. „Ich vermute mal, du lehnst mein Angebot ab“, sie machte eine winzige Pause. „Dann sollten wir wohl jetzt nach Hause gehen“, fügte sie hinzu.


    Inkens schon fast tröstende Worten, vertrieben nicht den Kummer in ihrem eigenem Herzen. Sie zuckte nur leicht mit der Schulter. Sie wusste schon lange, dass es Dinge gab, die sie nicht ändern konnte. Sie konnte nur das Beste aus ihrer Situation und ihrem Leben machen und sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Schweigend ging sie nun weiter. Sie ging davon aus das Inken ihr folgen würde. Sicherlich diese konnte jetzt auch einfach weg laufen, doch wohin... Rom war groß und mit entlaufenen Sklaven wurde kurzer Porzess gemacht. Zwar würde sie Inken keine Soldaten hinter her schicken, doch konnte diese nicht nachweisen, das sie ihre Freiheit erhalten hatte.

  • Inken machte sich bald daran wieder Calvena zu folgen und hielt sich in deren Rücken, durchquerte die Straßen und ersparte sich jeden weiteren Kommentar. Zu gerne hätte sie eine feurige Rede gleich jenen ihres Vaters begonnen, doch war dies wohl weder der richtige Ort, noch die richtige Zeit.


    Roms Straßen waren viel zu bevölkert, als das sie Inken auch nur annähernd geheuer sein konnten. All diese Menschen, ein Schmelztiegel unterschiedlichster Völker und Kulturen. So sah es also aus wenn einen die Götter verliessen und das erwartete jene, die vom Rand der Welt gestoßen wurden.

  • Inken war vorläufig verstummt und ein kurzer Blick über die Schulter, verriet ihr, dass sie ihr auch folgte. Wieder seufzte sie kurz. Es würde wohl nicht einfach werden mit der neuen Sklavin. Sie konnte nur hoffen, dass sich Inken eines Tages einlebte und dann vielleicht auch ihre Sichtweise änderte. Wie gut, dass es mehrere germanische Sklaven im Haushalt der Germanica gab, sie würden ihr den einstieg leichter gestallten und ihr auch hoffentlich vermitteln, dass sie nicht so schlecht waren, wie sie glaubte. Den Sklaven im Hause der Germanica ging es gut, sie bekamen vernünftige Kleidung, wurden nur selten gezüchtigt oder bestraft und ihnen wurde jede menge Freiheiten eingeräumt. Sicher es war nicht das Leben, das Inken kannte, aber vielleicht würde sie dem ganzen noch etwas abgewinnen können.


    Calvena lief zielsicher durch das Gewirr der Straßen und schon bald standen sie vor der Casa Germanica. Sie drehte sich zu Inken noch einmal um. „Dies ist dein Neues zu Hause!“ erklärte sie ihr und ging dann hinein.

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