Ein jeder kriegt, ein jeder nimmt - in dieser Welt, was ihm bestimmt

  • Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    Und so schlug ich quasi in Ermangelung der Zeit zum Nachdenken mein eigenes Ende vor, um sie nicht mit meinem Schweigen oder einer stark verzögerten Antwort schon zu verärgern: "Ich dachte mir, wir fahren nach Puteoli und ich kaufe dir ein schönes Kleid. Was meinst du?" Kaum ausgesprochen, verbog ich die Mundwinkel zu einem Lächeln. Wenn sie darauf nicht ansprang, hatte ich wahrhaftig ein Problem.


    Das war die richtige Antwort! Genau so etwas wollte ich hören! Auf diese Weise konnte er mich besänftigen und ich über einiges hinwegsehen. Gerade noch wollte ich ihm noch mitteilen, wie brillant ich diese Idee fand und ihm nebenbei auch vorschlagen wollte, dass auch er sich ruhig eine neue Toga gönnen sollte. Denn mit Männern war es doch immer dasselbe, nie kauften sie sich selbst Kleidung. Lieber verbrachten sie ein ganzes Jahrzehnt mit dem selben, inzwischen aus der Mode gekommenen Fetzen, statt wie es sich gehörte, ständig am Puls der Zeit zu sein.
    Dazu kam es allerdings nicht, denn das junge Ding kam zurück, mit einer Wachstafel in der Hand, auf der sich zweifellos der Spruch der Sybille befand.
    Jeder, der einmal vor den Pyramiden von Gizeh gestanden und sich gefragt hatte, welche Geheimnisse sie in sich bargen, konnte nachvollziehen, wie es mir in diesem Moment ging.
    Mit monotoner Stimme las die junge Priesterin den Orakelspruch vor und mit jedem Wort wurde ich ratloser. Wieso ging es eigentlich nicht noch ungenauer? Hatte ich nicht eine klare und unmissverständliche Frage gestellt?
    Es bedurfte einiger Zeit, bis sich die Worte gesetzt hatten und ich zu interpretieren versuchte, was dieser Spruch zu bedeuten hatte.
    Manchmal ergeben drei fünf Räder am Wagen. Das fünfte Rad am Wagen, das war eines zu viel! Die Sybille konnte doch unmöglich etwas von meinem Techtelmechtel mit meinem Sklaven ahnen. Oder etwa doch? Wenn Marcus das herausbekam, dann war ich geliefert!
    "Aha!" seufzte ich und man merkte mir wohl meine Enttäuschung an. Es stand wohl außer Frage, daß ich die nächsten Tage dazu nutzen würde, um hinter den Sinn dieses Spruches zu gelangen.

  • Aha? Ich maß Celerina mit einem erneuten Blick, diesmal fragender, dann verabschiedete ich mich von der Priesterin und dankte ihr noch einmal. Celerina führte ich anschließend aus der Grotte heraus. Während wir sie verließen, fragte ich mich, ob sie auch darüber nachdachte, was die einzelnen Elemente dieser kuriosen Weissagung wohl zu bedeuten hatten. Im Gehen klappte ich die Tafel noch einmal auf und las den Teil, den ich in meinem Schrecken verpasst hatte. Ein Schiff ohne Segel? Ich runzelte die Stirn, las den Rest auch noch einmal und klappte die Tafel dann wieder zu. War damit eine Ehe ohne Liebe gemeint? Ich biss mir grübelnd auf die Unterlippe. Alles Humbug! Vielleicht hatte ich Glück und Celerina würde eine Ewigkeit darüber nachdenken und mir damit etwas Ruhe gönnen.


    Draußen blendete die Sonne uns kurz. Ein strahlend blauer Himmel empfing uns, Möwen kreischten in der Ferne und stritten sich um etwas, das am Boden lag. "Ein seltsamer Orakelspruch", sagte ich zu Celerina, um überhaupt etwas dazu zu sagen. Nicht dass sie mir wieder mangelndes Interesse vorwerfen konnte. "Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich bin nicht viel schlauer als zuvor." Ich zuckte mit den Schultern. "Also - Puteoli?"

  • Ich fühlte mich schon ein wenig minderbemittelt, als mich Marcus zur Grotte hinaus führte und ich immer noch grübelte. Das Sonnenlicht draußen blendete mich dermaßen. Ich nahm meine Hand zur Hilfe, um meinen Augen ein wenig Schutz zu bieten.
    Dieser Spruch, er nahm ich vollkommen ein. Ich überlegte und überlegte und versuchte mir daraus einen Reim zu machen. Allerdings um noch mehr daraus zu verstehen, fehlte mir schlicht und ergreifend das Hintergrundwissen, welches ich bis dato noch nicht hatte. Nur machte ich mir Selbstvorwürfe, wegen Chimerion und mir. Das wurde mir langsam zu heiß. Erst der germanische Sklave, den mir Marcus nach Ostia hinterher geschickt hatte und jetzt das. Im Grunde war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Wahrheit ans Licht kam. Und gesetzt den Fall, dieser Urlaub hatte in Bezug auf unsere Nachkommenschaft tatsächlich Wunder geweckt, was hielt Marcus dann davon ab, das Kind als seines Anzuerkennen, wenn er doch befürchten mußte daß der Vater Chimerion war.
    Ein Trost war es, dass Marcus den Spruch auch nicht besser zu deuten wußte. Er ahnte noch nicht und das war auch gut so.
    "Äh, ... ja. Puteoli!" antwortete ich leicht verstört. Wie tragisch, meine ganze Vorfreude, die ich einem Stadtbummel hätte entgegenbringen können, war mit einem Mal dahin.

  • Ganz offensichtlich schien sie doch sehr über den Spruch nachzudenken. Vielleicht bekam sie mehr heraus als ich, der ich inzwischen versuchte, den Orakelspruch nurmehr als Resultat einer unsinnigen Geldausgabe zu betrachten. Es konnte unmöglich direkt auf uns zugeschnitten sein, was dort auf der Tafel stand. Ganz bestimmt erhielt hier jeder dritten einen solchen verqueren Orakelspruch, immerhin schien er ja auf alles zu passen, woran man nur zu denken wagte. Da Celerina ganz offensichtlich - und zu meinem Glück - keinen Mitteilungsbedarf bezüglich einer Interpretation des Spruches zu haben schien, widmete ich mich auf dem Rückweg ganz unverfänglichen Themen. So fragte ich sie beispielsweise nach der Farbe des Kleides, das sie gern hätte, machte ihr Komplimente zu ihrer Frisur oder sprach über das Wetter. Es war, wider Erwarten, ganz schön anstrengend, aber immerhin gab ich mir Mühe, und so gelang es mir, die Zeit bis zum Einkauf irgendwie zu überbrücken.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!