Im Gebäude – Ein Rundgang

  • Romana führte Calvena und Sabina aus ihrem Cubiculum durchs Atrium Vestae durch bis zum Lararium, welches nicht allzu fern von den Wohnräumen entfernt lag. Der Kultraum für die Laren des Kaisers und damit des Staates war ein wenig größer als die meisten Zimmer des Atrium Vestae. Es war mit Marmorfliesen verlegt, und an der Wand hingen Reliefs von verschiedenen Kaisern. Erst kürzlich wurden Reliefs von Traianus und Iulianus aufgehängt, sie waren sofort als die neuesten Portraits sofort sichtbar. In der Mitte des Raumes stand ein mehr oder minder lustiges Figürchen, welches den Genius des Kaisers darstellte. Davor prunkte eine Opferschale.
    Romana breitete die Arme aus, als ob sie voller Stolz ihren beiden Gästen das zeigen wollte, was sie selber errichtet hatte. Das hatte sie zwar nicht, aber es war ihr Heim, eines, in das sie nicht durch Geburt, sondern durch den eigenen Einsatz hingekommen war. „Das hier ist das Lararium“, erklärte sie unnötigerweise. „Hier wird den Laren geopfert.“ Am makellos weißen Boden sah man, dass es zumeist unblutige Opfer waren. „Doch schön, oder?“ Zumindest, wenn man Marmor mochte. Denn das ganze Zimmer strahlte in einem ein Beigeweiß, welches von feinen schwarzen Linien durchzogen war. Es war bestes etrurisches Marmor, an so etwas kamen Normalsterbliche gar nicht.

  • Vertrauensvoll ergriff Sabina auch die Hand von Romana und sah kurz zu der Vestallin hoch. „Bist du gern, Vestalin?“ fragte sie dann einfach rund heraus, während sie durch die Gänge liefen und dann beim Lararium ankamen. Mit großen Augen sah Sabina sich um und blieb befangen stehen. Sie traute sich gar nicht, sich alles näher anzusehen, so beeindruckt war sie. Es war alles so neu und besonders.


    „Es ist schön hier. Unser Lararium zu Haus ist kleiner!“ sagte sie und wagte sich einen Schritt in den Raum, nur um dann gleich wieder stehen zu bleiben. Neugierig betrachtete sie den Genius des Kaisers und kicherte über das lustige Figürchen. Doch anfassen würde sie es nicht. „Was sind das für Männer?“ fragte sie und deutete auf die Reliefs der vergangenen Kaiser.

  • Auf die Fragen von Calvena, die jene gestellt hatte, als sie aus dem Cubiculum gegangen waren, hatte sie auch keine Antwort gewusst. Woher bekam man Himbeeren im Winter? Vermutlich aus irgendwelchen Plantagen in Africa. Oder woher auch sonst immer. Sie hatte sich bis jetzt weder darüber verwundert, noch würde sie es in Zukunft tun. Für Vestalinnen wurden immer gern neue Quellen aufgetan, es war ihr Recht, nur das Beste vom Besten zu bekommen!


    Sabinas Frage hörte sie, als sie das Lararium betraten. Sie schmunzelte zu ihr hin. „Oh ja, meine Liebe. Ich bin sehr gerne Vestalin.“ Sie meinte es ernst. Auch wenn mit ihr hie und da die Pferde durchgingen, und sie sich die intime Gesellschaft eines Mannes wünschte – was sie hatte, war besser als das. Ihr Vater hätte sie vielleicht an irgendeinen alten, hässlichen, impotenten Sack verheiratet, und dann hätte sie niemals das Vergnügen gehabt, von dem die jungen Frauen immer hinter vorgehaltener Hand tuschelten. Aber davon musste Sabina ja nichts mitbekommen. „Wir haben hier ein sehr schönes, luxuriöses Leben! Es wird uns alles geboten, was wir wollen. Wir haben auch Aufgaben, ja, aber diese sind nicht schwierig, wenn sie erst einmal Routine sind“, erzählte sie Sabina. „Und niemand wagt es, uns keinen Respekt zu zeigen. Und den Kaiser können wir als Vater bezeichnen. Es ist wundervoll“, strahlte sie die Kleine an.


    Romana blickte noch eine Spur stolzer drein, als Sabina zu staunen begann. „Ja, es ist ziemlich groß. Immerhin wird hier der Genius des Kaisers verehrt, nicht nur die Ahnen einer Familie. Sozusagen ist das hier die offizielle Stelle der Verehrung unseres Kaisers.“


    Nur zu gerne war sie bereit, Sabina die Reliefs zu zeigen. „Das hier sind die Kaiser und Pontifices Maximi der Vergangenheit. Nichts angreifen!“, warnte sie. „Das hier ist Iulianus... und das Traianus... das hier sind die flavischen Kaiser... das ist Augustus... und hier beginnen schon die Pontifices Maximi vor den Kaisern! Lepidus... und Caesar, siehst du?“ Streng und weise blickte der steinerne Iulier von seinem Relief herunter. „Sind sie nicht schön?“ Vermutlich schöner, als sie es in Wirklichkeit gewesen waren.

  • Manchmal wunderte sie sich schon darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit Romana den Luxus um sich herum hin nahm. Was wohl auch daran lag, dass ihre Freundin nun einmal mit diesem Reichtum aufgewachsen war. Sie selbst kam sich hin und wieder vor, als träumte sie. Aber dieser Traum hatte dann auch einen gewissen bitteren Nachgeschmack. Schnell verdrängte sie die düsteren Gedanke und folgte statt dessen lieber dem Gespräch zwischen Sabina und Romana. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, ihre kleine Base benahm sich vorbildlich und zeigte sich nur von ihrer besten Seite. Das war gut, denn Sabina konnte mit unter auch ein richtiges Ekel sein.


    Schweigend hörte sie Romana zu, wie sie von ihrem Leben als Vestalin erzählte und auch die Frage des Mädchens dann beantwortete. Die Claudia war wirklich glücklich mit ihrem gewählten Weg. „Wirklich wunderschön!“ stimmte sie dann zu und betrachtete die Reliefs.

  • Sabina blieb stehen wo sie war. Bia hatte ihr immer eingeprägt, dass sie nichts anfassen durfte, wenn sie vorher nicht um Erlaubnis gefragt hatte. Aber da es ja hier ein Lararium war und dies ein Ort für die Götter und Geister war, wagte sie es erst recht nicht etwas an zufassen. Denn ein wenig fürchtete sie sich vor den Geistern -auch wenn es gute Geister gab. Dennoch war es unheimlich, dass es so etwas gab, vor allem konnte man ja Geister nicht sehen. Sie drückte ein wenig die Hand ihrer Cousine und schaute sich mit respektvollem Abstand alles an.


    „So viele berühmte Männer!“ staunte sie.


    „Was musst du denn als Vestalin alles machen?“ fragte sie neugierig weiter, während ihr Blick über alles wanderte.

  • Den Respekt in den Stimmen der beiden jungen Damen konnte man eindeutig hören. Sie lächelte befriedigt, dass Calvena ihr zustimmte und Sabina so folgsam war – sie würde eine tadellose Vestalin abgeben, dachte sich Romana insgeheim. Der Respekt, den sie vor diesen heiligen Einrichtungen hatte, gab Romana die Gewissheit, dass Sabina die rechte Einstellung gegenüber dem Glauben hatte, was sehr wichtig war. „Was wir so den ganzen Tag tun?“, wiederholte sie die Frage der Kleinen. „Nun, wir passen vor allem darauf auf, dass die heilige Flamme der Vesta nicht ausgeht! Wenn das passiert, ist das ein ganz schlechtes Omen. Außerdem haben wir für verschiedene Tage verschiedene Aufgaben. Zum Beispiel bei der Vestalia – da überwachen wir die Opfer, die die Matronen der Vesta darbringen. Dann gibt es die Matronalia, da wird das Feuer neu entfacht. Und es gibt die Iden des Mai, da wird mola salsa hergestellt. Diese Feiertage brauchen einiges an Vor- und Nachbereitung – und trotzdem haben wir genug Freizeit. Diese verbringen wir, indem wir im Tablinium oder Triclinium zusammenhocken, oder ausgehen. Ich selber bin sehr gerne im Peristylium, wo ich den Garten pflege“, erklärte sie, nicht ohne Stolz. Durch die Arbeit, die sie leisteten, verdienten sie sich zweifelsohne diesen ganzen Luxus, davon zumindest war Romana überzeugt. Nicht, dass sie nicht schon vorher in extremsten Wohlstand gelebt hatte, doch dies war noch eine Steigerung. Romana konnte es sich kaum vorstellen, wie es war, etwas zu gebrauchen. Nur gut, dass ihre Erziehung einer überwältigenden Verwöhnung entgegengesteuert hatte - ihr lehrte man Anstand und Demut vor den Göttern, und das war auch gut, denn sonst wäre Romana heute wohl auch nur eine der vielen nichtsnutzigen Zicken, die in Rom herumrannten und das Vermögen ihrer Ahnen auf den Kopf hauten.

  • Aus ihrem eigenem Dienst in den Tempeln der Iuno, war sie sich bewusst, wie wichtig dieser Ort war. Dieser Ort gehörte allein den Laren des Kaisers und seiner Vorgänger und ihrer Ahnen. So viele berühmte Männer, die dieses Reich zu dem gemacht hatten, was es heute war. Ein Imperium dessen Größe weit über die Grenzen des germanischen Reichs ging. Ihr Blick wanderte von einem steinernem Gesicht zum nächsten, ernst und friedlich, sie waren der Inbegriff der Macht. Ihr Blick wanderte zur Decke, weißer schlichter Marmor und doch war es genug Schmuck für diesen Raum.
    Nachdenklich lauschte sie dem klang von Romanas Stimme, wie sie voller Stolz von ihren Aufgaben berichtete. Ein leises Lächeln legte sich aufs Calvenas Züge. Ihre Freundin hatte ihre Erfüllung gefunden. Kurz sah sie Sabina an, vielleicht sollte man dem Mädchen auch mehr über die Religion beibringen, sie war ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Sie würde sich in Zukunft damit etwas mehr auseinander setzen und wohl auch mal Sabina zu Romana schicken. Sie wollte zwar aus ihrer Cousine keine Vestalin oder Priesterin machen, aber ihre Familie befasste sich doch echt zu wenig mit den Göttern. Kurz betrachtete sie Sabina, sie wirkte wissbegierig. Sie würde einmal mit Sedulus darüber reden...


    „Ich würde mir nachher gern einmal den Garten ansehen!“ schlug sie vor.


    „Sag mal Romana...“, sie machte eine kurze Pause. „Würdest du mir eigentlich bei den Hochzeitsvorbereitungen helfen wollen? Du hast sicherlich ein paar schöne Ideen dafür. Serrana will mir auch helfen und ich würde mich freuen, wenn du auch dabei wärst!“ Sie sah ihre Freundin fragend an.

  • Erfüllung. Dieses Wort war ziemlich groß, größer noch als Romana. Doch jene hätte sofort bestätigt, was Calvena sagte. Nicht nur ihre Erfüllung hatte sie gefunden, sondern auch ihr Schicksal, welches ihr von Vesta gewiesen wurde. Die Frage, ob sie damals, in Clusium, einer Halluzination erlegen war oder nicht, stellte sich für sie nicht. Sie war glücklich, und die Göttin hatte auch vorausgesehen, dass sie dies sein würde.


    „Der Garten? Sicherlich!“, meinte Romana und lächelte. Dies war der Teil des Atrium Vestae, der ihr am Liebsten war. Die beiden Germanicae hatten das lararium eindeutig schon lange genug betrachtet. Es war durchaus vorstellbar, dass die anderen Vestalinnen es nicht so gut aufnehmen würden, wenn eine der ihren mit Gästen zu lange im Lararium herumhing.


    „Nun, dann gehen wir, oder?“, fragte sie, und wies den beiden den Weg aus dem Lararium.


    Beim Hinausgehen stellte Calvena ihr eine Frage, die Romana zum Nachdenken brachte. Sie schlug, als sie durch die Gänge des Atrium Vestae wandelten, eine noch langsamere Gangart ein als sie es ohnehin schon tat. „Eure Hochzeitsvorbereitungen. Die von dir und Quintilius Valerian.“ Sie sprach dies ein wenig seltsam aus, doch man konnte nicht recht bestimmen, was es war. War es Freude oder doch viel eher Abneigung? „Er hat also das Connubium zugestanden bekommen.“ Das kam Öfters vor, besonders unter Centurionen. Der Mann schien so etwas auch herausgeschunden zu haben. „Du weißt schon, dass ihr euch erst verloben müsst?“, fragte sie noch vorsichtshalber nach, obwohl sie sich sicher war, dass Calvena als Priesterin das wusste. Nun war eine Sponsalia nicht vorgeschrieben, aber besonders für ein Mitglied der Priesterschaft unumgänglich. „Aber nun, ich helfe euch sehr gerne dabei. Ich mache das mit Freuden... deinetwegen“, offerierte sie aber endlich. Das deinetwegen war aber so betont, dass Calvena gar nicht erst auf den Gedanken kam, anzunehmen, sie mache dies für Valerian. „Doch, wie gesagt, es wäre mir sehr lieb, wenn wir uns vorher noch aussprechen könnten, du, ich und Quintilius.“ Sie verwendete noch immer nicht den Cognomen des Prätorianers.

  • Calvena und Sabina folgten Romana willig in den Garten. Das Mädchen wusste nicht wo es zuerst hin schauen sollte, schon das Lararium war für sie beeindruckend gewesen, weil sie dort so viele berühmte Männer gesehen hatte. Helden aus den Geschichten ihres Kindermädchens oder Männer über die ihr Vater und ihr Onkel hin und wieder redeten. Während sich ihre Cousine und die Vestallin nun mit Dingen beschäftigten, die sie langweilten, ließ sie ihren Blick umherschweifen und betrachtete Bilder und Mosaike und Reliefs. Dieser Ausflug machte ihr viel Spaß, sie lernte nützliche Dinge und sie sah mal etwas ganz besonders. Keiner ihrer Freunde konnte von sich behaupten, dass er schon einmal im Atrium Vestae war.
    Sie kamen in den Garten und Sabina klatschte begeistert in die Hände. „Hier gefällt es mir!“ bekundete sie und setzte sich dann Beine baumelt auf eine Bank.

  • Sie nahm wieder die Hand ihrer Cousine und drückte sie leicht. Sabina war so ungewöhnlich still, aber das Mädchen wirkte weder gelangweilt noch bedrückt, sondern eher etwas erschlagen von all diesen Dingen. Nicht viele besuchten den Atrium Vestae und blickten einmal hinter die Kulissen. Für Sabina war es wohl ganz besonderes hier zu sein und sie freute sich, mit Romana ein wenig zu reden über die Dinge die sie beschäftigten.
    Jetzt wo sie das Thema Hochzeit angesprochen hatte, konnte sie eine gewisse Zurückhaltung in der Stimme ihrer Freundin hören. Sie wusste auch warum: Romana und Valerian hatten nicht gerade einen guten Start hingelegt. Hoffentlich konnten sie schon bald einmal die Missverständnisse aus der Welt schaffen.
    „Nein, noch nicht... wir warten leider immer noch darauf“, sie seufzte leise. „Aber wenn er sie dann hat, dann müssen wir anfangen zu planen und ich würde mich sehr freuen, wenn du mir hilfst. Romana du bist mir eine wichtige Freundin und deine Unterstützung würde mir einen größten Teil meiner Nervosität nehmen. Jedes Mal, wenn ich daran denke, dass ich heirate, werde ich völlig kopflos...“, sie machte eine kurze Pause, ehe sie ihr dann gestand: „Irgendwie hab ich Angst, das ich seinen Ansprüchen nicht genüge...“, sie wusste gar nicht wie sie auf diesen Gedanken kam. Sie liebte Valerian und er sie, aber dennoch, wenn sie heiratete würde ihr Leben sich noch einmal ein wenig verändern und das machte sie nervös. Wahrscheinlich waren es völlig alberne Bedenken, aber verdrängen konnte sie diese nicht. Sie selbst schalte sich ja oft genug einen Narren und ein dummes Huhn.
    „Natürlich weiß ich, dass wir uns zuerst verloben müssen und es dann noch ein Jahr dauert bis wir heiraten können. Wir werden uns daran auch halten“, versicherte sie ihr. Ein erleichtertes Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen, als Romana ihr dann ihre Hilfe zusicherte. Spontan umarmte sie die Claudia kurz. „Danke, Romana!“
    Nachdrücklich nickte Calvena. „Wir werden uns gemeinsam zusammen setzen!“ versprach sie ihr. „Ich hab das nicht vergessen“, und selbst wenn Romana dann immer noch nicht Valerian mochte, dann konnte sie daran nichts ändern. Sie würde ihn dennoch heiraten.

  • „Und du zählst darauf, dass er es bekommt?“, fragte Romana, Calvena noch immer anblickend. „Wie dem auch sei. Es freut mich sehr, dass du so viel von mit hältst... und ich weiß, dass es schwer ist...“ Was Calvena aber nun sagte, schoss den Vogel ab. Romana wusste nicht, was sie tun sollte, lachen oder weinen. „Du seinen Ansprüchen nicht genügen? Du?“, fragte sie ihre Freundin eindringlich und blieb stehen, um sie mit einem scharfen Blick zu fixieren. „Du, Germanica Calvena, stehst soooo hoch über Quintilius Valerian. Du bist ihm in allem überlegen. Er kann niemals auch nur aspirieren, so hoch in der Gesellschaft zu kommen, wie du stehst. Er kann es niemals mit deinem Intellekt, deiner Schönheit, deinem Wesen aufnehmen. Sorge dich besser darum, ob er deinen Ansprüchen genügen kann.“ Sie seufzte und tätschelte Calvena mit ihrer rechten Hand auf die linke Schulter. „Komm.“ Sie setzte sich wieder in Bewegung.


    „Das ist sehr gut, ist eine Sponsalia geplant?“, hackte sie nach. Wenn, würde sie so eine Gelegenheit zum Feiern sicher nicht auslassen.


    Als die Claudierin sich einverstanden erklärte, fühlte sie sich von Calvena umarmt. Sie blieb stehen, seufzte nochmals ganz leise und umarmte zurück. „Das ist selbstverständlich“, versuchte sie Calvena zur Ruhe zu bringen.


    „Gut, sehr gut. Dann machen wir das.“ Sie machte eine kurze Pause. „Wann und wo schlägst du vor?“ Die pragmatische Claudierin wollte lieber jetzt einen Termin ausmachen als irgendwann.


    Genau in diesem Moment erreichten sie das Peristyl, wo sich der Garten befand. Sabina war die erste, die den Garten betrat, und ihr schien es wohl sehr gut zu gefallen. Romana lächelte. „Das hier ist sozusagen mein Reich. Seht ihr die Blumen da?“ Sie deutete auf ein Beet, das in einer unübersichtlichen Vielfalt von Blumen erstrahlte. „Das ist alles von mir angepflanzt.“ Nicht ohne Stolz sagte sie dies. Sie schritt nach vorne und streichelte fast liebevoll über eine Kolonie von Fingerhüten, die sich an einer Ecke des Beetes breit gemacht hatten. „Ist es nicht schön?“ Es war nicht das erste Mal heute, dass sie dies fragte, doch dieses Mal ging es um etwas, was sie gemacht hatte, ihr eigenes Werk.

  • Calvena konnte durchaus die Skepsis in der Stimme ihrer Freundin hören. Leise seufzte sie und nickte dann entschlossen und auch überzeugt. „Natürlich wird er sie bekommen, sein Patron hat es ihm bereits versprochen. Nur die Beamten lassen sich Zeit“, sagte sie, ohne Vorwurfsvoll zu klingen. Irgendwie behagte es ihr nicht, dass ihre Freundin anscheinend so viele Bedenken hatte. Aber vielleicht war es auch gut so, hin und wieder fehlte ihr ein wenig der Blick für die Realität und ein wenig gesunde Skepsis konnte nicht schaden. Doch irgendwie machte es sie traurig, dass Romana sich nicht so sehr für sie freute. Aber einen Vorwurf würde sie ihr daraus nicht machen, sie machte sich ja nur sorgen um sie. Alle Zweifel wurden zerstreut, als Romana sie dann recht vehement sie verteidigte und meinte, das Valerian ihr niemals das Wasser reichen könne. Sie verspürte tiefe Dankbarkeit, aber sie konnte es nicht wirklich auf sich sitzen lassen, dass ihre Freundin ihren zukünftigen Mann so herab setzte. „Ach, Romana... du bist eine wahre Freundin. Und egal ob Valerian vielleicht nicht die gesellschaftliche Stellung hat, die ich habe, ist es doch unwichtig. Ich liebe ihn und er mich und nur das zählt“, verteidigte sie dann, ehe sie ihren Weg durch die Gänge fort setzten.


    „Wenn dann nur im engsten Kreis der Familie“, antwortete sie dann ihrer Freundin. Die Wahrheit aber war, dass sie sich nicht wirklich Gedanken darüber gemacht hatte. Aber sie wusste, dass es wichtig war, auch weil sie den kultischen Weg ging und deswegen so etwas wie eine Vorbildfunktion besaß. Von daher musste alles seinen rechten Weg haben. „Wenn dann will ich die Hochzeit etwas größer gestalten“, erklärte sie dann.


    Romana konnte fragen, etwas ratlos sah sie ihre Freundin kurz an. Sie konnte nicht einfach einen Termin vorschlagen und am Ende hatte Valerian Dienst. Nur leider war er in Mantua, so dass sie ihn nicht sofort um seine Meinung fragen konnte. „Sobald Valerian aus Mantua zurück ist, aber wann das ist kann ich dir leider nicht sagen. Ich werd dir aber dann sofort einen Brief schreiben“, versprach sie ihr.


    Sie kamen in den Garten und Calvena staunte. Trotz der kalten Temperaturen blühte er in all seiner Pracht. „Wunderschön!“ lächelte sie und trat einen Schritt an das Beet heran. „Du hast ein Talent für Blumen...“, sie lächelte und überlegte ob sie Romana fragen sollte, ob diese sich um die Blumen für ihre Hochzeit kümmern wollte.

  • „Ah, gut. Na dann.“ Nichts weiter erwiderte sie auf die Ansage der Germanica. Der langsame Beamtenapparat, sie hatte kaum Erfahrungen damit. Es hatte nicht unverhältnismäßig lange gedauert, bis sie auserkoren worden war, ins Atrium Vestae einzutreten. Sie kannte gar keine Beamten, außer Beamten im Sinne von Priestern, und vielleicht war das auch gut so. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie mit dem Beamtenwesen überhaupt nicht konform gehen könnte.


    Romana hatte innerlich schon befürchtet, dass Calvena erzürnt sein würde über ihre Worte. Doch Calvena war nicht Romana, die in Calvenas Situation vermutlich einen Mordswirbel veranstaltet hätte. Im Gegenteil, die Germanica schien sehr erfreut über ihre Worte, die wohl einiges dazu betrugen, den Kopf der Germanica von Sorgen ein wenig zu reinigen. So ließ sie sich zu einem Lächeln veranlassen. „Du wirst sehen, es wird schon alles gut gehen.“ Mehr sagte sie nichts, sie ging nicht auf Calvenas Worte ein. Liebe, oder aber Verliebtheit, war, so dachte Romana, nicht unbedingt etwas, auf was man eine Ehe fundieren sollte. Vernunftehen waren doch das Beste – die Liebe kam dann schon irgendwann. Man musste sich nur ein bisschen Mühe geben. Doch sie verschonte Calvena mit ihren Ansichten - sie wusste selber, wie hoffnungslos altmodisch sie waren.


    Sie nickte wieder, als Calvena ihr sagte, wie sie sich die Sponsalia vorstellte. „Ach gut. Nur Quintilia und Germanica.“ Sie nickte, sie musste ja nicht überall dabei sein.


    „Aha! Dann freue ich mich schon einmal darauf.“ Sie hörte weiter zu, und Calvena gab ihr zu verstehen, wann es möglich wäre. „Sehr gut, wenn er wieder hier ist. Am Besten so schnell wie möglich. Wenn er so ein edler Mensch ist, wie du sagst, wird er mir das sicher demonstrieren können - und dann muss ich mich auch nicht mehr Sorgen machen.“ Wieder mit einem Lächeln wandte sie sich zu ihren geliebten Blumen hin.


    „Ich liebe Gärtnerei. Frag mich nicht, wieso – es beruhigt mich. Es ist wunderschön, weißt du, die Produkte deiner Mühen, die Resultate deiner Liebe, die Früchte deiner Arbeit, emporwachsen zu sehen. Wenn du dich wunderst, wieso sie im Winter blühen – das Atrium Vestae ist immer geheizt, und diese Wärme dringt auch ins Peristylium vor.“ Sie schritt ein wenig das Beet entlang. „Für eine Patrizierin ist das keine sehr angesehene Arbeit, ich weiß. Aber ich lasse es mir nicht nehmen, und tatsächlich bin ich jetzt auch zuständig für den Garten. Wenn du willst, dies ist mein Reich!“


    Mit einem Lächeln drehte sie sich zu Calvena hin und wäre dabei fast an einer Statue angeprallt. „Ah, schau.“ Sie deutete auf die Figur, die auf dem Sockel stand. „Das ist Flavia Agrippina, die Vorgängerin unserer jetzigen Obervestalin. Sie war eine große Frau, würdevoll und weise. Sie wurde im Vestatempel erstochen... das ist schon einige Zeit her. Es war eine ziemlich üble Geschichte, ein Prodigium, und geopfert musste werden, um die Pax Deorum wieder herzustellen.“

  • Das Gespräch zwischen Romana und Calvena war für sie langweilig. Stattdessen streifte sie durch den Garten und steckte immer wieder die Nase in die Blumen. Begeisterung zeigte sich auf ihren Zügen, obwohl die Aufmerksamkeit nicht auf ihr ruhte. Sabina konnte gerade eine gewisse Freiheit genießen, denn ihre Cousine ließ ihr wesentlich mehr Freiraum, als ihr Kindermädchen oder ihr Vater. Als Romana dann vor einer streng anmutenden Statue stehen blieb, folgte sie der Vestalin betrachtete das Kunstwerk aus Marmor.


    „Sie schaut so streng“, sagte sie und sah Romana etwas unsicher an. Sie machte große Augen, als die Claudia erzählte, dass die Frau mit den strengen Zügen erstochen wurde. Das war ja unheimlich. „Was ist ein Progidium?“ fragte sie dann direkt weiter. Es wurde deutlich das der Schwerpunkt ihrer Bildung nicht gerade auf der Religion lag, sondern vielmehr auf den anderen Dingen.

  • So langsam ließen sie das Thema ihrer bevorstehenden Hochzeit fallen. Romana würde wohl nie wirklich nachvollziehen können warum sie ausgerechnet Valerian heiraten würde. Sie war glücklich und das war für sie die Hauptsache. Die Claudia hatte nun einmal einen anderen Lebensweg gewählt und war damit so zufrieden, wie sie sein konnte. Calvena würde ihre Freundin deswegen nicht kritisieren. Stattdessen nahm sie deren Entscheidung hin.


    „Sobald er aus Mantua zurück ist“, versicherte sie ihr und nickte noch einmal nachdrücklich.


    Nun widmete sie ihre ganze Aufmerksamkeit der Liebe Romanas zu dem Garten. „Du hast wunderbare Arbeit geleistet und auch wenn es nicht unbedingt eine Arbeit für eine Patrizierin ist, so ist es dennoch eine ehrenvolle Aufgabe für eine Vestalin!“ lächelte sie ihre aufmunternd zu. Wenn Romana der Garten glücklich machte, dann sollte niemand sie deswegen auslachen.


    Verstehend nickte sie, als Romana von dem Mord erzählte. Es musste in der Tat eine furchtbare Sache gewesen sein, dass an solch einem Ort das Blut einer wichtigen Frau vergossen worden war. „Prodigium“, verbesserte sie dann ihre Base und schenkte ihr ein Lächeln. „Das ist ein schlechtes Omen, es bedeutet so viel, dass die Götter unzufrieden mit dem Handeln der Menschen sind. Nur selten ist ein Prodigium ein Mord. Meist ein Blitzeinschlag, oder eine Seuche!“ erklärte sie sanft.

  • Calvena erwiderte nichts mehr auf ihre Worte hin. Vielleicht war es auch das beste so, so wurde claudischem Unmut nicht noch mehr Nahrung gegeben. Denn irgendwie hatte Romana noch immer nicht ganz den Eindruck, dass Calvena wusste, dass dieser Unmut rein aus Sorge um sie geboren ist, nicht, weil sie absichtlich Calvenas Leben sabotieren wollte. Sie konnte nichts dagegen machen, und sie würde es auch nicht tun – sie hatte sich ja vergewissert, dass Calvena sich sicher war. Sie nickte nur, als Calvena ihr ausweichend antwortete. Das konnte irgendwann sein. „Schreib mir am Besten eine Nachricht“, bat sie.


    Mit einer Mischung aus Verwunderung und Stolz blickte sie zu Calvena hin. Calvena musste wohl ihre aufmunternden Worte sprechen, weil sie dachte, Romana würde sich schämen, und bedurfte nun ein paar beruhigender Phrasen. Dies war überhaupt nicht der Fall. Romana war immens stolz auf das, was sie geleistet hatte, und zweifelte kein bisschen an der Richtigkeit ihres Tuns. Sie war mit dieser Arbeit schließlich von der Obervestalin betraut worden! „Ja, sicher... danke“, entgegnete sie trotzdem mit einem Lächeln.


    Vielleicht hätte sie das mit dem Mord nicht erzählen sollen, Sabina wirkte ein bisschen verschreckt. Sie war schon verunsichert gewesen wegen des Blickes der Flavierin. Romana blickte auf zu der Statue. Dabei schaute sie gar nicht einmal so streng drein wie manche andere der Obervestalinnen, die hier, versteinert, herumstanden.


    Romana hätte es hierbei belassen können, da merkte sie eines – Sabina fragte nach, was ein Prodigium wäre. Und sprach es falsch aus, als ob sie das Wort noch nie gehört hätte. Sie blinzelte kurz und drehte sich zu Calvena, die ihr das mit einer Engelsgeduld erklärte.


    Sie wartete ein wenig daneben, und als sie Sabina außer Hörweite wieder wähnte, beugte sie sich zu Calvenas Ohr hinunter. „Sag... bekommt dieses Mädchen überhaupt keine religiöse Erziehung?“ Die religiöse Bildung war doch das um und auf – besonders in den hochstehenden Kreisen! Sie würde ihrem Vater auf ewig dankbar sein, dass er keine Kosten gescheut hatte, sie gut auszubilden, vor allem in geistlichen Angelegenheiten.

  • Aufmerksam nickte Sabina, als ihre Cousine ihr das Fremde Wort erklärte und auch einmal richtig aussprach. „Also ist es etwas schlechtes...“, sagte sie verstehend und strich sich kurz über das Kleid. Dann lief sie weiter durch den Garten und sah sich die verschiedenen Statuen der verstorbenen Vestalinnen an. Die meisten schauen streng und ernst drein, so als hätten sie im Laufe ihres Lebens keine Freude erlebt. Vor der ein oder anderen Statue blieb sie stehen und ahmte die Mimik und Haltung nach. Das fand sie dann wieder lustig. Kurz zupfte sie sogar zwei Blumen an und steckte sie dann in das leicht verwitterte Marmor. Zwei blassblaue Blüten zwischen dem hellen Stein. Leicht legte sie den Kopf schief, schon sah die Statue etwas freundlicher aus. Kurz überlegte sie alle Statuen auf diese Weise zu schmücken. Hübsch würden sie dann auf jeden Fall aus sehen, aber dann würden wohl alle Blumen im Garten weg sein. Stattdessen sah sie sich weiter um und blieb bei einem kleinen Brunnen stehen.

  • „Aber natürlich!“ lächelte sie Romana zu. Sie würde ihr Versprechen ihr Gegenüber nicht vergessen. Die Claudia war ihr als Freundin wichtig und auch dass sie sich mit Valerian verstand. Sollte sie ihn trotz allem dann immer noch nicht mögen, würde sie eben dafür sorgen, dass die Beiden dann nicht allzu häufig mit einander auskommen mussten. Noch war sie zuverlässig.


    Sie fand den Garten wirklich gelungen, man sah Romana an, dass sie Stolz auf ihre Arbeit war und dass sie mit dieser Aufgabe glücklich ist.


    Nachdem sie Sabina erklärt hatte was ein Prodigium ist, verschwand das Mädchen wieder im Garten und sie konnte sich wieder dem Gespräch mit Romana widmen. „Soweit ich weiß nicht. Ich übernehme das, wenn ich Zeit hab. Aber Sedulus kümmert sich nur wenig darum... er hat es nicht wirklich mit den Göttern und sieht es als so was wie eine lästige Pflicht. Er lässt sich aber auch nicht belehren“, leicht zuckte sie mit den Schultern.

  • Romana lächelte nur und nickte ihrer Freundin kurz zu. Was Calvena versprach, das würde sie auch einhalten, da war sich die Claudierin ganz sicher. Sie blickte noch einmal kurz Sabina nach. Sie war ein so liebes Mädchen, dachte sie sich, und verbiss sich die Aufforderung, die Statuen nicht zu berühren – und vor allem, ihre Blumen nicht zu pflücken! Nur lebende Blumen waren für sie schön und interessant, gepflückter, ihres Lebens beraubter Flora konnte sie wenig abgewinnen. Sie würde hinterher die Blumen halt einfach entfernen. Sabina blieb vor einem der großen Impluvia stehen, die eigentlich gar keine Brunnen waren, sondern nur Wasserbecken. „Pass auf, dass deine Base da nicht reinfällt. Ist recht tief“, gab Romana zu Bedenken und deutete mit ihrem Zeigefinger zu Sabina hin.


    Als Calvena Romana erzählte, wie Sedulus es mit der Religion hielt, blinzelte sie sehr verblüfft. „Ein Senator, der es nicht um die Religion kümmert? Das ist ja... fast so wie eine Vestalin, die sich nicht um Religion kümmert!“ Ein Senator, der seine religiösen Pflichten schleifen ließ, war ein ausgewachsener Skandal (zumindest war sie sich darin sehr sicher). Senator sein war ja immerhin mit vielen religiösen Pflichten und Tätigkeiten verbunden. „Bringt er sich in gar nichts ein? Keine religiöse Vereinigung, keinen Kult, nichts?“, fragte Romana Calvena ziemlich verdattert. „Wie dem auch sei, du solltest bald beginnen, ihr etwas über die Religion beizubringen. Es würde ihr daraus ein Nachteil fürs Leben erwachsen, nichts darüber zu wissen.“

  • Calvena folgte dem Blick der Vestalin und sah wie Sabina sich den Spaß machte die strengen Statuen zu schmücken. Sie musste schmunzeln, sobald der Frühling eingezogen war, würde das Mädchen wohl viele Blumenkränze flechten und sie dann den vielen Statuen in der Casa Germanica aufsetzen. „Ich glaub nicht das sie rein fällt, sie passt auf sich auf!“ beruhigte sie die Claudia, bedeutete dennoch dem Mädchen, dass sie ein paar Schritte zurück gehen sollte. Nicht das doch noch ein Unglück passierte. Dabei fiel ihr auf, dass sie gar nicht wusste, ob die Kleine schwimmen konnte.


    Leicht zuckte sie mit den Schultern, sie hinterfragte nicht die Einstellung ihres Onkels zu den Göttern. Für seinen Seelenfrieden konnte sie wirklich nicht verantwortlich sein. Außerdem war sie nicht ganz so fanatisch in ihrem Wesen wie Romana. In dieser Hinsicht war ihre Freundin schon fast engstirnig. Es gab keinen Zwischenweg in den Augen der Claudia. „Nicht das ich mitbekommen hätte. Das letzte Mal als ich ihn in einem der Tempel gesehen habe, war im Rahmen einer Versöhnung mit den Decimern“, sagte sie und verdrängte ganz eilig die Erinnerung an diesen Tag. Sie hatte Decimus Flavus näher kennen gelernt, als ihr Lieb war.
    „Immer wenn ich etwas Zeit hab, setze ich mich mit Sabina zusammen“, sagte sie und nahm sich vor, den religiösen Unterricht noch etwas mehr auszubauen, damit das Mädchen nicht ganz so unbedarft in die Welt hinaus ging. Sabina musste ja nicht zwingend dem Cultus Deorum beitreten, aber mehr als das bisschen das sie bereits wusste, würde es nicht schaden, wenn sie vertrauter mit den religiösen Pflichten eines jeden Römers war. So würde sie einen Ausgleich zu ihrem Vater darstellen.

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