Heißer Met mit Valgiso

  • Ragin öffnete die Tür zur Taberna. Seine Zähne klapperten ein wenig, denn langsam war ihm die Kälte doch in die Knochen gefahren. Der raum war aber zum Glück war beheizt, wenn auch nur spärlich besetzt. Einen Augenblick muste er daran denken als er das erste mal hier gewesen war. Es war mit Witjon gewesen und sie hatten Ragins Bruder Ratbald hier besucht, der damals die Tische bedient hatte...


    Der junger Germane seufzte leise, ob nun wegen seinen Schmerzen oder der Einnerung wusste er selbst nicht so recht. Er suchte sich einen Platz für sie an der Wand aus. Dort standen teilweise Bänke und die kamen ihm sehr entgegen, wollte er doch sein schmerzendes Bein ein wenig hochlegen. Erschöpft ließ er sich auf die Bank sinken.


    Sogleich wurde er freundlich begrüßt und er bestellte zwei heiße Met. Die würden ihnen gut tun.


    "So Valgiso, ich hoffe dir gefällt die Taberna Silva Nigra. Sie gehört meiner Familie und ich komme eigentlich immer sehr gerne hierher. Wo kommst du eigentlich her. Ich muss gestehen, dass ich deinen Dialekt nicht so ganz einordnen kann. Irgendetwas nördlich von hier am Rhenus. Usipeter vielleicht? Wobei ich einen Usipeter kenne, der klingt doch ein wenig anders."


    Im Gegensatz zu dem was die Römer dachten waren die Germanen natürlich kein volk. Sie sprachen noch nicht einmal eine einheitliche Sprache. Natürlich war es da interessant aus welchem Stamm Valgiso kam.

  • Zitat

    Wo kommst du eigentlich her. Ich muss gestehen, dass ich deinen Dialekt nicht so ganz einordnen kann. Irgendetwas nördlich von hier am Rhenus


    Die Silva Nigra war natürlich - verglichen mit der Barbarorum, wo ich vorgestern meine Suppe gegessen hatte - geradezu eine Nobelkneipe und ich fürchtete schon, dass ich mit meiner einfachen Kleidung auffallen würde, aber dann sah ich zu meiner Beruhigung, dass die Gäste ziemlich gemischt waren. Nachdem wir uns gesetzt hatten, fragte mich Rufus nach meiner Herkunft.


    "Ich komme aus dem Land der Sugambrer an der Siga. Meine Verwandschaft lebt schon seit langer Zeit zwischen Tolbiacum, Bonna, der Siga und der Silva Arduinna. In der Familie wird gallisch und germanisch gesprochen und da hat sich noch nie einer einen Kopf draus gemacht, wir sind da nicht pingelig. Das ist auch in der ganzen Gegend so, fast bis an die Mosella. Bis", ich grinste, "damals Caesar kam; der hat bei dem Durcheinander den Überblick verloren und hat entschieden, dass die Leute rechterhand des Rhenus Germanen zu sein haben und die linkerhand des Rhenus Gallier. Zack! Deshalb bin ein halber Germane und ein halber Gallier. Um das so auszudrücken, wir haben beschlossen, uns alle zu halbieren, sonst hätten wir die Sippe aufteilen müssen". Ich machte eine Handbewegung, die andeutete, dass ich eine gallische und eine germanische Körperhälfte hätte. "Dieser Beschluss wird bei den Treffen der Sippe seit über hundert Wintern immer wieder mit viel Gelächter erneuert, obwohl viele inzwischen Römer sind".


    Dann kam der Met.

  • Dass die eine Hälfte so und die andere so war, war eine lustige Vorstellung. Für sich hatte ragin so etwas nie in Anspruch genommen. Er fühlte sich als Amisvarier, obwohl seine Mutter nicht diesem Stamm angehört hatte. Obwohl seine Familie ja auch mehreren Stämmen angehörte.

    "Ach ein Sugamberer also. Ich bin Amisvarier. Aber meine familie gehört auch mehreren Stämmen an. Im Grunde ist es hier auch ziemlich egal, denn für die Römer sind wir alle die gleichen Germanen...oder Gallier. Wundert mich schon das da ein Unterschied gemacht wird"
    gluckste er vergnügt und trank einen Schluck Met. Das flüssige Gold rann heiß seine Kehle hinab und begann sofort von innen seinen Magen zu wärmen. Dazu der süßliche geschmach-kein Wunder dass der Odroerir das getränk der Götter war.


    "Was hast du denn nun auf deiner Reise erlebt?"


    Er war einfach zu neugierig um noch länger zu warten.

  • Zitat

    "Was hast du denn nun auf deiner Reise erlebt?"


    Ich nahm erst einmal einen Schluck und ließ den heißen Met mein Inneres streicheln. Einen solchen Augenblick sollte man nicht unaufmerksam an sich vorüber ziehen lassen. "Benigne, Ragin, für den guten Einfall, einen Met zu trinken, danke für die Einladung. Die Götter mögen dich belohnen".


    Was die Reise angeht, was ich gesehen und erlebt hatte, ja da musste ich erst überlegen. Es war ziemlich viel und doch wenig, wenn man bedenkt, wie weit ich herum gekommen war.


    "Da bin ich in der CCAA, in Argentorate und sonstwo gewesen, aber was habe ich zu sehen bekommen? Das Innere von Officia und Besprechungsräumen, Zeltlager oder Kneipen, in denen wir übernachtet haben. Ja, Ragin, das ist so, wenn man eine Dienstreise macht. Als Scriba kann man nicht spazieren gehen, sondern muss bereit stehen, falls etwas geschrieben werden muss. Dann steht man irgendwo herum und kann sich nicht vom Fleck rühren, auch wenn einen die Flöhe beißen".


    "Auf der Fahrt zwischen den Orten sitzt man auf einem Wagen und wird durchgerüttelt, dass einem die eigenen Augäpfel um die Ohren fliegen, weil es die hohen Herrn eilig haben. Man sieht dann eine tanzende Landschaft vorüberziehen. Am schlimmsten war es von Mogontiacum nach Confluentes, das war ein richtiges Rattenrennen. In Confluentes habe ich von der Stadt nichts mitbekommen. Das macht aber nichts".


    Ich nahm noch einen Schluck. "Ich kenne Confluentes, dort habe ich angefangen, nach Arbeit zu suchen. Es ist ein Kaff. Das Leben wird dort fast nur von der Garnison, der Ala Numidia bestimmt. Ich habe damals, weil es keine Arbeit gab, auf einem Lastkahn angeheuert, mit dem ich nach Mogontiacum gekommen bin. Deshalb kenne ich jede Meile im Tal des Rhenus zwischen Confluentes und Mogontiacum. Insofern hätte ich auch auf der Fahrt auch schlafen können".
    .

  • Schade dass er so wenig erlebt und gehört hatte. Reisende waren immer die beste Informationsquelle gewesen. Aber als Scriba bekam man wohl wirklich nicht allzuviel mit.


    "Ja ich erinnere mich noch an meine Zeit als Scriba bei Freya Mercurioque. Wobei das eigentlich immer sehr interessant war. Ach wenn mein Vetter gerade bei den Abrechnungen immer sehr streng war."


    Aber das hatte ragin gut getan. Auch deswegen führte er heute seine Betriebe mit relativ großem Erfolg.


    "Schade dass deine Reise nur beschwerlich und so ereignisarm war. Als ich nach Alexandria gereist bin, war eigentlich ständig was los."

  • Zitat

    Schade dass deine Reise nur beschwerlich und so ereignisarm war. Als ich nach Alexandria gereist bin, war eigentlich ständig was los.


    Ich lachte, "Natürlich ist auf jeder Reise viel los. Aber ich meinte etwas anderes: Da bin ich in Bonna, Agrippina, Durocortorum, Argentoratum und Augusta Vindelicorum gewesen. Und was habe ich gesehen davon? Das Innere von Curiae oder Principiae, keine Zeit, mal durch die Stadt zu gehen und mit den Leuten zu sprechen. Das ist eben auf Dienstreisen so. Und es gab viel neues für mich, wenn ich den Verhandlungen des Legaten mit den örtlichen Mandatsträgern zuhören konnte, aber das kann ich hier wohl nicht ausbreiten".


    Ich nahm noch einen Schluck. "Wahrhaftig, dieser Met muss mit dem Segen der Götter zustande gekommen sein! Ja, um auf die Aufregungen einer solchen Reise zu kommen: Da gab es genug. Allein das Geschrei und Gefluche in den mutationes, wenn es drum ging, dass man die besten Gäule bekommen wollte und dann irgendwelche abgehalfterten Mähren bekam. Oder das immer wieder gerne geübte Ritual der Wirtsbeschimpfung in den mansiones, wenn das Essen nicht schmeckte. Wahre Redeschlachten, vor allem die Kelten verdienen da höchstes Lob".


    "Und so drum herum passiert auch das eine oder andere. Kennst du die Geschichte von dem alexandrinischen Optio, der dem Legaten einen Brief überbringen wollte, um seine Kameraden aus dem carcer der Legio II zu befreien?"

  • Ragin hatte sich schon gewundert, dass valgiso nichts erlebt hatte. Nun allerdings klang das schon ganz anders. kein Wunder war der Mann vor ihm ja mindestens doppelt so alt wie er selbst. Wahrscheinlich waren einige Sachen für ihn gar nicht mehr spannend, die Ragin noch begeistern konnten.


    "Nein, davon habe ich nichts gehört. Ist da eine wahre Geschichte, eine lustige oder beides?"


    Der Sugamberer sah ein wenig so aus, als würde er gerne Späße mit Leuten machen, oder ihnen gar einen Bären aufbinden.

  • Natürlich wollte er die Geschichte hören und so begann ich, "Das Ding fing eigentlich schon eine Weile vor der Rundreise an, als in Mogontiacum eine Einheit der legio XXII aus Aegyptus auftauchte, um Pferde zu kaufen. Weil die Jungs aber einen schlampig geschriebenen Marschbefehl dabei hatten, steckte man sie bei der Legio II kurzerhand in den carcer. Davon hast du sicher schon gehört".


    "Daraufhin jagte die von dieser Nachricht alarmierte legio XXII einen Kurier nach Mogontiacium zum Legaten, jetzt aber mit einem korrekten Marschbefehl. Bis sich der Kurier, er hieß Scato, jedoch in Mogontiacum durchgefragt hatte - du kennst das ja vielleicht: 'nein, dafür ist das officium Nummer sowieso zuständig, geh mal den Flur links rauf, die vorletzte Tür rechts ... und so weiter' - hatte der Legat seinen Reisewagen bestiegen und war nach Confluentes abgereist. Dem armen Scato sagte man: 'Wenn du dich beeilst, kannst du ihn dort noch erwischen'. Also schwang er sich auf seinen Zossen und hechelte nach Confluentes".


    Amala, der diensthabende duccische Wachhund hatte mich voll im Blick, weil ich meine Stimme etwas angehoben hatte. Ich machte etwas leiser weiter.


    "Dort angekommen versuchte er, seine epistula dem Legatus zu übergeben, wurde aber von dem Tribun Dragonum aufgehalten: 'Gut, ich werd versuchen, dir einen Termin zu verschaffen, aber vor Morgen wird das nichts!' Und so fand er sich eine Stunde später im Zeltlager vor dem castellum, wo er übernachten sollte".


    "Inzwischen war eine sternklare Oktobernacht hereingebrochen. Bald würde der Chor der klappernden Zähne über den Zelten zu hören sein. Ein ziemlicher Horror für einen, der die ägyptische Wärme gewohnt ist. So saß er, seine epistula in der Tasche, vor seinem Zelt. Ich habe ihn dort gesehen. Wahrscheinlich bohrte sich ihm der schreckliche Gedanke ins Hirn, dass er noch bis Bonna oder der CCAA hinter dem Legaten herhoppeln müsste, um die epistula loszuwerden und seine Kameraden aus dem carcer zu befreien. Oder noch nach Durocortorum oder Argentoratum oder Augusta Vindelicorum ... "


    Ich lachte leise, "Versuch mal, dir das vorzustellen, Ragin. Und sag mir, was du in so einem Fall getan hättest".

  • Oh ja, den Temperaturunterschied zwischen Aegyptus und hier kannte er nur zu gut. Der arme Scato! Und das wo die Römer das germanische Wetter sowieso nicht so gut vertrugen.


    "Also ich habe schon zu lange mit Akten und Briefen zu tun um mir einen schlecht ausgefüllten Marschbefehl andrehen zu lassen." antwortete er altklug.


    "Aber wenn man so ein Ding hat, ist es wie Scheiße an den Schuhen: Schwer wieder loszubekommen! Was ich da gemacht hätte? Schwer zu sagen. Der arme Kerl"


    Er nahm einen Schluck Met um etwas mehr Zeit zu haben eine Antwort zu überlegen. Sicher hatte der Soldat irgendetwas sehr Schlaues getan. Aber Ragin wollte kein genialer Plan einfallen.


    "Ich hab keine Ahnung. Außer sich warm anzuziehen sehe ich da keine Chance an den Legaten heran zu kommen ohne sich noch mehr Probleme zu machen. vor allem wenn man so weit weg von zuhause ist und keine Beziehungen hat. Wahrscheinlich hat er dich gefragt und du hast ihm geholfen. Stimmts?"

  • Zitat

    Wahrscheinlich hat er dich gefragt und du hast ihm geholfen. Stimmts?


    Ich schaute Rufus erstaunt an. "Nein, Ragin, ich habe mit ihm kein Wort gewechselt. Ich hätte ihm auch keinen Rat geben können. Schau, ich bin Scriba provincialis und muss selbst manchmal Leute abfangen, die zum Legaten wollen. Ich weiß, dass man nicht so ohne weiteres zu dem reinspazieren kann. Aber meine innere Stimme, die sonst meistens an mir rumnörgelt, sagte mir, dass ich in diesem Fall auch auf nichts mehr Rücksicht nehmen würde".


    Ich machte eine Pause, um festzustellen, ob der Met immer noch so gut war. Er war. "Siehst du, genau das tat Scato. Er ging hinein und sagte laut zu dem Legaten, dass er eine wichtige epistula zu überbringen habe. Er riskierte damit einen gewaltigen und jenseitsmäßigen Anschiss, den ihm Octavius Dragonum auch stante pede in die Ohren posaunte. Also, Scato ist ein mutiger Mann und er hatte Glück. Dragonum hatte gerade aus Rom ein Schreiben bekommen, das ihn zum Praefectus Legionis XXII in Nikopolis machte. So hatte Scato plötzlich einen neuen Chef, bei dem er sich eben noch unbeliebt gemacht hatte. Der Legatus las die epistula aus Rom und diejenige aus Aegyptus und befahl - ich weiß nicht, wie er sich ausgedrückt hat - aber sinngemäß: 'Macht euch vom Acker und erledigt euer Zeugs'. Die beiden sind jetzt mit ihren Kameraden aus dem carcer und den sagenhaften mogontinischen Pferden auf dem Weg nach Nikopolis".


    "Du warst doch auch mal in Aegyptus, erzähl mal, bist du mit dem Schiff hingefahren? Ich interessiere mich für Schiffe und wie man sie baut. Was war das für ein Schiff, mit dem du da gefahren bist?"

  • Ich merkte, dass ich schon etwas müde geworden war. Also keine gute Idee, Rufus zum Erzählen aufzufordern. Ich hatte ziemlich viel gequasselt und ehrlich gesagt, Rufus war etwas zu zu kurz gekommen, aber das war heute nicht mehr auszugleichen. Ich beneidete Amala, die schon seit einiger Zeit friedlich pennte. Hunde sind eben unverschämt natürlich.


    "Nein", sagte ich zu Rufus, "heute doch lieber nicht. Das machen wir dann, wenn ich dir einen Met ausgebe. Ich danke dir für die gute Idee, dem Winter mit einem heißen Met die Stirn zu bieten. Ich muss aber jetzt baldmöglichst meine testa (Däz, Kopf, Birne, Rübe) in die Kissen betten".

  • "Da hast du Recht. Wenn ich jetzt nicht bald nach Hause komme, bekomme ich von unserem hausdrachen die Teigwalze ins Kreuz. Vielen Dank für die Information und die Geschichte. Wenn du magst kannst du mich gerne mal in der Casa Duccia besuchen kommen. ich bin sicher Witjon, also Marsus, würde ich auch freuen. Und unser Hausdrache ist zwar gefährlich, aber auch eine gefährlich gute Köchin, zumindest wenn man dazu neigt Fett anzusetzen."


    Wenn er sich valgiso so anschaute würde er das sicher zu schätzen wissen...

  • Zitat

    Hausdrache


    Ich grinste über den Hausdrachen, "Ragin, da bist du nicht allein, Hausdrachen gibt es überall, auch da wo du sie nicht erwartest. Schau ich wohne zur Miete bei einem Schuster, er heißt Oualid Sufa und ist Numider. Da ich allein bin, müsste ich eigentlich eine hausdrachenfreie Zone haben. Dachte ich. Aber nicht lange. Sufa hat nämlich eine Frau, sie heißt Mella und ist eine Gallierin. Ich sage dir, eine richtige Xanthippe. Wobei natürlich der arme Sufa den Löwenanteil abkriegt. Aber bei mir kommt auch einiges an. Sie hat sich fest vorgenommen, mir ihre Moralvorstellungen, äh, zu vermitteln und überwacht penibel mein Kommen und Gehen. Den Göttern sei Dank, dass sie nicht schreiben kann, sonst würde sie auch noch eine Anwesenheitsliste führen".


    Ich hätte so noch weiter machen können, weil sich unter den mogontinischen Dächern so manches Wunder verbirgt, beispielsweise auch gute keltische Köchinnen, die einem alleinstehenden Mieter ihre Moralvorstellungen sogar via Kochtopf einflößen wollen. Bei Epona, sie schrecken vor nichts zurück!


    "Also vielen Dank für die Einladung zu einem Besuch bei euch, ich freue mich darauf. Komm darauf zurück, wann du Lust dazu hast und sag deinem Hausdrachen, dass Valgiso in Verlegenheit kommt, wenn man zuviel Aufwand um ihn macht. Oder, halt, das nehme ich zurück; als Gast sollte man keine Bedingungen stellen. Vale und gute Nacht, Ragin".

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