Cursus continuus de substantia philosophiaque musicae

  • Um für Ämter höher als Quaestor (insbesondere Tribunus Plebis/Aedil) kandidieren zu können muss man einen höheren Kurs - zum Beispiel diesen - an der Schola Atheniensis bestanden haben.



    AN DER


    SCHOLA ATHENIENSIS IN ROM


    FINDET FOLGENDER KURS STATT:


    CURSUS DE SUBSTANTIA PHILOSOPHIAQUE MUSICAE


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    IM NAMEN DER HEILIGEN BRUDERSCHAFT DER MUSEN UND DES APOLLON ZU ALEXANDRIA
    wird folgender Kurs angeboten:


    Grundgedanken der Musik


    ENDE DER ANMELDEFRIST: ID FEB DCCCLX A.U.C. (13.2.2010/107 n.Chr.)


    BEGINN DES KURSES:


    ANTE DIEM XV KAL MAR DCCCLX A.U.C. (15.2.2010/107 n.Chr.)



    ABGABEFRIST FÜR PRÜFUNG:


    10 Tage nach Übersendung der Unterlagen


    Bemerkungen:


    Dieser Kurs richtet sich an all jene Männer und Frauen, die die Grundlagen der hohen Kunst der Musik, ihre Technik, ihre Instrumente und ihre Mythen kennenlernen wollen.


    Schwerpunkt des Kurses soll eine Debatte über die unterschiedlichen mathematischen Ansätze sein, insbesondere derer von Pythagoras und Aristoxenos und ihren Lehren. Grundwissen über musikalische Fachbegriffe sowie Mathematik wird vorausgesetzt.




    VORAUSSETZUNGEN:
    Cursus Res Vulgares (CRV) und einmalig einbezahlte Studiengebühren in Höhe von 500 Sesterzen


    Anmeldungen werden hier angenommen!




    Sim-Off:

    Zur Anmeldung ist die Anreise nach Rom erforderlich!









    Sim-Off:


    Inhalt des Kurses ist die Musik der Antike, mit Schwerpunkt auf Altgriechischen Ansätzen. Dazu gehört die Musiktheorie, die Instrumente und die mit Musik verbundene Philosophie. Ebenso wird es Fragen zu Mythen geben, die mit Musik zusammenhängen.


    Der Kurs gliedert sich in einen SimOn- und einen SimOff-Teil.
    SimOn wird eine Vorlesung stattfinden, in der Teilnehmer auch Fragen beantworten müssen.
    Je nach Anzahl der Interessenten soll dieser Teil nicht mehr als 2 Wochen in Anspruch nehmen.


    Am Ende gibt es eine Prüfung mit Fragen, die innerhalb von 10 Tagen beantwortet zurückgesandt werden müssen.
    Beide Teile sind für das Bestehen des Kurses relevant.
    Es ist nicht möglich, einen Abschluss nur SimOn oder nur SimOff zu machen!



    [SIZE=7]Edit: Fehlerteufel[/SIZE]

  • Nur zufällig kam sie an der Schola vorbei und ihr fiel auch sogleich der Aushang ins Auge. Sie machte große Augen und entschied sich dann, sich einzutragen. Auch wenn sie nicht vor hatte als Quaestor zu kandidieren. Vielmehr war es ein persönliches Interesse.


    Sim-Off:

    500 Sesterzen sind überwiesen

  • Und weil Seiana ein Kurs als Ablenkung nicht genug erschien, weil sie das Thema interessierte, und weil sie sich auf die Gelegenheit freute, eine Gelehrte des Museions zu treffen, schrieb sie sich auch für diesen Kurs ein.

  • Der Morgen war noch frisch, klar und kalt. Penelope hatte sich noch immer nicht an dieses nasskühle Klima gewohnt, aber sie beklagte sich nicht. In ihrem edelsten Chiton – dem weißen mit den roten Stickereien aus Seidenfäden – betrat sie den Klassenraum und stellte ruhig und gelassen erst einmal ihre Kithara vorsichtig auf den Tisch. Das Instrument thronte mittig und geradezu unheilsschwanger auf dem dunklen Holz der Tischplatte, als würde es die vier Teilnehmer, die sich gemeldet haben, beobachten wollen. Erst danach wies Penelope den Sklaven an, ihre anderen Utensilien wie Wachstafeln, Papyri und Griffel, auf dem Schreibtisch abzuladen.
    Ganz ruhig und ohne erkennbare Anzeichen von Nervosität wandte sie sich dem Raum nun zu und besah sich ihre 4 Acroatoi kurz und skeptisch. Da war sie ja nun mal gespannt, ob diesen Rhomäern auch der Geist gegeben war, die Kunst der Musik zu begreifen. Denn so einfach das Spiel auch schien, so schwer war seine Theorie und die Grundlage seiner Philosophie. Obgleich die meisten Römer es als leichten Zeitvertreib oder gar nur als Weg, das klappern des Geschirrs beim Essen zu übertönen ansahen, war es für die Philologe weitaus mehr als das. Und sie würde auch nicht zulassen, dass diese Barbaren – denn als Nichtgriechen waren sie das in ihren Augen – diesen Kurs mit solch belangloser Meinung wieder verlassen würden.


    “Mein Name ist Penelope Bantotakis. Ihr seid hier, weil ihr etwas über Musik lernen wollt“ fing sie ohne Umschweife an und eröffnete damit den Kurs. Sie hatte noch nie einen Sinn für freundliches Vorgeplänkel mit Vorstellungsrunden und Austausch der Lebensgeschichte übrig gehabt. Das hier waren Schüler, und sie war die Meisterin. Sie musste von ihnen nicht mehr wissen, als dass sie bereit waren, zu lernen und zu begreifen, und dass sie die Kugel etwa eineinhalb Ellen über ihrem Hintern nicht nur deshalb hatten, damit der Pilos nicht direkt auf den Schultern auflag.
    “Doch was ist Musik? Ist sie Klang? Ist sie Melodie? Harmonie? Eine Abfolge von harmonischen Tönen, die unser Gemüt erheitern? Kunst? Vielleicht Weisheit? Ein Geschenk der Götter, eine Erfindung des Hermes in seinem kindlichen Übermut? Was ist Musik?“
    Sie ließ die Frage einen Moment im Raum stehen, wartete auf Anzeichen der Erkenntnis in den Augen ihrer Schüler. Nur wenige befassten sich wirklich mit der Essenz einer Sache, versuchten, ihr tiefstes, reinstes Wesen zu erfassen. Den meisten genügte die oberflächliche Betrachtung eines Objektes, damit sie sich daran erfreuen konnten. Aber für Penelope war Musik nichts leichtes, das man einfach nur zu genießen brauchte. Und wenn ihre Schüler lernen wollten, mussten sie zuallererst verstehen und begreifen.
    “Zu aller erst, und in ihrer tiefsten Seele ist Musik Mathematik. Sie ist Teil der Ordnung, die unsere Welt in gesetzmäßigen Bahnen hält, ist spürbarer, erlebbarer, fühlbarer Teil des Kosmos. In ihr verbinden sich Kosmos und Chaos zu einer Gesamtheit, die überdauernd und geordnet ist. Sowohl ihre dionysischen Teile wie auch ihre dem Apoll entsprungenen Gesetzmäßigkeiten sind Teile von ihr, und letztendlich sind sie wie ihre Mutter, die Mathematik, Weltsprache, die jeder vernunftbegabte Mensch verstehen sollte.“
    Penelope ließ ihre Worte erst einmal sacken. Sie wusste nicht, inwieweit ihre Schüler ihr überhaupt folgen konnten, hatte sie sie bislang ja nicht zu Wort kommen lassen.
    “Aus diesem Grunde wollen wir uns heute mit ihren mathematisch-philosophischen Teilen befassen. Ich hoffe, dass ihr im allgemeinen Disput über Aristoxenos und Phytagoras Erkenntnis sammeln könnt, so dass euch Verständnis geschenkt werde. So ich dies annehme, werd ich mit euch noch einen Test schreiben. Diejenigen unter euch, die es bestehen, können sich rühmen, wenigstens ein wenig von der Seele der Musik begriffen zu haben.“
    Penelope hatte nicht vor, nett zu ihren Schülern zu sein, und so klangen ihre letzten Worte auch keineswegs lobend, sondern kühl und berechnend, so wie ihre ganze Gestalt kühl und methodisch wirkte.
    "Sind bis hierher Fragen, oder besser, Argumente? Kann einer vielleicht sogar erläutern, was Phytagoras in Bezug auf die Musik auszudrücken versuchte, welche Experimente er unternommen hat, um seine Beobachtungen zu beweisen?"

  • Seiana war schon gespannt auf den Kurs. Sie hatte eine Zeitlang überlegt, ob sie ihn überhaupt belegen sollte, aber mehrere Gründe hatten dann den Ausschlag gegeben. Sie brauchte Ablenkung – es war nicht so, dass sie nicht genug zu tun hätte, aber sie brauchte noch mehr Ablenkung. Von der bevorstehenden Hochzeit, in erster Linie. Je näher sie rückte, desto mulmiger wurde das Gefühl in ihrem Magen. Dann war da der Fakt, dass die Kursleiterin aus Alexandria stammte und eine Abgesandte des Museions war. Und das ließ darauf schließen, dass sie eine Sicht der Musik darlegen würde, die Seiana mehr entgegenkommen würde als das, was die meisten Römer für gewöhnlich darüber dachten. Schweigend saß sie da und nickte nur grüßend, als die Kursleiterin den Raum betrat und sich vorstellte. Und um Seianas Mundwinkel spielte ein flüchtiges Lächeln, als sie gleich darauf direkt anfing, ohne lang herumzureden. Diese direkte Art gefiel ihr, und während ihre Finger leicht mit dem Stylus spielten, mit dem sie sich Notizen machen wollte, lauschte sie aufmerksam der Einleitung. Und spätestens als Penelope an die Stelle kam, in der sie Musik als Mathematik bezeichnete, wusste Seiana, dass sie im richtigen Kurs saß. Mit dieser Herangehensweise konnte sie etwas anfangen, mit Mathematik, mit Ordnung, mit Gesetzmäßigkeiten. Dass sich auch etwas wie Musik auf diese Art darstellen ließ, gefiel ihr. Dass Penelope bei ihrem Monolog kühl wirkte, auf Abstand bedacht schien, störte Seiana nicht im Geringsten dabei, ganz im Gegenteil. Es war in so vielen Fällen einfacher, wenn Emotionen außen vorgelassen werden konnten. Sie neigte sich ein wenig vor und ergriff das Wort, als Penelope geendet hatte. „Es heißt, er hat mit Saiten und Gewichten experimentiert, um feste Größen zu entwickeln – um zu zeigen, dass Musik messbar ist, in Zahlen darstellbar.“ Sie musterte Penelope kurz. „Ist es richtig, dass er rein empirisch vorging?“

  • Nun, offenbar gab es sonst keine weiteren Fragen. Eigentlich schade, Penelope hatte sich schon darauf eingestellt, von wissbegierigen Schülern gelöchert zu werden mit infantilen und unwissenden Fragen, aber scheinbar hatten ihre Schüler großteils beschlossen, diesen Kurs schweigend zu verfolgen. Einzig eine Schülerin traute sich, die Frage der Bantotakin zu beantworten. Knapp und unvollständig, aber was hatte sie schon erwartet? Wenigstens sagte sie überhaupt etwas. Kurz wartete Penelope noch, ob sich vielleicht einer der anderen trauen würde, den Sachverhalt zu vervollständigen, aber offensichtlich war dem nicht so.
    “Das ist nur teilweise richtig. Phytagoras begründete unser Verständnis für die heutige Musik, indem er versuchte, die verschiedenen Tonintervalle berechenbar zu machen, und so den Tönen Zahlen zuordnen zu können, um so seine Lehre der Harmonie zu prüfen. Allerdings stieß er damit auf ein Problem: Wie misst man Musik? Wie kann man qualitativ bestimmen, welcher Ton ein wievielfaches eines anderen Tones ist? Wie kann man so etwas, das man nur über das Gehör messen kann, einer Zahl zuordnen?
    Pythagoras ging so vor, dass er vor allem mit einem Monochord arbeitete. Falls jemand nicht wissen sollte, was das ist...“
    Und da ihre Schüler sich ja bislang größtenteils in Schweigen hüllten, konnte sie deren Wissen nicht abschätzen, “... es ist eine einzelne, über einen Steg gespannte Saite. Dadurch, dass der Steg verstellbar ist, kann man diese Saite also mit Leichtigkeit verkürzen und so andere Töne hervorrufen.“
    Penelope lief ein paar Schritte vor ihrem Schreibtisch herum und blickte dann wieder streng in die Runde.
    “Plato bereits forderte, dass seine Musiktheorie auf mathematischen Grundsätzen zu fußen habe, und diese empirische Vorgehensweise nicht wissenschaftlich genug sei. Doch, wie hätte er anders vorgehen können? Hätte es denn eine andere Möglichkeit gegeben, die Musik messbar zu machen, als über das Gehör?“
    Zu diesem Zeitpunkt der Geschichte hätte sich schließlich noch kein Mensch vorstellen können, dass man einmal Tönen exakt messbaren Frequenzen zuordnen würde können und diese auf einem Oszilloskop darstellbar machen konnte. Das genaueste Instrument, um ein akustisches Signal zu bestimmen, war nach wie vor das Ohr, und das würde sich so schnell auch nicht ändern.


    Auffordernd sah sie in die Menge, hoffte auf eine Reaktion. Egal welche. Sie erwartete ja gar nicht, dass ihre Schüler alles wussten, aber wenigstens Interesse für das Fachgebiet hoffte sie zu finden, dieses Blitzen in den Augen, wenn man ein Problem erkannte und nach einer Lösung suchte. Selbst wenn diese Lösung in einem „Das weiß ich nicht“ letztendlich bestand.



    Sim-Off:

    Ich wollte eigentlich auch auf die anderen Kursteilnehmer warten, aber nicht gar so lange ;) Ich möchte bitte nochmal daran erinnern, dass dieser Kurs nicht rein Sim-Off abgelegt werden kann. Keine Sorge, ich weiß schon, dass die Charaktere nicht alles wissen können und weiß es auch zu beurteilen;) Also, hopp, hopp, posten.

  • An diesem Tage hatte sie schon früh die Casa Germanica verlassen. Sie war bereits gespannt, was sie erwartete. Sie hatte sich ja für einen Kurs an der Schola eingetragen. Ein Kurs über Musik. Sie wusste gar nicht was sie erwarten sollte, war aber gespannt und neugierig. Wenig später fand sie sich mit drei weiteren teilnehmern in einem kleinen Raum wieder, zu ihrer Überraschung fand sie sich mit Aulus Flavius Piso wieder. Sie suchte sich einen Platz möglichst weit entfernt von dem Flavia. Irgendwie liefen sie sich in letzter Zeit häufiger über den Weg. Zuletzt bei ihrer Opferprüfung im Cultus Deorum. Diese Begegnung war ihr noch in lebhafter Erinnerung und lieber ging sie diesem aus dem Weg. Ansonsten kam ihr kein Gesicht bekannt vor.


    Sie legte ihre bestickte Tasche auf den Tisch und wartete dann auf ihre Lehrmeisterin. Wie sie wohl war? Eine griechische Musikerin... Vermutlich streng und immer mit einem festen Blick auf ihr Ziel. Nicht lange ließ diese auf sich warten und trat dann vor die recht kleine Klasse. Ohne viel Federlesens begann diese dann auch, stellte sich knapp vor und stellte eine höchst philosophische Frage: Was war Musik? Für sie war es ein Gefühl und viel mehr. Die Musik war ein Teil ihrer Seele. Irgendwie juckte es in ihren Fingern nach ihrer Lyra zu greifen, aber diese hatte sie wohlweißlich zu Hause gelassen.
    Ihre Augen leuchteten, denn sie war sich sicher richtig in diesem Kurs zu sein. Zumindest glaubte sie es einen Augenblick, denn nun stellte die Griechin ihr eigenes Wissen über die Musik auf den Kopf. Sie musste ernsthaft über deren Worte nachdenken. Noch nie hatte sie Töne, Melodien und Lieder in Zusammenhab mit der geordneten Mathematik gebracht. Für sie war Musik etwas flüchtiges, was sie versuchte einzufangen. Sie konnte Melodien nicht niederschreiben, aber dafür auf Ewig in ihrem Kopf behalten.
    Von Phytagoras und den anderen großen Namen hatte sie keine Ahnung. Mit einem gewissen stellte sie fest, dass sie anscheinend erschreckend wenig wusste. Aber um sie mehr wollte sie lernen, das Wesen der Musik begreifen und sich auf das Neue einlassen. Gespannt hörte sie dann den Ausführungen ihrer Mitschülerin zu. Hier eröffnete sich ein gänzlicher neuer Aspekt für die Musik. Noch ehe sie sich Gedanken darüber machen konnte und eine vielleicht kleinliche Frage stellen konnte, ging es dann auch schon weiter.


    Einige Dinge kamen ihr bekannt vor, denn aus Erfahrung wusste sie, dass wenn man eine Saite verkürzte, ein gänzlich anderer Ton erklang. Aber sie musste sich ehrlich eingestehen sich nie Gedanken gemacht zu haben, warum dies so war. Wie der Ton entstand den sie hörte.
    “Wenn Phytagoras sich also nur auf sein Gehör verlassen konnte, wie alle anderen Menschen, wie wusste er dann, welches der Grundton ist? Wie lang der Steg sein muss um einen Ausgangspunkt zu haben? Oder hat er einfach eine beliebige Länge genommen und einfach bestimmt, dass dies sein Ausgangspunkt ist?“ fragte sie nach und kam sich etwas albern vor, dass sie sich darüber Gedanken machte. Aber sie wollte es nun einmal wissen.


    Sim-Off:

    Sorry ;) Leider übersehen. Verdammte Renovierung :) Aber nun bin ich da

  • Piso hatte nicht auf diesen Termin vergessen, und hatte sich rechtzeitig eingefunden. Der Flavier war natürlich ein musikalisches Genie (dachte er zumindest), doch belegte er den Kurs, damit ihm das auch schriftlich zuerkannt werden würde. Er sah sofort Decima Seiana, die etwas entfernt von ihm saß, und winkte ihr zu. Ob sie ihn gesehen hatte? Er wusste es nicht. Dafür war er sich umso sicherer, dass Aoide ihn sah (denn so bezeichnete er Calvena in Gedanken). Ihre Blicke trafen sich, und Piso lächelte zu ihr hinüber, als ob gar nichts wäre. Auch winkte er ihr ganz leicht, knapp, zu. Er wusste von ihrem kleinen schmutzigen Geheimnis, aber ausposaunen würde er nichts davon. Er hatte ein Versprechen gegeben.
    Dann begann auch schon die Vorlesung. Er lehnte sich zurück und hörte der Griechin zu. Was Musik war? Das wusste er, destillierte Ästhetik! Nur, seine Lehrerin schien da nicht einer Meinung mit ihr zu sein. Mathematik? Nun ja, das eine schloss das andere nicht aus. Gesetzmäßige Bahnen, hmm, das klang verdammt nach Kanzlei, wo er früher gearbeitet hatte. Und es klang auch nach jenem Vigintivirat, welches er zur Zeit absaß.
    Ihre nächste Ansage führte dazu, dass eine Augenbraue bei ihm hochging. Ein wenig von der Seele der Musik begreifen? Hui, das war ja eine böse Frau! Doch sie kannte ihn wohl nicht.
    Die erste Frage wurde von Seiana gestellt, und er hörte genau hin, als die Lehrerin antwortete. Ein Monochord also. Das war ja interessant. Die nächste Frage wurde von Aoide gestellt. Es wunderte ihn eigentlich nicht, dass sie hier war, schließlich war sie ja ein Möchtergernmusikus. Nun, er würde ihr zeigen, wer besser war.
    „Natürlich...“, fing er altklug an, „ging hierbei Pythagoras nach mathematischen Prinzipien vor. Das Monochord ist ein interessantes Instrument, wenn man es betrachtet. Der Grundton ist der, den man bekommt, wenn man die Saite ohne Steg zupft. Ich denke übrigens, dass die Größe des Steges eine zu vernachlässigende Variabel ist, aber ich lasse mich da gerne eines Besseren belehren. Wo war ich? Ach ja. Die Oktave kommt dadurch zustande, indem man die Länge der Saite mit dem Steg halbiert. Und zwar ist es so, dass der Ton, der dadurch produziert wird, um genau eine Oktave höher ist als der Ton, der entsteht, wenn man keinen Steg verwendet. Dazu muss noch gesagt werden, dass der Ton, den man erhält, wenn man die Saite dann noch einmal halbiert, um zwei Oktaven höher ist als der, den man kriegt, wenn die Saite nur halbiert ist. So also lässt sich Musik messen, indem man das Gehör nicht benutzt – anhand von Mathematik. Ein Gehörloser könnte mittels der Lage des Steges die Oktave, die ein Zupfen des Instrumentes ergeben würde, bestimmen.“

  • Seiana grüßte Piso zurück, als dieser den Raum betrat, aber nach dem denkwürdigen Abend im Hause der Pompeier war sie… nun ja… nicht ganz so erpicht darauf, mit ihm in ein Gespräch zu kommen. Sie konnte ihm nicht ewig aus dem Weg gehen, aber sie befürchtete, er könnte sie auf den Kuss mit Axilla ansprechen, und das wollte sie tunlichst vermeiden. Vielleicht lag es daran, dass Piso sich nicht ganz sicher war, ob sie ihn erkannt hatte.


    Als der Unterricht dann losging, war sie zunächst die einzige, die etwas sagte – was, nach einer kurzen Pause, in der jeder schwieg, von der Griechin gleich verbessert wurde. Seiana neigte sich etwas vor. Sie hatte sich nur ansatzweise mit diesem Thema beschäftigt – früher hatten sie es hin und wieder gestreift, in ihrem Unterricht, und jetzt vor dem Kurs hatte sie das ein oder andere gelesen, genug um zu wissen, dass die Zeit, die sie hier vorhatte zu verbringen, keine Zeitverschwendung sein würde. Natürlich reichte es nicht sonderlich tief, das konnte es gar nicht. Aber irgendwie kratzte es Seiana doch ein bisschen an ihrem Stolz und ihrem Ehrgeiz, dass sie so explizit verbessert wurde. Sie hörte zu, was die beiden anderen sagten, und musterte dann Piso, und bei dem, was er sagte, vergaß sie, dass ihr der Kuss nach wie vor peinlich war, den er miterlebt hatte. „Moment“, meinte sie. „Der Ausgangspunkt ist doch, dass Pythagoras nichts hatte, womit er Musik messen konnte. Wäre er gehörlos gewesen, hätte er kaum diese Methode entwickeln können, irgendwie musste er sie ja beurteilen können. Er musste es hören, um es bestimmen zu können – und dem fehlt die mathematische Grundlage. Er hat ausprobiert und zugehört. Dass sich das Ergebnis auf mathematische Art darstellen lässt, heißt nicht, dass die Methode mathematisch ist. Nimm Pythagoras das Monochord weg – wie will er dann die Oktaven bestimmen? Oder gib einem Gehörlosen ein Monochord, dessen Saite länger oder kürzer ist – dann kann er zwar die Oktaven bestimmen, aber er kann nicht die Töne benennen.“ Nein, Seiana erschien das irgendwie unzureichend.

  • Piso hörte zu, als Seiana ihm etwas antwortete. Das mit Axilla und dem Kuss hatte er nicht vergessen, aber er war diskret genug, sie nicht darauf anzusprechen, oder es gar herauszudröhnen. Sie hatte ihm ein königliches Schauspiel geboten, und dafür würde er sicher nicht versuchen, sie aufzuziehen. Auch, weil er damit bei Archi wohl ganz und gar nicht gut ankommen würde.
    „Nun, ich bestreite nicht, dass Gehör sinnvoll ist. Schließlich gibt es Musik nur, weil es Gehör gibt. Wenn wir alle gehörlos wären, würde man nicht einmal wissen, dass es so etwas wie ein Musik gibt. Würde ein Gehörloser ein Monochord sehen und daran zupfen, würde, zumindest in seiner Wirklichkeit, sich gar nichts ereignen.“ Er lehnte sich noch weiter zurück, sofern das auch möglich war. „Du sagst, das Ergebnis lässt sich mathematisch vorstellen... doch das impliziert doch auch, dass das Verfahren eine mathematische Komponente besitzt. Wenn Pythagoras das Monochord weggenommen wird, könnte er noch immer eine Zeichnung machen, auf der aufgezeichneten Saite Striche machen und dort anschreiben, welche Oktave sich ergibt, wenn hier an einem Monochord der Steg befestigt werden würde. Und wenn die Länge der Saite variiert wird – nun, man muss sie mit der Länge der Saite, die Pythagoras verwendete, vergleichen, und berechnen, welche Töne sich auf dieser veränderten Saite ergeben.“ Er hielt inne. „Die Grunddaten jedoch, die grundlegenden Behauptungen, die dieses mathematische System ermöglichen, und auf die es aufbaut, die lassen sich tatsächlich nur durch das Gehör bestimmen. Da hast du Recht.“ Er blinzelte kurz. Ein Gedanke kam ihm. „Oder aber... die Frequenz! Die Frequenz, mit der die Saite vibriert! Diese variiert doch ebenfalls mit der Oktave! Nur, sie lässt sich schlecht messen.“

  • Ah! Penelope war durchaus freudig überrascht, dass ihre Schüler wohl nur anfangs so zögerlich reagiert hatten. Und zumindest einer von ihnen schien sich mit der Thematik schon näher befasst zu haben, wenn seine Rede auch fast darauf schließen ließ, hier einen ehernen Anhänger der Pythagoreer vor sich zu haben. Das könnte im weiteren Verlauf interessant werden.
    Penelope hielt ihre eherne Miene bei und sah sich genötigt, doch noch einmal sich einzumischen. Gerne hätte sie ihren Schülern Zeit für den Disput noch gegeben, denn nur hier entwickelte sich ihrer Meinung nach wirklich Verständnis, wenn man gezwungen war, gelernte Thesen auf Richtigkeit zu prüfen und ihr Für und Wider zu diskutieren. Allerdings schien hier ein prinzipielles Unverständnis aufgekommen zu sein, das sie erst einmal ausräumen musste.
    “Sehr gut. Allerdings kann man die Frequenz nicht bemessen. Wir sehen, dass eine Saite schwingt, aber je höher der Ton ist, umso schneller schwingt sie, so dass wir die Bewegung nicht mehr mit den Augen mitverfolgen können. Und solange uns keine Möglichkeit gegeben ist, dies zu ändern, müssen wir die Frequenz als möglichen Aspekt beiseite lassen. Denn etwas, das nicht beweisbar und reproduzierbar ist, ist nicht wissenschaftlich erwiesen.“
    Penelope wartete kurz, bis sie wieder die Aufmerksamkeit ihrer Schüler hatte, und räumte dann mit der zweiten Sache auf, die hier offenbar zu Verwirrung geführt hatte.
    “Der Grundton als absoluter Ton ist überdies absolut unerheblich. Jeder Instrumentenbauer, jede Stadt, selbst jeder Musikus, hat seine eigenen Kammertöne, auf die er eingestimmt ist. Unser Musiksystem geht nicht von absoluten Tönen aus, das einer Notation einen festen Laut zuordnet.“ Wie sollte das auch funktionieren, wo man Töne doch nicht objektiv und absolut messen konnte? Woher also sollte ein Instrumentenbauer in Sparta wissen, was ein anderer in Lutetia machte? Wie sollten alle Instrumente der Welt auf dieselben Töne gestimmt sein? Das war unmöglich mit den Mitteln, die den Menschen zur Verfügung standen.
    “Unsere Noten, nach denen wir unser Stücke spielen, beziehen sich rein auf die Skalen, nach denen sie gespielt werden. Und eine Skala kann bei einem beliebigen Laut beginnen, wichtig hierfür ist lediglich die richtige Abfolge der Tonschritte, also Ganztonschritte und Halbtonschritte. Nur danach schreiben wir unsere Stücke, nicht nach absoluten Lauten, die überall exakt gleich erklingen müssen. Je nach Stimmlage des Instrumentes oder des Sängers kann ein Musikstück also in seiner Höhe variieren, nicht jedoch in seiner Abfolge.


    Von daher ist vollkommen unerheblich, wie nun der absolute Laut ist, von dem aus wir beginnen. Es ist immer so, dass eine Halbierung der Saitenlänge zur nächsten Oktave führt. Egal, wie lang die Saite zuerst war, halbiert man sie, erhält man eine Oktave höher. Doch was nützen uns Oktaven? Wir benötigen weit mehr Töne.
    Archytas von Tarent hat noch weit mehr Verhältnisse für Saitenlängen errechnet und durch Experiment bewiesen. Kann mir jemand sagen, wie eine Quinte zustande kommt? Oder eine Quarte?“

    Sie war zuversichtlich, dass die Mutige oder der Pythagoreer die Antwort wohl kennen würden, aber vielleicht überraschte sie ja der ein oder andere. Und wenn nicht, gab es sicher noch interessante Beiträge zur Diskussion oder zu dem, was sie eben gesagt hatte.

  • „Das schon“, antwortete Seiana Piso. „Aber wenn Pythagoras von Anfang an kein Monochord gehabt hätte, hätte er auch nichts herausfinden können.“ Nach der kurzen Diskussion, die sich zwischen ihnen beiden entsponnen hatte, schaltete sich die Lehrerin wieder ein, und Seiana wandte sich ihr zu. Die Erklärung mit der Frequenz erschien ihr logisch, die mit dem Grundton jedoch weniger. Natürlich gab es in verschiedenen Ländern verschiedene Instrumente und Systeme, aber die Töne an sich klangen doch gleich… es musste doch möglich sein, einen Ton konkret als Ausgangspunkt festzulegen, und sei es nur für sich selbst. Seiana sagte aber nichts, und Penelope fuhr fort – und was dann kam, relativierte dann doch wieder ein bisschen, was Seiana gerade gedacht hatte. Für ein Musikstück war es die Abfolge der Töne, die eine Rolle spielte, nicht der Anfangston. Seiana lehnte sich ein wenig zurück und grübelte kurz, während Penelope die nächste Frage in den Raum warf. Seiana sah hoch. „Eine Quinte kommt zustande, wenn man die Saite im Verhältnis drei zu zwei teilt, eine Quarte bei einem Verhältnis von vier zu drei. Du sagtest, Archytas habe das durch ein Experiment bewiesen – hat aber Aristoxenos nicht genau das kritisiert, dass Archytas’ Theorie rein hypothetisch war? Und, verzeih, wenn ich noch einmal auf das vorige Thema zu sprechen komme: die mathematische Messbarkeit von Musik, um die es in diesem Kurs geht, bezieht sich also nicht auf eine mögliche Messbarkeit der Töne an sich, sondern nur auf die verschiedenen Abstände dazwischen?“ Was irgendwie unzureichend war, fand sie, aber das hatten sie ja schon zuvor festgestellt, dass in der Musik ganz ohne Gehör nun einmal nichts ging. Sie hätte es nur spannend gefunden, wenn es doch eine Möglichkeit gegeben hätte, den absoluten Ton zu finden – den, der war, und der sich letztlich nicht erst durch sein Verhältnis zu den anderen Tönen definieren musste.

  • Das Piso diesen Kurs machte, hätte ihr eigentlich klar sein müssen. Dieser Kerl hielt sich ja für den besten Musiker aller Zeiten, dass er aber keinen Ton halten konnte, wollte dieser nicht wahrhaben. In ihren Augen war der Flavia ein aufgeblasener Geck und ein Angeber. Sie lenkte ihre Gedanken weg von dem Mann und widmete sich stattdessen der Diskussion, welche nun langsam in Gang kam. Es fiel ihr etwas schwer die Mathematik in Einklang mit Musik zu bringen, aber das was erzählt wurde, war auf jeden Fall logisch und ergab Sinn. Sie nahm sich vor, demnächst einmal die Bibliothek der Casa Germanica um einige Exemplare zu erweitern. Sie wollte mehr wissen über Pythagoras und seine Kollegen.
    Piso jedenfalls, war der Meinung dass es keine Rolle spielte ob der Grieche einen Ausgangspunkt für seine Experimente hatte oder nicht. Sie aber selbst war der Meinung, dass es etwas geben musste, an dem sich alle Musiker orientierten. Sonst würden alle Musikinstrumente anders klingen, aber die Töne waren überall gleich.
    Seiana kam ihr dann zur Hilfe. Sie hatte ähnliche Gedanken wie die Decima. Schließlich mischte sich auch ihre Lehrerin wieder ein. Ein wenig schwirrte ihr der Kopf von all den vielen Informationen.
    „Es geht also um die Darstellung der harmonischen Intervalle durch einfache Zahlensysteme?“ fragte sie nach.

  • Na also, so langsam schien sich Verständnis für die Thematik einzustellen bei den Teilnehmern. Nun, zumindest bei der weiblichen Hälfte. Der Pythagoreer war ja auch mit Feuereifer dabei, nur sein Kollege schien entweder verschreckt oder eingeschlafen zu sein. Penelope war es gleichgültig, sie arbeitete mit dem, was sie hatte. Und das erwies sich eben als formbare Masse, die lernfähig zu sein schien. Zumindest in dem Bereich, in dem ein Rhomäer das eben sein konnte, was ihrer persönlichen Meinung nach ja nicht unbedingt viel war.
    “Das ist Richtig. Architas hat eine Formel errechnet. Mit der man auch immer geringere Abstände zwischen zwei Noten messen kann und harmonische Intervalle bekommt. Allerdings, und hier hat der erwähnte Aristoxenos ihn kritisiert, hat er sich bei der Herleitung seiner Formeln verrechnet.“
    Penelope lächelte einmal kurz, ehe sie wieder ernster wurde und weiter dozierte. “Allerdings kritisierte in Aristoxenos nicht wegen zu wenig Theorie, nein, sondern wegen derer zuviel. Ebenso wie Aristoxenos sämtliche Lehren der Pytagoreer kritisierte, da sie praktisch nur schwer überprüfbar und teils rein mathematische Konstrukte waren. So sachlich Aristoxenos auch in seiner Mathematik, so präzise er in seiner Herleitung und so wohl definiert seine Thesen, so überprüfbar seine Axiome auch waren, so war er doch Empiriker. Und DAS ist es, was er an Pythagoras am meisten kritisierte, das Abrücken von der Erfahrbarkeit, die reine Mathematik über das zu stellen, als was man Musik hören, fühlen und sehen kann.
    So ist der Kritikpunkt mit dem Monochord, den du....“
    Wie hieß die Frau eigentlich? Gleichgültig. “...vorgebracht hast, eigentlich das, was Aristoxenos wohl noch am ehesten zu schätzen gewusst hätte. Wenngleich er die Saitenexperimente als zu ungenau betrachtet hatte.“
    Penelope wandte sich mit dem Rücken an ihr Pult und stützte sich ganz leicht daran ab, um so ihre Füße etwas zu entlasten. Sie konnte zwar stundenlang stehen wie jeder ordentliche Kitharist, aber es versprühte ihrer Meinung nach vielleicht einen Hauch von Lockerheit, den ihre Schüler gebrauchen konnten, um ihre Gedanken zu entwickeln.
    “Und um auf die andere frage zurückzukommen: Ja, es geht darum, wie man harmonische Intervalle messen kann zwischen zwei Tönen. Denn wie wollen wir definieren, was Musik ist, wenn wir nicht von einem Ton zum anderen kommen, und zwar exakt? Wie sollen wir Musik aufschreiben, wenn die Abfolge der Intervalle uns unbekannt ist. Wenngleich wir Töne nicht genau bemessen können, so wollen wir doch die Melodien erhalten und niederschreiben, und das geht nur, wenn wir auf gleichen Skalen musizieren. Folglich ist es bestreben der mathematischen Forschung der Musik, diese Intervalle so exakt wie möglich zu definieren und nachprüfbar zu machen.“
    Penelope hoffte, dass das verstanden worden war. Um nun die Diskussion ein wenig anzustupsen, stellte sie noch eine weitere Frage. Nun würde sich zeigen, ob ihre Schüler nicht nur mitdenken, sondern auch nachdenken konnten. “Aber was ist nun besser? Wie Pythagoras es vorhatte, auf der Suche nach diesem einen göttlichen Ton, dieser 1 unter den Noten, von der Praxis sich zu entfernen, sich zwar von ihr inspirieren lassen, aber letztendlich die reine Mathematik zu suchen? Oder wie Aristoxenos es forderte, sich der Mathematik zu bedienen, um das, was wir erleben können, im Experiment zu beweisen?“



    [Sim-off]So, und da ich nicht sicher bin, ob das bislang verstanden worden ist, hier mal eine recht ausführliche Sim-Off-Erklärung:


    Die griechische Notation kennt keine Tonleitern, so wie wir sie heute kennen. Es war tatsächlich so, dass es lediglich auf die Tonschritte ankam und weiteres nicht notiert wurde. Töne als solches konnten nicht gemessen werden, und man konnte sich zwischen den einzelnen Poleis oder gar in der Römerzeit zwischen den einzelnen Provinzen wegen der langen Reisewege nur schwerlich soweit koordinieren, um etwa alle Instrumente allgemeingültig aufeinander abzustimmen.
    Die griechischen Skalen sind also definitiv nicht so zu verstehen wie die heutigen Tonleitern. Während in unserer Neuzeit einem „a“ eine feste Tonfrequenz zugeordnet ist, die diesen Ton eindeutig als die Note a identifiziert, ging dies für antike Musikstücke nicht. So war es also tatsächlich so, dass jedes Instrument leicht anders klang. Je nach Größe des Klangkörpers und der Beschaffenheit der aus Darm hergestellten Saiten hatte jede Kithara und jede Lyra einen einzigartigen Klang. Es ist zwar anzunehmen, dass innerhalb von einzelnen Städten dieselben Töne als Kammertöne hergenommen wurden, das ist aber nicht zwingend so gewesen.
    Am besten vergleichen kann man das wohl mit dem Gesang eines Chores, der ein Lied gemeinsam singt. Da singen die Bassstimmen auch tiefer als die Sopranstimmen, also rein faktisch andere Noten, aber dennoch singen beide Stimmlagen dieselbe Melodie.


    Die Notation der Griechen ist also nicht mit unserer heutigen Notation gleichzusetzen. Es gibt zwar durchaus eine Notenschrift (die aus Buchstaben bestand und wahrscheinlich Abkürzungen war für die Namen der einzelnen Saiten. Mit dem Fall des Römischen Reiches ging das Wissen über das exakte Lesen dieser Notenschrift verloren), aber die ist nicht zu vergleichen mit den heutigen Noten nach dem Violinschlüssel auf den fünf Linien.


    Die Festsetzung der Noten nach Linien entstand erst mit Guido von Arezzo, einem Mönch im 10.-11. Jahrhundert. Für die (gregorianischen) Chorgesänge gab es bereits eine C-Linie und eine F-Linie, die im Grunde nur die Halbtonschritte kennzeichneten (ein Halbton unter C liegt H, ein Halbton unter F liegt E). Dieser fügte er zwei weitere Linien hinzu und einen Notenschlüssel, um das ganze System übersichtlicher und genauer zu machen. Allerdings waren selbst da noch Töne nicht so absolut wie heutzutage.


    Wirklich absolute Messbarkeit und Objektivität brachten Stimmgabeln, die allerdings erst 1711 erfunden wurden. Mit deren Hilfe – da sie leicht nachzubauen und handlich waren – konnten so Instrumente in einem größeren Radius aufeinander abgestimmt werden. Allerdings gab es selbst da dann noch von Hof zu Hof verschiedene Kammertöne, nach denen die Instrumente gestimmt waren.


    Endgültig bestimmt, dass ein „a“ einer exakten Tonfrequenz von 440 Hertz bei 20°C entspricht (und damit einen allgemeingütligen Kammerton) hat übrigens erst eine internationale Stimmtonkonferrenz 1939 (International Federation of the National Standardizing Associations in London, wer es exakt wissen mag), und für die EU bestätigt wurde das ganze erst 1971. So alt ist die exakte Messung von Tönen also noch gar nicht, und die von uns so gewohnte Nachspielbarkeit von Musikstücken, die überall auf der Welt gleich klingen ebenfalls nicht.
    [/simoff]

  • Hmm. Tatsächlich war er im Nachhinein verwundert, wie dogmatisch sich seine Worte angehört hatten. Doch er gefiel sich in dieser Rolle, als Musikgelehrter! Ja, der kleine Besserwisser, der in jedem Menschen steckte und bei Piso doch leider ein bisschen stärker ausgeprägt war wie bei anderen, erstand in ihm auf. Alleine seine Sturheit würde dafür sorgen, dass er den bereits eingeschlagenen Kurs konsequent fortfuhr, wenn auch nur als Teufelsadvokat. Er hatte aufmerksam zugehört, dann und wann genickt, gelegentlich auf eine Notiz auf der Wachstafel vor ihm gemacht. Auf Seianas Worte hatte er nur die Achseln gezuckt und dann beistimmend genickt – er wollte es sich mit der Verlobten seines besten Kumpels dann doch nicht verscherzen. Auch, weil sie einen Punkt, den er gemacht hatte, quasi reiterierte.
    Als er wieder aufschaute, stockte er kurz. Das da vorne, war das nicht sein Saufkumpel Saturninus? Leider saß jener vor ihm, sodass Piso sich jetzt nicht bemerkbar machen konnte. Er würde warten, bis dieser Kurs zu Ende war, um mit dem Iulier zu reden.
    Hmm!“, machte der Gernegroß-Pythagoreer, als die Frage gestellt wurde. Er fühlte sich auf einem etwas schwerem Stand. Die Frau vor ihm hatte sich gerade wohl als überzeugte Anhängerin des Aristoxenos entpuppt. Aber für einen Anwalt sollte das doch zu schafen sein! „Man kann sagen, dass beide Parteien valide Ziele haben. Aristoxenos sagte, die Wissenschaft der Musik kommt ohne Töne nicht aus, Pythagoras sagte, man kann sie komplett abstrahieren. So kann man mit Pythagoras‘ Methode quasi musikalisch sein, ohne Musik zu machen...“ Das war geradezu genial, wieso war ihm das noch nicht gekommen? Musik auf dem Papier machen... großartig. „Tatsächlich, meiner Meinung nach, könnten einige die Theorie dieses göttlichen Tones auf eine Frage des Geschmackes reduzieren.“ Er hielt inne und grübelte weiter. „Doch so kommt man nicht weiter. Es bedarf einer sorgfältigen Überprüfung der Musik als ästhetische Disziplin. Wieso nicht durch die Mathematik?“ Piso war der Meinung, es gab nur eine Ästhetik, und zwar zufälligerweise die, die er kannte. Alles andere, das waren die Abweichungen von Banausen. Dieser Kurs hatte ihm jetzt den Floh ins Ohr gesetzt, dass seine Vorstellungen auch einer mathematischen Überprüfungen stand halten würden. Ha, denen würde er eine mathematische Formel unter die Nase halten...
    Konzentrieren, Aulus, konzentrieren. Er atmete tief durch. „Ich bin mir sicher, ein Blick in die Abstraktion würde ein brauchbares Resultat erreichen. Doch, wie man damit beginnen sollte, da bin ich mir nicht sicher.“ Dazu müsste er länger nachdenken. Er war ja nicht Superma... Verzeihung, Hercules, dass er alles auf Anhieb konnte.

  • Bisher hatte sie noch nie Melodien nieder geschrieben. Dass es überhaupt eine Möglichkeit gab, hatte sie nicht gewusst. Hier eröffneten sich neue Wege, die sie nicht für möglich gehalten hatte. Schweigend lauschte sie den Ausführungen von Penelope und machte sich dabei ihre eigenen Gedanken. Die Grichen hatten sich anscheinend viel mehr Gedanken gemacht über das Wesen der Musik, als andere Kulturen. Das wunderbare an Musik war, dass man nicht unbedingt Worte brauchte um sie zu verstehen. Mittels Musik konnte man so vieles Ausdrücken: Gefühle, Gedanken… Musik war eine universelle Sprache, die man anscheinend mit Hilfe der Mathematik sogar niederschreiben konnte.
    „Ich glaube man braucht sowohl die Praxis, als auch die Theorie. Mit Hilfe von Experimenten kann man seine Thesen überprüfen und notfalls korrigieren. Was bringt uns eine gut ausformulierte These, wenn sie doch falsch ist. Man müsste einen Kompromiss finden“, gab sie zu bedenken. „Die Mathematik könnte es uns leicht machen, die Intervalle zu berechnen, doch eine Überprüfung ist notwendig. Auch wenn man sich dann nur auf sein Gehör verlassen kann.“

  • Seiana schwankte hin und her. Einerseits wusste sie durchaus, hatte es ja selbst angemerkt, dass Musik nur dann wirklich messbar wurde, wenn man sie hören – und damit erfahren, erleben konnte. Andererseits fand sie allerdings den Ansatz, rein mathematisch vorzugehen, höchst spannend. Wobei sie allerdings nicht ganz begriff, was Penelope genau meinte – Seiana hatte ja genau das angemerkt, dass Aristoxenos eben kritisiert hatte, Archytas’ Theorie sei rein hyptothetisch gewesen, ohne jedes Experiment. Sie war nur irritiert gewesen, weil die Griechin selbst zuvor von einem Experiment gesprochen hatte. Darüber hinaus schien Penelope eher dazu zu tendieren, die Variante mit den Experimenten, mit der Erfahrbarkeit von Musik, vorzuziehen – wohl kein Wunder angesichts der Tatsache, dass sie selbst Musikerin war, jedenfalls wenn das Instrument vorne einen Schluss darauf zuließ. Seiana teilte ihre Ansicht insofern, dass wohl ohne Experimente, ohne das Gehör, keine Bestimmung von Tönen möglich war. Und trotzdem… konnte sie sich nicht der Faszination erwehren, die der Gedanke eines göttlichen Tons in ihr auslöste. Eines einzigen Tones, der mathematisch exakt zu bestimmen war, ohne ihn hören zu müssen. Der einfach war. Fest und unverrückbar. Das Leben wurde einfacher, berechenbarer, wenn man so etwas hatte. „Ich weiß nicht. Ich habe es ja bereits gesagt, dass ich bezweifle, dass man ohne Gehör, ohne Experimente weit kommt. Allerdings finde ich die Idee eines göttlichen Tons äußerst ansprechend. Man sollte die Suche danach nicht aufgeben, und falls ein solcher Ton existiert, dann ist er nicht durch Experimente zu finden, sondern nur durch Mathematik.“ Sie lehnte sich vor. „Ich denke, so wie du es gerade dargestellt hast, haben Pythagoras und Aristoxenos einfach zwei verschiedene Ansätze, die sich per se schon nicht vergleichen lassen. Wenn Pythagoras auf der Suche nach dem göttlichen Ton war, wie du sagst, und Aristoxenos das nachweisen wollen, was wir erleben, was wir hören, dann hat beides sein Berechtigungsdasein, lässt sich aber nur schwer miteinander vergleichen. Vergleichen lässt sich nur das, was dabei herauskommt – inwiefern sie Musik messbar, in Zahlen darstellbar gemacht haben.“

  • Sim-Off:

    So, der offizielle Teil ist rum, ihr könnt aber gern noch weiterdiskutieren, allerdings ohne mich. Ich hoffe, ihr habt was gelernt und ich war nicht zu verwirrend :)
    Die Fragen bekommt ihr vom Actuarius gleich noch zugesandt, ihr habt dann Zeit bis zum 08.03.10 um 24:00 Uhr die Antworten zurückzuschicken. Viel Glück und viel Spaß


    Bedächtig lauschte Penelope allen Antworten. Der Phytagoreer verteidigte ganz seine Linie, brachte noch die Idee ein, dass Ordnung und Ästhetik wohl gleichzusetzen warne. Gewiss lag er da ganz auf einer Wellenlänge mit einigen Philosophen, die auch Schönheit durch Einfachheit und Klarheit definierten.
    Die jüngere Frau suchte einen Kompromiss zwischen zwei gegensätzlichen Theorien, und Penelope wäre gespannt gewesen, zu erfahren, wie sie sich den vorgestellt hätte. Den goldenen Mittelweg zu finden hatte schon die Geschichte des Ikaros gelehrt, allerdings war selbst in dieser Geschichte dem Helden das nicht möglich gewesen.
    Die Mathematikerin schließlich schien fasziniert von diesem universellen Ton, von dem aus man alle weiteren Töne ableiten konnte, und sah, ähnlich wie der Phytagoreer, die Lösung dieses Problems in der Mathematik.
    Penelope lächelte leicht vor sich hin und nickte dann überlegend.
    “Sehr gut. Ja, jede Methode hat ihre Vorteile und ihre Kritikpunkte. Letztendlich scheitert alle Mathematik an der Beweisbarkeit, und alle Experimente an ihrer Definierbarkeit durch die Mathematik. Was uns bleibt, ist in jedem Fall die Erkenntnis, wie man Töne mit unseren Mitteln bestimmen, messen und quantifizieren kann, wie man ihre Relationen zueinander darstellen kann und ihre Intervalle harmonisch und reliabel berechnen kann. Mit diesem Wissen ist es uns schließlich möglich, im Vornherein unsere Musik zu planen, unsere Instrumente auszurichten, ohne, dass wir dafür erst probieren müssen. Wer weiß, vielleicht gibt es eines Tages Instrumente, die allein auf den Regeln von Ganz- und Halbtonschritten diese Gesetze versinnbildlichen, so dass jedermann diese klaren Regeln der Schönheit sehen kann. Selbst, wenn er sie nicht begreift*“
    Penelope strich einmal sacht über die Saiten ihrer Kithara und lies damit zum ersten Mal seit beginn dieses Kurses Musik erklingen.
    “In jedem Fall ist die Wissenschaft der Musik nichts abgeschlossenes oder totes. Wie jede Mathematik entwickelt sie sich weiter. Man kann gewiss nicht alle Theorien vereinen, aber man sollte sie in jedem Falle alle kennen, um ihre Stärken und Schwächen zu begreifen. Das möchte ich euch bis zum nächsten Unterricht** mitgeben und euch bitten, jedwede Theorie gleichzeitig offen und kritisch zu prüfen. Denn nur so lernt man.“


    Und damit entließ sie ihre Schüler und hoffte, dass diese wenigstens ein bisschen Weisheit aus ihren Worten ziehen konnten.





    Sim-Off:

    * Man sehe sich hierzu die Klaviatur eines Tasteninstrumentes an^^
    **Die nicht stattfindet, dafür gibt’s nen Test *gg*


    Abschließend möcht ich mich noch bei allen Beteiligten bedanken für die gute Zusammen- und Mitarbeit.

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