Zwillinge allein unterwegs

  • Während die eine Schönheit sich in ihr graziles Schweigen hüllte, war die andere recht schnell rot angelaufen. Dies verriet sie und die erfahrene Männerschar fing an ein wenig zu grinsen. Sie mussten wirklich schüchtern und unerfahren sein, so dass die jungen Männer diese Gelegenheit beim Schopfe packten.
    Cornelius Cato war dann auch der Erste: "Schau sie dir nur an, Manius! Ebenbilder der Venus!", und schubste den Aemilier leicht in die Seite, während sich jener erstaunt an den Kopf fasste: "Sagt mal, seid ihr Nymphen? Man hört nur von ihrer Schönheit, aber zu sehen sind sie selten."
    "Ihr seid die ersten Nymphen, die ich sehe.", antwortete sofort Caius Servilius, der jüngste Sohn des illyrischen Statthalters. Darauf stieß Valerius Naso ein Kopfschütteln aus. "Nein, keine Nymphen, es sind die zu Fleisch gewordenen Tränen der Venus höchstselbst! Seht nur diese Vollkommenheit!"
    Und Claudius Brutus grinste nur, bevor er sich an seine Meute wand.
    "Männer! Nun hört aber auf. Wo bleiben unsere Manieren?", wogleich er sich zu den beiden Schönheiten drehte und gekonnt mit einem freundlichen Nicken die Vorstellung begann: "Ich bin Lucius Claudius Brutus, der Sohn des Senators Claudius Menecrates und der Enkel des Claudius Restitutor, dem großen Praetorianerpräfekten und Beschützer des Reiches!"
    Dann fuhr der Cornelier fort: "Mein Name ist Aulus Cornelius Cato der Jüngere, Sohn des Senators Cornelius Cato. Ich bin frisch gewählter Vigintivir."
    Dem schloss sich der Aemilier an: "Manius Aemilius Galba, Sohn des Kommandeurs der Legio IX, Senator Aemilius Catulus!"
    Nun war Caius Servilius an der Reihe: "Caius Servilius Lartius, Sohn des Servilius Lepta, dem Statthalter von Illyrien."
    Und zum Schluss kam auch der Valerier: "Appius Valerius Quirinus, Sohn des Senators Valerius Achaicus, dem Pontifex und Enkel des berühmten Valerius Aggripinus!"


    "Habt auch ihr einen Namen? Vielleicht gar wirklich Venus, Nymphe oder Aphrodite?", fragte anschließend Brutus mit einem leichten Lächeln. Die Schönheit der beiden Frauen wirkte natürlich in übermäßigem Maß bei den jungen Männern, welche zudem noch stark angeheitert waren, da man sich vor dem Umzug in die Taberna den ein oder anderen Wein hatte genehmigt. Den Kommentar der anderen Schwester überhörte er geflissentlich. So tief hatten sie dem Bacchus nun auch wieder nicht gehuldigt - noch nicht zumindest!


    edit: Ein bisschen was ergänzt, da nicht aktualisiert

  • Die Zwillinge wurden mit Schmeicheleien überschüttet. Sie wurden mit Venus und Nymphen verglichen. Flora hatte das Gefühl gerade ziemlich veralbert zu werden. Ihre Verlegenheit legte sich so schnell wie sie gekommen war und wich einem eher genervten Ausdruck. Wie konnte man sich in aller Öffentlichkeit nur so daneben benehmen? Die jungen Männer waren eindeutig allesamt angetrunken und nun wurden ausgerechnet die aurelischen Zwillinge Ziel ihres Übermutes. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter, die beiden Sklaven, welche sie begleitenden warteten nur auf ein Wort um die dreisten Kerle des Weges zu weisen. Doch noch fühlte sie sich nicht bedrängt. Trotz allem hielten die jungen Patrizier höflich Abstand.
    „Eindeutig spricht Bacchus aus ihren Worten“, sagte sie an ihre Schwester gewandt. So viele Schmeichelein waren dann doch zu viel des Guten. Ihre Miene wurde abweisend und auch leicht hochnäsig. Mit leichter Verachtung kräuselte sie die Nase und musterte jeden Einzelnen kritisch. Endlich besannen sie sich und stellten sich einer nach dem anderen vor. Berühmte Namen prasselten auf sie nieder, doch zeigten sie sich wenig beeindruckt. Schließlich stammten sie auch aus einer vornehmen Familie. Es war eindeutig dass sie versuchten Eindruck zu schinden, aber da hatten sie wohl nicht die Rechnung mit der Erziehung ihrer Mutter gemacht: Eine Dame hatte stets unnahbar zu sein. Und an diesen Leitspruch hielt sie sich nun. Ihre Mutter hatte schließlich gewusst worüber sie sprach und hatte ihre Töchter auf genau solche Momente vorbereitet.
    „Wir sind Aurelia Flora und Aurelia Narcissa, Töchter von Barrius Aurelius Scipio“, stellte sie sich kühl vor, wenig beeindruckt von den aufdringlichen jungen Männern. Sie wandte sich an Narcissa und hackte sich bei ihr unter. „Komm wir setzen unseren Bummel fort“, sagte sie dann knapp und servierte die Männer elegant ab. Synchron reckten beide das Kinn in die Höhe und marschierten dann ohne den Claudia und seine Kumpanen noch eines Blickes zu würdigen, einfach weiter. „Du meine Güte… wie kann man nur so betrunken sein?“ wisperte sie ihrer Schwester dann fast lautlos zu.

  • Das anfänglich Amusement schlug allmählich in eine gewisse Genervtheit um, und folgte dabei Floras Gefühlsumschwung. Die Zwillinge kamen eben doch aus dem gleichen Haus, hatten die gleiche Erziehung genossen. Natürlich mochten sie Komplimente, aber diese jungen Männer waren einfach nur taktlos und unverschämt - was fiel ihnen ein so mit einer aurelischen Tochter zu sprechen?! Sie folgte Flora daher empört. "Langeweile, vielleicht...oder Geltungssucht...Jedenfalls scheint er mir der Claudier nicht würdig zu sein...", wisperte sie ihr zu. Selbst noch jetzt war die junge Männerschar noch hinter ihnen zu hören. Und hoffentlich würden sie nicht auf die Idee kommen, ihnen zu folgen.

  • Als die Damen ihre Namen nannten, fingen einiger der Patrizier an recht joviale Bemerkungen zu machen.
    Dies waren wahrhaftig neue Frauen und was für welche! Sofort wollte der vor Ruhmesglück geradezu triefende Cornelius ungeniert ein Angebot darbringen, als ihn Brutus in die Seite stieß und den beiden Grazien hinterher eilte.
    "So wartet doch, nicht so hastig.", meldete er sich zu Wort, als er nur einige Schritte von ihnen entfernt war.
    "Ich möchte mich für unser aller Auftreten entschuldigen. Ihr müsst wissen, mein guter Freund Cornelius Cato wurde vor recht kurzer Zeit zu seinem ersten Vigintivirat gewählt und wir haben ein wenig gefeiert - vorhin.", versuchte er die Misere, die nun augenscheinlich vor ihm dalag, ein wenig in ein besseres Licht zu rücken.
    "Daher geben wir ihm heute zu Ehren eine kleine Festivität in der Villa Claudia. Ich, nein, wir alle, würden uns sehr freuen, wenn zwei so anmutige und erhabene Grazien unsere Gesellschaft heute Abend bereichern würden. Ihr seid herzlich eingeladen.", sprach er mit einem leichten Lächeln und wartete auf die Reaktionen der Schwestern.

  • Zielstrebig steuerte sie einen Stand mit Schmuckstücken an. Gold und Silber und Edelsteine in allen Farben schillerten in der winterlichen Sonne. Mit einem zurückhaltenden Lächeln begrüßte sie der Händler. Dieser hatte das Schauspiel zwischen den jungen Damen und den angetrunkenen Männern mitbekommen. Im Gegensatz zu den jungen Männern behandelte er die beiden Aurelia mit Respekt und Höflichkeit und auch mit einer gewissen Zurückhaltung. Floras Blick wurde sogleich von einigen silbernen Armreifen angezogen, Lapislazuli war zu kleinen Blumen eingearbeitet worden. Mit einem vielsagenden Blick hielt sie ihrer Schwester das Schmuckstück unter die Nase. Es passte zu ihr, doch ehe Narcissa ihre Meinung dazu äußern konnte, wurden sie erneut von den jungen Männern umringt. Wieder kräuselte sie die Nase und wirkte nun verärgert. Die Beiden Leibwächter bauten sich demonstrativ neben den Zwillingen auf.
    Wortreich entschuldige sich der Claudier für das Fehlverhalten seines Freundes. Aber wirklich besänftigt war sie nicht, denn die Blicke die auf ihnen ruhten, waren doch mehr als eindeutig.
    „Wir gratulieren Deinem Freund für seine gewonnene Wahl“, sagte sie höflich, aber ziemlich diplomatisch. Ganz Tochter ihrer Mutter. Diese würde Luftsprünge machen, wenn sie sah, wie ihre Erziehung soebensich durchsetzte.
    Und die Einladung zu einer kleinen Feier erfüllte sie nicht gerade mit Begeisterung. Sonst war sie ja für jeden Spaß zu haben, aber sie waren noch nicht lang in Rom und ihr Bruder wäre sicherlich nicht begeistert, wenn sie fast völlig allein im Kreise von übermütigen Männern feierten. Kurz tauschte sie mit Narcissa einen kurzen Blick, ehe sie bedächtig den Kopf schüttelte. „Deine Einladung ehrt Dich, aber wir müssen ablehnen!“ sagte sie höflich. „Unsere Verwandten dürfte es gar nicht gefallen, wenn wir ohne jegliche Begleitung uns jungen Männern anschließen, welche wir gerade erst kennen gelernt haben.“ Mit Begleitung meinte sie eine Matrone, welche die jungen Damen nicht aus den Augen ließ und auf deren Ehre achtete.

  • Kokett nahm Brutus die Gratulation für seinen Freund selbst entgegen und bedankte sich mit einer angedeuteten Verbeugung, die vielmehr einem Kopfnicken glich. Verbeugen würde er sich schließlich niemals, auch nicht unter Folter.
    Gerade wollte er anmerken, dass die Verwandten von einer solchen Einladung ja nicht unbedingt in Kenntnis gesetzt werden mussten, als ihm diese forsche Antwort doch selbst missfiel. So wie die beiden vor ihm instruiert und den gesellschaftlichen Konventionen angepasst waren, würden sie diese Antwort sicherlich mehr als nur missbilligen. Der Claudier hatte ein Ziel und dafür mussten, spätestens nun, Zugeständnisse gemacht werden, die er eigentlich nie zu machen pflegte.
    "Es spricht nichts dagegen, wenn junge Damen in Begleitung einer Matrone oder eines Bruders, Onkels, einem anderen Verwandten von hoher Integrität diesbezüglich, zu einer solchen Festivität begleitet werden.", antwortete er daher in leicht säuselndem Tone und missachtete geflissentlich die zuvor ausgesprochene Ablehnung. Er missachtete sie nicht nur, er akzeptierte sie vielmehr nicht. Solche Nymphen in den Räumen der Villa Claudia waren selten und er würde auf vieles verzichten können, nur nicht auf solche Trophäen. Außerdem erwarteten die Männer, welche in einiger Entfernung auf das Ergebniss warteten, viel von ihm. Eine Enttäuschung war also nicht hinzunehmen.
    "Es wird sehr amüsant, wir haben Tänzer, gute Schauspieler und erlesene Speisen. Zudem bin nicht nur ich als Gastgeber, sowie meine Freunde dort anzutreffen, sondern ebenfalls andere Männer und Frauen unseres Standes. Eine geschlossene und erlesene Gesellschaft sozusagen."
    Dies müsste, so hoffte er, doch ausreichend sein, um genügend Interesse zu erwecken.

  • Der Claudier ließ sich nicht abwimmeln, stattdessen versuchte er nur noch hartnäckiger die Zwillinge davon zu überzeugen, sich ihm und seinen angetrunkenen Freunden anzuschließen. Irgendwie war es schon verlockend an so einem kleinen Fest teil zu nehmen, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass es hier nicht wirklich um ihre Gesellschaft ging, sondern dass man womöglich noch einige andere Erwartungen an sie hatte. Unsicher drückte sie Narcissas Hand und schüttelte dann vehement den Kopf. „Wir können nicht“ sagte sie diesmal mit wesentlich mehr Nachdruck. Das sie wie ihre Mutter dabei klang, bekam sie nicht mit. Aber sie hatte ebenfalls immer diesen Ton der Ablehnung perfekt beherrschte. Eine spur von Arroganz hatte sich ebenfalls in ihre Stimme geschlichen. Er vermittelte so viel wie, dass es keine Möglichkeit gab sie vom Gegenteil zu überzeugen.
    „Vielen Dank für die Einladung, aber Nein Danke!“ fügte sie ihren Worten dann noch hinzu. „Und nun müsst ihr uns leider entschuldigen. Wir werden zu Hause erwartet. Valete, meine Herren. Man sieht sich sicher bald wieder!“ erklärte sie und beendete den Einkaufsbummel in dem sie Zielstrebig den Weg zur Villa Aurelia einschlug. Narcissa hatte sie immer noch an der Hand und die beiden Custodes folgten ihnen mit einem leisen zufriedenen Grinsen auf den Zügen.
    „Wir werden mal Manius nach diesem Claudier fragen!“ flüsterte sie ihrer Schwester leise zu.

  • Auch Narcissa stand dieser Einladung mit gemischten Gefühlen gegenüber. Einerseits war sie wirklich neugierig - andererseits schreckte sie das Verhalten der jungen Herren ab. Wenn sie ihnen jetzt schon so hartnäckig folgten, was würde dann erst sein, wenn sie deren "Territorium" betraten? Da mochte der Claudier noch so vehement versprechen, dass auch noch andere Männer und Frauen ihres Standes anwesend sein würde. Worte waren nun einmal Schall und Rauch. Wie froh war sie doch, dass ihre Schwester das Reden übernahm. Sie konnte mit solchen Situationen weit aus besser umgehen, auch wenn sie die leise Unsicherheit Floras spürte, die unter deren Oberfläche brodelte. Nach außen hin war sie absolut souverän. "Valete", verabschiedete auch sie sich höflich, mit einem Hauch von entschlossener Arroganz. Zu Schade, dass die Herren ihren Einkaufbummel so frühzeitig beendet hatten....
    "Das hast du gut gemacht!", lobte sie ihre Schwester und drückte ihre Hand..."Mich würde auch interessieren, was Manius von ihm weiß..."Nicht, dass sie nicht ahnen konnte, was sie da zu hören bekämen...Zielstrebig, aber nicht eilend, überquerten die beiden den Markt und nahmen eine der Straßen in Richtung der Villa Aurelia...

  • Wenn es etwas gab, was Narcissa und Flora nicht ausstehen konnten, dann war es wie eine Sensation oder wie eine Trophäe vorgeführt zu werden. Genau diese Befürchtung hatte sie, wenn sie der Einladung nachgeben würden. Sie war kein Ding, sie war eine Aurelia und als solche musste sie sich nicht alles gefallen lassen. Auch nicht von Patriziern, die glaubten, sie seien leichte Beute nur weil Rom für sie noch ungewohntes Pflaster war. Wie gut, dass ihre Mutter sie auf solche Situationen vorbereitet hatte. Das Näschen in die Höhe gereckt, spazierten sie zielsicher durch die Straßen und Gassen. Sie schaute nicht einmal zurück, auch wenn sie gern gesehen hätte, was für ein Gesicht der Claudier ob ihrer so resoluten Absage machte. Schnell waren sie mit der Menge verschmolzen und nur wenig später dann auch zu Hause angekommen…

  • "Valete.", sprach der Claudier wie im Delirium, als sie ihn einfach so stehen ließen. Einige Augenblicke war er gänzlich in der Irritation verloren, ehe er sich wieder besinnte.
    Was war da nur geschehen? Brutus konnte es nicht fassen, sie ließen ihn einfach so stehen. Ihn, den Neffen des Macrinus. Auf so etwas war er nicht gefasst gewesen, er war stets der Sieger in Ringkämpfen, gutaussehend, charmant, wenn er wollte, und eine gewisse Anziehungskraft auf Frauen wurde ihm daher recht oft nachgesagt.
    Mit dieser Enttäuschung konnte er auf zweierlei Weisen umgehen, entweder er würde seine Ehre herzustellen versuchen, indem er durch gewisse Arrangements doch noch wenigstens einer von ihnen den Hof machen konnte, oder beide würden ihrer Lebtage nicht glücklich und diese Entscheidung bitter bereuen.
    Wofür er sich letztendlich binnen der wenigen Sekunden entschied, ehe seine Kumpanen bei ihm angekommen waren, würde sein Geheimnis bleiben, doch loszulassen gedachte er nicht.
    "Und, Lucius, wie sieht´s aus? Haben wir heute zwei Grazien mehr gewinnen können?", riss ihn der Cornelier aus den Gedanken.
    "Halt deine Klappe, gehen wir trinken!", fuhr ihn Brutus barsch an und an seinen Augen konnte man erkennen, dass er dies durchaus ernst meinte. Die Freunde kannten sich lange genug, um zu wissen, dass man die Sache nun nicht allzu oft erwähnen sollte, wenn Lucius heute noch bei Sinnen und einer der Freunde ohne blaues Auge feiern wollten.
    Und so gingen sie alle in die nächste Schenke, einer von ihnen dachte unentwegt etwas anderes.

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