cubiculum Siv | Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen...

  • Als Dominus Corvinus den Raum betrat, senkte Cimon umgehend ergeben den Kopf. Den erbosten Blick wusste er nicht zu verstehen, war er sich doch keines Fehlers bewusst. Doch bestimmt hatte er etwas übersehen...irgendetwas. Dabei wollte er doch keine Fehler machen.
    Erst als Domina Bantotakis Cimon zurechtwies, denn die Worte nahm er eher für sich denn für den Herren, verstand er allmählich. SSeine Lippe zitterte...es hätte doch gereicht ihm dies zu erklären. Der Nubier wäre sofort gegangen. Allerdings verstand er das er keine Worte zu sprechen hatte geschweige denn durfte.


    "Ja, Herr."


    Sprach Cimon schnell, als Dominus Corvinus ihn mit sich hinausbefehlte. Die Tür schloss sich hinter Cimon und er wagte es nicht den Kopf zu heben. Hatte er doch offensichtlich einen schwerwiegenden Fehler gemacht. So nahm er den erbosten Blick gerne an, hatte er doch eher mit dem Stock gerechnet. Oder zumindest mit dem Stock, wenn Dominus Corvinus dies Cimons Herren, mit dem Wunsch auf Bestrefung weitergeben würde...aber dies konnte noch geschehen.


    "Vergib mir bitte, Herr. Hätte ich geahnt, das ich einen Fehler begehe, wäre ich draußen geblieben, Dominus Corvinus."


    Seine Stimme klang trotz seiner Ergebenheit fest. Sein Rücken war zwar in Untergebenheit gesenkt, doch erhielt er noch immer eine grade Grundform, die seine Art von Stolz zeigte, den Ursus an seinem Sklaven immer sehen wollte. Stärke zeigen und doch die Ergebenheit gegenüber dem Herren deutlich machen. So war es gut. Zumindest ging Cimon davon aus.

  • Hatte ich das eben richtig gesehen? Die Lippe des Nubiers konnte doch unmöglich vor Angst gezittert haben, oder doch? Ich warf dem Sklaven einen neuerlichen Blick zu. Ursus hatte ihn zu seinem Leibwächter gemacht, das bedeutete doch ganz gewiss, dass er wusste, wie er mit seinen Muskeln umzugehen hatte. Aber dass der muskulöse Sklave hier an Ort und Stelle in Tränen ausbrechen würde, wollte ich nicht glauben. Das würde mein Bild von einem Leibwächter wohl schnell zerstören.


    Die Griechin indes verlangte nach einer Obsidianschneide. Mit sowas konnte ich nicht dienen, abgesehen davon, dass sie ihre Bitte in einem Ton vorbrachte, den ich zutiefst missbilligte. Sie befahl es regelrecht. Ohne noch etwas zu erwidern, hatte ich dir Tür geschlossen. Wofür brauchte sie überhaupt ein solch scharfes Messer? Misstrauisch betrachtete ich die Tür, während der Sklave gerade seine Entschuldiung vorbrachte. Erneutes Keuchen setzte drinnen ein. "Ja ja ja", moserte ich Cimon zu und winkte ab, ohne ihn anzusehen. Viel zu interessant waren die Vorgänge in dem Zimmer, vor dem wir standen. Ein Schrei durchbrach das Keuchen, dann war es wieder still. Ich wusste, dass Frauen Schmerzen litten, wenn sie gebaren, aber dass sie derart schlimm waren, hatte ich nicht geahnt. Wie froh war ich in diesem Moment, dass ein Mann nichts damit zu schaffen hatte.


    Schließlich wandte ich mich um und betrachtete den Sklaven eingehend. Er stand ein wenig seltsam da, fand ich. Es sollte wohl gebeugt und dennoch gerade sein, aber was er damit beabsichtigte, blieb mir verborgen. Vielleicht tat ihm etwas weh. "Wieso warst du dort drinnen? Bei einer Geburt sollen keine Männer anwesend sein, das ist eine Angelegenheit unter Frauen", wollte ich wissen. Dann fiel mir ein, dass eben auch ich selbst dort drinnen gewesen war. Nun ja, aber das hatte immerhin einen Grund gehabt, rechtfertigte ich vor mir selbst.

  • Das seine lange geübte Haltung derart befremdlich wirken konnte war dem Nubier kaum bewusst. Auch nicht das sein Lippenzittern als Weinen interpretiert werden könnte. Cimon war es auch eines. Denn was immer ein Herr dachte, war richtig.
    Das der Nubier durchaus in der Lage war, seinen Herren in jeder Situation zu schützen musste er in dieser Situation kaum beweisen. Nein, hier musste er zeigen, das er ein guter Sklave war.


    Bei der Frage des Herren zuckte seine eine Augenbraue und nur kurz war er versucht eine Gegenfrage zu stellen. Denn Dominus Corvinus war doch ebenso im Zimmer gewesen. Allerdings stand es dem Nubier nicht zu, dies darzustellen. Er hatte einfach zu antworten. Und dies tat er auch mit gewohnt ruhigem Wesen. Da seine Entschuldigung ausreichend gewesen war, entspannte sich seine Haltung leicht und der rücken streckte sich, während der Kopf sich immer noch in demütiger Haltung befand.


    "Ich hörte Geräusche, Herr. Es hörte sich an als würde jemand Hilfe brauchen, also trat ich ein. Als mich Domina Bantotakis fort schickte, um Schüsseln, Wasser und Tücher zu holen tat ich dies. Das Männer nicht erwünscht sind ahnte ich nicht, Dominus Corvinus."


    Seine Worte unterstrich Cimon mit nur leichter Gestik, um es nicht zu übertreiben. Er wusste, das dies der Herr der Villa war und er hatte nicht vor, auf seinen Herren ein schlechtes Licht zu werfen. Also blieb er ansonsten ruhig stehen. Achtete darauf nicht im Weg zu sein, falls die Tür geöffnet werden würde und antwortete auf jene Fragen, die ihm gestellt wurden. Noch musste er abschätzen, wer vor ihm stand und wie dieser erwartete, das der Sklave reagierte. Doch die Aufmerksamkeit des Nubiers war nicht schlecht. Seine grauen Augen sahen sehr genau zu, seine Ohren hörten genau hin, und sein Körper war bereit die Haltung zu ändern, würde dies erforderlich sein.

  • Manchmal waren Barbaren doch schon sehr seltsam. Als Frija sich vorstellte, schaute Penelope kurz von ihrer Position auf und zog eine einzelne Augenbraue hoch. Das wusste sie doch! Sie hatte gute Ohren und sehr wohl gehört, als die Sklavin sich Siv vorgestellt hatte, und sie hatte sie ja auch bereits mit Namen angesprochen. Warum sie sich dann nochmals vorstellte, war der Griechin also auch absolut schleierhaft. Wenn sie gewusst hätte, dass Frija in der Zwischenzeit seit dem ersten Sehen auf dem Hausflur und der damit verbundenen frage bei einem vorbeihuschenden Sklaven ihren Namen vergessen hatte, hätte sie vielleicht noch gelacht über diesen etwas seltsam anmutenden Versuch, ihren Namen in Erfahrung zu bringen.
    So aber sorgte Siv höchstselbst für die entsprechende Ablenkung, als 'etwas' mehr Flüssigkeit plötzlich kam, als Penelope erwartet hatte. Zum Glück standen Schüssel und Tuch ja bereits bereit. Lediglich Penelopes Chiton wurde etwas in Mitleidenschaft gezogen und bekam ein paar Spritzer ab. Aber nach dieser Nacht würde sie ihn wahrscheinlich ohnehin sehr, sehr gründlich zu reinigen haben, sofern der teure Stoff überhaupt zu retten war. Aber sie war ja nicht arm, sie war eine durchaus sehr wohlhabende Frau, und in Alexandria dank ihres gewonnenen Titels im Moment eine kleine Berühmtheit, die jede Menge Geschenke von Kunstliebhabern erhielt. Penelope wechselte schnell die Schüssel, als die erste volllief mit dem Gemisch aus Wasser, Urin und Fruchtwasser und schob die volle vorsichtig erstmal beiseite.
    Siv hechelte die Wehe weg, und Penelope versuchte, so gut es ging ihr dabei zu helfen. Viel tun konnte sie ohnehin nicht, aber dass die Fruchtblase geplatzt war, war ein sehr gutes Zeichen.
    “Ach, wir drei schaffen das schon. In diesem Raum haben viel mehr ja auch gar nicht Platz, ohne dass man sich auf die Füße tritt“ meinte Penelope noch dabei. Das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war noch jemand, den sie wieder erst zurechtstutzen musste, ehe sie ihn einteilen konnte. Aprospos zurechtstutzen, wo blieb das Messer? Immerhin ging es um das Leben des Kindes, da konnte man von den Männern im Haus doch ein wenig Mithilfe erwarten.
    Penelope wartete, bis die Wehe abgeklungen war, und schaute noch einmal nach Sivs Muttermund. Es war auch ohne Zuhilfenahme von Fingern gut zu erkennen, dass sie sich öffnete und ihr Körper sich darauf vorbereitete, das Kind herauszutreiben. Penelope schaute zu Siv auf und begann mit ruhiger und sachlicher Stimme zu reden. “Siv, es dauert nicht mehr lange. Dann werden die Wehen anders sein als die jetzigen. Du wirst das dringende Bedürfnis verspüren, zu pressen. Ich werde hier unten sein und dir Anweisungen geben ja? Wenn ich sage, dass du aufhören musst zu pressen, musst du aufhören. Auch wenn es schwer fällt. Ich will nicht, dass du reißt, und muss vielleicht einen Schnitt machen. Verstehst du das?“
    Wo blieb nur das Obsidianmesser? Penelope würde zur Not auch die kleine Klinge nehmen, die sie immer bei sich trug wie jede anständige Frau, um sich im Notfall die Klinge in den Hals treiben zu können und so den ehrenvollen Selbstmord zu wählen. Allerdings war dieses Messerchen eigentlich nicht dafür gedacht, das hier zu tun und eigentlich auch bei weitem nicht scharf genug. Aber etwas anderes hatte sie hier nicht. Und bevor Siv sich den Unterleib aufriss, würde es eben gehen müssen. Penelope hoffte, dass es dazu nicht kommen würde und das Becken der Germanin elastisch genug war.

  • Von der Aufregung im Haus hatte sie bisher recht wenig mitbekommen. Das Zimmer von Siv lag nämlich in einem anderen Teil der Villa, als ihr eigenes. Dennoch war sie mitten in der Nacht plötzlich wach geworden. Ungewöhnlich, denn normalerweise schlief sie wie ein Stein. Eine ganze Weile hatte sie im Dunkeln gelegen und darauf gewartet, dass Hypnos zurück kehrte, doch stattdessen hatte sie eine rastlose Unruhe in sich gespürt. Leise seufzte sie und schlüpfte dann aus den warmen Decken. Unentschlossen stand sie einen Moment lang in ihrem Zimmer. Sie könnte Lysandra wecken, doch eine kleine Stimme, die sich Gewissen nannte, sagte ihr, dass es nicht sonderlich nett wäre die Sklavin aus ihrem Schlaf zu reißen, nur weil sie selbst so unruhig war. Kurz entschlossen und nur mit einem Nachthemd bekleidet schlich sie aus ihrem Zimmer. Sie rechnete nicht damit, dass sie zu so später Stunde jemandem begegnete. Mit Sicherheit würden alle schlafen. Um so überraschte war sie, als sie dann aufgeregte Stimmen hörte. Die Neugierde meldete sich und vertrieb nun auch die letzte Müdigkeit aus ihrem Körper. Angelockt von Licht und den Stimmen tapste sie noch leicht schlaftrunken den Gang entlang. Sie spitzte die Ohren und blieb dann verschreckt stehen, als sie einen leicht unterdrückten Schrei hörte. Was war denn los? So mitten in der Nacht? Es wäre wohl besser, wenn sie zurück ins Bett ging, aber eine vertraute Stimme ließ sie inne halten. War das nicht Cimon und noch jemand…. Marcus! Neugierde kämpfte ihren Fluchtinstinkt, aber wann war sie schon mal zurück geschreckt. Sie vergaß sogar, dass sie gerade erst aus dem Bett gefallen war und nichts weiter, als ein Nachthemd trug und ihre wilden Locken ihr wirr das Gesicht umrahmten. Normalerweise legte sie ja sonst viel wert, auf eine akzeptable Erscheinung. Aber Angesichts der Aufregung mitten in der Nacht, war das einfach vergessen. Kurz entschlossen schaute sie um die Ecke.


    „Was ist denn hier los?“ fragte sie und sah von Cimon, der reichlich bedrückt wirkte zu Marcus und wieder zurück.

  • Ich betrachtete Cimon mit gerunzelter Stirn und leicht zusammen gekniffenen Augen, während er sprach. "Hm", bemerkte ich anschließend. Das hörte sie nun nicht so an, als ob es einer Sanktion bedurfte. Die Worte des Sklaven fügten allerdings noch eine weitere Empfindung hinzu zu dem emotionalen Karussell, das sich ohnehin schon in mir drehte. Zu Nervosität, Verärgerung und Erstaunen mischte sich nun noch eine Art dumpfe Unruhe, die ich nicht in Worte fassen konnte. Ein Cocktail, den ich nicht kannte und mit dem ich nicht gut umgehen konnte.


    "Dann sage mir, Timon", begann ich und war ganz der Meinung, dass dies der Name war, der mir im Gedächtnis hängen geblieben war, "hat Siv etwas gesagt? Und erzähl mir, was du gesehen hast." Aufmerksam wartend sah ich den Nubier an. Zeitgleich kam ein Gespenst um die Ecke, das sich kurz darauf als Narcissa herausstellte. Verwirrt, sie zu dieser nachtschlafenden Zeit hier zu sehen, sah ich sie an. Mein Blick glitt an ihrer Gestalt hinab und wieder hinauf. "Was machst du denn so spät noch auf?" wunderte ich mich. Und noch dazu in diesem Aufzug! Ihre Frage ignorierte ich erst einmal. Das Messer war ganz vergessen.

  • Timon? Wie würde er das nur verbessern können? Er sollte genau sagen was er gesehen und was Siv gesagt hatte? Sie hatte gesprochen? Der Nubier dachte einen Moment nach, bevor er antwortete.


    "Mein Name ist Cimon, Dominus Corvinus. Ich habe kaum etwas genaues gesehen, da ich nicht sehr genau hingesehen habe. Auch an bestimmte Worte, außer Flüche, kann ich mich nicht erinnern, Herr. Verzeih, aber mehr kann ich dazu nicht sagen, Dominus."


    Dann kam etwas helles um die Ecke, Flora. War sie es? Oder doch ihre Schwester? Ihre Worte, die Betonung, das Grübchen...es war Flora. Freundlich lächelnte er sie an, als er sie mit einem ergebenen Nicken grüßte. Leider konnte er nicht antworten, da es wohl kaum angemessen gewesen wäre. Wobei der Herr nicht wirklich antwortete. Was Cimons Augenbraue leicht zucken ließ.
    Zum glück sah Dominus Corvinus grade zu Flora, als er sie sehr deutlich ansah. Doch es war nur ein Wimpernschlag, nur ein kurzer Moment in dem auch ihre Augen sich treffen mochten. Bei Domina Flora wusste Cimon, wo die Grenzen waren. Und von denen war er sicher weit entfernt.


    Doch er achtete sehr darauf umgehend wieder den Blick etwas zu senken, sobald Dominus Corvinus zu ihm schauen mochte. Cimon blieb nun lieber defensiev und ruhig im Wesen.

  • Marcus wirkte reichlich angespannt. Er sah aus wie ein gefangenes Tier in einem Käfig, nervös, besorgt und unter der Oberfläche schien noch viel mehr zu lauern. Leicht legte sie den Kopf schief und mit einem aufmerksamen Blick betrachtete sie ihren Verwandten. Ehe ihr Blick dann zu Cimon wanderte und sie ihm ein kurzes Lächeln schenkte.
    Erst als sie merkte wie die Blicke der Männer auf ihr spürten, wurde sie sich bewusst, dass sie ziemlich leicht bekleidet mitten im Flur stand. Ihre Mutter hätte sie jetzt wieder als dumme Gans geschalt. Selbst mitten in der Nacht hatte eine römische Dame vorzeigbar zu sein. Es gab nichts, was nicht auf sie warten würde, wenn sie sich herrichtete. Aber sie war ja nicht davon ausgegangen jemandem über den Weg zu laufen, so mitten in der Nacht.
    Wieder drang ein gedämpfter Schrei auf den Flur hinaus. Fröstelnd schlang sie ihre Arme um den Körper. Die Frage von Marcus hing einen Augenblick zwischen ihnen in der Luft, dann zuckte sie einfach mit den Schultern. Anscheinend würde sie erst dann antworten bekommen, wenn sie seine Frage beantwortet hatte.
    „Ich konnte nicht schlafen“, sagte sie schlicht. Was hätte sie auch groß erklären sollen. „Und als ich Stimmen gehört hab, bin ich hier her gekommen!“ fügte sie hinzu.

  • Siv keuchte heftig, selbst als die Wehe wieder vorbei war. Nach und nach bekam sie ernsthaft das Gefühl, dass ihre Kraft anfing sie zu verlassen, und sie betete zu Hel und Frigg, dass es bald vorbei war, dass ihr Kind endlich kam und sie nicht noch länger mit Wehen malträtierte, die immer schlimmer zu werden schienen. Für lange Augenblicke bekam sie nichts mehr von dem mit, was um sie herum vorging, sie keuchte nur und schluchzte und bemühte sich, den Schmerz irgendwie in den Griff zu kriegen, sich wenigstens etwas zu beherrschen, wieder zurückzufinden in die Realität, nachdem die Wehe endlich vorbei war. Schwach trieben germanische Worte an sich vorbei treiben, meinte zu hören, dass es ein Gebet war, aber erst als sie Penelope mit eindringlicher Stimme ansprach, schaffte Siv es tatsächlich, genug Aufmerksamkeit zusammen zu kratzen, um wirklich zuzuhören. "In Ordnung", keuchte sie. Andere Wehen. Das verstand sie. Sie kannte ja auch den Ablauf einer Geburt, nicht aus eigener Erfahrung, aber sie war öfter dabei gewesen, hatte es gesehen. Andere Wehen. Sie würde das Bedürfnis haben zu pressen, das hieß, dass es bald vorbei war, vorausgesetzt dieses Kind hatte nicht denselben sturen Dickschädel wie sein Vater, den es unbedingt durchsetzen wollte. Dann konnte das Ganze vielleicht doch noch ein wenig länger dauern. Wäre Siv nicht so fertig gewesen, sie hätte in diesem Augenblick wieder gelacht, als sie das denken musste. Derselbe Dickschädel wie der Vater… oder die Mutter. Einen großen Unterschied machte das wohl kaum, wie sie ehrlicherweise zugeben musste.


    Trotz allem wusste Siv auch um die Gefahr, die gerade in dieser Phase bestand und die Penelope auch ansprach. Dass etwas riss, kam gar nicht mal so selten vor, und Siv wusste, wie schlecht so etwas teils verheilte. Sie nickte ein paar Mal und schickte erneut ein Stoßgebet zu Hel, flehte sie um Kraft an, damit sie es schaffte, Penelopes Anweisungen Folge zu leisten, und überstand gleich darauf erneut schreiend die nächste Wehe, die ihr noch heftiger schien als die vorige. "In Ordnung", wiederholte sie dann noch mal, heftig keuchend. "Ich versteh dich. Ja. Ich…" Und dann kam schon wieder die nächste Wehe, und diese schien, wie Penelope angekündigt hatte, anders zu sein. Der Schmerz war ein anderer, der Druck war ein anderer, baute sich stetig in ihrem Unterleib auf. Die Muskeln zogen sich zusammen, und plötzlich meinte Siv zu spüren, wie… etwas… nein, jemand in Bewegung geriet. Noch tiefer rutschte. Und plötzlich in einer Art, einer Stellung, einem Ort in ihrem Körper festzustecken schien, der es ihr schier unmöglich machte, nicht zu pressen.

  • Dass es jetzt so rasch losging, hatte Penelope nun doch nicht erwartet. Sie hatte gehofft, wenigstens noch eine halbe Stunde zu haben, bis dieses Barbaren endlich etwas nützliches beisteuern und ihr den Obsidian bringen würden. Aber das Kind hatte da wohl andere Pläne, und ließ ihr diese Zeit nicht.
    Es war beinahe sichtbar, wie das Kind sich verlagerte und langsam in Richtung Geburtskanal rutschte. Penelope musste noch nicht einmal die Hand auf Sivs Bauch legen, um zu sehen, wie es sich bewegt hatte. Für den Moment war also vergessen, was alles wichtig war, und Penelope griff zu ihrem Gürtel, um die kleine Klinge von dort zu holen. Es war nur ein Messerchen, nichtmal so lang wie ihr kleiner Finger, aber es würde seinen Dienst wohl tun. Es würde es müssen, denn etwas anderes hatte Penelope hier nicht. Ganz kurzzeitig wünschte sie sich, bei ihrem Mann in Alexandria zu sein. Seine Skalpelle waren scharf und lagen griffbereit in seinem Arbeitszimmer. Allerdings war das auch so ziemlich das einzige, was Penelope an ihrem Mann vermisste.
    Sie holte eine der Kerzen, die irgendwann vor Stunden entzündet worden waren, näher heran, um besser sehen zu können. Warum hatte sich Siv auch nicht einen hellen Sonnentag zum Gebären aussuchen können? Das würde die Sache und vor allem die Einschätzung, ob sie schneiden musste oder nicht, nicht einfacher machen. Sie wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und fühlte mit schlanken Fingern noch einmal nach Sivs Muttermund, der nun sehr weit geöffnet war.
    “Ich glaube, es ist gleich so weit“, konnte sie noch sagen, ehe Siv auch schon instinktiv anfing, zu pressen, als hinge ihr Leben davon ab. Nun, in gewisser Weise tat es das ja auch durchaus, nicht wenige Frauen überlebten eine Geburt nicht. Einige starben wegen der Anstrengung, andere wegen dem Schmerz, wieder andere wegen dem Fieber danach. Einige verbluteten schlicht und ergreifend. Und in ganz seltenen Fällen steckte das Kind so fest, dass man es nicht heraus bekam, und beide in den Tod riss. Aber daran wollte Penelope lieber alles gar nicht denken.
    Siv presste, und Penelope sah, wie sich eine leicht lila angehauchte Platte langsam aus der Mutter vorzuschieben schien. Dass das der Kopf war, war klar, und Penelope war schon froh, dass es keine Steißgeburt war. Die waren noch gefährlicher für Mutter und Kind.
    “Ich seh den Kopf, es kommt.“
    Penelope war sich nicht sicher, im flackernden Licht der Kerze war es nicht gut zu erkennen. Aber Sivs Muttermund öffnete sich weit und elastisch, während das Kind dagegen drückte. Offenbar hatte das Wasser gute Dienste geleistet und die Muskeln geschmeidig genug gehalten. Penelope behielt das Messer dennoch erstmal in der Hand, nur für den Fall. Ein kleiner Schnitt war schnell gemacht, und besser als ein Riss. Aber noch schien es nicht nötig.
    “Du machst das ganz toll Siv. Tief einatmen und weiterpressen. Ich seh es schon fast.“
    Eigentlich wollte Penelope die Germanin nicht betüteln, aber in dieser Situation brauchte eine Frau auch ein wenig gute Zusprache. Das hier dauerte schon Stunden, und es konnte auch noch eine Stunde gehen. Die Geburtshelferinnen hatten nun eigentlich nur dafür zu sorgen, dass die Mutter nicht schlappmachte, und das Kind, wenn es auf die Welt kam, nicht versehentlich runterfiel. Viel mehr konnten sie nicht tun.

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    Frija


    Frija hockte im Schneidersitz hinter Siv und stützte sie von hinten, so dass diese nicht flach auf dem Bett lag, da sie ja mit dem Becken auf der Kante hocke, um eine bessere Geburtsstellung zu haben. Es war für die Sklavin eine fast ebenso anstrengende Tätigkeit, wie für die werdende Mutter, denn sie fühlte jede Wehe, jeden Schmerzensschrei mit ihrer Landsmännin mit. „Sehr gut Siv... weiter so Siv...“ waren die aufmunternden Worte der Germanin, alles in ihrer Landessprache, da sie sich bei der ganzen Aufregung einfach nicht mehr auf die lateinische Sprache konzentrieren konnte.


    Ihr Halt, Kraft und Trost spendend versuchte Frija so gut es ging zu helfen. Sie hatte sich ein Tuch vom Tisch neben dem Bett gegriffen. Es war trocken, aber es würde reichen, um Siv ab und an über die Stirn und das Gesicht zu fahren, sie ein wenig von dem Schweiß zu befreien, der ihr über den ganzen Körper lief. Es war auch für Frija nicht die erste Geburt, bei der sie zu sah oder half, doch es war für sie immer wieder ein Wunder, wie eine Frau solche Schmerzen ertragen konnte. Vor allem schienen sämtliche Mütter diese starken Schmerzen nach ein paar Tagen schon wieder vergessen zu haben, denn sie taten für gewöhnlich den Geburtsvorgang einfach mit einer Handbewegung ab, so als wäre das alles ganz einfach gewesen.


    Dann schien es so weit zu sein und die Presswehen setzten ein. Frija bot ihre Hände als Halt an für Siv, damit sie ihren Schmerz irgendwo loswerden konnte, allerdings hatte es die Germanin nicht besser gewußt, denn Siv schien noch sehr viel Kraft zu haben. Mit zusammen gebissenen Zähnen sprach sie weiterhin gut auf die Schwangere ein. „Immer weiter so... atmen... pressen... und wieder atmen...“




    Sklavin - Tiberia Septima

  • Timon, Zimon, Cimon - was machte das schon für einen Unterschied? Ich zuckte nur mit den Schultern, entschuldigte mich allerdings nicht oder berichtigte mich. Er hatte nichts gesehen, weil er nicht hingeschaut hatte. Gut, das war in Ordnung, damit konnte ich leben, auch wenn es schon ein klein wenig enttäuschend war, dass er mir nichts berichten konnte. Aber immerhin hatte er sie nicht angegafft. Flüche hatte er gehört. Unwillentlich musste ich kurz grinsen. Das war typisch für Siv. Ich widmete mich wieder Narcissa, die in ihrem Aufzug doch etwas fehl am Platze wirkte. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Cimon mich anstarrte. Ich sah ihn an, und er senkte den Blick. Dann sah ich wieder zu Narcissa, und er sah mich wieder an. Ich ruckte mit dem Kopf herum und er senkte den Blick. Was war das für ein seltsamer Kerl! Mit tief gerunzelter Stirn betrachtete ich ihn und beschloss, ihn einfach ersteinmal zu ignorieren. Von drinnen kam ein neuerlicher Schrei.


    "Und dann läufst du im Nachthemd durchs Haus?" fragte ich sie und deutete auf das epiphane Gewand, das sie trug. "Siv bekommt das...ihr Kind. Und du solltest schnell wieder in dein Bett zurückgehen." Angriff war bekanntlich die beste Verteidigung, auch wenn mir selbst nicht ganz klar war, warum ich das gerade dachte. Ein weiterer Schrei zerriss die nächtliche Stille, auch wenn er, gedämpft durch das Holz der Tür, nur leise zu hören war. "Komm. Ich bringe dich in dein Zimmer zurück." Das war an und für sich eine gute Idee. Und außerdem bot sie mir eine recht passable Fluchtmöglichkeit. Ich wandte mich zu Cimon. "Du gehst schlafen. Und ich möchte nicht, dass du Sivs Zimmer allein betrittst", sagte ich zu ihm. Ich wusste nicht warum, aber ich traute ihm nicht. Dafür verhielt er sich in meinen Augen zu seltsam. Ich wollte nicht, dass Siv mit seinem seltsamen Gehabe gestört wurde. Auffordernd sah ich von ihm zu Narcissa. Oder war es doch Flora? Ich hatte eindeutig zu wenig mit den zweien zu tun, um sie gut auseinander halten zu können.

  • Cimon hatte kaum Dominus Corvinus angesehen, auch wenn dieser es glaubte. Besser so, als er würde auch nur ahnen, wem die Blkicke galten. Irgendwie bemerkte er an dem Herren etwas, was ihn unruhig im Inneren werden ließ. Doch dies zeigte er nicht nach Außen. Dafür war er zu gut erzogen.
    Also entschied er sich dazu sich zu verabschieden. Offensichtlich hatte er an diesem Ort nicht mehr viel zu suchen. Noch während er überlegte, wie er dies am besten hätte ausdrücken können, gab ihm Dominus Corvinus die Anweisung schlafen zu gehen. Erneut zuckte es an einem seiner Augenbrauen. Sein Kopf neigte sich leicht zur Seite und er nickte ergeben. Als er glaubte Unsicherheit zu sehen, fiel ihm ein, das er, gleich was er von jemandem oder dieser von ihm dachte ein guter Sklave sein musste. So sprach er betont ruhig und doch in der klaren Überzeugung sie erkannt zu haben.


    "Wie du wünschst, Herr. Ich wünsche euch eine gute Nacht, Dominus Corvinus, Domina Flora."


    Damit wand er sich ab, würde den beiden aber nicht in Gänze den Rücken zuwenden. Er würde einen kleinen höflichen Moment abwarten und dann gehen. Doch die Unruhe würde ihn nicht schlafen lassen. Seinen Herren aufzusuchen wagte Cimon nicht. So haderte er mit seinen Gedanken und dem, was er glaubte, was er getan oder nicht getan hatte.

  • Leicht zuckte sie Schuldbewusst zusammen, als Marcus sie anfuhr. Sie hatte doch nichts falsch gemacht. Wie hätte sie denn ahnen können, dass das halbe Haus auf war und sich in den Gängen versammelte. Warum nur war er so angespannt? Lag es an der Geburt? Waren sonst nicht immer nur die Väter so nervös und besorgt, wenn die Frau in den Wehen lag? Sein Versprecher fiel ihr gar nicht auf.
    Die Hausbewohnerin Namens Siv hatte sie ja bisher nicht kennen gelernt. Da passierte endlich mal etwas Spannendes und dann wurde sie wie ein kleines Kind ins Bett geschickt. Sie war doch keine zwölf mehr. „Ich bin kein keines Kind mehr. Es geht auch freundlicher“, meinte sie etwas ungehalten in Marcus Richtung. „Woher soll ich denn bitte wissen, dass sie ihr Kind bekommt und das halbe Haus in den Gängen herum steht“, fügte sie schnippisch hinzu. Aber sie drehte sich dann doch auf den Fersen um und lief dann einfach voraus in Richtung ihres Zimmers, ohne auf ihn zu warten. „Gute Nacht, Cimon!“ verabschiedete sie sich kurz von dem Sklaven. Sie mochte den Nubier.
    Stolz reckte sie das zierliche Kinn in die Höhe. Trotz Nachtgewand war sie der Inbegriff aurelischens Anmutes. Sie murmelte so etwas wie ‘Männer, kaum bekommt eine Frau ihr Kind, benehmen sie sich alle wie Trottel‘ vor sich hin. Flora konnte auch anders, wenn sie es für nötig hielt konnte sie eine kleine hochnäsige und ziemlich zickige junge Frau sein. Zwar kam dies nur selten vor, aber es kam vor. Marcus hatte sie gerade einen recht empfindsamen Nerv bei ihr getroffen. Sie hasste es, wie ein kleines Mädchen herum kommandiert zu werden. Ob Marcus ihr folgte oder nicht war ihr gleich, sie war eingeschnappt.

  • Ich hatte sie nicht angefahren. Zumindest in meinen Augen nicht. Das war eine ganz normale Frage gewesen, auch wenn ich doch angespannt war, wie sie vermutlich bemerkte. Trotz allem gab ich mir große Mühe, nicht zu viel zu zeigen, auch wenn das nur schwerlich machbar war. Ich klappte den Mund auf, um etwas Beschwichtigendes zu sagen, doch Flora hatte sich schon herumgereht und sauste regelrecht davon.


    Kurz darauf war ich allein. Cimon war gegangen und auch Flora hatte ich erfolgreich verscheucht. Die Gänge des Hauses waren dunkel, und obwohl sich hinter der Tür etwas abspielte, was meinen Magen hüpfen und sich unangenehm drehen ließ - obwohl dort jemand war - fühlte ich mich plötzlich einsam. Ich blieb nicht lange dort stehen, vor der Tür im dunklen Gang. Siv mühte sich drinnen ab, und ich konnte nichts tun. Ich hoffte nur, dass die Griechin wusste, was sie tat. Dass Sofia vergessen hatte, nach dem Arzt zu schicken, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. Ich hörte nur Siv drinnen keuchen und wie die anderen ihr Mut machten. Und dann ging ich, floh von dem Zimmer, in dem sie gerade unser Kind auf die Welt brachte, und ging Flora hinterher, um mich zu entschuldigen und nicht allein sein zu müssen.

  • Hätte Siv nicht schon längst jedes Zeitgefühl verloren, spätestens jetzt wäre es so weit gewesen. In ihrer subjektiven Wahrnehmung hätte es sich um Stunden handeln können, die sie so da lag und Wehe um Wehe über sich ergehen lassen. Sie überstand die erste Presswehe. Und die nächste. Und auch die darauffolgende. Sie presste und keuchte, versuchte vernünftig zu atmen, wie Frija es ihr sagte, strengte sich an, dann mit dem Pressen inne zu halten, wann immer Penelope sie dazu kommandierte, was ganz eindeutig nicht einfach war, weil das Kind nun im Geburtskanal steckte und einfach alles in ihr danach schrie, es herauszupressen, während sie selbst am liebsten geschrieen hätte: rein oder raus, aber bei Hels düsteren Horden, ENTSCHEID DICH ENDLICH!!! Aber Siv fehlte nun sowohl die Kraft als auch der nötige Atem zum Fluchen, und so blieb es bei unartikulierten Schreien. Penelope und Frija in jedem Fall klangen zuversichtlich, jedenfalls immer dann, wenn Siv ihrer Umgebung genug Aufmerksamkeit schenken konnte, dass sie mitbekam, was sie ihr sagten. Und obwohl sie selbst nicht mehr wirklich in der Lage war zu beurteilen, ob oder wie gut sie das alles machte, gelang es ihr doch größtenteils, die Anweisungen umzusetzen.


    Und dann, irgendwann – Siv hatte auch schon lange aufgehört zu zählen, wie viele Wehen sie nun bereits hinter sich hatte – kam eine, von der sie meinte es müsste sie nun endgültig zerreißen. Nicht so sehr, weil die Wehe selbst so stark gewesen wäre, sondern weil sich nun etwas zu verkeilen schien. War es bisher wenigstens Stück um Stück vorwärts gegangen, schien nun ein Riesenpfropf den, nun ja, den Ausgang zu blockieren. Ihr ganzer Körper schien zu verkrampfen unter der Wehe, und Siv lief hochrot an vor Anstrengung, während sie sich nach Kräften, die nicht mehr allzu zahlreich vorhanden waren, bemühte, zusätzlich zu pressen – und dann, plötzlich, als ob sich etwas löste, als ob ein scheinbares Hindernis verschwand, rutschte das Köpfchen mit einem Mal ganz heraus. Siv konnte es spüren, spürte auch die momentane Erleichterung, weil ein Teil des Drucks nun fehlte und die Wehe verklang. Erschöpft ließ sie für einen Augenblick ihren Kopf gegen Frijas Brust sinken, die hinter ihr saß und sie nach wie vor stützte, aber nur wenige Momente später kam schon die nächste Wehe. Und dem Kopf folgten nicht nur die Schultern, sondern gleich darauf der ganze Körper. Mit einem tiefen Aufkeuchen, das sowohl Erschöpfung als auch Erleichterung verriet, ließ Siv sich zurückfallen, gegen Frija, als ganz plötzlich der Druck in ihrem Unterleib, zwischen ihren Beinen verschwunden war. Nur um im gleichen Augenblick schon wieder den Kopf zu heben, und ihre Stimme klang leise, erschöpft, und ungläubig, während sie sich zugleich bemühte, sich aufzusetzen, was ihr allerdings kaum gelang, weil sie viel zu fertig war. "Was… ist, ist es da? Und in Ordnung? Wo…"

  • Immer wieder wischte sich Penelope mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Die Temperatur im Zimmer schien plötzlich um nichts der Hitze der Wüste in den Sommermonaten nachzustehen, und die Luft erschien ihr ebenso stickig und dick. Immer wieder sprach sie aufmunternde Worte zu Siv, oder schimpfte, wenn die Germanin nicht so gehorchte, wie sie musste. Penelope wollte ihr ja ncihts böses, und sie wusste, wie schwierig es war. Aber sie wollte nicht riskieren, dass doch noch etwas riss. Aber Sivs Damm hielt, und mit einem Mal war das Köpfchen da, verklebt von Plazentaresten und voller klarem Schleim. Penelope nahm den Kopf ganz vorsichtig in die linke, und strich in dieser kurzen Verschnaufpause eilig den grobsten Schleim von Mund und Nase des Kindes. Ab jetzt musste es schnell gehen, oder das Kind würde schlicht und ergreifend ersticken. “Noch einmal, Siv! Der Kopf ist da. Noch einmal mit ganzer Kraft!“
    Und Siv presste, hätte auch ohne Anweisung gepresst. Die Schultern kamen dieses Mal mit heraus, und Penelope nahm ihre zweite Hand dazu. Während so die eine den Kopf sicher stützte, fing die andere den hinausgleitenden Körper sicher auf. Dass sie sich damit bis über beide Ellbogen mit den verschiedensten Geburtsflüssigkeiten einsaute, daran dachte Penelope noch nicht einmal. Sie war gewiss nicht zimperlich, war es nie gewesen.
    Vorsichtig nahm sie das Kind in den Arm, strich noch einmal Mund und Nase frei, nahm ein Tuch dazu, das sie kurzerhand in das nunmehr nicht mehr heiße, sondern nur noch lauwarme Wasser tauchte. Noch war die Nabelschnur mit der Nachgeburt verbunden, die auch sogleich dem Kind folgte und schmatzend in die Schale fiel. Penelope würde gleich nachsehen müssen, ob sie vollständig herausgekommen war, ansonsten würde Siv eine recht unangenehme Prozedur über sich ergehen lassen müssen. Aber erstmal galt es, sich um das Kind zu kümmern.
    Serapis, verzeih mir diesen Frevel, dachte sie kurz stumm und durchtrennte die Nabelschnur mit ihrem eigenen Messer anstelle dessen aus Obsidian, das sie nicht erhalten hatte. Das Kind strampelte leicht, bewegte seine Gliedmaßen in der nicht gekannten Freiheit um sich herum, wandte ganz leicht den Kopf. Penelope rüttelte ganz sachte an seinem Bauch. “Komm schon“, flüsterte sie ihm zu und ignorierte die Nachfrage der Mutter, die selbstverständlich wissen wollte, was los war. Die winzigen Hände groffen ins nichts und suchten nach etwas zum halten, auch die kleinen Zehen verbogen sich, als wollten sie sich festhalten. Und schließlich ging ein Zittern durch den kleinen Leib, dem ein müdes, frustriertes und frierendes “Oiiin“ quäkte durch den Raum. Die kleinen Lungen füllten sich erneut mit Luft, und wiederholten “Oiiin, Oäään, Oäään!“
    Penelope grinste das kleine Leben an und stand damit auf. Noch war das Kind verklebt und musste noch gewaschen werden, aber es lebte, unüberhörbar. Auch wenn die kleinen Schreie geradezu niedlich waren im Vergleich zu den Schreien der Mutter vor noch wenigen Minuten. Sie stand geschmeidig auf und beugte sich vor. Ganz vorsichtig legte sie das Kind auf Sivs Bauch, aus dem es ja gerade gekommen war. Nichts beruhigte Kinder so sehr, wie den Herzschlag der Mutter zu hören. Natürlich achtete sie dabei penibel darauf, dass es nicht versehentlich runterpurzelte.
    “Du hast einen sehr hübschen Sohn.“


    Penelope gönnte der Mutter diesen ersten Moment mit dem Kind. Gleich würden noch weitere Pflichten passieren müssen. Das Kind musste gesäubert werden, damit es sich nicht erkältete. Siv musste es einmal stillen. Ob sie danach eine Amme nehmen würde, war unwichtig, aber in der ersten Stunde musste das Kind einmal von ihr trinken. Kinder, die das nicht taten, starben recht früh.
    Aber einen Moment konnte Siv einfach nur dem kleinen Leben hallo sagen und das kleine Wunder bewundern, das sie hervorgebracht hatte.

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    Frija


    Die Geburt von Sivs Kind war wie viele andere Geburten, die Frija schon miterlebt hatte. Laut, schmerzhaft und irgendwann von einer unglaublichen Erleichterung geprägt.


    Obwohl der Germanin anfingen die Beine weh zu tun, so blieb sie so sitzen, wie es für Siv am bequemsten war, wie sie sich gegen sie lehnen, drücken oder auch einfach nur ausruhen konnte zwischen den einzelnen Wehen. Frija fieberte mit jeder weiteren Wehe von Siv mit ihr mit und wäre am liebsten aufgesprungen, als Penelope verkündete, sie könne den Kopf bereits sehen, nur um selbst einen Blick auf den Fortgang der Geburt werfen zu können, sich vergewissern zu können, dass alles gut lief. Doch sie blieb hinter ihrer Landsmännin sitzen, half ihr beim pressen, indem sie sich gegen Sivs Oberkörper stemmte, damit diese etwas aufrechter kam und besser pressen konnte. „Ja Siv… immer weiter so… komm… nur noch einmal!“ Immer wieder fand sie aufmunternde Worte, um der werdenden Mutter die nächste Wehe, das nächste Pressen zu erleichtern. So hart und schmerzhaft wie dieser ganze Geburtsvorgang auch war, Frija wünschte sich kurzzeitig an Sivs Stelle. Wie gern hätte sie wenigstens ein Kind von ihrem Mann, Baldemar, der der Leibwächter ihrer Herrin, Tiberia Septima, war. Doch Tanfana schien ihnen nicht wohl gesonnen zu sein, denn in all den Jahren, die sie nun schon verheiratet waren, war Frija nicht ein mal schwanger geworden.


    Die Sklavin wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Siv ein weiteres Mal kräftig pressen musste und Frija bekam Angst, dass Siv überhaupt nicht mehr Luft holen würde, so hoch rot wie diese anlief. „Siv, du musst atmen!“ bat sie sie erschrocken, denn Frija konnte von ihrem Platz aus, hinter der werdenden Mutter, nicht viel sehen und wusste daher nicht, dass dies die letzten beiden Presswehen sein würden. Sie hielt Siv einfach fest in ihren Armen und fing sie auf, als sie sich erleichtert nach hinten fallen ließ. Frija griff nach dem Tuch und wischte erneut den Schweiß von Sivs Stirn. „Wunderbar! Das hast du ganz hervorragend gemacht!“ lobte sie die Frau in ihren Armen überschwänglich auf germanisch. Frija’s Augen suchten das Kind. Sie wollte sich vergewissern, dass die ganzen Mühen der Mutter nicht umsonst gewesen waren. Wo blieb nur der erlösende Schrei des Kindes?


    Dann endlich klang das erste Quäken des Neugeborenen durchs Zimmer. Zunächst etwas kläglich, doch dann mit etwas mehr Nachdruck schrie das Kind. „Ein Junge! Es ist ein Junge... Siv! Hast du gehört?“ Frija konnte ihre Begeisterung nicht zurück halten. Sie war ebenso erleichtert, wie die Mutter und strahlte bestimmt genauso, ganz so, als wäre dies soeben die Geburt ihres Sohnes gewesen, was leider niemals der Fall sein würde. Mit leuchtenden Augen schaute Frija nun zu Penelope, als diese das Baby auf Siv’s Bauch legte. „Ist sie fertig?“ fragte sie die Griechin, nun wieder bemüht in Latein mit ihr zu sprechen. Es gab noch einige Dinge nach einer Geburt zu erledigen, wozu auch das vollständige Entfernen der Plazenta gehörte. Und das Baby musste gewaschen werden, damit es sauber und rosig war. Am liebsten täte Frija genau das. Für einen kleinen Moment den Wurm in Händen halten, ihn mit warmen Wasser von den Spuren der Geburt befreien und ihn dann, schweren Herzens, wieder in die Arme der Mutter zu geben, auf dass das Kind seinen ersten Hunger an ihrer Brust stillen konnte.




    Sklavin - Tiberia Septima

  • Die Griechin antwortete nicht. Die Griechin antwortete einfach nicht! Obwohl Siv fix und fertig war, machte es sie halb wahnsinnig, dass Penelope nichts sagte, und sie versuchte sich hoch zu kämpfen, weit genug, um sehen zu können, was los war – aber es gelang ihr nicht. Mit einer weiteren, allerdings weit schwächeren Wehe kam noch etwas heraus, die Nachgeburt, wie Siv wusste, aber das war ihr egal. Sie wollte ihr Kind sehen. Sie konnte kaum noch klar denken, aber sie wollte – ihr – Kind – sehen! "Penelope…" Wieder versuchte sie, hochzukommen, wieder machten Erschöpfung und Schmerzen ihr einen Strich durch die Rechnung, was Siv nun erst recht aufregte, wenn es auch nur ein Abklatsch war im Vergleich zu dem, was ihr Temperament normalerweise leistete. Es konnte doch einfach nicht wahr sein, dass ihr Körper so schlapp machte! Aber selbst der Gedanke hallte nur schwach in ihrem Kopf. Und dann, plötzlich, erfüllte sich die stickige Luft im Zimmer mit einem Schrei. Dem Schrei eines Babys. Ihres Babys. Einen Augenblick lang war sie wie erstarrt, dann begann sie zu zappeln. "Wo, wo ist es, ich will mein Baby sehen, ich…"


    Ihre Stimme verlor sich im Nichts, als Penelope nun aufstand und Siv staunend das Kind sah, das sie in ihren Armen hielt. Dass sie ihr auf ihren nun flachen – nun, nicht wirklich flachen, aber doch deutlich flacher, als sie es gewohnt gewesen war – Bauch legte. Sivs Lippen teilten sich, standen offen, und auch ihre Augen weiteten sich, als sie das kleine Leben sah, das auf ihrem Bauch lag. Während sie ganz vorsichtig atmete, spürte sie die Bewegungen, die es – er! – machte, spürte, wie seine Ärmchen und Beinchen ganz schwach umherstießen, teils ins Leere, teils gegen ihren Bauch. Ganz langsam, vorsichtig, aber ohne jedes Zittern oder Zögern hob Siv ihre Hände und legte sie behutsam rechts und links neben ihr Kind. Ihren Sohn. Ihr Sohn. Flüchtig kam ihr der Gedanke, dass das ganz in der Familie lag. Wie bei ihren Eltern. Wie bei vielen ihrer Brüder. Das Erstgeborene war ein Sohn. Siv begriff es noch gar nicht. Das kleine Wesen dort war also das, was bis vor kurzem in ihrem Bauch gewesen war. Von innen gegen ihre Bauchwand gestoßen hatte, so heftig teilweise, dass die Bewegungen jetzt fast schwach dagegen wirkten. "Hey…", wisperte sie. Vielleicht wäre das der Moment für große Worte gewesen, für eine Begrüßung ihres Kindes, für ein Dankgebet an die Götter, aber Siv fiel nichts anderes ein als eben das: "Hey…" Vorsichtig, behutsam, zärtlich strichen ihre Finger über die immer noch verschmierte Haut ihres Sohns, befreiten ihn von weiterem Blut und Schmiere, und hielten schließlich eine Fingerkuppe an die winzigen Finger, die, wenn auch schwach, bereits in einem Reflex danach griffen.

  • Noch einmal wischte sich Penelope den Schweiß von der Stirn. Sie war müde und geschafft, aber das war wohl nichts im Vergleich zu dem, was die Mutter fühlen musste. Und sie fühlte sich verklebt und schmutzig. Vor dem Zubettgehen würde sie irgendjemanden nötigen müssen, im Balneum für Wasser zu sorgen. Warm, kalt, ganz egal, aber sie musste sich waschen. Das, was nicht durch Fruchtwasser, Blut oder Plazenta verklebt war, klebte vor Schweiß an ihrem Körper. So konnte und wollte sie gleich nicht ins Bett.
    Bei Frijas Frage horchte Penelope kurz auf und erinnerte sich wieder an ihre restliche Pflicht hier. Sie bückte sich erneut, um sich die Nachgeburt genau anzuschauen. Es durften keine fehlenden Stücke in dem hautartigem Gewebe sein, ansonsten würde Penelope von Hand die Reste aus Siv holen müssen, was zwar bei dem nun noch geöffnetem Geburtskanal problemlos möglich, aber eben sehr unangenehm war. Im Schein der Kerze nahm sie also die restliche Plazenta genau unter die Lupe, sah sich alle Bestandteile genau an und ließ sich dabei Zeit. Sie nahm einfach an, dass Frija von selber auf die Idee kommen würde, in der Zwischenzeit das Kind eben schnell zu waschen. Für diesen Gedanken bedurfte es keines Genies, und die Frau hatte bislang gezeigt, dass das hier wohl nicht ihre erste Tat als Geburtshelferin war.


    Schließlich war Penelope fertig mit ihrer Untersuchung und schnappte sich eines der Leinentücher. Sorgfältig wickelte sie die Nachgeburt darin ein, damit man sie neben der Türschwelle des Hauses begraben konnte, wie es Sitte war. Nunja, Sitte in Ägypten. Aber dort glaubte man eben fest, dass Nachgeburt und Kind eine Verbindung teilten, und wenn Penelope diese schon frevelhaft mit etwas durchtrennt hatte, das nicht aus dem schwarzen Glas des Serapis gemacht war und von Isis gesegnet, so wollte sie dem Kind doch nicht sein ganzes Seelenheil verbauen, indem sie sich da nicht sorgfältig genug darum kümmerte.
    “Es ist alles heraus, es ist geschafft. Du musst das Kind nur noch dringend selbst stillen. Die erste Milch ist wichtig. Danach kannst du eine Amme nehmen, oder auch nicht. Aber die erste Milch muss von dir kommen, und zwar möglichst bald.“
    Penelope fasste sich nochmal an die Stirn. Sie würde, sobald das Kind gestillt und die Mutter am Schlafen war hinausgehen, baden und dann nichts wie in ihr eigenes Bett, um wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Wenn man ihr bei ihrer Abreise aus Alexandria gesagt hätte, sie würde in Rom einer Barbarin helfen, ein Kind auf die Welt zu bekommen, sie hätte gelacht. Und auch jetzt war ihr danach, eben jenes zu tun. Manchmal hatte Tyche einen sehr seltsamen Humor.

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