cubiculum FC | All die Tragik dieser Welt

  • Ein lauter herzzerreißender Schrei drang eines Morgens aus meinem Cubiculum. Ich war diejenige, die ihn ausgestoßen hatte und die nun jammern und greinend auf den Boden sank und beinahe in meinen Tränen ertrank.
    Es dauerte nicht lange, bis meine Sklavin Charis zur Stelle war. Ihr Entsetzen beim Betreten meines Gemachs mußte so groß gewesen sein, daß sie selbst erst einen spitzen Schrei ausstieß, ehe sie zu mir eilte und sich zu mir hinunter beugte, um herauszufinden , was mir fehlte. Relativ schnell konnte sie jedoch feststellen, daß mich kein körperliches Gebrechen quälte. Ich war nicht verletzt, noch hatte man mir etwas angetan. Den wahren Grund meines heftigen Ausbruchs aber erkannte sie nicht, noch konnte sie sich einen solchen vorstellen. Ich war doch in den vergangenen Tagen so beschwingt gewesen. Das war allerdings nur rein äußerlich so gewesen.
    Alle Hoffnungen hatte ich auf die vergangen Tage und Wochen gesetzt. Doch diese waren an jenem Morgen mit einem Mal fortgespült worden. Seit der Rückkehr aus unserem Urlaub war ich hin und her gerissen. Einerseits nährte ich mich von der Hoffnung, endlich den ersehnten Spross in mir zu tragen. Andererseits beschäftigte mich immer noch der seltsame Spruch der Sybille. Alles mögliches versuchte ich hineinzuinterpretieren, damit die Worte für mich klarer und verständlicher wurden. Als dann vor einigen Tagen die Kunde von Sivs Niederkunft an meine Ohren drang, war ich noch mehr bestrebt, endlich auch meinem Mann den erhofften Erben gebären zu können. Die vergangen Tage hatte ich kaum die Villa verlassen, hatte fast nur gelegen, weil ich glaubte, so könne der Samen in meinem Schoß besser keimen. Doch all das war nun hinfällig geworden. An jenem Morgen hatten mich die Blutungen all meiner Hoffnungen beraubt. Ich stand wieder vor dem Nichts. Am Anfang. All die Mühen waren umsonst gewesen. Der Orakelspruch gewann dadurch urplötzlich eine andere Bedeutung.

    manchmal fährt das Schiff ohne Segel
    manchmal hört ihr Stimmen die keine sind
    manchmal spricht das Kind hinter dem Spiegel
    manchmal ist es nur der Wind


    Damit war zweifellos ich gemweint, ich war das Schiff ohne Segel und ich hörte Stimmen, wo keine waren. Sollte ich den wirklich verdammt dazu sein, kinderlos zu bleiben? Lag es etwa an der Liaison mit meinem Sklaven, daß mir Iuno nicht mehr wohlgesonnen war? Oder war es jene Verdammnis, die auf meiner Familie lastete?

    wenn keine Trauben aus den Ranken wachsen leidet der Boden Not


    War Marcus am Ende besser beraten, sich von mir scheiden zu lassen, weil ich nicht diejenige war, die ihm Kinder gebären konnte? Was sollte dann aus mir werden? Endete ich dann als alte infertile Jungfer, die man ausrangiert und ins Exil geschickt hatte?


    "Herrin, so sag doch etwas! Was ist mit dir? Was kann ich tun?"
    Charis redete mit Engelszungen auf mich ein, aber in meinem Schmerz ignorierte ich sie. Niemand konnte mir helfen! In ihrer Hilflosigkeit rannte sie zur Tür, öffnete sie und schrie um Hilfe, auf daß sie jemand hörte und herbeigeeilt kam.

  • Ein Schrei gellte durch das Haus. Irritiert fuhr ich herum. Wer war das gewesen und warum? Fußgetrappel war zu hören. Ein Aufruhr? Ich hatte eben das Haus verlassen wollen und mich zum Senat begeben wollen, denn am Vormittag stand eine Sitzung an. Jetzt jedoch machte ich eine Kehrtwende und ging mit raschem Schritt dem Schrei entgegen. Einige Sklaven, es mussten sicher fünf oder noch mehr gewesen sein, redeten wild durcheinander auf jemanden ein, und als ich um die Ecke des Flures bog, in dem das Zimmer meiner Frau lag, erkannte ich auch, dass es selbige war. Eine kühle Hand packte mich, und ich beschleunigte meinen Schritt. "Was ist passiert?" verlangte ich mit scharfem Tonfall zu wissen. Ohne eine Antwort abzuwarten, drängte ich mich an den Sklaven vorbei hin zu meiner Frau und griff sie an den Schultern. "Celerina, was ist los? Was ist geschehen?" Auf den ersten Blick konnte ich keine Verletzung erkennen. Was war nur geschehen?

  • Ich mußte wohl das jämmerliche Bild einer durchgeknallten Irren abgeben, die ohne ersichtlichen Grund auf dem blanken Boden saß, heulte und sich dabei die Haare raufte. Eine Reihe von Sklaven waren nach Charis´ Schrei herbeigerannt und blieben gaffend oder verstört um mich herum stehen. Keiner von ihnen hatte sich getraut, mich anzurühren, weil sie vielleicht dachten, ein Fluch, der auf mir lag könne auf sie überspringen. Ich persönlich hatte bislang nicht an solchen Hokuspokus geglaubt, doch nun machte ich mir schon so meine Gedanken. War ich verflucht, vielleicht meine Familie? Hatte jemand, der mir nicht wohlgesonnen war, mich mit einem Schadzauber belegt? Feinde gab es überall, wenn man sich in meinen Kreisen bewegte. Vielleicht eine Sklavin, die mich nicht ausstehen konnte und mir so schaden wollte. Oder eine meiner unzähligen Bekanntschaften, die mir mein Leben neidete. Gleich, was es auch war, etwas oder jemand hatte sich gegen mich verschworen. Ich war mir so sicher gewesen, diesmal hätte es klappen müssen. Doch nein, all die Mühen waren umsonst gewesen. Nur Charis hatte versucht mich zu beruhigen, nachdem sie mir die Decke von meinem Bett holte, dabei den roten Fleck auf dem Laken entdeckt hatte und nun Bescheid wußte. Sie trat erst zur Seite, als Corvinus sich den Weg zu mir bahnte-
    "Jemand... jemand hat mich verhext! VERHEXT! Und hat den Samen aus meinem Leib gerissen!", kreischte ich wirr. Mit aufgerissenen Augen sah ich zu meinem Gatten, der sich über mich gebeugt hatte. "Wir sind verdammt! Wir haben den Zorn der Götter auf uns gezogen! Deswegen sind sie uns nicht gnädig!"
    Unruhe erfasste die anwesenden Sklaven. Sie munkelten hinter vorgehaltenen Händen. Doch nur Charis hatte den Mumm, vorzutreten. "Die Blutung der Herrin hat eingesetzt, Herr. Nichts deutet auf eine Schwangerschaft hin."

  • Ich war in die Hocke gegangen, um Celerinas Schultern umfassen zu können. Sie kauerte auf dem Boden und wirkte vollkommen aufgelöst. Nur warum? Auf meine Frage antwortete sie wirres Zeug und ließ damit Unverständnis auf meine Gesichtszüge treten. Ich richtete mich auf und wandte mich halb um. "Geht. Und du holst einen Becher heißen Gewürzwein", befahl ich den Sklaven und deutete zuletzt auf Caecus, der sich sogleich davonmachte. Dann zog ich Celerina zu mir hoch und hörte Charis zu. Sicher war ich enttäuscht. Andererseits wirkte die Enttäuschung wie durch weiten Nebel auf mich. Ich nickte Charis kurz dankend zu für diese Information. Aus Celerinas Worten hatte ich nicht schlau werden können. Meine Frau bugsierte ich in einen Sessel, zog mir hernach selbst einen heran und setzte mich zu ihr. Ich griff nach einer Hand. Was sagte man in einer solchen Situation? "Beim nächsten Mal wird es schon klappen", versicherte ich ihr, als hätte sie nur eine Tür nicht auf Anhieb nicht öffnen können. "Die Götter zürnen uns nicht. Ich bin mir sicher. Aber wenn du möchtest, werde ich Iuno dennoch ein Opfer darbringen, auf dass sie uns ein Kind schenkt."

  • Schluchzend fand ich mich in einem Sessel wieder. Charis nüchterne Erklärung wollte ich nicht hören. Nein, nicht hören! Ich schüttelte unentwegt den Kopf und blickte ins Leere. Daß mir Marcus nun so nah war und mir beistehen wollte, hätte mich eigentlich glücklich stimmen sollen. Jedoch war nichts in mir, was noch zum gegenwärtigen Zeitpunkt hätte Glück empfinden können.
    Beim nächsten Mal? Ich war mir so sicher gewesen, auch wenn mich der Orakelspruch verwirrt hatte. Beim nächsten Mal... ich antwortete nichts darauf. Was, wenn es kein nächstes Mal gab? Wenn es überhaupt keine Chance gab, ein Kind zu empfangen?
    Vielleicht hatte er recht, damit. Die Götter zürnten uns nicht. Nicht uns. Aber mir schon. War ich der Grund, weil ich nicht aufrichtig in diese Ehe gegangen war? Weil ich ihn mit meinem Sklaven betrogen hatte und das in seinem eigenen Haus! Und nun wollte er auch noch Iuno ein Opfer bringen, damit sie uns mit einem Kind bedachte.
    Ja, plötzlich sah ich es glasklar vor meinen Augen! Solange ich nicht aufrichtig war, konnte ich auf keine Gnade hoffen!
    "Ich bin der Grund!", sagte ich unvermittelt. "Ich, nur ich. Ich habe die Götter erzürnt! Ich muß dir etwas gestehen, Marcus!" Nun schluchzte ich nicht mehr. Auch war ich nun wieder ganz klar und ich hoffte sogar, bald das wohlige Gefühl zu spüren, wenn ich denn endlich gestanden hatte.

  • Ich war verwirrt und ratlos. Celerina war außer sich, und ich konnte nicht recht nachvollziehen, warum. Gewiss trug der Orakelspruch eine Teilschuld an ihrer Verfassung. Es war doch nun wirklich kein Beinbruch, wenn es mit dem Kind ein klein wenig länger dauerte. Bei diesem Gedanken versuchte ich, meinen Sohn auszublenden, der ein paar Zimmer weiter friedlich in seiner Wiege schlummerte. Celerinas Verhalten kam mir da nur recht, in stürzte mich regelrecht darauf, sie aus der Verzweiflung herauszolocken, nur um alles andere für den Moment vergessen zu können. "Sag so etwas nicht", erwiderte ich nur wenig energisch. Allerdings, dass ich der Grund nicht sein konnte, dafür gab es inzwischen einen anschaulichen Beweis. Ich überlegte. Was, wenn sie mir tatsächlich keine Kinder schenken konnte? Ich wäre gezwungen, mich anderweitig zu orientieren. Oder zu adoptieren, wie Durus es getan hatte - zu meinem Leidwesen, denn es stellte seine Ehe mit Laevina nicht eben günstig hin.


    Celerina wollte etwas gestehen? Skeptisch runzelte ich die Stirn und fragte mich, was diese Tatsache mit der gegenwärtigen Situation zu tun haben mochte. Ich hob die Brauen und sah sie fragend an, etwas zu sagen, ersparte ich mir. Celerina hatte inzwischen aufgehört zu schluchzen. Es musste etwas Ernstes sein. Oder machte sie nur wieder einen Elefanten aus einer Mücke?

  • Diese Lauterkeit, die aus ihm sprach, als er versuchte, mich zu beschwichtigen, mich der Verzweiflung zu entreißen, sie bewirkte glatt das Gegenteil bei mir. So fühlte ich mich noch weitaus schäbiger, ich die ich mich des Ehebruchs schuldig gemacht hatte, auch wenn derjenige welche einer meiner Sklaven war, so war es doch Ehebruch. Und was Chimerion betraf, für den meine Gefühle noch so stark waren, wie am ersten Tag, so fühlte ich mich ihm gegenüber als Verräterin, die ihn mit meinem Geständnis gnadenlos ans Messer lieferte.
    Wenn es mir wenigstens gelang, sein Leben noch zu retten, dann war es das Exil, welches ihm bevorstand, irgendwo fernab von Rom, in einem Bergwerk oder in einer der Minen, in denen es für die armen Kreaturen, die dort schufteten, niemals mehr Tag wurde.
    So ließ ich denn alles seinen Gang gehen. Mein eigenes Schicksal, welches sich aus meinem Geständnis ergeben würde, war mir gleichgültig. Wenigstens einmal im Leben war es mir egal, was aus mir wurde.
    "Ich war nicht ehrlich zu dir, Marcus! Am Tag unserer Hochzeit war ich noch guter Dinge gewesen, weil ich dachte, ich hätte all das hinter mir, doch es hat mich wieder eingeholt und Besitz von mir ergriffen, Marcus. Und selbst in diesem Augenblick kann ich nicht behaupten, mich davon befreien zu können. Ich habe dich betrogen, Marcus!"
    Jetzt war es heraus. Eine Erleichterung? Nein, was nun folgte, war das Urteil. Einem Schuldbekenntnis folgte immer ein Urteil.

  • Nicht ehrlich. Gut, wer konnte das schon von sich behaupten? Immer gab es jemanden, zu dem man nicht ehrlich war. Nicht vollumfassend und bedingungslos. Dann brachte sie die Hochzeit ins Spiel, und hier machte ich mir zum ersten Mal Gedanken. Die darauf folgenden Worte drangen in meinen Verstand ein und verursachten....nichts. Ich war wie betäubt. Ihre Hand rutschte aus meiner, als ich sie losließ. Und dann realisierte ich, was das bedeutete. Es war nicht so wie bei Siv und mir. Ich zwang Celerina nicht zu einer Lüge. Mein Gesicht versteinerte sich, als ich mich ganz langsam von ihr zurück zog. Ich habe dich betrogen, Marcus. Und sie hätte mir, ohne mt der Wimper zu zucken, einen Bastard untergeschoben.


    Ohne eine Vorlaufzeit brodelte der Zorn in mir hoch. Ich war ohnehin leicht reizbar dieser Tage und ständig darauf bedacht, nicht an Siv und das Kind zu denken, die sich beide ein paar Türen weiter aufhielten - auch wenn ich es bisher gut unter Kontrolle hatte, nichts nach außen dringen zu lassen. Dies hier war ein ganz anderes Kaliber als das, was ich und sie hatten. Ich machte mir zumindest Gedanken über die Konsequenzen, und deswegen hatte ich meinen Sohn auch nicht als den meinen angenommen! Während ich die Kiefer noch fest aufeinander gepresst hatte, stach mir ein Gedanke in den Geist. Der Klient, der mir von Celerinas Ausflug damals erzählt hatte. "Spurius Sergius Sulla", sagte ich kalt und zuckte misstrauisch mit einer Braue. Man hatte lange nichts mehr gehört von ihm, ich hatte ihn fast vergessen und außerhalb Roms geglaubt. Doch dass er es war, mit dem sie mich betrogen hatte, erschien mir nur allzu logisch. Dann stand ich auf, so hastig, dass der Sessel laut über den Boden scharrte. "Wie kannst du es wagen!" Statt sie anzubrüllen, wonach mir eigentlich gewesen wäre, kam nicht mehr als ein kaum vernehmbares, heiseres Flüstern über meine Lippen. Ich sah Celerina voller Abscheu an. Sie hätte nicht einmal sagen können, wer der Vater wäre, wenn es zu einer Schwangerschaft gekommen wäre!

  • Jede einzelne Veränderung in Marcus´ Gesicht registrierte ich und wußte sie auch zu deuten. Als mein Geständnis, Wort für Wort in sein Gehör wanderte und von dort aus weiter in sein Gehirn, wo jede einzelne Silbe einer Bedeutung zugeordnet wurde und er schließlich begriff, was ich sagte. Zu meinem Leidwesen deutete er meine Worte völlig falsch. Der Name, den er hervorbrachte, er war längst verblaßt und vergessen. Er verwirrte mich sogar, so daß ich kurz stutzte. "Wer?", fragte ich verstört. Bis ich mich endlich wieder an den peinlichen Vorfall kurz vor der Hochzeit erinnerte. Den Göttern sei Dank, war ich nicht auf die Lockungen des Sergiers eingegangen und auch er hatte mir nicht länger nachgestanden, was sicher einen handfesten Skandal zur Folge gehabt hätte.
    "Oh, nein, nein, Marcus! Nein, nicht Sulla. Ich habe ihn nicht wieder gesehen und ich will ihn auch nicht wieder sehen. Das mußt du mir glauben!" Ich hatte mich ebenfalls erhoben und stand nun direkt vor ihm, in einer bittenden Haltung, der Blick nur auf ihn gerichtet, damit er mir eine Chance gab, die Wahrheit zu sagen.
    "Einer meiner Sklaven war es. Schon vor der Hochzeit fühlte ich mich zu ihm hingezogen. Ich dachte, mit der Zeit könnte ich diese Gefühle für ihn abstreifen, wie ein Kleidungsstück, aber es ging einfach nicht."

  • Ich wollte sie anfahren, nicht so scheinheilig zu fragen. Doch ich sah sie nur an. All meine Gedanken spiegelten sich in diesem Blick. Sie widerte mich in jenem Moment einfach nur an. Mir einen Bastard unterschieben zu können. Ich hätte es nicht einmal gemerkt. Und doch, vielleicht hätte ich nicht einmal was gesagt, weil sie dann endlich ein Kind gehabt hätte und mir damit nicht ständig in den Ohren lag. Vielleicht hätte ich mich selbst belügen können, wo Celerina dies schon vollbracht hätte. Vielleicht.


    Doch diese Situation änderte alles, schlagartig und unumstößlich. Eine Lüge war keine Lüge mehr, wenn die zwei, die es betraf, die Wahrheit kannten. Und das, was Celerina mir dann erzählte, setzte allem noch die Krone auf. Ich atmete gepresst. Wie bekannt mir all dies vorkam. Wie ironisch! Und doch hätte sie sich des Betruges schuldig gemacht, nicht ich. Mit einem Sklaven. Mein Erbe hätte ein Sklavenbalg werden können. Mein Sohn! Das musste man sich einmal vorstellen. Kurz legte sich meine Wut - es war einfach zu absurd! - nur um erneut aufzuflammen. Kaum zu beherrschen, um ein Haar verheerend. Meine Hand an ihrer Kehle, wie sie zudrückte. Wie ich sie schlug. Brüllte. Ich blinzelte die Agressionen fort. Sie war dennoch meine Frau. Und sie trug kein Kind. Nur mit Mühe gelang es mir, einfach stehen zu bleiben, einer Statue des Mars gleich, mit selbigem zornverzerrtem Gesicht, mit geballten Fäusten, um die Hände um nichts anderes schließen zu können, und mit diesem abgrundtiefen Hass im Blick, den ich einfach nicht zu unterdrücken vermochte. Ich hätte gern ihr Gesicht gesehen, wenn ich ihr erzählte, dass Siv meinen Sohn geboren hatte. Ich hätte von ihr verlangen können, dieses Kind als das ihre auszugeben. Doch ich tat weder das eine noch das andere, sondern stand einfach nur da und versuchte, mich im Zaume zu halten. All die Worte, die sie gesagt hatte, all die Versuche, etwas wie Zuneigung zu ihr entwickeln, jegliche Bemühung dahingehend - eine Farce! "Wer", forderte ich krächzend einen Namen von ihr. Und ich schwörte stumm bei Iuppiter, dass ich ihn entmannen lassen würde, sobald er mir in die Finger kam.

  • Nein, er wurde nicht handgreiflich. Auch legten sich seine Hände nicht um meinen Hals, obwohl sie liebend gerne zugedrückt hätten, wäre die letzte Hemmschwelle nicht gewesen. Wie gerne hätte ich ihm und auch mir diesen Augenblick erspart, doch ich hatte erkennen müssen, daß es auf die Dauer so nicht weitergehen konnte.
    Tröstlich aleine war wohl nur die Tatsache, daß die schaulustigen Sklaven, die sich nach meinem Schrei hin in meinem cubiculum versammelt hatten, nicht mehr Zeugen meines intimen Geständnisses werden konnten. Ohnehin würden die Ereignisse dieses Tages nicht lange ein Geheimnis bleiben. Und zweifellos hätte ein Teil derer, die da gewesen waren, Marcus´ Frage beantworten können. Womöglich drängten sie sich nun draußen vor meiner Tür, um einige Fetzen des weiteren Gespräches mitverfolgen zu können.
    Marcus´ fordernder Blick, seine raue Stimme versuchte mich in eine Ecke zu drängen, um mich einzuschüchtern. Wie sollte ich es weiterhin mit der Wahrheit halten? Hatte ich denn nicht schon genug gebeichtet. Warum sollte ich jetzt auch noch ihn mit in den Abgrund hinunterziehen. Auf das wir dereinst im Hades vereint sein würden? Nein, meinen Orpheus wollte ich um nichts in der Welt opfern! Wer also mußte dafür herhalten? Mein Blick fiel auf Charis, die als einzige der Sklaven geblieben war und nun, einer Statue gleich mitten im Raum stand. Sie kannte die Antwort. Nie hätte sie jedoch gewagt, sich ohne meine Erlaubnis zu äußern.
    Schließlich war es ein banales Gewand, welches ich mir vor ein, zwei Jahren gekauft hatte, als Mode aus Parthien der letzte Schrei gewesen war, und mich dazu bewog, eine Entscheidung zu treffen.
    "Der Parther!", antwortete ich knapp und sah Marcus dabei ganz offen ins Gesicht. Dabei war mir das blanke Entsetzen in Charis´ Gesicht entgangen, welches sich nun dort abzeichnete. Ein lautloser Schrei! Sie wagte es nicht, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Hätte ich nur eine Ahnung gehabt, was sie mit dem Parther verband! Was dann? Waren meine Bedürfnisse denn nicht weitaus wichtiger, als die einer Sklavin?

  • Wenn ich in Celerinas Geust hätte blicken können, wäre mir die abgrundtiefe Verwunderung auf das Antlitz geschrieben gewesen. Ich hätte mich gefrgat, wie sie vor den Göttern auf Gnade hoffen konnte, wenn sie mir erneut dreist ins Gesicht log. Doch so stellte ich ihr Geständnis nicht in Frage. Denn wer würde schon lügen, wenn er sich dazu entschlossen hatte, die Wahrheit zu sagen?


    Die Regung der Sklavin bemerkte ich nicht. Ich war gänzlich auf Celerina fixiert. Charis hatte mich ebensi enttäuscht. Hatte ich sie nicht aus genau diesem Grund meiner Frau geschenkt? Damit ich Dinge erfuhr? Ich verzog das Gesicht zu einer angeekelten Grimasse. Der Parther also. Ich ging davon aus, dass sie ihren meinte. Mich mit meinen eigenen Sklaven zu betrügen, hätte mir wohl vollends die Hörner aufgesetzt. Ich rief mir das Gesicht dieses Sklaven in Erinnerung. Er war bestenfalls durchschnittlich. Ich verstand Celerina nicht einmal unter diesem Aspekt. Ich langte nach vorn und ergriff Celerina, die inzwischen ebenfalls stand, an den Oberarmen. Grob zog ich sie zu mir hin. "Dein Glück ist, dass du blutest", sagte ich zu ihr und gab mir keine Mühe, dabei versöhnlich zu klingen. "Dieser Sklave wird sich wünschen, nie geboren worden zu sein. Und du... Wage es nicht, mich noch einmal so vorzuführen. Hast du das verstanden?" Mit dem letzten Satz verstärkte ich den festen Griff im ihre Arme noch, schüttelte sie kurz. Ich klang heiser vor Zorn. Laut war ich nicht geworden, dazu war ich schlichtweg zu sehr in Rage. Ich ließ sie abrupt los, starrte sie noch einen kurzen Moment durchdringend an und fegte dann herum, um ihr Zimmer zu verlassen.


    Caecus, der gerade mit dem heißen Gewürzwein um die Ecke kam, stutzte und ich zurück. Ich schlug ihm im Vorübergehen den Becher aus den Händen, so dass der Sklave hilflos mitansehen musste, wie sich die dampfende, tiefrote Flüssigkeit auf Celerinas Schminktisch und den Boden ergoss und auch einen Teil der Wand besprenkelte. Langsam lief die Flüssigkeit herunter. Beinahe wie Blut - das Blut eines Sklaven.

  • Die Wahrheit war ein seltenes und wertvolles Gut. Grund genug, damit sparsam umzugehen. Im Grunde hatte ich ja die Wahrheit gesagt. Ob der Sklave nun Chimerion oder doch eher Phraates hieß, was machte das schon. Niemand würde ihn vermissen, wenn Marcus, nachdem er mit ihm fertig war, ihn in die spanischen Minen oder auf die Olivenplantagen nach Sardinien schickte. Daß ich mich hierbei irrte, sollte ich später noch selbst schmerzlich feststellen. Doch für den Augenblick, war dies die beste Lösung.
    Natürlich war Marcus jetzt wütend. Er kochte geradezu vor Wut. Schließlich hatte ich seinen Stolz angekratzt. Und zu allem Übel fühlte ich mich auch noch schlecht dabei. Ja, mein Gewissen war noch in Takt!
    Als er mich recht unsanft am Oberarm packte, erschrak ich. Ich dachte, er wollte mich schlagen oder noch schlimmeres mit mir anstellen. Zu meinem Glück hielt er sich aber unter Kontrolle. Hinzu kamen seine verbalen Anfeindungen, die so kalt wie Eis daher kamen. In diesem Moment hatte ich Angst!
    "Ja." piepste ich leise und erst wieder froh, als er endlich von mir abließ und davon rauschte. Der Sklave, der den heißen Wein gerade bringen wollte, rannt er dabei fast um und schlug ihm den Becher aus den Händen.
    Hilflos blieb er stehen und starrte mich an. Ich, die ich gänzlich unbeweglich den Abgang meines Mannes verfolgt hatte, fing seinen Blick ein und gab ihm unmißverständlich zu verstehen, daß er gehen sollte. Letztendlich war ich mit Charis allein. Erst jetzt entdeckte ich das Grauen in ihrem Gesicht. "Was?", blaffte ich sie an. Doch sie sagte nichts. Noch nichts.
    Ich ging zu meinem Bett zurück, in dem ich soeben beschlossen hatte, den Tag zu verbringen. "Mach das da weg!", und deutete auf den Blutfleck auf meinem Laken.
    "Bitte Herrin, du weißt doch, daß Phraates unschuldig ist! Bitte bewahre ihn vor dem Zorn des Herrn, bitte!" Sie flehte mich an, weinte dabei bitterlich und versuchte mein Herz zu erweichen. Natürlich wußte ich, daß der Parther unschuldig war. Ich blieb aber hart und ließ mich nicht erweichen. Wenn es Phraates nicht traf, dann würde es Chimerion treffen.
    "Ich werde dafür Sorge tragen, daß man ihn nicht in die Minen schickt. Mehr kann ich nicht für ihn tun."


    ~kurze Zeit Später in der Villa~


    Ihrem Auftrag folgend, näherten sich zwei düster dreinblickende Männer dem Sklaven, der unbeirrt seiner Arbeit nachging. Sie packten ihn, rissen ihm die seidene parthische Tracht vom Leib und zerrten ihn hinaus in den Hof. Eine Schar neugieriger Sklaven folgten den dreien und blieben dann abrupt stehen, nachdem der eine den Parther an einen Pfahl gebunden hatte. Der andere holte eine Peitsche hervor. Jedem einzelnen der gaffenden Sklaven stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben, als sie diesem seltenen Schauspiel beiwohnten. Schreie von Schmerz drangen vom Hof in die Gänge der Villa und ermahnten jeden einzelnen, wie grausam das Leben doch sein konnte.


    ~finis~

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