Ein lauter herzzerreißender Schrei drang eines Morgens aus meinem Cubiculum. Ich war diejenige, die ihn ausgestoßen hatte und die nun jammern und greinend auf den Boden sank und beinahe in meinen Tränen ertrank.
Es dauerte nicht lange, bis meine Sklavin Charis zur Stelle war. Ihr Entsetzen beim Betreten meines Gemachs mußte so groß gewesen sein, daß sie selbst erst einen spitzen Schrei ausstieß, ehe sie zu mir eilte und sich zu mir hinunter beugte, um herauszufinden , was mir fehlte. Relativ schnell konnte sie jedoch feststellen, daß mich kein körperliches Gebrechen quälte. Ich war nicht verletzt, noch hatte man mir etwas angetan. Den wahren Grund meines heftigen Ausbruchs aber erkannte sie nicht, noch konnte sie sich einen solchen vorstellen. Ich war doch in den vergangenen Tagen so beschwingt gewesen. Das war allerdings nur rein äußerlich so gewesen.
Alle Hoffnungen hatte ich auf die vergangen Tage und Wochen gesetzt. Doch diese waren an jenem Morgen mit einem Mal fortgespült worden. Seit der Rückkehr aus unserem Urlaub war ich hin und her gerissen. Einerseits nährte ich mich von der Hoffnung, endlich den ersehnten Spross in mir zu tragen. Andererseits beschäftigte mich immer noch der seltsame Spruch der Sybille. Alles mögliches versuchte ich hineinzuinterpretieren, damit die Worte für mich klarer und verständlicher wurden. Als dann vor einigen Tagen die Kunde von Sivs Niederkunft an meine Ohren drang, war ich noch mehr bestrebt, endlich auch meinem Mann den erhofften Erben gebären zu können. Die vergangen Tage hatte ich kaum die Villa verlassen, hatte fast nur gelegen, weil ich glaubte, so könne der Samen in meinem Schoß besser keimen. Doch all das war nun hinfällig geworden. An jenem Morgen hatten mich die Blutungen all meiner Hoffnungen beraubt. Ich stand wieder vor dem Nichts. Am Anfang. All die Mühen waren umsonst gewesen. Der Orakelspruch gewann dadurch urplötzlich eine andere Bedeutung.
manchmal fährt das Schiff ohne Segel
manchmal hört ihr Stimmen die keine sind
manchmal spricht das Kind hinter dem Spiegel
manchmal ist es nur der Wind
Damit war zweifellos ich gemweint, ich war das Schiff ohne Segel und ich hörte Stimmen, wo keine waren. Sollte ich den wirklich verdammt dazu sein, kinderlos zu bleiben? Lag es etwa an der Liaison mit meinem Sklaven, daß mir Iuno nicht mehr wohlgesonnen war? Oder war es jene Verdammnis, die auf meiner Familie lastete?
wenn keine Trauben aus den Ranken wachsen leidet der Boden Not
War Marcus am Ende besser beraten, sich von mir scheiden zu lassen, weil ich nicht diejenige war, die ihm Kinder gebären konnte? Was sollte dann aus mir werden? Endete ich dann als alte infertile Jungfer, die man ausrangiert und ins Exil geschickt hatte?
"Herrin, so sag doch etwas! Was ist mit dir? Was kann ich tun?"
Charis redete mit Engelszungen auf mich ein, aber in meinem Schmerz ignorierte ich sie. Niemand konnte mir helfen! In ihrer Hilflosigkeit rannte sie zur Tür, öffnete sie und schrie um Hilfe, auf daß sie jemand hörte und herbeigeeilt kam.