Nachdem Plotina beim Gymnasiarchos eingetreten war, hatte sie sich erst einmal vollkommen darauf konzentriert, sich dem Prytanen mitsamt ihrem Anliegen vorzustellen. Dabei hatte sie nicht wirklich ein Auge für Cleonymus gehabt, und so konnte sie ihn erst, nachdem sie geendet hatte, einer genaueren Betrachtung unterziehen.
Und ja, die Sergierin war angetan. Die entspannte und abgeklärte Haltung, mit welcher der Gymnasiarchos sie empfing und nun auf ihren Wunsch einging, bestätigte ganz den positiven Eindruck, den schon die Wache an der Porta Lunae auf sie gemacht hatte. Das war doch ganz etwas anderes als die vermeintliche Ineffizienz der griechischen Verwaltung, über die sich die römischen Bürger in Alexandria so gerne das Maul zerrissen. Freilich, all diese Auftritte konnten auch reines Schauspiel und Blendwerk sein, wie es in der Politik ja so häufig vorkommt (^^), und sagte man nicht gerade den Griechen nach, sich darauf besonders gut zu verstehen?
Aber das war ja schon wieder so ein Klischee, das Plotina schleunigst zur Seite wischte, denn sie wollte nicht schon ihre ersten Tage in Alexandria von Misstrauen und tradierten Vorurteilen vergiften lassen, sondern sich ihr eigenes Bild über die Dinge machen. Und dazu brauchte sie mehr Wissen: "Du weist zurecht auf die besonderen Umstände meines Falles hin, Cleonymus. Weil mir die Ephebie aber wirklich am Herzen liegt, möchte ich auf jeden einzelnen deiner Punkte eingehen. Zunächst einmal befürchte ich, dass es mit meiner Bildung gar nicht so weit her ist, wie du vielleicht annehmen möchtest. Ich bin zwar hier aufgewachsen, und Koiné spreche ich wohl besser als die meisten Römer" und so gut wie die einheimischen Griechen, wollte sie eigentlich sagen, stapelte aber hier für den Anfang lieber mal tief - "Aber ansonsten reicht meine Bildung, was die hellenische Kultur betrifft, nicht viel weiter als die jedes einigermaßen geblldeten römischen Kindes. Besonders der praktische Gebrauch geht mir völlig ab. Gerade in diesen möchte ich mich aber einüben, weil ich... - weil ich mich eines Tages in dieser Stadt nützlich machen möchte." Jetzt war es also raus.
"Und eben deshalb möchte ich mehr tun, als mir unter Berufung auf mein römisches Bürgerrecht das alexandrinische einfach so eintragen zu lassen. Ich bin Römerin, ja, und stolz darauf, aber ich doch auch eine von hier, habe mit griechischen und ägyptischen Kindern im Sand gespielt und gerauft. Ja, und wenn ich das jetzt wieder tun muss," - Plotina spielte natürlich auf das zu erwartende Alter ihrer Kommilitonen in der Ausbildung an - "dann wird mich das freuen." Außerdem war es ja nicht so, dass Plotina nicht schon selber gerne Kinder gehabt hätte... es hatte noch nicht sein sollen. Doch das gehörte selbstverständlich nicht hierher.
"Versteh mich bitte nicht falsch", schloss Plotina. "Ich möchte hier auch keine Sonderregelung oder zusätzliche Arbeit verursachen. Aber vielleicht ist es möglich, dass ich mich einer bestehenden Klasse anschließe."