Casa Germanica - Hortus

  • Im Durchschauen von Maskeraden und Heraushören von feinen Nuancen hatte es Serrana bislang noch nicht allzu weit gebracht, und so kam sie auch jetzt nicht auf die Idee, Axillas Bemerkungen zu ihrem neuen Leben irgendwie zu hinterfragen. Und warum auch, schließlich hatte ihre Cousine doch eine unglaubliche Partie gemacht, für die Laevina vermutlich sogar gemordet hätte... Und so sehr die in ihren moralischen Vorstellungen doch recht festgefahrene Serrana auch nach wie vor mit der etwas ungewöhnlichen Vorgeschichte zu kämpfen hatte, so war es selbst ihr spätestens nach dem Heiratsantrag beim Wagenrennen klar geworden, dass Axilla und Archias einander ernsthaft zugetan waren.


    "Ja, das kann ich mir vorstellen." Sie selbst war schon bei ihrem kurzem Besuch vor ihrer Hochzeit wie erschlagen von den unglaublichen Ausmaßen des kaiserlichen Palastes gewesen, und allein die Praetorianer vor dem Eingang hatten ihr schon mehr als genug Respekt eingeflößt. "Ich finde mich selbst in diesem Haus kaum zurecht, und das obwohl Quintus sich soviel Mühe gegeben hat und mich überall herumgeführt hat. Aber stell dir nur vor, dank dir ist unsere Familie jetzt mit der des Kaisers verwandt, das ist doch unglaublich! Und dabei hat Quintus' Onkel vor der Hochzeit noch zu mir gesagt, dass ich nicht gut genug für ihn bin, ha!" Mit einem zufriedenen Lächeln, das auch ein nicht geringes Maß an Stolz und Genugtuung widerspiegelte, sah Serrana ihre Cousine an; dass sie selbst herzlich wenig zu diesem gesellschaftlichen Quantensprung ihrer Gens beigetragen hatte, war ihr in diesem Augenblick egal.
    Inzwischen war der Sklave mit einem Tablett voller Getränke zurückgekommen und stellte dieses auf dem kleinen Tisch neben der Steinbank ab. "Was darf ich dir anbieten? Wein, Wasser oder etwas Saft vielleicht?" schaffte es Serrana gerade noch zu sagen, bevor Axilla auf den offensichtlichen Grund ihres Besuchs zu sprechen kam. "Der Grieche?" fragte sie für einen Augenblick etwas verwirrt, da diese Geschichte doch schon eine ganze Weile zurück lag, dann erhellten sich ihre Gesichtszüge wieder. "Ach der, die Sache hatte ich schon fast wieder vergessen. An dem Tag ist nämlich Sedulus' Tochter auf dem Sklavenmarkt verschwunden, und wir haben ewig nach ihr gesucht. Naja, eigentlich ist sie auch der Grund, warum wir diesen Sklaven ersteigern wollten. Er machte ja einen sehr gebildeteten Eindruck, und Sabina ist mittlerweile alt genug für Unterricht. Und da zur Zeit noch ein anderer Verwandter in ihrem Alter hier in der Casa Germanica lebt, haben wir gedacht, es würde sich lohnen, einen Hauslehrer zu erwerben. Wie macht sich der Grieche denn bei euch?"

  • Nachdem Serrana gesagt hatte, was der Onkel ihres Gemahls bezüglich des Wertes der Iunia von sich gegeben hatte, starrte Axilla einen Moment nur ungläubig auf ihre Cousine. Sie schaute und schaute, ließ die Frage nach dem Getränk unter den Tisch fallen und die Antwort wegen des Griechen über sich hinwegplätschern. Erst als Serrana geendet hatte und sie so unschuldig ansah, erholte Axilla sich von ihrem Schock. “Er hat was?“ brauste sie auf. Es gab nicht vieles, womit man Axilla wirklich wütend bekam, aber die Ehre ihrer Familie gehörte definitiv dazu. Und hätte sie gewusst, was Sedulus Onkel über die Iunii gesagt hätte, sie hätte diese Hochzeit verhindert. Und wenn sie ihn zur Not hätte erschlagen müssen für diese Frechheit! “Weiß dieser homo novus überhaupt, wovon er redet? Du nicht gut genug für ihn?!“ Axilla war fassungslos. So fassungslos, dass sie noch nicht einmal bemerkte, dass man sie vielleicht auch außerhalb der Zweisamkeit ihres Gespräches noch gut hören konnte. Eben im Haus jenes hominis novi, wie sie eben gesagt hatte. Dennoch sprudelte es weiter aus Axilla hervor. “Seine Vorfahren waren verdammte Kaufleute die irgendwannmal das Recht erlangt haben, einen Gensnamen zu führen. Wir können unsere Linie über 600 Jahre zurückverfolgen, bis hin zu den Etruskischen Königen! Unser Vorfahr hat die Republik gegründet! Unser Vorfahr war erster Konsul Roms! Und unsere Familie hat sehr, sehr viele Konsulen danach gestellt!“ Was fiel diesem vorwitzigen Schnösel ein, das als 'nicht gut genug' zu bezeichnen? Nur weil gerade die Iunii nicht unbedingt auf ihrem Höhepunkt waren und nicht mehrere Senatoren in Rom vorzuweisen hatten, hieß das nicht, dass sie unwichtig seien! Ein Iunius konnte nie unwichtig sein! “Nicht gut genug.... ich fass es nicht....“ Das war wirklich ein starkes Stück, und darauf brauchte Axilla erstmal einen Schluck.
    Dem armen Sklaven, der immernoch dastand und ihren Ausbruch miterlebt hatte, winkte sie kurz, er solle ihr etwas verdünnten Wein geben. Normalerweise trank sie den ja nicht, weil er ihr zu Kopf stieg, allerdings hatte sie grade das Gefühl, einen Schluck wirklich vertragen zu können.


    Sie schnaufte nochmal durch, noch immer etwas fassungslos, und kam dann auf das Thema mit dem Sklaven zurück. “Achja, der Sklave. Ja, er macht sich wohl ganz gut. Aber eigentlich brauch ich ihn ja nicht wirklich, und bei seiner Bildung wäre es fast schon Verschwendung, ihn in der Palastbibliothek versauern zu lassen. Eigentlich hatte ich mir gedacht, also, wenn er noch benötigt wird, dass ich ihn ausleihen könnte. Dann haben alle was davon.“ Auch wenn Axilla im Moment Sedulus lieber den Kopf gewaschen hätte als ihm einen Gefallen zu tun. Naja, vielleicht gab der Sklave den Germanici bei Gelegenheit nochmal einen Auffrischungskurs in Geschichte. Axilla nahm noch einen Schluck. Sie war noch immer fassungslos.


    Sim-Off:

    Winzigen Verleser ausgebessert *g*

  • Serrana fuhr unwillkührlich ein Stück zurück, als Axilla derart heftig aus der Haut fuhr und ärgerte sich schon eine Sekunde später, dass sie das Thema überhaupt angesprochen hatte. Schließlich wusste sie doch mittlerweile, wie empfindlich ihre Cousine auf alles reagierte, was mit dem Namen ihrer gemeinsamen Gens zu tun hatte...
    Erschrocken warf sie einen Blick in alle Richtungen, doch in ihrer Hörweite befand sich nur Adula, die vermutlich sogar dann unbeeindruckt und gleichgültig bleiben würde, wenn der Kaiser höchstpersönlich ein Rad vor ihnen schlagen würde.


    "Oh, Quintus hat das nicht gesagt, sondern sein Onkel Avarus." beeilte sie sich, zumindest dieses Missverständnis aus der Welt zu schaffen. "Und der hat auch nicht direkt was gegen die Iunier gesagt, sondern dass Quintus mit einer Senatorentochter besser bedient wäre. Ich glaube, die Germanicer interessieren sich generell mehr für Taten als für Namen, das ist bei meiner Großmutter genauso. Und Avarus hat ja schon eine Menge erreicht in seinem Leben. Trotzdem hab ich mich damals auch sehr geärgert." Komisch, dass die Erinnerung an das Gespräch bei Calliphanas Verlobungsfeier immer noch so weh tat, und das obwohl Sedulus ihr mehrfach versichert hatte, dass der politische Einfluss ihrer Familie unwichtig für ihn war. Serranas Stimme wurde jetzt ein wenig leiser. "Stell dir vor, Avarus hat auch gesagt, dass ich das alles durch viele Kinder wieder ausgleichen kann, aber ich bin doch keine Legehenne..."Nein, das war eindeutig das falsche Gesprächsthema, wie der sich wieder einmal in ihrem Magen zusammenballende Klumpen Angst deutlich zeigte. Schlimm genug, dass ihr seit Calvenas Abreise nach Germanien ständig ein höchst unangenehmer Gedanke durch den Kopf ging. Dann doch lieber eine entspannende Unterhaltung über Sklaven, die bot auch nicht so viele Stolperfallen...
    Serrana warf einen Blick auf den Weinkelch in Axillas Hand und ließ sich dann kurzerhand einen eigenen geben. Eigentlich war es ja noch ein wenig früh für Wein, aber der hatte bislang immer so eine herrlich entspannende Wirkung auf sie gehabt, und die konnte sie jetzt gut brauchen. Sie trank einen großen Schluck und versuchte, sich wieder auf das Thema zu konzentrieren.


    "Du würdest uns den Sklaven ausleihen? Oh, das ist aber eine nette Idee, vielleicht könnte ich von ihm ein wenig Griechisch lernen, ich spreche nämlich nur ein paar Brocken. Was sagt denn dein Mann dazu, der Sklave gehört doch ihm, oder?"

  • Germanicus Avarus... Kurz musste Axilla überlegen, ob sie den Namen schonmal irgendwo gehört hatte. Als es dann klingelte, einfuhr ihr ein gequältes Stöhnen. “Der Rector der Schola?“ Sie sah kurz zu Serrana auf. Das war doch wirklich nicht zu fassen, wie jemand auf diesem Posten einen so ungebildeten Mist von sich geben konnte. Sie kannte zwar nicht jeden im Museion, aber sie war sich sicher, dass das in Alexandria nicht passiert wäre. Und dabei waren das dort Griechen und nichtmal Römer! “Das einzige, was zählt, sind Namen. Wenn dein Mann irgendwannmal für sein Konsulat kandidieren sollte und dabei nicht anführt, mit einer Iunia verheiratet zu sein, dann wäre er schon extrem dumm. Ich hoffe mal, dass er genug Weitsicht hat, das auch zu sehen.“ Noch immer stöhnte sie angesichts so viel sturer Dummheit. Momentane Taten...ja, die brachten kurz Ruhm, manche sogar länger. Aber es gab nur weniges, was Jahrhunderte überdauerte. “Dann hoff ich mal, dass er seine Meinung wenigstens jetzt revidiert hat.“
    Oh tempora, o mores...


    Dass Serrana da gleich auf ihr Angebot mit dem Sklaven eingehen wollte, war da auch keine große Ablenkung. “Er spricht zumindest Koine und Attisch.“ Und seit ihrer Zeit in Alexandria wusste Axilla auch, wie groß da der unterschied zwischen den einzelnen griechischen Dialekten doch sein konnte. Vor allem, da sie ursprünglich bei ihrer Ankunft nur das veraltete ionisch der östlichen Provinzen gesprochen hatte. Und inzwischen beherrschte sie neben dem Koine und dem Attisch auch zumindest vom Hören den vierten, griechischen Dialekt, das Dorisch. Daneben noch ein paar Brocken Demotisch, Persisch, Jüdisch... alles, was eben in Alexandria so gesprochen worden war, wenngleich es bei den vielen Sprachen des Fremdenmarktes meist nicht mehr als 'ja'. 'nein' oder einige unflätige Bezeichnungen hinausging. Nur dass sie damit hier in Rom scheinbar überhaupt gar nichts anfangen konnte.
    “Wie, was Archias dazu sagt?“ Eigentlich hatte Axilla ihn nichtmal gefragt. Wozu auch? Er hatte gesagt, er hatte den Sklaven für sie gekauft. Wenn sie ihn dann weiterverlieh, wenn sie ihn nicht brauchte, war das doch nichts, wo sie erst sein Einverständnis brauchte? Zumindest nicht nach Axillas Verständnis der Sachlage. “Was soll er schon dazu sagen? Wir machen das einfach. Oder musst du da Sedulus erst um Erlaubnis bitten?“ Für Axilla, die eigentlich Zeit ihres Lebens eigenständige Entscheidungen zu treffen gelernt hatte, war die Vorstellung, erst eine Erlaubnis einzuholen, geradezu befremdlich. Zumindest, was solche Dinge anging.

  • "Ehm ja, das ist er, glaub ich." Serrana rief sich kurz Avarus' ehrfurchtsgebietende und auch ein wenig einschüchternde Erscheinung vor Augen und zuckte dann mit den Schultern. "Keine Ahnung, was er mittlerweile von mir denkt. Ich hab ihn nach der Hochzeit nur noch ab und zu beim Essen gesehen, und jetzt ist er auf dem Weg nach Germanien." Ein Umstand, der ihr persönlich nicht ganz unlieb war, denn auf diese Weise gab es einen Menschen weniger im Haus, dessen Ansprüchen sie gerecht werden musste. Tief in ihrem Innern befürchtete Serrana, dass auch Sedulus sich im Grunde herzlich wenig für die historische Bedeutung der Gens Iunia interessierte, schließlich hatte sie selbst bereits das eine oder andere Mal mit höchst mäßigem Erfolg versucht, ihm ein Gefühl dafür zu vermitteln. Das Axilla gegenüber zu erwähnen, erschien ihr dann aber doch nicht allzu klug und so schwieg sie sich zu diesem Punkt lieber aus. Der Tag, an dem ihr Mann einmal über eins der höchsten Ämter nachdenken konnte, lag zur Zeit ja auch noch in weiter Ferne, und ihr persönlich reichte es auch schon voll und ganz, die Frau eines Senators zu sein.


    Wie überaus günstig, dass es Sklaven gab, über die konnte man wenigstens sprechen, ohne allzuviel nachdenken zu müssen und auf irgendwelche Empfindlichkeiten zu achten. Dachte sie zumindest, bis Axilla mit der nächsten Bemerkung herauskam. Serrana, die bereits instinktiv den Mund geöffnet hatte, um anzukündigen, dass sie Sedulus noch fragen müsste, klappte diesen schnell wieder zu, weil sie sich ihrer Cousine gegenüber nicht als unselbständiges Hausmütterchen präsentieren wollte, auch wenn es ihr häufig ganz lieb und angenehm war, unliebsame und unbequeme Entscheidungen anderen Leuten zu überlassen. Aber wer gab das schon gern zu.


    "Oh, äh, nein....natürlich nicht." sagte sie schnell und schüttelte den Kopf."Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Quintus etwas dagegen hätte, wobei..." Serrana warf einen Blick zum Haus hinüber und dann wieder zu Axilla. "Es kann sein, dass ein Teil der Familie bald für eine Weile nach Germanien reisen wird, und es wäre dir doch sicher nicht recht, wenn dein Sklave Rom verlassen würde, oder?"

  • Germanien? Urplötzlich musste Axilla an Duccius Rufus denken und sie hoffte nur, dass dieser ungebildete Schnösel ihrem Freund nicht auch solche Nettigkeiten angedeihen ließ wie den Iuniern. Wobei die Provinz ja groß war und nicht nur aus Mogontiacum bestand und sie keine Ahnung hatte, ob die zwei sich überhaupt je auch nur ansatzweise sehen würden.
    “Aha. Und trotzdem bleibt der Rector der Schola?“ Auch das war etwas, was niemandem im Museion eingefallen wäre: Jemanden, der nicht in Alexandria lebte, zum Epistates zu machen. Aber gut, sie hatte keine Ahnung davon, wie die Schola funktionierte. Wenn man die auch von irgendwo anders leiten konnte... das widerstrebte zwar ihrer Vorstellung von Unmittelbarkeit zwischen Aufgabe und Erfüllungsort, aber gut. Die würden schon wissen, was sie taten. Wobei... wenn sie von jemandem geleitet wurden, der die Iunii als 'nicht wichtig' bezeichnete... Axilla dachte lieber nicht weiter darüber nach.


    Das andere war durchaus schwerwiegender. “Wie? Du reist doch nicht auch nach Germania, oder doch?“ Irgendwie verstand Axilla jetzt den Zusammenhang nicht. Warum sollte ihr Sklave nach Germania gehen, wenn sie ihn Serrana, die ja hier war, ausleihen würde? War doch wurscht, ob Avarus nach Germania gehen würde, oder schon dort war oder wie auch immer? Oder auch sonstwer aus der Familie? Axilla verstand den Einwand wirklich so ganz und gar nicht.

  • "Oh, das nehme ich doch an. Er wird ja auch sicher einen Vetreter
    haben."
    vermutete Serrana, die sich mit den inneren Abläufen der Schola in keinster Weise auskannte, aber auch dies nicht zugeben wollte.
    Dann kam das Gespräch auf Germanien, und ihr Körper straffte sich unwillkürlich bei dem Gedanken an die nun bald bevorstehende Reise ins Unbekannte.


    "Doch, Quintus und ich werden auf jeden Fall dabei sein. Und Sabina natürlich, seine Tochter. Quintus und sein Onkel haben ihr schon vor etlichen Monaten ein eigenes Pony versprochen, und das darf sie sich dort auf dem Gestüt der Familie aussuchen." Bei dem Gedanken an die lange Fahrt wurde Serrana doch ein wenig flau im Magen und sie trank schnell noch einen Schluck Wein. "Ich in Germanien, stell dir das nur mal vor! Dabei hab ich es bis jetzt gerade mal von der Campania hier her geschafft. Wahrscheinlich findest du es albern, dass ich so aufgeregt bin, aber du bist ja auch in Hispania aufgewachsen und hast jahrelang in Ägypten gelebt." Ein winziger neidischer Seitenblick und ein weiterer, deutlich größerer Schluck folgten. "Keine Ahnung, ob Großmutter auch mitkommen wird. Vor einigen Tagen ist hier nämlich ein Enkel von ihr aufgetaucht, den sie seit Jahren nicht gesehen hat." Nach dem nächsten Schluck hatte Serrana das Gefühl, dass sich von ihrem Magen ausgehend allmählich ein warmes und beruhigendes Tuch über ihre zur Zeit ziemlich überreizten Nerven legte und seufzte leise auf, bevor sie weitersprach.


    "Was ist eigentlich mit dir? Hast du vor, nochmal nach Ägypten zu reisen, oder bleibst du von jetzt an hier in Rom?"

  • Im ersten Moment dachte Axilla, Serrana wollte sie veralbern. Es musste ja fast schon so sein! Welcher vernünftige Mensch nahm es auf sich, mehrere Wochen in einer stickigen Kutsche (die von barocker Leichtigkeit weit entfernt war) tausende Meilen Richtung Norden zu holpern, wo man überall auf der Straße überfallen werden konnte (denn auch in Italia gab es genug Räuber), die Alpen zu überqueren und nur in Mansiones die ganze Zeit zu übernachten, nur um einem Mädchen ein Pony zu kaufen? Abgesehen davon, dass Reiten etwa war, was noch nicht einmal jeder Mann konnte und das bei Frauen zu dieser Zeit allein schon deshalb unschicklich war, weil römische Damenkleider meist bis zu den Knöcheln gingen und Damensättel unbekannt waren, man konnte hier auch genügend Pferde erwerben, dafür musste man nicht nach Germania. Axilla war also der festen Überzeugung, Serrana wollte sie aufziehen. Aber dann merkte sie, wie aufgeregt Serrana war, und als sie schließlich nach Ägypten fragte, merkte sie doch, dass das ihr ernst war. Axilla war sich nicht sicher, ob sie lachen oder eher heulen sollte. Und da hielten die Leute sie für naiv!


    “Ähm... dann hat sich das mit dem Sklaven wohl wirklich erstmal erledigt...“ Axilla räusperte sich kurz. Sie wollte nichts gemeines sagen, trotz dieser Vorlage und des noch nachhallenden Ärgers wegen Germanicus Avarus.
    “Ägypten? Irgendwann mal. Mal schauen. Archias ist ja hier Procurator, und ich denke, das wird er auch eine Weile sein. Und ich weiß nicht, wie es gerade in Ägypten so ist. Außerdem find ich hier grade endlich Freunde, da will ich jetzt hier schon bleiben.“
    Bona dea, das hier alles war schwieriger, als Axilla gedacht hatte. Aber wer konnte auch ahnen, dass es SO sein würde? Axilla hatte ja mit Vielem gerechnet, aber nicht mit solchen Botschaften. Ihre Meinung von den Germanicern als solches war so ja vielleicht nicht die wohlwollendste, aber im Moment bekam sie immer noch mehr Gründe, anzunehmen, dass die doch alle 'nen Sprung in der Amphore hatten. Pony... sie glaubte es immer noch nicht so wirklich.
    Aber gut, half ja alles nichts. Also nahm Axilla nochmal ihren Mut zusammen und kam auf das zu sprechen, was ihr eigentlich auf der Seele lag.
    “Es gibt aber noch was, worüber ich mit der reden wollte...“ Etwas unschlüssig drehte Axilla den Weinbecher ein wenig in der Hand hin und her, so dass die dunkle Flüssigkeit darin leicht hin und her schwappte, ohne jedoch über den Rand zu laufen. “Ich weiß nicht, ob du und Sedulus vielleicht schon darüber gesprochen habt. Aber dein Vater hatte ja keinen Sohn....“ Axilla war sich nicht sicher, ob Serrana kapierte, worauf sie hinaus wollte, aber dennoch ließ sie den Rest einmal unausgesprochen.

  • Ja, Serrana betrachtete die bevorstehende Reise nach Germanien tatsächlich mit einer gehörigen Portion Naivität, was jedoch nicht unerheblich zum Erhalt ihres Seelenfriedens beitrug, der dieser Tage bereits spürbar ins Wackeln geraten war. Dabei spielte zum einen der Umstand eine Rolle, dass sie, was längere Fahrten anging, gänzlich unerfahren war und daher nicht annähernd realistisch einschätzen konnte, was in den nächsten Wochen auf sie zukommen würde. Aber selbst wenn sie es geahnt hätte, hätte sie das vermutlich nicht wirklich abgehalten. Schließlich war diese Reise Sedulus' Wunsch, und Serrana, immer noch im Rausch der ersten großen und bedingungslosen Liebe, war zur Zeit derartig in ihren Mann verknallt, dass sie auch zu Fuß Richtung Alpen laufen würde, wenn er so etwas von ihr verlangen würde.
    Das ihr auf diese Weise ein möglicher Unterricht durch den griechischen Sklaven entgehen würde, war natürlich schade, aber vielleicht ließ sich der ja später, nach ihrer Rückkehr, noch nachholen.


    Serrana nickte, als Axilla von den beruflichen Verpflichtungen ihres Mannes berichtete und gleich noch ein zweites Mal, als die Sprache auf ihre neugewonnenen Freundschaften kam, diesmal jedoch mit deutlich unglücklicherem Gesichtsausdruck.
    "Ja, das kann ich verstehen. Ich weiß gar nicht, wie ich es aushalten soll, jetzt wo Calvena weg ist und Septima auch. Wer weiß, wann die beiden wieder in Rom sein werden..." Sie biss sich auf die Unterlippe und schaffte es zu ihrer Erleichterung, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Nein, solange es sich irgendwie vermeiden ließ, würde sie sich ihrer Cousine nicht noch einmal als heulendes Elend präsentieren, das war beim letzten Mal schon demütigend genug gewesen. Mit einiger Erleichterung nahm sie daher den erneuten Themenwechsel zu Kenntnis, doch die Freude wich schnell einem Gefühl der Verwirrung. Warum fing Axilla denn jetzt von Serranas Vater an? Und was hatte das mit Sedulus zu tun?


    "Ähm nein, hatte er nicht." Ohne dass sie etwas dagegen hätte tun können, schweiften Serranas Gedanken in die Vergangenheit und vor ihrem inneren Auge tauchte das blutige und bläuliche Etwas auf, das ihr Bruder hätte werden sollen, wenn es seine Geburt überlebt hätte.
    Schnell trank sie noch einen Schluck Wein. Hoffentlich ging das Gespräch ganz schnell wieder in eine andere Richtung, dieses Thema war nämlich überhaupt nicht nach ihrem Geschmack.


    "Möchtest du noch etwas Wein? Oder vielleicht eine Kleinigkeit zu essen? Ich könnte dir auch das Haus zeigen..."

  • “Nur, weil jetzt alle verheiratet sind, oder was meinst du?“ Axilla konnte nicht folgen, was Serrana damit meinte, Calvena und Septima wären weg. Nun, bei Calvena interessierte es Axilla auch nicht im Geringsten, die konnte ruhig ganz weit weg sein und bleiben, wenn es nach der Iunia ging. Ihre Ansichten zur römischen Legion waren ohnehin von hinterm Mond gewesen, ob sich da der Körper diesen Ansichten räumlich genähert hatte, war Axilla bestenfalls gleichgültig. Bei Septima sah es schon anders aus, die war doch recht nett gewesen. Soweit Axilla das bei der flüchtigen Bekanntschaft so sagen konnte. Nur erklärte das alles nicht, was Serrana damit meinte, die seien nun weg. Sie hatte ja keine Ahnung, dass deren jeweilige Männer versetzt worden waren.


    Aber im Grunde war es egal. Als Axilla auf Serranas Vater zu sprechen kam, wich die Cousine wieder auf, und innerlich seufzte Axilla bereits. Sie wusste ja, dass Serrana nicht viel davon hielt, Iunia zu sein, aber solange sie diesen Namen trug, hatte sie Axillas Ansicht nach daran zu denken, ob sie wollte, oder nicht. Außerdem ging es um Axillas Onkel, also hatte sie daran ein nicht geringes Eigeninteresse.
    “Nein, danke. Ich brauch nichts, und ich glaub dir, dass das Haus schön ist.“ Axilla wollte sich jetzt nicht ablenken lassen. Sonst wechselte sie selbst oft genug das Thema. Aber jetzt im Moment wollte sie bei diesem Thema bleiben und duldete da keine Ablenkung.
    “Und zu deinem Vater... du weißt ja, dass Männer deshalb Söhne brauchen, damit die ihren Namen weiterführen und zu ihnen als ihren Ahnen opfern, wenn sie nicht mehr sind...“ Axilla sah zu Serrana und hoffte, dass ihre Cousine so langsam kapierte, worauf sie hinaus wollte. In Axilas Vorstellung waren ihre Worte so logisch, dass Serrana zu gar keinem anderen Schluss kommen könnte als das, worauf Axilla hinaus wollte. Dennoch fügte sie noch einen weiteren Denkanstoß an. “Ich weiß ja nicht, was Sedulus dazu sagt, aber er würde dir das doch sicher nicht verwehren, wenn du einen Sohn irgendwannmal hast...“

  • "Verheiratet?" Serrana brauchte einen Moment, um dem Gedankengang ihrer Cousine zu folgen, dann schüttelte sie den Kopf.
    "Nein, das meine ich nicht, die beiden sind wirklich weg, also weg aus Rom. Septima ist mit ihrem Mann nach Mantua gegangen, Aurelius Ursus ist ja jetzt Legat der Legio I. Und Calvena und Valerian sind auf dem Weg nach Mogontiacum. Stell dir vor, er ist völlig überraschend zur Legio II versetzt worden, und das wahrscheinlich nur, weil er sich auf unserer Hochzeit mit Vescularius Salinator angelegt hat." Bislang war Serranas Einstellung zum Praefectus Urbi weitgehend neutral gewesen, zumal sie sich nie allzu sehr für Politik interessiert hatte. Aber den zumindest zeitweiligen Verlust ihrer besten Freundin nahm sie ihm schon sehr übel, zumal der Grund dafür vermutlich nichts anderes als gekränkte Eitelkeit gewesen war.
    Allzulang konnte sie diesem betrüblichen Gedanken jedoch nicht nachgehen, denn Axilla ließ sich Serranas zugegebenermaßen recht stümperhaften Bemühungen zum Trotz nicht von ihrem Anliegen ablenken. Seufzend ließ sie sich wieder zurück auf die Bank sinken, von der sie sich bereits halb erhoben hatte und der verwirrte Ausdruck blieb noch eine ganze Weile auf ihrem Gesicht, bis er sich schließlich zunächst in ungläubiges Erstaunen wandelte.


    "Willst du damit vorschlagen, dass unser Sohn ein Iunius werden soll und kein Germanicus? Ich würde wirklich gern etwas für meinen Vater tun, aber Quintus hat selbst noch keinen Sohn, wie stellst du dir das denn vor?" Bei dem Gedanken, dass sie selbst diesen noch imaginären Sohn zur Welt würde bringen müssen, wurde Serrana direkt wieder flau im Magen und sie trank schnell noch einen Schluck Wein, bevor sie sich von einer Sklavin nachschenken ließ. Keine Panik, versuchte sie sich selbst wieder zu beruhigen, sie hat IRGENDWANN gesagt. Nicht heute und nicht morgen und nicht einigen Monaten sondern irgendwannmal...


    "Warum fragst du mich das überhaupt?" gab sie den Ball dann mit leicht zittriger Stimme zurück. "Wirst du das denn auch so machen? Du hast doch schließlich auch keinen Bruder... Was sagt Archias denn dazu?"

  • “Ah“, machte Axilla nur, als Serrana sie aufklärte, dass die Männer der beiden Frauen versetzt worden waren. Aber so war das eben beim Militär. Man ging dahin, wo man gebraucht wurde. Axillas Vater war selten daheim gewesen – dafür waren die Momente, wo er es doch war, umso schöner gewesen.
    “Naja, dann siehst du zumindest die Germanica ja bald wieder.“ Kurz fragte sich Axilla, ob das vielleicht eher ein Grund für Serrana war, nach Germania zu reisen, als dieses ominöse Pony. Beinahe hätte Axilla noch angefügt, dass sie in Mogontiacum ja auch wen kannte, aber das wollte sie Rufus dann nicht antun, dass der am Ende noch mit der Germanica zu schaffen bekam. Immerhin war er ihr Freund, auch wenn er schon ewig nicht mehr zurückschrieb. Also ließ sie es.


    Bei dem eigentlich viel wichtigeren Thema aber verstand Serrana sie vollkommen falsch. Wobei es für ihren Sohn wohl auch Vorteile hätte, sich auf die Iunier eher zu berufen als auf die Germanicer, das wollte Axilla doch gar nicht sagen. “Was? Nein! Wobei...?“ Axilla überlegte. Wenn sie vielleicht mal zwei Söhne hatte.... aber im Moment hatte sie ja noch nichtmal einen, und es sah auch nicht so aus, als würde sich das bald ändern.
    “Aber dein Sohn könnte dennoch deinen Vater in seine Ahnenreihe mit aufnehmen und zu ihm opfern. Und ja, darüber habe ich mit Archias schon gesprochen, und bei mir ist er einverstanden.“ Andernfalls hätte Axilla ihn nie und nimmer geheiratet, egal, was sie für ihn empfunden hätte. Aber das war Axilla so wichtig wie sonst nichts in ihrem Leben.

  • "Ja, das wäre schön. Ich vermisse sie jetzt schon, und dabei ist sie gerade mal seit ein paar Tage weg." Serrana schluckte, doch wieder war der Unwillen, sich noch einmal in Axillas Gegenwart derart gehen zu lassen wie damals kurz vor ihrer Hochzeit, stark genug um einen einigermaßen unbeteiligten Gesichtsausdruck beizubehalten. Schlimm genug, dass sie sich zur Zeit wie ein weinerliches Kind fühlte, es musste ihr ja nicht auch noch jeder ansehen. Glücklicherweise ging ihre Cousine nicht weiter auf diese Sache ein, sondern schwenkte erneut auf das Kinder-Thema um, doch auch das trug nicht gerade zu Serranas guter Laune bei. Schweigend hörte sie sich die entsprechenden Erklärungen an, und es dauerte nicht lange, bis sich ihr schlechtes Gewissen zu Wort meldete. Ja, Axilla mochte ein wenig extrem und damit anstrengend ihrem ständigen und hartnäckigen Beharren auf der Ehre und dem guten Namen der Familie sein, aber sie, Serrana, hatte sich im Gegenzug bislang überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, ob irgendein Erbe ihrem Vater einmal opfern würde. Mittlerweile konnte sie sich auch nicht mehr in irgendeine moralische Entrüstung flüchten, weil ihr Vater sie als Kind einfach zurückgelassen hatte, denn diese jahrelange Überzeugung hatte sich spätestens durch den einiger Zeit aufgetauchten Brief ihres Großvaters als weitgehend falsch erwiesen. Nein, Serrana hatte schlicht und einfach nicht daran gedacht, weil es in ihrem Leben in der letzten Zeit so viele Dinge und Ereignisse gegeben hatte, denen sie mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte und die ihr wichtiger gewesen waren, und diese Erkenntnis war schon reichlich unbequem und peinlich.
    "Ich denke, dagegen hätte Quintus sicher nichts einzuwenden." sagte sie schnell und ärgerte sich noch zusätzlich, weil sie Axillas Vorschlag so offensichtlich missverstanden hatte. "Aber das hat ja auch noch ein wenig Zeit,nicht wahr? Wer weiß schließlich schon, ob und wann es jemals so weit sein wird." Mittlerweile hielt sie wieder einen frischgefüllten Weinkelch in der Hand. Ob sie wirklich noch etwas trinken sollte? Irgendwie schien das anfängliche so entspannende Wohlgefühl allmählich einem leicht schwummrigen Gefühl zu weichen.

  • Wie meinte Serrana das jetzt schon wieder? Das hatte Zeit? Sie wusste ja nicht, ob Sedulus und sie fleißiger im Bett waren als sie selbst und Archias, und wie es um Serranas Fähigkeit bestellt war, ein Kind auszutragen. Aber unter Umständen war die Zeit bis es akut wurde gar nicht mehr so lang.
    “Naja, das sollte man schon besprochen haben, bevor Kinder da sind, nicht? Und ich weiß ja nicht, wie das bei euch aussieht... kann ja auch sein, dass das gar nicht so lang dauert.“ Axilla sah ihre Cousine leicht verwirrt an. Irgendwie sah sie ein bisschen blass um die Nasenspitze aus. Und dazu diese ausweichende und fahrige Art. Wenn Axilla es nicht besser wüsste – und eigentlich wusste sie es nicht besser – sie würde sagen, Serrana hatte Angst. Aber das war irgendwie verrückt, immerhin heiratete man, um irgendwann mal Kinder zu haben. Axilla hatte da eher Angst, dass sie nie einen lebenden Erben auf die Welt bringen würde, weil sie doch nach ihrer Mutter schlug und nicht nach dem Vater. Wobei sie auch irgendwie ganz froh war, im Moment gerade kein Kind zu erwarten, wenn sie ganz ehrlich war.


    Die Stimmung war doch recht merkwürdig. Axilla hatte zwar nicht angenommen, dass alles toll und fantastisch sein würde, aber sie fühlte sich doch etwas unbehaglich gerade. Sie war froh, wenn das hier vorüber war. “Naja, das war es eigentlich, was ich dir sagen wollte. Ich fand, das war wichtig.“ Und sie hatte ja schon geahnt gehabt, dass Serrana da nicht dran denken würde.

  • Es kann sein, dass es gar nicht so lang dauert? Nein, wenn sich das bewahrheitete, was Serrana bereits seit einigen Tagen befürchtete, dann würde es wahrlich nicht allzu lange dauern. Noch klammerte sie sich an die Hoffnung, es könnte auch eine andere Erklärung geben, schließlich konnte es nach nur so kurzer Zeit doch unmöglich schon passiert sein! Dass sie es im Grunde besser wusste, und sowohl ihrer Cousine als auch deren Ehemann bereits flammende Vorträge über dieses Thema gehalten hatte, blendete sie bei ihren Grübeleien gekonnt aus.
    Serrana sah Axillas irritierten Gesichtsausdruck und rang mit sich. Das Bedürfnis mit einer anderen Frau über diese Sache zu reden war groß, aber die irrationale Angst, dass es dann endgültig real werden würde, ließ sie ihren bereits geöffneten Mund wieder schließen. Und was sollte sie auch erzählen? Dass sie Angst vor einem der natürlichsten Vorgänge auf der Welt hatte, der zudem auch ihre wichtigste Pflicht als Ehefrau war? Serrana brauchte niemanden, der ihr erzählte, wie armselig und verachtenswert das war, denn das war ihr selbst nur allzu bewusst. Und dass sie genau wusste, wie sehr Sedulus sich weitere Kinder wünschte, machte die Sache nur noch schlimmer, den dadurch schien ihr Widerwillen schon fast einem Verrat an ihm gleichzukommen. Eine Weile drehte sie einfach nur den Kelch in ihren Händen hin und her, dann entschied sie sich für einen winzig kleinen Vorstoß, der ihr vielleicht zu etwas mehr Klarheit verhelfen würde, ohne allzu viel von ihrem so beschämenden Gemütszustand preiszugeben.


    "Hm, ja, mag sein." antwortete Serrana, sah weiterhin den Kelch an und bemühte sich um einen möglichst unbeteiligten Tonfall. "Was meinst du, wie schnell könnte man es merken, wenn man schwanger wäre?"


    Während sie auf die Antwort ihrer Cousine wartete, machte der Kelch noch einige Umdrehungen mehr, und Serrana warf kurz einen Blick zu Axilla hinüber. Wo war nur die Leichtigkeit und Unbeschwertheit geblieben, mit denen sie am Anfang miteinander umgegangen waren? Irgendwie schienen sie sich nur noch in sicherer Entfernung umeinander herumzuhangeln, um weiteren Streitereien aus dem Weg zu gehen. Und das, wo von ihrer Gens ohnehin so gut wie niemand mehr übrig war. Serrana rang ein weiteres Mal, in diesem Fall mit ihrem Stolz und nickte schließlich.


    "Ja, das war es. Ich bin wirklich froh, dass du gekommen bist, auch weil....naja, nicht nur deshalb."

  • So nervös und angespannt, wie Serrana wirkte, wurde es Axilla zunehmend mulmiger. Sie mochte diese Stimmung nicht. Sie mochte diese ganzen scheinbaren Probleme nicht. Überhaupt hatte sie bislang in Rom sehr wenig gefunden, was sie mochte, und in Momenten wie diesem hatte sie furchtbares Heimweh nach Ägypten. Kurz überlegte sie, was passiert wäre, wenn sie die Einladung von Decimus Livianus ausgeschlagen hätte. Vermutlich wäre sie dann jetzt Eutheniarche. Anthimos und Nikolaos hatten sie ja schon danach gefragt, wenn auch eher indirekt. Zwar glaubte sie nach wie vor, dass man ihr nicht die Getreideversorgung der zwei größten Städte der Welt anvertrauen sollte, aber andererseits hatte diese Verantwortung schon einen Reiz. Hier in Rom im Moment hatte sie noch nicht einmal eine Stelle als Scriba irgendwo, weil sie obenrum ein wenig zu viel und untenrum ein bisschen zu wenig hatte. Kurz schnaufte sie bei dem Gedanken. Wäre sie nur ein Junge geworden, dann wäre wirklich sehr vieles sehr viel einfacher...


    Serrana riss sie aus ihren Gedanken, indem sie eine etwas unangenehme Frage stellte. “Ähm, naja, das kommt darauf an...“ Was sollte Axilla da sagen? Sie hatte es drei Monate lang effektiv verdrängt, weil sie nichtmal an die Möglichkeit hatte denken wollen. Gut, bei Serrana fiel das ja anders, sie war verheiratet und durfte, ja, sollte! schwanger werden. Aber trotzdem war sie da sicher die Falsche, um Ratschläge zu geben oder so zu tun, als wüsste sie da alles. “Ich meine, ich weiß ja nicht, wie... ähm, regelmäßig du blutest und so. Wenn ich im Stress bin und nicht genug esse und aufgeregt bin, dann passiert es schonmal, dass es weg bleibt.“ Das war nicht unbedingt gut für Axillas Fruchtbarkeit, das wusste sie selber, aber das war nun auch nichts absolut ungewöhnliches. Und Axilla war auch alles andere als böse, wenn sie sich ab und an einen Monat nicht vor Schmerzen wand und meinte, gleich ganz sicher zu verbluten. “Oder bei der Schiffsreise, da war mir ja die ganze Zeit so furchtbar schlecht. Das ganze Geschaukele und so. Da hab ich mir dann auch nichts gedacht. Und später hab ich halt erst gedacht, die Übelkeit und das alles wär noch davon...“ Wieso fühlte Axilla sich jetzt, als wäre sie angeklagt? Immerhin hatte sie versucht, die Konsequenzen zum Wohle der Familie zu tragen. Und auch wenn es nicht geklappt hatte, das Kind war ja später doch abgegangen und lieferte damit keinen Stoff für böse Zungen.


    Die anderen Worte verwirrten Axilla fast noch mehr. Was wollte Serrana damit sagen? Kurz guckte sie verwirrt und fragend, dann traute sie sich aber doch nicht, nochmal nachzuhaken. Stattdessen nahm sie die Beine hoch auf die Bank und umschlang die Knie mit den Armen. Das machte sie gern, wenn sie sich unsicher fühlte, und auch wenn es wohl albern aussah, wenn eine fein hergerichtet Dame das machte wie ein kleines Mädchen, das störte Axilla nicht. “Ähm... schon gut. Ich bin gern hier.“ Auch wenn es gelogen war, es klang ehrlich. Zumindest so ehrlich es angesichts der Situation klingen konnte.

  • Für einen winzigen Moment kam Serrana der Gedanke, dass es nicht besonders feinfühlig gewesen war, ausgerechnet Axilla auf dieses Thema anzusprechen, die mit ihrer ungeplanten Schwangerschaft ja genug Probleme gehabt hatte. Aber jetzt war es ohnehin zu spät, um das Thema noch zu wechseln, und Serrana war viel zu beschäftigt, nach dem rettenden Strohhalm in Axillas Erklärungen zu greifen und sich die Informationen herauszupicken, die ihr in ihrer Not entgegen kamen.


    "Oh ja, Stress, natürlich." Daran hätte sie aber auch selbst denken können! Mit einem zugleich zufriedenen als auch hoffnungsvollen Lächeln lehnte sie sich zurück und entspannte sich sogar ein wenig. Stress, das musste einfach der Grund sein! Natürlich war es schon reichlich vermessen, ihr neues und luxuriöses Leben in der Casa Germanica an der Seite eines Ehemannes, der sie auf Händen trug, als Stress zu bezeichnen, aber es war doch immerhin ungewohnt und zum Teil auch anstrengend, sich an all das zu gewöhnen!
    Dass ihre monatliche Blutung bislang immer auf den Tag pünktlich und reibungslos abgelaufen war, ließ sie bei ihren Überlegungen lieber ausser acht. Dafür passte es einfach zu gut, denn die letzte Blutung hatte sie noch in der Casa Iunia gehabt, ein oder zwei Wochen vor der Hochzeit. Ebenso pünktlich wie alle anderen zuvor, und das in einer Zeit, als es wegen der umfangreichen Vorbeireitungen für die anstehende Doppelhochzeit wesentlich stressiger gewesen war als im Moment. Aber auch diesen Aspekt ließ Serrana lieber unbeachtet, da wandte sie sich doch lieber einem Detail zu, das besser in ihre Wunschvorstellungen passte. Übelkeit war ein Indiz für Schwangerschaft? Wundervoll, denn ihr war nicht übel! Sie war zur Zeit immer ein wenig müde und besonders viel Appetit hatte sie auch nicht, aber ihr war nicht übel! Serranas Lächeln verbreiterte sich noch ein wenig und sie sah Axilla dankbar an. Allzulange würde es nicht dauern, bis sich wieder die ersten Zweifel und Ängste in ihre Überlegungen schleichen würden, aber es reichte für ein paar Minuten inneren Frieden. Auf die Idee, sich Gedanken über die längst vergangene Schwangerschaft ihrer Cousine zu machen, kam Serrana bei all ihrer Fixierung auf ihren eigenen Zustand erst gar nicht. Schließlich war die jetzt anständig verheiratet, und da, von dem Arzt abgesehen, kein Aussenstehender davon wusste, konnte man guten Gewissens den Mantel des Vergessens darüber breiten.


    Viel wichtiger war ja auch, dass Axilla sagte, gern hier zu sein. Wirklich danach aussehen tat sie mit ihrer ein wenig abweisenden Körperhaltung zwar nicht, aber Serrana rang sich, durch den Wein ein wenig mutiger geworden, noch zu einem weiteren Vorstoß durch. Schließlich war ja nicht klar, ob sie einander vor der geplanten Reise nach Germanien noch einmal wiedersehen würden, und wann mit einer Rückkehr nach Rom zu rechnen war.


    "Das freut mich. Ich..ähm...vielleicht können wir uns in Zukunft ja ab und zu mal sehen. Das...ähm...würde mir gefallen." Alkohol hin oder her, der immer eher abwartenden und passiven Serrana fiel es nach wie vor schwer, auf andere zuzugehen, trotzdem war sie froh, diesen Versuch gemacht zu haben. Dass Axilla und sie einander nach den Turbulenzen und Meinungsverschiedenheiten der letzten Monate nicht sofort um den Hals fallen würden, war logisch, zumal sich die beiden Mädchen ganz offensichtlich auf unterschiedlichen Wellenlängen bewegten. Aber vielleicht konnte man mit der Zeit ja wenigstens so etwas wie eine freundschaftliche familiäre Bindung herstellen, die nicht nur für die Aussenwelt existierte.

  • Warum sah sie denn jetzt so selbstzufrieden drein? Axilla verstand wirklich nicht, was Serrana hatte. Hatten ihr ihre Moralpauken damals nicht gereicht, war sie denn so gehässig, dass sie sich jetzt auch noch in diesen Vorwürfen suhlen musste? Axilla kratzte sich in einer kleinen Verlegenheitsgeste am Unterarm. Sie verstand wirklich nicht, was es da so selbstzufrieden zu grinsen gab!


    Der Vorschlag von Serrana klang da schon fast wie Spott in Axillas Ohren. Warum sollten sie sich öfter sehen? Damit Serrana sie kontrollieren konnte, ob sie sich jetzt auch ja an die gesellschaftlichen Normen hielt und sie nicht übertrat? Ein wenig Wut keimte in Axilla auf. Ja, sie wusste um ihre Fehler, aber sie brauchte keine Wachhunde um sich herum. Nicht von Archias, und erst recht nicht von ihrer Cousine! Überhaupt hätte sie sich gewünscht, dass diese sie wenigstens ein klein bisschen nun verstehen könnte, wo sie ja nun selber wusste, wie das so war mit den Männern. Wobei sie natürlich keine Ahnung hatte, wie das mit Sedulus so war. Manche Frauen fanden es mit ihren Männern ja ganz und gar scheußlich und furchtbar und waren froh, wenn es nicht allzu oft vorkam.
    Auch, wenn es in Axilla brodelte, sie beherrschte sich und brauste dieses eine Mal nicht auf. Auch wenn sie nicht die beste Lügnerin war, ein wenig lügen konnte sie ja doch. “Es wird sich sicher die eine oder andere Gelegenheit ergeben“, antwortete sie ein wenig ausweichend. Sie überlegte schon, ob jetzt der passende Zeitpunkt wäre, sich unter einem Vorwand zu entschuldigen, aber eben hatte sie noch gesagt, sie wäre gerne hier. Da würde es wohl nicht so ganz passen. Also ließ Axilla es und sah sich kurz hier im Garten um. “Hübscher Garten übrigens.“ Nicht so hübsch wie der Garten der Casa Iunia in Alexandria, aber schon wirklich sehr hübsch, doch, musste Axilla zugeben. Und vor allem, es lenkte kurz ab.

  • Serrana wurde aus Axillas Antworten nicht wirklich schlau. Die waren nett und höflich und nicht einmal ablehnend, und trotzdem hatte Serrana nicht das Gefühl, mit ihren Vorstößen irgendwelche Fortschritte zu machen. Aber immerhin hatte ihre Cousine ihren Vorschlag nicht von vorhherein abgelehnt, und Axilla war im Gegensatz zu Serrana durchaus ein Mensch, der kein Problem damit hatte, seine Meinung offen auszusprechen. Serrana seufzte leise und sah ihre Cousine ein wenig ratlos an. Unter normalen Umständen wäre ihr vermutlich viel früher aufgefallen, dass diese Einsilbigkeit in erster Linie mit ihren eigenen missverständlichen Äusserungen zusammenhing. Doch da ihr das Thema Schwangerschaft derart unangenehm wenn nicht gar zuwider war,vermied sie es, noch länger darüber nachzudenken und griff stattdessen dankbar den Themenwechsel auf, den Axilla ihr anbot. Der Garten war nun wirklich ein sicheres Metier ohne Stolpersteine.


    "Ja, mir gefällt dieser Garten auch sehr gut. Ich komme so oft wie möglich her um zu lesen." sagte sie und ließ den Blick kurz über die sorgfältig gepflegte Anlage gleiten. Sie hatte bereits den Mund geöffnet, um zu erzählen, dass das Familienhaupt höchst persönlich ein Auge auf diesen Hortus hatte, doch da Axilla bereits ohnehin nicht allzugut auf Avarus zu sprechen war, klappte sie ihn schnell wieder zu. Dann doch lieber die andere Geschichte, die konnte höchstens sie selbst in Verlegenheit bringen. "Weißt du, in diesem Garten sind Quintus und ich zum ersten Mal ganz allein gewesen. Das war auf den Fontinalia, und natürlich war es damals ziemlich dunkel und kalt hier draussen, aber es war trotzdem schön, dabei hat er an diesem Abend nur zweimal meine Hand berührt." Serrana lächelte ein wenig verlegen und drehte wieder einmal den Kelch in ihren Händen hin und her. Vielleicht fand Axilla mit ihrem deutlich größeren Maß an Lebenserfahrung diese Episode ja albern, aber das änderte nichts daran, dass sie für Serrana wichtig war und es wohl auch bleiben würde.
    "Habt ihr denn auch einen eigenen Garten, Archias und du? Zum kaiserlichen Palast gehören doch sicher dutzende davon." Was für eine einschüchternde Vorstellung, die Casa Germanica verfügte schon über ein in Serranas Augen mehr als beeindruckendes Ausmaß an Luxus, die Dimensionen des Palatium Augusti würden sie vermutlich schlichtweg erschlagen.

  • Lesen.... Axilla las eigentlich überall, sie brauchte dafür keinen stimmungsvollen Platz. Am stimmungsvollsten hatte sie ohnehin immer gefunden, sich in eine Decke dick einzumummeln, während es draußen blitzte und donnerte – wenngleich man dann wegen dem schlechten Licht auch schlecht lesen konnte. Bestimmt war so ein friedlicher Garten bei Sonnenschein da besser geeignet. Axilla nickte nur ein wenig, während sie ihren eigenen Gedanken nachhing, und lauschte dann Serranas Geschichte mit Sedulus. An den Händen berührt... das klang ganz furchtbar romantisch. Axilla geriet darüber zwar absolut nicht ins schwärmen, aber sie bemerkte, wie romantisch es klang. Eine richtige, kleine Liebesgeschichte wie aus den Gedichten. Die Geschichte ihrer Liebschaften klang da bei weitem nicht annähernd so romantisch. Es hatte nicht einmal einen kleinen Funken Romantik an sich, wenn sie so darüber nachdachte. Sie hatte sich in ihren Cousin verliebt, und als sie beide zufällig im Bad waren, weil sie einander nicht bemerkt hatten, bis beide im Wasser waren, war sie in blinder Verliebtheit zu weit gegangen. Und anstatt sie davon abzuhalten hatte Silanus mitgemacht. Timos danach hatte sie betrunken gemacht und ihr Opium zum Rauchen gegeben. Archias danach... selbst das war nicht romantisch. Sie hatten rumgeblödelt, waren sich körperlich näher gekommen und im Bett gelandet, obwohl sie beide das nicht hätten tun sollen. Piso schließlich hatte sie ähnlich wie Timos betrunken gemacht und in sein Bett geschleppt. Dass sie jetzt mit Archias verheiratet war, das war vielleicht etwas romantisch, ja. Es sah zumindest auf den ersten Blick an wie ein Märchen, das in Erfüllung gegangen war. Aber selbst das konnte Axilla nicht auch nur annähernd so sehen wie das, was Serrana scheinbar mit Sedulus hatte. Es gab dabei nie diese leichte Verliebtheit oder diese Aufregung, nie dieses Zögerliche und Zerbrechliche. Axilla war sich nicht sicher, ob sie deshalb neidisch oder eher den Göttern dankbar sein sollte.
    “Im Palast? Ja, also, da gibt es schon viele Gärten. Ich meine, ist ja der Palast, wenn der Kaiser nicht in Misenum wäre, wäre er ja dort, und das muss ja schon was hermachen. Da sind die Gärten natürlich entsprechend hergemacht.“ Ja, hübsch waren die Gärten dort. Nur: Es waren nicht Axillas Gärten. Wie alles im Palast. Axilla hatte einfach das Gefühl, dass sie dort nichts anfassen durfte, weil sie sonst irgendwas ganz sicher kaputt machen würde. Und wie wohl erst die Diener, Beamten oder Prätorianer schauen würden, sollte sie auf einen Baum klettern! Nein, das waren dort nicht ihre Pflanzen und ihre Bäume, ihre Steinbänke und Pfade. Das gehörte alles dem Kaiser, auch wenn Archias zehnmal sagte, sie solle sich wie zuhause fühlen. Hätte sie einen Garten, einen wirklich eigenen nur für sich selber, sie würde wilde Blumen pflanzen und große, dicke Eichen. Sie würde nicht darauf achten, ob Wege da wären, wer brauchte die schon? Wer brauchte Steinbänke, wenn er hohes Sommergras hatte? Ihr Garten wäre wild, und wahrschienlich würde sie sich dann dennoch nach dem Wald sehnen.
    “Und du machst noch diese Priester...sache...?“ Axilla kannte sich nicht aus und hatte keine Ahnung, was Serrana nun genau machte. Sie wusste noch nicht einmal, ob sie sich einem Kult verschrieben hatte oder was sie tat. Im Grunde war es ihr auch nicht wichtig, sie fand das Thema Gärten nun nur erschöpft, aber wenn sie vor 2 Minuten nicht hatte gehen können, dann war jetzt wohl immer noch nicht lang genug.

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