Im Durchschauen von Maskeraden und Heraushören von feinen Nuancen hatte es Serrana bislang noch nicht allzu weit gebracht, und so kam sie auch jetzt nicht auf die Idee, Axillas Bemerkungen zu ihrem neuen Leben irgendwie zu hinterfragen. Und warum auch, schließlich hatte ihre Cousine doch eine unglaubliche Partie gemacht, für die Laevina vermutlich sogar gemordet hätte... Und so sehr die in ihren moralischen Vorstellungen doch recht festgefahrene Serrana auch nach wie vor mit der etwas ungewöhnlichen Vorgeschichte zu kämpfen hatte, so war es selbst ihr spätestens nach dem Heiratsantrag beim Wagenrennen klar geworden, dass Axilla und Archias einander ernsthaft zugetan waren.
"Ja, das kann ich mir vorstellen." Sie selbst war schon bei ihrem kurzem Besuch vor ihrer Hochzeit wie erschlagen von den unglaublichen Ausmaßen des kaiserlichen Palastes gewesen, und allein die Praetorianer vor dem Eingang hatten ihr schon mehr als genug Respekt eingeflößt. "Ich finde mich selbst in diesem Haus kaum zurecht, und das obwohl Quintus sich soviel Mühe gegeben hat und mich überall herumgeführt hat. Aber stell dir nur vor, dank dir ist unsere Familie jetzt mit der des Kaisers verwandt, das ist doch unglaublich! Und dabei hat Quintus' Onkel vor der Hochzeit noch zu mir gesagt, dass ich nicht gut genug für ihn bin, ha!" Mit einem zufriedenen Lächeln, das auch ein nicht geringes Maß an Stolz und Genugtuung widerspiegelte, sah Serrana ihre Cousine an; dass sie selbst herzlich wenig zu diesem gesellschaftlichen Quantensprung ihrer Gens beigetragen hatte, war ihr in diesem Augenblick egal.
Inzwischen war der Sklave mit einem Tablett voller Getränke zurückgekommen und stellte dieses auf dem kleinen Tisch neben der Steinbank ab. "Was darf ich dir anbieten? Wein, Wasser oder etwas Saft vielleicht?" schaffte es Serrana gerade noch zu sagen, bevor Axilla auf den offensichtlichen Grund ihres Besuchs zu sprechen kam. "Der Grieche?" fragte sie für einen Augenblick etwas verwirrt, da diese Geschichte doch schon eine ganze Weile zurück lag, dann erhellten sich ihre Gesichtszüge wieder. "Ach der, die Sache hatte ich schon fast wieder vergessen. An dem Tag ist nämlich Sedulus' Tochter auf dem Sklavenmarkt verschwunden, und wir haben ewig nach ihr gesucht. Naja, eigentlich ist sie auch der Grund, warum wir diesen Sklaven ersteigern wollten. Er machte ja einen sehr gebildeteten Eindruck, und Sabina ist mittlerweile alt genug für Unterricht. Und da zur Zeit noch ein anderer Verwandter in ihrem Alter hier in der Casa Germanica lebt, haben wir gedacht, es würde sich lohnen, einen Hauslehrer zu erwerben. Wie macht sich der Grieche denn bei euch?"