atrium | DS et TAU et TS - Eine Entschuldigung

  • Der Nubier führte Seiana ins Atrium. "Bitte nimm doch Platz. Zumindest einer von ihnen wird gewiß Zeit für Dich haben." Er deutete auf die Sitzgelegenheiten und winkte der Sklavin, damit sie dem Gast etwas zu Trinken anbot. Der Junge flitzte los, um den Herrschaften Bescheid zu geben und zu fragen, ob sie mit der Besucherin sprechen wollten. Leone lächelte Seinana noch zu, wobei er seine strahlend weißen Zähne zeigte, und kehrte dann an die Tür zurück.

  • Seiana folgte dem Nubier ins Haus, hinein ins Atrium, und bedeutete dort Elena und ihrem Sklaven, irgendwo am Rand zu warten, wo sie nicht stören würden. „Ich danke dir“, sagte sie zu dem Ianitor, als dieser ihr einen Platz anbot, und erwiderte sein Lächeln, wenn auch etwas förmlicher als es das seine gewesen war. Trotzdem setzte sie sich vorerst nicht. Sie war nicht hier wegen eines Plauschs oder ähnlichem. Sie hätte es unangebracht gefunden, hier sitzend vorgefunden zu werden, davon abgesehen glaubte sie, innerlich zu unruhig zu sein, um jetzt zu sitzen. Nicht, so lange sie warten musste. Also blieb sie stehen und betrachtete einen der Wandteppiche, die das Atrium zierten.

  • Seianas Geduld wurde ein wenig auf die Probe gestellt. Ursus ließ erst über einen Sklaven seine Frau fragen, ob sie bei dem Gespräch dabei sein wollte, ob sie Zeit hatte. Als diese dann ihre Zustimmung geäußert hatte, ging er zu ihr. Er mochte es, mit ihr gemeinsam aufzutreten. Es zeigte Einigkeit und Vertrautheit. Und es war gut, dies nach außen zu demonstrieren. Wie immer, war Septima umwerfend schön. Sie wußte einfach, wie sie sich zurechtmachen mußte, um ihre Schönheit zu unterstreichen.


    So betrat das Paar gemeinsam das Atrium. Seiana wartete im Stehen, was Ursus ein wenig verwunderte. War ihr denn kein Platz angeboten worden? Ein schneller Blick zu der jungen Sklavin mit den Getränken, die ein leichtes Schulterzucken andeutete. Also hatte Seiana wohl nicht sitzen wollen. "Salve, Decima Seiana", grüßte Ursus freundlich, als sie auf den Gast zutraten. Marcus war noch nicht anwesend. "Du wolltest uns sprechen?" Er machte eine einladende Geste zu den Bänken hin und winkte die Sklavin mit den Getränken herbei.

  • Seiana wartete geduldig. Sie war hier, um sich zu entschuldigen, und sie war ohne Termin gekommen, auch wenn sie versucht hatte, eine Zeit abzupassen, die hoffentlich günstig sein würde. Und sie hatte genug Spielraum für sich eingeplant, um warten zu können.


    Als sie dann schließlich hörte, wie jemand das Atrium betrat, wandte sie sich um und konnte das Brautpaar – nein, das Ehepaar – sehen, wie die beiden auf sie zukamen. Seite an Seite, gemeinsam, und Seiana konnte nicht verhindern, dass ihr dieser Anblick einen kurzen Stich versetzte. Allerdings überspielte sie diesen Moment mit einem Lächeln zur Begrüßung. „Salvete, Tiberia Septima. Aurelius Ursus.“ Sie neigte ihren Kopf leicht. „In der Tat, das wollte ich.“ Seiana setzte sich, als Ursus sie nach der Begrüßung dazu aufforderte. „Genauer gesagt wollte ich mich entschuldigen für das, was auf den Feierlichkeiten am Tag nach eurer Hochzeit geschehen ist.“

  • Im Hause der Aurelier herrschte viel mehr Geschäftigkeit als sie es aus dem Hause ihrer Familie gewohnt war, so das Septima jeden Tag auf neue aussah, als würde irgend ein Empfang, eine Feierlichkeit oder sonst irgend ein wichtiges Ereignis anstehen. Sie hatte bitter gelernt, dass die Menschen immer zu erst auf die äußere Erscheinung und in zweiter Linie auf das Benehmen einer Person achteten. Also war es ihr zur Gewohnheit geworden, immer gut, wenn nicht sogar hinreißend auszusehen. Heute trug sie eine hellblaue Tunika und darüber eine wesentlich dunkler gefärbte Palla in blau, welche von einem Gürtel mit Silberbeschlägen an der Taille gebunden war. Dazu Silberschmuck. Ringe, Armreifen, eine Kette mit einem schweren Luchsanhänger, das Wappentier der Tiberia.


    Gerade als sie ihr Cubiculum verlassen wollte, stand Ursus vor ihrer Tür. Er wollte sie abholen. Komisch, das hatte der Sklave ihr gar nicht gesagt. Doch so konnten sie nun gemeinsam ins Atrium schreiten. Decima Seiana wartete stehend auf sie und Septima begrüßt die Frau freundlich. „Salve Decima.“ Dann nahmen sie Platz und die junge Sklavin aus dem Atrium trat heran und reichte ihnen allen Becher mit verdünntem Wein. Septima bevorzugte sonst andere Getränke, nippte aber nun aus Höflichkeit an ihrem Becher, so lange die Decima noch sprach.


    Erstaunen machte sich nur schwer bemerkbar in ihrem Gesicht breit. Die Decima war gekommen, um sich für ihren Auftritt, beziehungsweise Abgang, auf ihrem Empfang nach der Hochzeit zu entschuldigen. Septima schaute kurz zu Ursus. Ob sie ihn lieber sprechen lassen sollte? Doch Seiana hatte mit ihnen beiden reden wollen, so dass sie doch das Wort ergriff. „Wir haben uns selbstverständlich sehr gewundert über das Verhalten deines Verlobten. Wo ist er eigentlich?“ Bei der Frage zog Septima kurz beide Augenbrauen hoch, denn sie fand, dass es nicht an der Decima lag, sich bei ihnen zu entschuldigen, oder zumindest nicht alleine, sondern auch Aelius Archias. Immerhin hätten sie sich beide kurz bei ihnen verabschieden können, selbst, oder gerade wenn der Duccier sie beleidigt hatte. Vielleicht hätte Ursus dann sogar eingreifen, und den Duccier des Festes verweisen können.

  • Ursus rechnete es Seiana auch hoch an, daß sie hier vorsprach, um die Sache in Ordnung zu bringen. Enttäuschend war, daß ihr Verlobter nicht genug Hintern in der Tunika zu haben schien, um selbst seine Untaten gerade zu biegen. So blieb er weiterhin freundlich, denn die große Verliererin bei dieser Geschichte schien wahrhaftig hier vor ihm zu sitzen. Er ließ sich ebenfalls einen Becher geben und trank einen Schluck. Bevor er einen Blick mit Septima tauschte und ihr die ersten Worte überließ. Er konnte ihr auch wirklich nur beipflichten.


    "Es ehrt Dich, Decima, daß Du herkommst, um Dich zu entschuldigen. Und wir nehmen die Entschuldigung gerne an. Das einzige, was man Dir vorwerfen kann, ist aber doch allenfalls, daß Du ohne Abschied gegangen bist. Dein Verlobter... Ich finde, es wäre eher an ihm, sich zu entschuldigen." Für die Gens Aelia war der Mann eine wahre Schande. Und seiner Verlobten machte er das Leben auch nicht gerade leichter.

  • Auch Seiana wurde ein Getränk angeboten, und sie akzeptierte den Becher, verzichtete aber darauf, mehr zu trinken als einen winzigen Schluck, als sie merkte, dass es Wein – wie verdünnt auch immer – war. Sie brauchte einen klaren Kopf, zumal sie heute noch einen Entschuldigungsbesuch vor sich hatte.


    Nachdem Seiana ihre ersten Worte ausgesprochen hatte, versuchte sie, in den Gesichtern der beiden Patrizier zu lesen, die ihr gegenüber saßen – was ihr allerdings schwer fiel. Es gelang ihr nicht wirklich abzuschätzen, was sie denken mochten. Aber sie musste nicht lange warten, bis sie eine Reaktion bekam, und mit dem, was sie sagten, spielte das, was sie womöglich dachten, erst mal keine Rolle mehr. Beide fragten sie nach Caius. Seiana bemühte sich um ein unbewegtes Gesicht, und es gelang ihr auch, hatte sie doch mit dieser Frage gerechnet. Natürlich fragten sie nach, wo Caius blieb, derjenige, der so heftig reagiert hatte. Natürlich wunderten sie sich, warum Seiana allein hier war. „Er ist leider nicht abkömmlich im Augenblick“, log sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Wahrheit war, dass sie ihn gar nicht gefragt hatte. Die Wahrheit war, dass sie bezweifelte, dass er mitgekommen wäre. Die Wahrheit war, dass sie nicht sicher war, ob sie überhaupt gewollt hätte, dass er mitkam… „Die Arbeit in der Kanzlei nimmt ihn derzeit sehr in Anspruch.“ Sie brachte es nur nicht über sich zu lügen, was ein mögliches Kommen von ihm betraf, und sie hoffte, die beiden würden nicht danach fragen. Sie nickte Ursus leicht zu. „Verzeiht mir bitte auch unser voreiliges Verschwinden, noch dazu ohne Abschied zu nehmen. Ich war aufgebracht zu jenem Zeitpunkt, dennoch war es völlig unangebracht, eure Hochzeitsfeierlichkeiten einfach so zu verlassen. Ich hoffe, ihr könnt mir dies nachsehen.“

  • Septima stimmte innerlich den Worten der Decima zu. Aber es gut von ihr, sich zu entschuldigen und somit erschien ein Lächeln in Septimas Gesicht. „Ja, es sei dir verziehen. Und vielleicht findet Aelius auch noch den Weg in unser Domus.“ wagte Septima zu hoffen. „Was mich allerdings noch interessieren würde ist, worum ging es in dem Streit zwischen dem Duccius und dem Aelius eigentlich?“ Dies interessierte die Tiberia viel mehr, denn - und dass konnte durchaus von Vorurteilen geprägt sein – sei traute dem Decimer nicht so recht über den Weg und war sich nicht sicher, ob seine Erzählung richtig gewesen war.

  • Diese Frau hatte nicht nur Mut, sie besaß auch eine große Selbstbeherrschung. Ursus beobachtete ihre Miene, während sie sprach. Das unbewegte Gesicht wirkte nicht unfreundlich, verbarg aber gut, was sie dachte und fühlte. Sie log. Natürlich. Wer hätte in dieser Situation nicht gelogen? Er sah es ihr nicht an und hörte es auch nicht aus ihrem Tonfall, daß sie log. Doch niemand konnte so sehr von der Arbeit beansprucht sein, daß er zwar zu einer Feier gehen, aber sich nicht für sein Fehlverhalten auf dieser Feier anschließend entschuldigen konnte. Schon gar nicht, wenn er in der Kanzlei als Procurator arbeitete. Procurator a memoria. Wirklich keine Position mit eiligen Aufgaben.


    "Ja, wenn ich ehrlich bin, dann würde mich auch interessieren, wie es zu dieser Auseinandersetzung gekommen ist." Natürlich hatten sie inzwischen ein paar Gerüchte gehört. Einige Gäste hatten schließlich ein paar Worte mitbekommen. Doch aus erster Hand zu erfahren, was los war, wäre natürlich weit aufschlußreicher.

  • Seiana erwiderte das Lächeln der Tiberia und nahm doch mit einiger Erleichterung auf, dass sowohl sie als auch ihr Gatte ihr nichts nachzutragen zu schienen. Den Kommentar über ein mögliches Kommen Caius’ zog sie vor, unkommentiert zu lassen, und da keiner der beiden sie tatsächlich fragte, konnte sie durchaus hoffen, damit auch durchzukommen. Indes, der weitere Verlauf des Gesprächs ließ Seiana beinahe wünschen, sie hätten sich doch mehr darauf konzentriert, dass Caius jetzt nicht da war. Sie hatte sich zwar denken können, dass die beiden auch fragen würden, worum es überhaupt gegangen war, aber so unwahrscheinlich es war, sie hatte dennoch gehofft.


    „Nun, ich…“ Zum ersten Mal wich Seiana dem Blick der beiden aus. Sie konnte und wollte nicht über das reden, was passiert war. Sie befürchtete ohnehin, dass es genug Gerede geben würde, zu viel Gerede für ihren Geschmack. Sie wollte nicht, dass die Leute über sie sprachen. Nicht so, nicht in diesem Zusammenhang. Aber das würde sie kaum verhindern können. Sie konnte nur versuchen, ihren Teil dazu beizutragen, dass das Ganze nicht noch mehr aufgebauscht wurde. Allerdings würde es von nun an ein Balanceakt werden, das war ihr klar. Caius war laut genug geworden, dass einiges von seiner kleinen Ansprache gehört worden war, von mehr als nur einem der Anwesenden. Und sie konnte nicht einfach behaupten, sie wüsste von nichts, das wäre mehr als nur unglaubwürdig, es wäre eine offensichtliche Lüge. Genauso wenig konnte sie – fand sie zumindest – nun sagen, dass sie nicht darüber reden wollte. Es wäre unhöflich, und darüber hinaus würde es noch viel mehr darauf hinweisen, dass tatsächlich etwas im Busch war. Seiana verzog ihre Lippen zu einem höflichen Lächeln. „Es handelte sich wohl um ein Missverständnis, die Begleitung des Ducciers betreffend. Aelius Archias und Iunia Axilla sind bekannt miteinander, befreundet. Er hat sie“, und an dieser Stelle tischte Seiana die bisher dreisteste Lüge auf, „unter seine Fittiche genommen und einen recht starken Beschützerinstinkt entwickelt.“ Wie ein Vater. Oder ein Onkel. Oder ein großer Bruder. In Anbetracht der Tatsache, dass Caius 33 und Axilla erst 17 und eine Waise war, klang es gar nicht so unglaubwürdig.

  • Seiana hatte ihre Gefühle völlig im Griff und ließ das Paar nur das sehen, was sie wollte das sie es sahen. Septima beobachtete die Frau ihr gegenüber sehr genau, aber nicht weil sie heraus finden wollte, ob diese log oder nicht. Nein, sie wollte so perfekt werden wie die Decima, damit niemand durch ihre Fassade schauen konnte und etwas zu sehen bekam, was sie lieber vor neugierigen Augen verbergen wollte. Wie zum Beispiel ihr Geheimnis um ihre wahre Liebe.


    „Ach, Aelius kümmert sich um die Iunia? Sehr interessant. Dann müssen sehr gute Freunde sein. Aber was hat der Duccier getan, was ihn so gegen diesen aufgebracht hat?“ Noch gab Septima nicht nach. Gerade weil es um Axilla ging, wollte Septima mehr erfahren.

  • Starker Beschützerinstinkt also? Ursus hatte keinen Anlaß, dies nicht zu glauben, doch er fand nicht, daß dies alles entschuldigte. Immerhin war der Aelier bereits vorher ein Ausbund an Unhöflichkeit gewesen. Decima Seiana hingegen bewies mit ihrer Anwesenheit hier, daß sie sich zu benehmen wußte und zu allem stand, was sie tat und sagte. Ursus hätte nun aus Höflichkeit nicht weiter nachgefragt, obwohl er natürlich nicht weniger neugierig war als seine Frau. Nachdem Septima die Frage aber nun ausgesprochen hatte, schloß er sich ihr an. "Ja, was hat er eigentlich getan oder gesagt?"


    Immerhin hatte Duccius Vala ihnen gegenüber ein tadelloses Benehmen gezeigt. Sogar mehr als das, er hatte sich sogar ausgesprochen ehrenhaft verhalten. Von daher war es nur schwer vorstellbar, daß der Duccier Aelius Archias derartig gereizt hatte, daß ein solches Verhalten, wie eine Schüssel mit Süßspeise über sein Gegenüber auszuschütten, auch nur annähernd als verständlich erscheinen konnte. Iunia Axilla hatte sich jedenfalls nicht so benommen, als hätte sie sich von Duccius Vala bedrängt oder beleidigt gefühlt.

  • Seiana lächelte weiter, obwohl sie sich langsam zu wünschen begann, die Befragung mochte aufhören. Sie wollte nicht darüber reden. Bei allem was passiert war, sie wollte nicht darüber reden – sie wollte Caius nicht so reinreiten. Und immerhin bestand auch die Möglichkeit, dass doch noch etwas auf sie zurückfiel. Und wenn es nur Mitleid war, was Seiana genauso wenig wollte wie Gerede. Mitleid, ausgelöst durch eine derartige Geschichte, fachte den Tratsch nur noch effektiver an. „Offen gestanden, ich weiß es nicht. Das blieb unter den Männern“, antwortete sie, in einem freundlichen Tonfall und wie zuvor ohne sich anmerken zu lassen, was tatsächlich in ihr vorging. Sie wusste ja tatsächlich nicht, was der Duccier gesagt hatte. Sie hatte Caius nicht gefragt danach, und es war ihr im Grunde auch gleichgültig. Ganz egal was er gesagt hatte, Caius hätte so nicht reagieren dürfen. Ob die beiden vor ihr ihr nun glaubten oder nicht, war eine andere Sache – so unhöflich, ihr eine Lüge vorzuwerfen, würden sie allerdings kaum sein, schätzte Seiana. Und so konnte es ihr letztlich egal sein, ob sie ihr glaubten. „Wie ich bereits sagte, es muss sich wohl um ein Missverständnis gehandelt haben.“

  • [Blockierte Grafik: http://img231.imageshack.us/img231/8683/sklave3hx9.jpg| Caecus


    Es war Caecus, der nun ein wenig zerknirscht an die drei Herrschaften herantrat und sich räusperte. "Verzeihung, ich möchte nicht stören", sagte er und blickte von Ursus zu Septima zu Seiana. "dominus Corvinus lässt sich entschuldigen und bittet dich, werte Decima, in drei Tagen am Vormittag nach dem Klientenampfang zum Gespräch. Er bedauert es, dich nicht gleich empfangen zu können, doch er versichert, dass eine wichtige Angelegenheit vorliegt." Caecus deutete eine Verbeugung an und wartete dann, ob er vielleicht noch etwas ausrichten sollte.

  • Die Decima antwortete auf Septimas und Ursus frage ausweichend und da sie wohl nicht darüber reden wollte, ließ sie das Thema fallen. „Nun gut, hoffen wir, dass Archias seine Unstimmigkeiten mit dem Duccier aus der Welt räumen konnte. Es wird eine Sache zwischen den beiden gewesen sein. Es ist ja alles gut gegangen.“ Ein Lächeln sollte Seiana beruhigen und ihr die Angst nehmen, dass sie noch mehr Fragen beantworten müsste.


    Kaum war das Thema Archias beendet, stellte sich die Frage, worüber jetzt reden? Auf dem Empfang hatten sie nicht wirklich Zeit für die Decima gehabt und nach der Unstimmigkeit zwischen dem Duccier und Aelier, waren Seiana und Archias schnell gegangen. Somit kannte Septima die Frau, die ihr gegenüber saß, kaum und hatte Mühe ein passendes Gesprächsthema zu finden. Sogar über ihre Familie wollte ihr nichts einfallen, deshalb nahm sie sich vor, ehrlich zu bleiben. „Wir hatten auf dem Empfang kaum Gelegenheit mit einander zu sprechen, Decima, von daher weißt du kaum etwas über mich und umgekehrt. Aus diesem Grund würde es mich interessieren, wie lange du schon mit Archias verlobt bist. Oder wenn dir nicht zum plaudern zu mute ist, ob wir uns nicht an einem anderen Tag einmal treffen wollen, um uns einfach nur ein wenig auszutauschen.“ Das Angebot war ehrlich gemeint, denn Septima wußte sehr wohl, dass es immer wichtig war Kontakte zu knüpfen und bereits bestehende zu pflegen. Wenn sie jetzt nicht mit Seiana ein wenig reden konnte, dann vielleicht demnächst.


    Ein Sklave trat heran und ließ ausrichten, dass Corvinus nicht zu diesem Treffen hinzu kommen würde. Ein wenig überrascht schaute Septima zu Ursus. Ob er wußte weshalb Corvinus ebenfalls von Decima hinzugebeten wurde?

  • Die Antworten gefielen Ursus nicht. Er war sich nicht sicher, ob er dieser Frau glauben sollte. Und wenn er etwas nicht leiden konnte, dann belogen zu werden. Doch natürlich lag es durchaus im Bereich des Möglichen, daß sie die Wahrheit sprach. Er hörte, wie Septima der Decima ein vertrauliches Gespräch anbot. Eigentlich fand er das übertrieben, aber sie mußte es selbst wissen. "Nun, Deine Entschuldigung nehme ich auf jeden Fall an." Er betonte das so, daß sie sicher sein konnte, daß dies nicht Archias mit einbezog. Dieser hatte sich nach Ursus' Ansicht selbst zu entschuldigen. Und zwar weitaus dringender, als dies bei Decima Seiana nötig gewesen wäre. "Auf Dich fällt nicht einmal der Schatten eines Vorwurfs." Der fragende Blick von Septima entging Ursus nicht. Doch auch er wußte nicht, warum Corvinus so dringend vonnöten sein sollte. "Da mein Onkel verhindert ist, kannst Du auch mir mitteilen, was Du ihm mitteilen wolltest. Wenn Du eine Entschuldigung an ihn richten wolltest, werde ich diese gerne übermitteln."

  • Seiana erwiderte Septimas Lächeln unverbindlich. Sie hoffte ebenfalls, dass die beiden die Unstimmigkeit hatten ausräumen können. Sie hatte nicht die geringste Lust auf eine weitere Szene wie jene in der Öffentlichkeit. Aber sie war sich nicht so sicher, ob sie Caius darauf überhaupt noch einmal ansprechen sollte – oder wollte. Dann hörte sie allerdings, ein wenig überrascht, das Angebot der Tiberia, sich noch weiter zu unterhalten. Seiana musterte sie kurz und überlegte, wo das Interesse wohl herkam – aber sie hatte sicherlich nichts dagegen, weitere Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Sie warf dem Senator einen Blick zu und lächelte auch ihn an, als dieser wiederholte, dass er die Entschuldigung annahm – mit einer Betonung, die Seiana keineswegs entging. Sie würde mit Caius noch einmal über dieses Thema reden müssen, das war ihr klar. Wenn sie wirklich Schadensbegrenzung betreiben wollten, würde auch er hierher kommen müssen. „Ich danke euch dafür. Und dir, Tiberia, danke ich für dein freundliches Angebot – im Augenblick habe ich nicht allzu viel Zeit, aber ich würde mich gerne einmal mit dir treffen. Wann würde es denn dir passen?“


    Als der Sklave dann hinzutrat und eine Botschaft von Aurelius Corvinus überbrachte, wusste Seiana nicht so recht, wie sie sich fühlen sollte. Einerseits gewährte ihr das Aufschub, andererseits musste sie so nur noch länger warten – denn dass sie sich auch bei ihm persönlich entschuldigen wollte für den Vorfall, stand für sie außer Frage. „Nun“, antwortete sie Ursus, „es wäre mir durchaus Recht, wenn ihm übermittelt werden könnte, dass ich hier war um mich für das Vorgefallene zu entschuldigen. Er ist mein Patron, musst du wissen, daher ist es mir wichtig, dass auch er das weiß.“ Seiana warf dem wartenden Sklaven einen kurzen Blick zu, aber es war die Sache des Aureliers zu entscheiden, ob er Corvinus das persönlich sagen oder doch durch den Sklaven überbringen lassen würde. „Seinen vorgeschlagenen Termin in drei Tagen werde ich gerne dennoch annehmen. Ich habe noch einige andere Dinge mit ihm zu besprechen, ich wäre ohnehin dieser Tage auf ihn zugekommen bezüglich eines Termins.“

  • Septima hatte ein wenig das Gefühl, dass Ursus am liebsten mehr von Seiana erfahren hätte und nun ein wenig über die mangelnden Aussagen enttäuscht war. Sie legte eine Hand auf seinen Arm und versuchte ihn so ein wenig zu beruhigen. Außerdem gab diese kleine Geste wieder ein gutes Zusammengehörigkeitsgefühl wieder, welches Septima sehr bemüht war zu vermitteln. Zum Glück fiel es ihr in Ursus Gegenwart nicht schwer, wenn auch längst nicht so viel Liebe hinter den Gesten oder Blicken lag, wie es bei einem anderen Mann der Fall gewesen wäre.


    Die Decima nahm ihr Angebot zu einem späteren Treffen höflich an und ein Strahlen ging über das Gesicht der Tiberia. „Nun, ich denke die nächsten Tage benötige ich noch zum einleben in der Villa, aber wenn es dir recht wäre, dann würde ich ein Treffen in etwa zwei Wochen vorschlagen. Vielleicht so gegen frühen Nachmittag? Hier oder in der Casa Decima?“ Sie wollte Seiana die Entscheidung überlassen, für den Fall das sie sich in der Villa Aurelia im Moment nicht so wohl fühlte, sollte sie die Möglichkeit haben, in ihrer eigenen Casa das Sagen zu haben.


    Interessiert registrierte Septima, dass Decima Seiana eine Klientin von Aurelius Corvinus war. Also konnten auch Frauen Klienten eines Patrons sein? Wie interessant! Das musste sie gleich weiter hinterfragen. „Du bist Klientin von Aurelius Corvinus? Wie kommt das?“ erkundigte sie sich neugierig und nippte an ihrem Getränk.

  • "Nun, die Mitteilung, daß Du hier warst, um Dich zu entschuldigen, kann Caesus meinem Onkel sogleich überbringen." Ursus entließ den Sklaven mit einem Nicken. Caesus war zuverlässig, Seiana konnte sicher sein, daß er alles ordentlich weitergab. "Wenn er Dein Patron ist, dann ist es in der Tat besser, wenn Du persönlich mit ihm sprichst."


    Die Hand auf seinem Arm nahm Ursus durchaus wahr und er legte seine Hand auf die von Septima, um ihr anzuzeigen, daß er verstand. Er fühlte sich tatsächlich auch schon ruhiger. Seine Frau konnte ja nicht ahnen, daß ihn die Feigheit des Aeliers weit mehr aufregte als die Zugeknöpftheit der Decima. Jetzt mußte er sogar schmunzeln, als er bemerkte, was für ein einnehmendes Wesen seine Frau haben konnte. Sie ließ Seiana nicht entkommen. Und warum sollten sich die beiden auch nicht anfreunden?

  • „Ich danke dir.“ Seiana lächelte dem Senator zu und schenkte auch dem Sklavevn ein – wenn auch weit flüchtigeres – Lächeln. Sie wartete, bis er verschwunden war, dann wandte sie sich wieder dem Ehepaar vor ihr zu. Die leichte Berührung, die die beiden austauschten, war ihr nicht entgangen, und sie konnte nicht verhindern, dass ihr das einen Stich versetzte. Caius’ Geständnis kam ihr unwillkürlich in den Sinn. Sie fragte sich, ob diese so offen gezeigte Innigkeit zwischen den beiden ihr gegenüber echt war oder nur gespielt. Sie fragte sich, wie die Ehe zwischen Caius und ihr werden würde, nach dem, was er ihr gesagt hatte…


    Sie war dankbar für die kleine Ablenkung. „In zwei Wochen klingt gut.“ Sie hatte ihre Termine nicht genau im Kopf, aber sie wusste, dass das meiste davon flexibel war – vieles hing mit ihren Betrieben und ihren Studien zusammen, und das waren häufig ohnehin Dinge, bei denen es keine allzu große Rolle spielte, wann genau sie sie erledigte, solange sie nur rechtzeitig fertig wurde. Sie würde ein Treffen zu dem jetzt vereinbarten Zeitpunkt einfach möglich machen. „Ganz wie du möchtest, Tiberia. Wir können uns gerne in der Casa meiner Familie treffen, wenn du sie einmal sehen möchtest. Ich weiß nicht, ob du bereits einmal dort warst.“ Bei der nächsten Frage der Tiberia glitt ein – zum ersten Mal ehrliches – Lächeln über Seianas Züge. Dass Frauen sich einen Patron suchten, war vielleicht nicht allzu üblich, aber dennoch jederzeit möglich. Dennoch war sie erneut auf der Hut. Sie hatte nicht vergessen, wem sie gegenüber saß – zwei Patriziern, einem Senator. Sie wusste nicht, wie traditionell die beiden eingestellt waren. Dass sie tatsächlich auf eigenen Beinen hatte stehen, ihr eigenes Geld verdienen und unabhängig sein wollen, war vielleicht nicht so gut zu erwähnen, jedenfalls nicht in der Deutlichkeit. Andererseits klang es auch wenig vorteilhaft, wenn sie sagte, dass sie sich nur hatte ausprobieren wollen… „Nun, als ich aus Tarraco hierher nach Rom kam, war es mir ein Bedürfnis, selbst etwas aufzubauen. Sicherlich hätte meine Familie mich jederzeit unterstützen können, und das hat sie auch, aber etwas Eigenes… hat einfach eine andere Qualität. Dazu gehörte für mich auch, selbst das nötige Startkapital zu organisieren. Und da ich Aurelius Corvinus bereits von der Acta kannte, lag es nahe, mich an ihn zu wenden und ihn zu fragen, ob er sich vorstellen könnte, mein Patron zu werden.“

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