cubiculum Prisca | Von der Freiheit der Seele

  • Drei. Drei Tage war sie nun fort. Und seit etwa einer Woche wusste ich, dass Celerina mich hintergangen hatte. Wir waren uns seither nicht begegnet. Das hatte ich zu verhindern gewusst. Wenn mir ein Jahr zuvor jemand prophezeit hätte, dass ich mich einmal in einer Situation befinden würde, die mich auf rein geistiger Ebene krank machen würde, hätte ich ihn ausgelacht. Nun dachte ich anders darüber. Ich musste etwas unternehmen, wenn mein Selbst micht nicht auffressen sollte. Das Loch in meiner Brust hielt sich hartnäckig. Es klaffte weit offen und dachte nicht daran, sich irgendwann einmal weniger stark zu melden. Es war einfach da, stets spürbar und nicht zu vergessen. Allgegenwärtig wie die Luft, die man irgendwann als selbstverständlich hinnahm. Ich wollte nicht den Rest meines Lebens mit dieser schwärenden, nässenden Wunde verbringen. Irgendetwas musste es geben, das mich wieder normal machte.


    An diesem dritten Abend war ich, wie an den Abenden zuvor, nicht zum Abendessen erschienen. Diesmal hatte ich allerdings genügend Verstand besessen, meiner Abwesenheit eine geschäftliche Natur zu geben, indem ich einen Sklaven hatte ausrichten lassen, dass ich noch arbeiten würde. In meinem Schlafgemach hatten die zwei Krüge schon auf mich gewartet, doch es war anders gekommen. Vielleicht hatte Septimas Einsatz in dieser Richtung etwas bewirkt. Sicher war ich mir jedoch, dass ich es einfach nicht mehr aushielt, all das allein mit mir zu tragen - gänzlich allein, da Siv nun fort war. Ich musste es jemandem erzählen oder daran zugrunde gehen, das wusste ich nun. Und niemandem vertraute ich so sehr wie Prisca, also war es nur logisch, dass es ihr Zimmer war, vor dem ich unentschlossen stand und das Türholz ansah. Vielleicht wäre Brix ob seines Wissens die bessere Wahl gewesen, doch hatte er mich genauso hintergangen wie meine Frau, nur auf andere Weise. Ich misstraute alles und jedem seitdem, aus Angst, erneut vorgeführt zu werden - auch wenn ich das natürlich niemals zugegeben hätte.


    Ich hob die Hand und klopfte leise. Vielleicht war sie auch gar nicht zugegen, und ich ersparte mir die Offenbarung meinerselbst. Vielleicht aber würde es mir besser gehen, wenn ich ihr alles erzählt hatte. Einzig zu Prisca war mein Vertrauen unumstößlich. Sie war die richtige, das wusste ich einfach. Es durfte nicht anders sein. Wenn auch sie mich verriet, würde ich zerreißen.

  • Prisca ließ sich an diesem Abend ebenfalls für die cena entschuldigen, was im übrigen in letzter Zeit häufiger geschah. Natürlich war der Aurelia bewusst, dass dies unhöflich von ihr war und ganz bestimmt wollte sie damit der Familie nicht aus dem Weg gehen, nur, … nach den vielen Feierlichkeiten der vergangenen Tage und Wochen brauchte sie einfach etwas Abstand zu allem. Vielleicht war dies auch der Grund dafür warum Prisca - trotz ihrer ausgeprägten Neugier - über die Geschehnisse, die sich im Haus so abspielten, so gut wie gar nicht informiert war. Diesen Umstand hätte Prisca (normalerweise) selbst als "Sträfliche Nachlässigkeit" bezeichnet, nur kam sie momentan gar nicht auf die Idee, sich über so etwas Gedanken zu machen.


    Vielmehr kreisten Priscas Gedanken schon seit geraumer Zeit um eine ganz bestimmte Sache, die sich vor kurzem erst zugetragen hatte. Es war wie verhext, aber diese unverhoffte Begegnung wollte ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Oder war es eher die Person, die hinter dieser Sache stand? … Oooh! Es war einfach zu schön gewesen mit ihm, selbst dieser kurze Moment der uns vergönnt gewesen war. Ob er es auch so schön empfunden hatte? … Wann werde ich ihn wohl endlich wieder sehen? ... Zu dumm!


    So vertieft in ihre Gedanken hörte Prisca das Klopfen an der Türe zunächst gar nicht und als sie es endlich wahr nahm, erhob sie sich augenblicklich von ihrem Bett und huschte - ohne weiter nachzudenken - zur Tür hin, um diese zu öffnen.


    "Marcus?! … Du? … was?… ", Prisca war völlig überrascht ihren Onkel ihrer Türe stehen zu sehen und umso größer war die Freude darüber, dass ausgerechnet er es war. "Was führt dich denn so spät noch zu mir? … Komm! Komm doch herein … Ich freu mich dich zu sehen", strahlte Prisca mit ehrlicher Freude das aus, was sie in dieser Sekunde für ihren geliebten Onkel empfand. Sofort streckte Prisca ihre Hand nach der von Marcus aus und forderte ihn so zum Eintreten auf.


    Dass sie sich bereits in ihrem Nachtgewand befand störte Prisca nicht weiter. Was auch immer Marcus hierher geführt hatte, er schien ihren Rat, oder einfach ihre Nähe zu brauchen und nichts weniger als war sie bereit ihm zu geben. "Setz dich doch …", wiederholte Prisca deshalb ihre Aufforderung mit einem sanften Lächeln und dabei deutete sie unbewusst auf ihr Bett. Zweifellos ein Beweis ihres Vertrauens und ihrer Zuneigung, die sie keinem Mann sonst so leichtfertig geben würde.

  • Es dauerte. Und ich hatte mich gerade dazu entschlossen, herumzudrehen und doch das Heil am Boden des Weinkrugs zu suchen, als die Tür doch noch geöffnet wurde. Ich hatte mich schon halb abgewandt, so dass ich mich nun wieder ein wenig drehen musste. Meine Nichte war schön, wie ich fand, vollkommen perfekt und engelsgleich, selbst ohne zurechtgemacht zu sein und im Nachthemd. Sie wäre niemals gut genug für einen Ehemann, selbst wenn ich ihn für sie aussuchen würde. Deswegen ließ ich diese Sache auch so schleifen.


    Wie sie nun dastand und mich ansah, so vor Freude strahlend und wunderschön, stieg dieses verdrehte Gefühl, dass niemals wieder etwas auch nur im Ansatz gut werden würde, in meinem Inneren so rapide an, dass ich mich um ein Haar am Türrahmen hätte festhalten müssen. Natürlich wurde ich wütend darüber, und selbstverständlich ließ ich es bleiben, mich am Rahmen festzuhalten. Stattdessen hielt ich mich an Prisca und zwang sie in eine unvermittelte und feste Umarmung. Sicher hatte sie zuvor einen Blick in mein Gesicht werfen können, und auch wenn sich Septima alle Mühe gegeben hatte, darin zu lesen wie in einem offenen Buch, so würde dies nur Prisca gelingen und sonst niemandem, denn bei ihr brauchte ich diese Maske nicht, die ich bei allen anderen krampfhaft auf dem Gesicht hielt. Sie würde sehen, dass es mir nicht gut ging.


    Ich sagte nichts. Ich hielt sie nur fest, und das tat mir wohl. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ ich sie wieder los. Wir konnten nicht ewig so auf der Schwelle stehen, obwohl ich mich gerade am liebsten in ihrem Haar vergraben und so eingeschlafen wäre. Aber ich war keine fünf mehr, sondern dreißig. Ich ging ihr hinterher zum Bett und setzte mich, rutschte dann zurück, bis mein Rücken anstieß. Die Sandalen waren achtlos vor dem Bett auf einem Teppich zurückgeblieben, ich zog die Füße an und umfing meine Knie mit den Armen. Der Pegel des Gefühls war nicht zurückgegangen. Fast fühlte es sich an wie Verzeweiflung, doch das konnte nicht sein. Warum sollte es mir so gehen? "Ich hoffe, ich störe dich nicht", sagte ich leise.

  • Da stand also ihr Onkel vor der Türe und … er will schon wieder gehen, wieso?, Prisca legte den Kopf fragend leicht schief und versuchte zu ergründen was in Marcus vorgehen mochte. In dem flackernden Licht der Öllampen wirkte sein Gesicht im ersten Moment so fremd, er schien … angespannt, hilflos, verzweifelt zu sein, oder bildete sich Prisca das nur ein? … Unverkennbar jedoch gehörte dieses Gesicht zu Marcus und das brachte Prisca zum strahlen. Sie freute sich jedesmal, wenn er - trotz seiner vielen Verpflichtungen - Zeit für sie fand, noch dazu jetzt, da er zudem verheiratet war und seine ganze Aufmerksamkeit eigentlich Celerina gehören sollte … eigentlich ...


    War sie der Grund? … Einen Grund sie zu besuchten brauchte Marcus freilich nicht, doch blieben Priscas Fragen erst einmal unbeantwortet. Stattdessen umarmte er sie noch auf der Schwelle so innig, dass Prisca fast die Luft weg blieb. Du meine Güte, was ist denn nur passiert?, machte sie sich augenblicklich große Sorge und die wildesten Fantasien begannen in ihrem Kopf zu kreisen. Ist jemand aus der Familie krank, oder schlimmer noch gestorben … Was ist mit ihm, …ist es am Ende gar wegen mir?


    So sehr diese Fragen auch auf ihrer Zunge brannten, ...Prisca drängte ihn nicht, sondern erwiderte die Umarmung einfach nur, schmiegte sich an ihn und genoss die Nähe zu ihrem Onkel. Die Aurelia seufzte ganz leise denn es tat gut, einfach so von ihm gehalten zu werden und insgeheim wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass Marcus nicht ihr Onkel wäre. Kein Verwandter sondern einfach nur ein Mann, dem sie gehören wollte …


    Doch das waren nur Gefühle ganz am Rande, denn momentan überwog eindeutig die Sorge um ihren Onkel. So verzweifelt hatte er schon lange nicht mehr gewirkt, befand Prisca als sie sah wie er sich auf ihrem Bett zusammen kauerte. Die Aurelia zögerte nicht und rutschte neben ihn auf das Bett, kniete sich neben ihn und legte einen Arm um seine Schultern. Mit sanfter Gewalt zog sie ihn weiter zu sich heran, die andere Hand flüchtig über seine Wangen streichelnd und dirigierend, bis sein Kopf an ihrer Brust gebettet lag. Prisca vertraute darauf, dass er diese Geste nicht falsch verstehen würde und falls doch so wäre sie ihm keineswegs böse wenn er sich wieder zurück ziehen würde. Jedoch glaubte sie zu spüren, dass er ihre Zuneigung im Augenblick brauchte. "Du störst mich nicht, Marcus, niemals würdest du das. … Das weißt du ...", flüsterte Prisca ihm mit sanfter Stimme zu und wollte ihm damit sagen, dass er ihr sein Herz ausschütten konnte wann immer er wollte. ...

  • Die Tür wurde leise geschlossen, und Prisca kam zu mir. Ihre Gedanken blieben mir verborgen. Vermutlich wäre ich, hätte ich sie hören können, aus ihrem Zimmer geflohen. Denn obwohl Prisca für mich die perfekteste Frau schlechthin war - oder gerade weil sie es war - wollte ich sie nicht mit meiner Starrsinnigkeit, meinem Wesen belasten. Sie hatte mich nicht verdient, im negativen Sinne. Bei Celerina sah ich das inzwischen anders. Ich hatte mir eine solche Mühe gegeben und sie dankte es mir, indem sie mir einen Bastard untergeschoben hätte. Im Grunde war sie selbst schuld, dass unsere Ehe keine Bilderbuchehe war wie die von Septima und Ursus, die ich insgeheim um ihre Leichtigkeit und offen zur Schau gestellten Zuneigung Willen neidete.


    Doch jetzt in diesem Moment war Prisca einfach für mich da. Es bedurfte keiner Worte, als sie mich an sich zog und mich...tröstete. Ich ließ sie gewähren, denn es tat gut, nichts verbergen zu müssen. War ich eben noch skeptisch gewesen, ob ich es wirklich wagen sollte, wusste ich nun, dass ich die Worte jetzt ohehin nicht mehr daran würde hindern können, aus mir herauszufließen. Statt einen sexuellen Hintergrund anzunehmen und mich von ihr zu lösen, umd das Schlimmste zu verhindern - Prisca war meine Nichte, ich sah sie einfach nicht mit diesen Augen - legte ich einen Arm ganz um Prisca herum und hielt mich mit der anderen am leichten Stoff über ihrem Oberarm fest, die Augen geschlossen. So saß ich einfach eine Weile an sie gelehnt da und lauschte dem beruhigenden Wummern ihres Herzens, stark und gleichmäßig.


    "Sie hat mich betrogen", entschied ich mich dafür, das leichtere Thema zuerst anzusprechen. Meine Stimme war nicht mehr als ein trockenes Flüstern. Dass Prisca denken mochte, dass dies der Grund war dafür, dass es mir schlecht ging, daran dachte ich einfach nicht. Ich wollte ihr alles sagen. Sie würde mir helfen können. Doch mit dem leichteren Thema wollte ich beginnen.

  • Warum nur musste das Leben stets solche Prüfungen für die Sterblichen bereit halten? Das wussten wohl nur die Götter allein und deshalb versuchte Prisca gar nicht erst es hinterfragen zu wollen, warum ihr Onkel so verzweifelt war. Nicht in diesem Moment, da sie ihn in den Armen hielt, ihn tröstete und er sich wiederum an sie schmiegte. Nur gut, dass die Gedanken frei waren und im Verborgenen blieben. Sonst wäre am Ende vielleicht Prisca diejenige gewesen, die auf und davon gelaufen wäre wenn sie nur geahnt hätte, für wie perfekt ihr Onkel sie in Wirklichkeit hielt. Ich und perfekt? Wie gerne hätte Prisca ihrem Onkel den Gefallen getan doch, angesichts ihrer Eskapaden die sie ihm noch nicht gebeichtet hatte, würde sie lieber im Boden versinken als ihn davon überzeugen zu wollen, dass sie so perfekt wäre wie er vielleicht glaubte. Könnte sie das überhaupt - jemals?!


    Zumindest nicht jetzt, in diesem Moment, da Marcus ihr anvertraute was vorgefallen war.


    Celerina hat ihn betrogen?!?! Es dauerte bis Prisca endlich begriff, welche Dimension sich augenblicklich vor ihr auftat. Was hat Celerina schon großartiges getan? … Etwas, das für Männer ganz alltäglich war und doch, … es war letztendlich ihr Onkel, dem die Flavia diese Schmach angetan hatte. Wie sollte Prisca darauf reagieren? Konnte sie überhaupt etwas dazu sagen? … Zweifellos wäre es ungerecht, was auch immer sie zur Antwort gäbe, doch in diesem Fall konnte Prisca nur ihren Gefühlen folgen und Partei für Marcus ergreifen. Unabhängig davon ob es nun gerecht wäre, dass er wiederum zu seinen Sklavinnen gehen konnte, wann immer es ihm danach gelüstete. Und Celerina? Hatte er sich ein einziges Mal Gedanken darüber gemacht, wie sie sich wohl fühlen mochte wenn er nicht bei ihr lag, sondern bei einer Anderen . …Ja wo war da die Gerechtigkeit??


    Es war Prisca in dem Moment Einerlei. Sie küsste einfach seine Stirn und streichelte sanft seine Wange, wiegte ihn sanft und hielt ihn fest umschlungen. Niemals könnte sie ihn seinem Fall unparteiisch denken oder gar handeln ...


    "Hat sie es dir selbst gebeichtet oder musstest du es mit eigenen Augen sehen? … Wie kann sie es nur wagen, dir so etwas antun?! … ", wisperte Prisca fassungslos, ohne absichtlich Öl ins Feuer gießen zu wollen. Augenblicklich verstärkte sie ihre Zärtlichkeiten, mit denen sie Marcus ihre absolute Loyalität beweisen wollte, egal ob er diese in Wirklichkeit verdient hatte. Nichts und niemand darf ihm so etwas antun! Marcus war nun mal Priscas engster Verwandter und der Einzige den sie so sehr liebte wie ihre eigene Mutter ...

  • Die Wärme, die Prisca mir schenkte, war solcherart, dass sie zum ersten Mal seit langer Zeit mein Inneres erreichte. Ich wurde ruhiger, auch wenn ich immer noch aufgewühlt und niedergeschlagen war. Prisca behandelte mich in jenem Moment wie einen kleinen, verstörten Jungen, doch nicht, weil sie mich herabwürdigen wollte, sondern weil ich es brauchte. Bei ihrem Stirnkuss schloss ich die Augen, und erst einen Moment später öffnete ich sie wieder. Erst ihre Antwort machte mir deutlich, dass ich missverständlich gewesen war. Ich schob die Aufklärung noch einen kurzen Augenblick vor mir her, dann seufzte ich langgezogen und leicht zitternd und trennte mich widerwillig von Priscas Brust, um ihr in die Augen sehen zu können.


    "Prisca", begann ich kläglich, und meine Stimme klang überhaupt nicht so wie meine eigene. Erneut zögerte ich. Es fiel mir nicht leicht, mich so zu öffnen, selbst ihr gegenüber nicht. Jahrelang gezüchtete Verschlossenheit ließ sich nicht einfach abstellen. Ich biss mir auf die Lippe. "Ich.. Sie hat es mir gestanden. Mit einem Sklaven, Prisca... Es... Sie hätte mir einen Bastard untergeschoben, ohne mit der Wimper zu zucken! Das macht mich so wütend. Ich..." Ich schüttelte gequält mit dem Kopf. "Wie kann ich ihr jemals wieder vertrauen? Wer garantiert mir, dass es mein Erbe sein wird, den sie zur Welt bringt? Hätte ich doch nur..." Ja. Hätte ich doch nur meinen Sohn angenommen. Sicherlich ging nun auch Prisca auf, dass es weniger die Tatsache an sich war, die sich meine Ehefrau geleistet hatte, sondern vielmehr der Vertrauensbruch. Denn dass Celerina so unverfroren gewesen wäre, mir ein Sklavenbalg unterzuschieben, daran zweifelte ich nicht in einer Sekunde. Meine Miene wurde hart. "Ich war mit ihr in Puteoli. Ich habe alles versucht, um sie zufriedenzustellen, Prisca. Ich liebe sie nicht, aber ich respektiere sie - sie ist meine Frau! Und sie dankt es mir dergestalt!" Neuerlich ebbte die Wut in mir hoch, leckte an mir wie an den Rändern eines hohlen Gefäßes, denn hohl fühlte ich mich. Ausgehöhlt und leer, als würde etwas fehlen. Und das war nur ihre Schuld. Glaubte ich.


    Ich presste die Kiefer fest aufeinander und die Lider dazu. Ich wollte hier vor Prisca nicht die Beherrschung verlieren. Ganz sicher war es auch an ihre Ohren gedrungen, dass ich Phraates hatte strafen und fortbringen lassen. Ich wollte nicht, dass sie schlecht von mir dachte, obgleich ich in jenem Moment selbst nicht viel von mir hielt. Alles schien sich zu drehen in mir, obwohl ich stillstand. Mir war elend zumüte. Ich stieß einen leisen, frustrierten Laut aus und senkte den Blick auf meine Knie, um Prisca nicht ansehen zu müssen. "Kennst du das Gefühl, dich in einer abwärtsführenden Spirale zu befinden?" murmelte ich. "Ich glaube allmählich, dass ich unten angekommen bin." Es war offensichtlich, dass mich etwas bedrückte. Dass Celerina nicht das einzige war, mochte Prisca erraten oder auch nicht. Es war ohnehin einerlei, denn zurückhalten konnte ich nun nichts mehr. Ich würde ihr alles sagen, es musste nun hinaus. Ich konnte nicht anders.


    "Ich... Ich habe einen Sohn, Prisca. Ich habe ihn nur nicht angenommen, weil... Ihretwegen. Und der Familie wegen. Und dann gesteht sie mir... Und ich... Und jetzt ist sie fort und ich kann nichts tun, um es ungeschehen zu machen", flüsterte ich kaum vernehmbar und zuckte zusammen, als ein Tropfen einen angehend kreisrunden Fleck auf meiner tunica hinterließ. Ich schämte mich. Ich wollte nicht schwach sein vor Prisca. Zornig wischte ich mir übers Gesicht, aber zu dem dunklen Fleck gesellten sich dennoch zwei weitere hinzu. Erneut quälte sich ein Laut der Frustration aus meiner Brust, und ich biss die Zähne fest zusammen, um ihn einzusperren, damit er nicht heraus drang. Vergebens. Wie armselig. Ich hockte hier bei meiner Nichte im Bett und weinte wie ein Mädchen mit Liebeskummer. Es konnte fast nicht mehr schlimmer gehen. Am liebsten wäre ich in Grund und Boden versunken.

  • Prisca ließ Marcus stumm an ihrer Brust gewähren, wollte ihm Geborgenheit schenken und ihm einfach zu hören. Es schien ihm unglaublich schwer zu fallen sich zu öffnen und deshalb stellte Prisca vorerst keine Fragen, um ihn nicht noch mehr zu verunsichern. Sie nickte nur ab und an bestätigend und machte sich so ihre eigenen Gedanken über die Vorwürfe, die Marcus seiner Frau machte. Warum nur konnte Celerina nicht so lange warten, bis sie meinem Onkel einen Nachkommen gezeugt hat, ehe sie sich mit anderen vergnügt. Warum sagt sie es ihm überhaupt? Warum jetzt! … Sie kann doch nicht allen ernstes einen Sklaven meinem Onkel vorziehen. … Oder ist er vielleicht der Grund warum sie bis heute noch nicht ... Obwohl die Aurelia durchaus bereit war Verständnis für Celerina aufzubringen konnte sie es durchaus verstehen, warum Marucs derart aufgebracht und verzweifelt war, dass er mit seiner Fassung regelrecht kämpfen musste. Der Blick in seine glänzenden Augen war Beweis genug, oder gab es noch mehr das schwer auf ihm lastete? Tatsächlich war es so, als er ganz plötzlich die Stimme senkte ...


    Marcus hat einen Sohn mit dieser Germanin, ...Siv?!?", Priscas Augen begannen sich zu weiten, denn langsam ergaben die vielen Gerüchte, die schon seit Tagen und Wochen durchs Haus wanderten, einen Sinn. Celerinas zwischenzeitliches Verschwinden, die Reise der beiden nach Puteoli, das Babygeschrei in der villa, die Bestrafung des Sklaven … , aber selbst das war noch nicht alles ...


    Er weint!? Das erste Mal das Prisca ihren Onkel weinen sah und darüber erschrak sie regelrecht. Nicht, weil sie ihn dadurch für schwach und armselig halten würde - nein so etwas dachte die Aurelia keine Sekunde - sondern weil sie erst jetzt erkannte, wie verzweifelt er in Wirklchkeit war. Und schlimmer noch, er schien sich dafür vor ihr zu schämen, dass er tat was jeder Mensch in solch einer Situation tun würde. Wie kann, … wie soll ausgerechnet ich ihm helfen können. Ich? … So ratlos, so schwach, so unbedeutend wie in diesem Moment hatte sich Prisca noch nie gefühlt und doch schwor sie bei allen Göttern, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun würde um Marcus irgendwie zu helfen. Und wenn es nur ein warmes und mitfühlendes Lächeln war, ein liebevoller Blick in seine Augen, das Streicheln seiner Wange mit dem Rücken ihrer Hand, mit denen sie ihm ein wenig Trost spenden wollte.


    Prisca glaubte jedenfalls nachvollziehen zu können, wie elend man sich am Ende der Spirale fühlen mochte. So zumindest hatte es sich für sie damals in Germanien angefühlt, kurz nachdem sie vom Tod ihrer Mutter erfuhr. Und doch hatte die Zeit gezeigt, dass selbst das dunkelste Tal irgendwann durchschritten ist. Dank der Hilfe ihre Onkels und der ihrer Familie. ... Ja die Familie war Prisca zweifellos sehr wichtig und von daher kam sie leicht ins grübeln, über wen sich Marcus eigentlich mehr Kopfzerbrechen machte. War es Celerina, oder eher die Mutter seines Sohnes? Eine Sklavin?!… Nein, es ist wegen seinem Sohn! Genau! Wegen ihm war Marcus so verzweifelt! Oder lag Prisca mit dieser Vermutung so falsch?


    "Du hast einen Sohn?... ", durchbrach Prisca letztendlich flüsternd das Schweigen. In der Tat war dies eine Frage, die ihr einiges an Beherrschung abverlangte, weil sie Marcus dabei das Gefühl geben wollte, dass dieses Kind - obwohl von einer Sklavin gezeugt - sein Kind war. Sein Sohn! "Warum hast du mir denn nicht schon früher von ihm erzählt? …" Priscas Stimme klang warm und sie sah ihn erwartungsvoll lächelnd an:" Ich verstehe ja, dass du ihn niemals offiziell anerkennen darfst, aber … er ist schließlich dein Sohn und nichts spricht dagegen, dass du dich um ihn kümmerst, oder?" Es war einfach der Versuch Marucs irgendwie zu ermuntern, ihm etwas zu geben, woran er glauben und sich freuen konnte, selbst wenn Prisca mit ihren eigenen Prinzipien brechen musste. Nein! Niemals könnte ich meinen Ehemann lieben und achten, ihm vertrauen, wenn dieser ein Kind mit einer Sklavin zeugen würde … Aber hier ging es nicht um sie und schließlich war Marcus nicht irgendein Mann …

  • Priscas Gedanken blieben mir verborgen. Ich vermochte allenfalls Teile davon zu erraten. Als ihre Augen sich weiteten, meinte ich, ihre Schockierung aus dem Blick herauslesen zu können. Dafür schämte ich mich nicht. Nicht für Siv oder für das Kind. Für meine Schwäche jedoch tat ich es, und deswegen senkte ich beschämt den Blick und blinzelte, um diese vermaledeiten Tränen loszuwerden. Es gelang mit nur unzureichend, was mich wiederum verärgerte. Es war ein Graus mit diesen Gefühlen. Wenn ich sie nur wieder im Zaum gehabt hätte!


    Und Prisca war so herzlich. Ein schwacher Trost zwar nur, aber immerhin. Es linderte den Schmerz zumindest ein wenig. Das Gefühl, innerlich zu zerreißen, blieb bestehen. Das Schweigen war nicht unangenehmer Art, auch wenn es mir nach einer Weile unangenehm wurde. Ich glaubte Prisca zu entsetzt darüber, als dass sie etwas sagen würde. Doch ich hätte nicht gewusst, was ich weiter sagen sollte. Umso dankbarer blickte ich auf, als sie sich dann doch äußerte. "Ja", sagte ich leise. Nur die Frage, warum ich nichts gesagt hatte, verunsicherte mich. runzelte die Stirn und wischte mir beiläufig erneut über die Augen. "Was hätte ich sagen sollen, Prisca?" erwiderte ich. "Es hätte doch nichts geändert, wenn ich es dir gesagt hätte. Es war ohnehin alles schon schwierig genug." Das war ein Widerspruch in sich, aber in dem Moment fiel es mir einfach nicht auf. Ich strengte mich an, gleichmäßig zu atmen, um nicht auch noch schluchzen zu müssen. Bisher gelang mir das ganz gut, und die wenigen Tränen schienen auch vorerst versiegt. Ihr Lächeln vermochte meinen Gesichtsausdruck nicht heiterer zu stimmen, ich sah sie nach wie vor gequält an. "Wie könnte ich das, ohne meine Ehe vollends zu zerstören? Ich bin kein guter Ehemann, und ich bin mitnichten ein guter Vater, Prisca, erst recht nicht, wenn ich meinen Sohn nicht als solchen erziehen kann. Celerina weiß nichts davon, ich habe ihr nie gesagt, dass....dass...Siv..." Ich stockte und schnappte nach Luft, ein seltsamer Laut entwich mir, fast wie ein einzelner Schluckauf, und kurz starrte ich entgeistert ein Loch in die Luft, ehe ich den Faden wieder aufzugreifen suchte und mir Mühe gab, nicht über mein jämmerliches Verhalten nachzudenken. "Dass...sie... und ich..." Erneut wollte mir mehr nicht über die Lippen kommen. Aber all die ungesagten Worte ballten sich im Rückgrat und schoben mich vorwärts, immer weiter an den Rand der Klippe, bis ich nurmehr mit den Fersen dort stand und mich schließlich nicht mehr halten konnte. Auch dann nicht, als ich vor Prisca sitzend meine Knie umklammerte. Ich fiel, und mit mir purzelten all jene ungesagten Worte, die sich aufgestaut und angesammelt hatten, die mich zum Bersten anfüllten und endlich hinaus wollten.


    "Ich... Ich galube, ich... ", murmelte ich, fassungslos wegen der Worte, die ich um ein Haar gesagt hätte. Ich verschloss die Augen, vor Prisca und der Wahrheit. Ungesagtes entbehrte der Realität. Wie töricht , das zu vergessen! "Sie sind weg, und dass sie nicht mehr hier sind....das zerreißt mich von innen. Sie... fehlt mir, Prisca." Jetzt sah ich sie wieder an. "Ich weiß, dass das Unsinn ist. Ich bin sicherlich nicht so naiv, an so etwas zu glauben. Nicht mehr, zumindest", sagte ich nüchtern. Immerhin hatte Prisca von Deandra und dem Strohfeuer gewusst, dass jene ausgelöst hatte. "Zuerst hat sie mich nur fasziniert. Ihre Abscheu gegen Römer, ihr Dickschädel. Aber wir haben uns gut verstanden, meistens zumindest. Ich weiß nicht mehr, wann es anfing. Und als sie mir sagte, dass sie mein Kind trägt... Ich habe ihr genauso Unrecht getan wie Celerina. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Wir haben nie darüber gesprochen und ich dachte... Ich hatte gedacht, dass sie vielleicht dafür sorgt, dass es nicht so weit kommt. Aber dann ist es anders gekommen. Und wie hätte ich es gut heißen sollen, wenn mein Sohn...?" Ich schüttelte den Kopf und sprach sogleich weiter und wandte den Blick nun wieder auf meine Knie. "Wenn sie zu einer Kräuterfrau gegangen wäre? Ich konnte das nicht zulassen. Deswegen habe ich sie freigelassen. Seinetwegen. Damit er niemandes Sklaven sein muss. Ich hätte es nicht ertragen, mein eigenes Kind zu...besitzen." Ich nahm einen tiefen Atemzug und stieß ihn langsam und zitternd wieder aus.


    "Ich habe seit der Geburt nicht mehr mit ihr gesprochen. Ich wollte, dass sie unser Kind nimmt und geht. Nach Hause. Sie wird es dort besser haben als hier. Und ich hatte gedacht, dass dann vielleicht Celerina und ich..." Weiter konnte ich nicht sprechen. Ich schüttelte nur den Kopf und starrte stumpf vor mich hin. Mir kam wieder die Situation ins Gedächtnis, in der Siv mir gesagt hatte, was sie fühlte. Es war töricht von mir, anzunehmen, dass es ihr auch nur einen Deut besser ging als mir, wenn sie tatsächlich so empfand. Dennoch, ich hatte mich um meine Frau zu kümmern. Ich sollte nicht Siv nachhängen. Auch nicht, wenn sie meinen Sohn mit sich nahm. Meine Prioritäten lagen hier, bei meiner Familie, in Rom. "Ich hätte nichts darüber sagen sollen", flüsterte ich. "Sicher wäre es dann einfacher gewesen. Bitte, sag es niemandem. Ich... brauche nur etwas Zeit.“ Ich konnte Prisca nur kurz in die Augen schauen. Meine Gefühle hatte ich - wieder einmal - verschwiegen. Ich konnte sie ja nicht einmal mir selbst gegenüber eingestehen.

  • Wie viel Trost sie Marcus in Wirklichkeit spenden konnte und wie viel von seinen wahren Gefühlen er weiterhin erfolgreich vor ihr verbarg, vermochte Prisca nicht zu sagen. Sie kannte mittlerweile ihren Onkel und sie wusste, dass er sein Innerstes noch nie jemandem gezeigt hatte. Nicht einmal ihr. Prisca machte ihm deswegen keinen Vorwurf nur litt sie jedesmal mit ihm mit, immer wenn sie sah wie niedergeschlagen und verzweifelt er war. Die Aurelia verwünschte in dieser Sekunde all die anerzogenen Regeln, Vorschriften und Verhaltensweisen in der Gesellschaft, die es vor allem den Männern fast unmöglich machte ihre wahren Gefühle zu zeigen.


    Marcus öffnete sich wenigestens ein Stück weit, er weinte und er erzählte von sich aus. … Er erzählte ihr all die Dinge, die er womöglich in den vergangenen Tagen, Wochen, Monaten mit sich allein herum getragen hatte und wie es schien tat es Marcus gut sich diese Dinge einfach von der Seele reden zu können. Von seiner Liebe zu einer Sklavin, von dem Wunsch ein guter Ehemann zu sein. Von der Familie die ihm über alles ging und ...von dem Sohn, den er nicht anerkennen durfte. Es war die Zerrissenheit seiner Seele, die er im Grunde damit eingestand. Prisca sagte vorerst nichts, sie hörte ihm einfach zu und hielt ab und an seine Hand, weil sie hoffte ihm damit wenigstens ein bisschen Trost zu spenden. Die Fragen die er ihr stellte waren ohnehin schon längst beantwortet und Prisca glaubte auch nicht, dass er ihren Rat wirklich brauchte. Vielmehr schien es ihm unendlich viel zu bedeuten diese Dinge, die ihn belasteten, endlich jemandem beichten zu können, ohne das er sich dafür schämen musste.


    Konnte ihm Prisca deswegen böse sein? Nein! Sie liebte ihren Onkel und es bedeutete ihr sehr viel, dass Marcus ihr zumindest dieses große Vertrauen schenkte. 'Was hätte er denn sagen sollen und was hätte es geändert?' Hatte ihr Onkel anfangs selbst die Frage gestellt und im selben Atemzug zugegeben, dass es schon schwierig genug war. Und nun? 'Ich hätte nichts darüber sagen sollen … sicher wäre es dann einfacher gewesen' … Oh nein!! Prisca schüttelte leise seufzend den Kopf. Begann nun das selbe Spiel von vorne? Wollte sich Marcus tatsächlich erneut mit diesen Selbstzweifeln geißeln ob er das Richtige getan hatte? Ich wünschte ich könnte ihm irgendwie helfen zu seinen Gefühlen zu stehen, doch wie soll ich das anstellen?!


    'Er brauchte nur etwas Zeit' und zweifellos würde Prisca sie ihm geben, doch konnte sie nun nicht länger einfach nur da sitzen und nichts sagen: "Ich verspreche dir, ich werde niemals ein Wort darüber verlieren. Zu Niemandem", sprach Prisca leise und mit einem sanften Lächeln schob sie vorsichtig den rechten Zeigefinger unter sein Kinn. Ein paar Tränen waren dort zusammengelaufen und diese wischte Prisca fort, indem sie Marcus zärtlich an stupste. Sie konnte ihren Onkel nicht zwingen aber sie wollte, dass er ihr in die Augen sah: "Tränen sind kein Zeichen von Schwäche, Marcus, sie zeugen vielmehr von Stärke. Ich glaube nur nicht, dass dir die Zeit in diesem Fall helfen wird. … Du hast einen Sohn, vergiss das nicht! Und er wird immer da sein so lange du lebst, auch wenn du dich noch so sehr dagegen wehrst. … Ich weiß, dass dir das Wohl der Familie über alles geht und dafür liebe ich dich. Doch wenn du dich gegen deine Gefühle und dein eigen Fleisch und Blut stellst, wirst du dich ewig grämen. Damit tust du dir und auch deiner Familie keinen Gefallen ..." Und auch Celerina nicht.


    Prisca seufzte tief und sie schenkte ihm ein warmes und offenes Lächeln. Es war ihr letzter Versuch Marcus davon zu überzeugen, dass er seine Gefühle dieses Mal nicht so einfach verschließen dürfte, wie er es ansonsten tat. Im Grunde wollte Prisca doch nur, dass ihr Onkel glücklich wäre ohne jedoch zu wissen, welche Entscheidung ihm letztendlich leichter fallen würde. Nur eines wusste Prisca ganz genau und das fühlte sie auch ganz tief in ihr selbst. Ein eigenes Kind ist nun einmal etwas einzigartiges, etwas wundervolles das man nicht verdrängen kann. Niemals! - Selbst wenn es von einer Sklavin gezeugt war.

  • Ich dankte den Göttern stumm, dass sie Prisca damals nach Germanien gesandt hatten, auch wenn der Anlass ein denkbar schlechter gewesen war. Seit jener Zeit, als ich mein Tribunat dort absolviert hatte, waren wir einander näher und näher gekommen, und nun mochte ich sie nicht mehr fortdenken aus meinem Leben. Sie war in diesen Tage der einzige Ruhepol, den ich hatte, einem Anker gleich, der das Schiff selbst bei stürmischer See und unberechenbaren Fluten an Ort und Stelle hielt. Und dafür war ich ihr unendlich dankbar. Bei jedem anderen hätte ich mich ob der Bemerkung wohl noch mehr verschlossen. Ein Mann hielt seine Tränen zurück, wenn er nicht weibisch sein wollte. Die römischen Tugenden brachten Regeln und Pflichten mit sich, und es stand mir nicht zu, sie zu umgehen, nur weil ich mich schlecht fühlte. Und dennoch brannten sich Priscas Worte in meinen Geist, auch wenn ich wusste, dass sie mir nur Mut zusprechen, mich nur trösten und etwas Nettes sagen wollte. Denn Tränen waren kein Zeichen für Stärke, sondern von der Unfähigkeit, sich selbst unter Kontrolle zu haben. Und hier hockte ich nun, ein Römer, Senator und gar Ädil, und wischte mit einer peinlich berührten Bewegung die Tränen fort, die mir schon wieder in die Augen traten und die Sicht verwässerten. Druch den Schleier hindurch sah ich Prisca an, wie sie die Finger unter mein Kinn gelegt und mich liebevoll ansah. Ich selbst blickte gequält zurück. Am liebsten hätte ich mich im Dunkeln vergraben, irgendwo, wo mich niemand sehen konnte und ich nicht Gefahr lief, mich selbst zu offenbaren.


    Wenn ich mich gegen meine Gefühle und gegen mein eigen Fleisch und Blut stellte, würde ich mich ewig grämen. Mochte sie damit recht haben? Ich schlug die Lider nieder. "Aber sie wird gehen", widersprach ich, fast trotzig. Weil ich es so gewollt habe, würde sie mit unserem Sohn nach Germanien gehen. "Und wie könnte ich ihn behandeln wie meinen Sohn? Celerina..." Sie würde mich vollends hassen, mehr noch als ohnehin schon. Ich schüttelte matt den Kopf.

  • Trotz seiner verweinten Augen war die Verständnislosigkeit darin nur unschwer zu verleugnen. Wie hätte ihr Onkel auch anders reagieren können angesichts der Tatsache, dass Tränen unter Männern und noch dazu in seinen Kreisen verpönt waren und es wohl nichts schlimmeres gab, als sich dieser weibischen Unart selbst bewusst zu werden. Aber genauso war es unter Männern und in jenen Kreisen eben üblich mit Sklavinnen zu schlafen und sie dazu zu zwingen, die möglichen Konsequenzen zu tragen. Hatte er daran schon mal gedacht? Wo war da die Gerechtigkeit? Das beste Beispiel dafür - was daraus entstehen konnte - saß ihr leibhaftig gegenüber. Prisca hieß es keinesfalls gut, was diesen Sklavinnen alles angetan wurde und sie konnte sich für ihre eigene Ehe kein schlimmeres Szenario vorstellen. Von meinem Mann derart schäbig hintergangen zu werden?!... Trotz all dieser Erkenntnisse konnte und wollte die Aurelia ihren Onkel nicht verantwortlich machen, oder ihn gar für sein Handlen verurteilen und hassen. Nein, das könnte ich niemals und deshalb würde Prisca niemals objektiv darüber urteilen können.


    Das machte sie sicherlich zu keiner besonders guten Beraterin wenn es darum ginge, ihren Onkel zu trösten und gleichzeitig Celerina nicht vor den Kopf zu stoßen und auch dieses Sklavin konnte ihr letztendlich nicht völlig egal sein, hatte sie doch seinen Sohn zur Welt gebracht. Schließlich ging es hier nicht nur um Marcus allein sondern auch um die Gefühle anderer Menschen, wenngleich diese für Prisca weitaus weniger zählten. Aber war das fair und gerecht? Nein! Auch wenn es Marcus auf seine trotzige Art nicht wahr haben wollte. "Ja sie und dein Sohn werden gehen, ... wenn du sie nicht zurück hältst", stellte Prisca darauf hin scheinbar lapidar fest, doch die Botschaft darin war ihm hoffentlich klar.


    Und was ist mit Celerina? Die Arme! Wie elend muss sie sich wohl fühlen angesichts der Schmach die ihr zugefügt wurde. Prisca fühlte mit ihr, doch andererseits wollte sie auch Marcus nicht die volle Schuld dafür geben was geschehen war: "Sie wird akzeptieren, dass du einen Sohn hast … " irgendwann vielleicht. Konnte sich Prisca da so sicher sein? Nein! Aber im Grunde hatte Marcus nichts anderes getan, wie unzählige Römer vor und nach ihm auch …"Zeig ihr einfach wie wichtig sie für dich ist und du sie ... ehm," Fast hätte Prisca dieses "Unwort" in den Mund genommen, von dem sie selbst noch immer träumte. "begehrst." - Sofern dir die Ehe mit ihr noch irgend etwas bedeutet -" Dann kann sie dich nicht dafür hassen, dass du einen Sohn hast" - und dem, was du ihr angetan hast. Sie ist schließlich deine Frau! Das hoffte Prisca zumindest, für Marcus und Celerina und für deren Ehe, die zweifellos nicht viel anders wäre wie andere Ehen in Rom auch. .. Zumindest zur damaligen Zeit …


    Ob Prisca über diese (ihre) Erkenntnis glücklich war? … Nicht wirklich … Aber zumindest vertraute sie (angesichts ihrer eigenen Unerfahrenheit) noch immer darauf, dass es nicht immer so kompliziert und ausweglos sein müsste. ... Kein Mensch ist schließlich frei von Fehlern und gerade diejenigen unter ihnen leiden am meisten, die sich ihre Fehler zumindest eingestehen ...


    Auf sein mattes Kopfschütteln hin schmiegte sich Prisca erneut eng an ihren Onkel an. Sie umschlang ihn mit den Armen und drückte ihn ganz fest und innig, um ihm einfach nur zu zeigen, wie sehr sie ihn liebte. Liebe?! Zweifellos wäre diese Liebe zwischen Verwandten und Geschwistern nicht mit der zwischen Eheleuten zu vergleichen, doch für Prisca war sie mit das Wichtigste auf Erden. "Wenn es etwas gibt was ich für dich tun kann Marcus?! ... Egal, was es auch sein mag. ... Du weißt, ich werde immer für dich da sein", gab Prisca ihrem Onkel deshalb flüsternd das Versprechen, welches ewig auf ihrem Herzen ruhen würde …

  • Die Botschaft in ihren Worten sickerte tatsächlich allmählich durch. Ein weiteres Mal wischte ich mir zornig über die Augen. Ich schämte mich für die Schwäche, die ich zeigte, selbst Prisca gegenüber. Sie uns mein Sohn würden gehen, wenn ich sie nicht zurückhielt. Celerina würde akzeptieren, dass dies mein Kind war? Ich sah Prisca zweifelnd an. Selbst wenn ich Celerina zeigte, dass ich sie begehrte - irgendwie - wie konnte sie akzeptieren, dass ich einen Sohn hatte, der nicht ihrem Schoß entstammte? "Sie weiß das nicht", erklärte ich Prisca im Grunde den Kern der Sache. "Ich konnte es ihr nicht sagen. Ich dachte, es wäre das beste, wenn sie geht. Damit Celerina... Ich dachte, wenn sie erst einmal fort ist, würde alles leichter werden." Es tat mir gut, darüber zu reden. Das realisierte ich allmählich. "Aber es ist schlimmer als vorher. Ich...ich bin gar nicht mehr ich selbst." Den letzten Satz hatte ich geflüstert. Der Wunsch nach Wein wurde immer übermächtiger. Es war schwer, Eingeständnisse zu machen. Insbesondere, so sie einen selbst betrafen. Ich hatte dann stets das Gefühl, verwundbar zu sein - etwas, das mir nicht behagte, denn wer verwundbar war, der war angreifbar, den konnte man treffen. Ich knirschte mit den Zähnen.


    Priscas Trost tat mir gut. Er war Balsam für die Seele. Ich schloss die Augen und dankte den Göttern, dass sie sie mir geschickt hatten. Ein leises Seufzen drang über meine Lippen. Ich umarmte meine Nichte, Worte waren überflüssig. Eine ganze Weilse saßen wir so da. Ich war mir nicht sicher, ob sie meine Dankbarkeit spüren konnte, obwohl sie für meine Verhältnisse offensichtlich war. "Danke", flüsterte ich daher. "Ich liebe dich." Ich war mir sicher, dass sie wusste, wie das gemeint war. Und ich war mir auch sicher, dass es niemals jemanden geben würde, für den ich dasselbe empfand wie Prisca. Dann löste ich mich etwas von ihr und sah sie ernst an. "Ich bin kein guter Ehemann, Prisca. Ich weiß, dass Celerina unglücklich ist. Ich möchte, dass sie zufrieden ist, glücklich. Nur...wenn ich ihr sage, dass ich einen Sohn habe... Das wird das Gegenteil bewirken. Ich kann das nicht. Ich kann es ihr nicht sagen."

  • Marcus hatte also nicht vor Celerina von seinem Sohn zu erzählen, was letztendlich seine Entscheidung war. Wäre dieser Weg der Bessere? Für ihn, für Celerina, für beide?! … und was würde aus Siv und dem Kind? Prisca wusste es ehrlich gesagt auch nicht und tief in ihrem Herzen zweifelte sie daran, dass diese Lösung von Dauer wäre. Waren Geheimnisse nicht dazu da verraten zu werden, irgendwann, ob nun absichtlich oder aus Versehen und durch wen auch immer. Es gab sicher genügend Personen/ Sklaven die zwangsläufig mitbekommen haben mussten was vorgefallen war, oder sich einen Reim darauf machten. Egal wer! Auch wenn man (zumindest) dem Sklavenpack keinen Glauben schenken durfte, waren zu viele Stimmen einfach nicht gut, um auf Dauer etwas tot schweigen zu wollen, noch dazu so etwas lebendiges und liebenswertes wie ein Kind. … Wird Celerina es nicht zwangsläufig irgendwann erfahren? Und wäre es am Ende nicht für alle Beteiligten noch schlimmer?


    So dachte Prisca darüber, doch wollte sie ihrem Onkel das Herz nicht noch schwerer machen als es ohnehin schon war. Letztendlich konnte sie ihm keinen Rat geben welcher Weg der bessere wäre, sie konnte ihm auch nicht die Gewissensbisse nehmen die ihn quälten. Im Grunde konnte Prisca nur für ihn da sein, ihm hoffentlich Trost und Geborgenheit schenken sofern sie dies vermochte und hoffen, dass er selbst mit sich und seinen Gefühlen irgendwann ins Reine käme. Wenigstens der Liebe und Verbundenheit seiner Nichte durfte Marcus jedoch gewiss sein in den Minuten, in denen sie einander einfach stumm umarmten und auch wenn sie es ihm nicht direkte sagte, konnte Marucs womöglich fühlen wie seine Nähe ebenso Balsam für Priscas Seele war. Oh ja das war sie und sie tat unendlich gut, diese Nähe und Wärme, die Prisca in ihrem tiefsten Inneren brauchte und nach der sie sich so sehr sehnte, seit dem Tod ihrer Mutter.


    Egal wie ihre innigen Berührungen und Worte eventuell auf Außenstehende wirken würden, für Prisca waren sie ohne jeden Zweifel ehrlich und reinen Gewissens. "Ich liebe dich auch", hauchte Prisca deshalb ganz ohne Scheu einen sanften Kuss auf Marcus Wange. Er mochte vielleicht tatsächlich kein guter Ehemann sein, wie er von sich behauptete. Das würde nur Celerina wirklich beurteilen können, weshalb Prisca es vorzog seine Worte einfach stehen zu lassen. Auch auf seinen Entschluss hin es ihr nicht sagen zu wollen, nickte die Aurelia nur und Marcus konnte sicher sein, dass niemals ein Wort über die Lippen seiner Nichte kommen würde. Eines jedoch war er ganz sicher nicht!: "Was immer du auch bist, oder sein magst, oder glaubst zu sein und was du auch tust, … du bist jedenfalls ein guter Onkel, Marcus. Der Beste den ich mir je erträumen konnte und du wirst es immer für mich bleiben.", sagte Prisca ihm leise und mit einem verliebten Lächeln, um zu zeigen wie glücklich zumindest sie war und ihm damit vielelicht die Last seiner Entscheidungen ein wenig leichter zu machen, die er sich selbst so schwer auf seine Schultern geladen hatte.

  • Prisca war eine Stütze. Sie war meine Stütze. Und wenn die Welt um mich einbrechen würde, ich wusste, dass ich mch auf sie verlassen konnte, wenn auch auf niemand anderen. Ich seufzte tief und auf gewisse Weise beruhigt. Prisca mochte nichts von ihren wahren Gedanken zu der ganzen Angelegenheit sagen - es fiel mir nicht auf. Ich gab mich einfach ihrer Fürsorge hin, und das tat unglaublich gut. Ich hoffte, dass sie sich zumindest ähnlich fühlte. In dieser Situation war es mir so klar wie nie zuvor, dass ich sie liebte. Wenn Prisca etwas zustieße... Ich würde nicht wieder herauskommen aus dem tiefen, dunklen Loch, in das mich das stoßen würde.


    Ihre Worte entlockten mir ein halbherziges Schmunzeln. Immerhin. Wenigstens war ich ein guter Onkel, wenn auch sonst alles zweifelhaft sein mochte, was ich tat oder nicht tat. Ich erwiderte nichts. Ihre Worte dämpften das Chaos in mir, ich wurde ruhiger. Wenn es doch nur mit Celerina ähnlich wäre. Was würde ich dafür geben, einen Hauch dieses Friedens zu empfinden, bei ihr. Stattdessen waren meine Sinne geschärft wie mein Geist, wenn ich mit ihr zusammen war, denn ich durfte keine unbedachte Bemerkung machen. Priscas Bemerkung, auch wenn sie ernst gemeint und meiner inneren Ruhe dienlich war, zeigte mir doch, dass auch sie mir nicht helfen konnte. Es war eine Entscheidung, die ich ganz allein zu treffen und zu tragen hatte - eine von vielen. Ich schwieg, hing diesen Gedanken nach, gebettet an ihre Brust.


    Irgendwann löste ich mich von ihr. Der Moment der Schwäche war vorüber. Ich hatte mich nun wieder im Griff. "Danke, Prisca. Ich...bin immer für dich da." Die Worte waren einfach, sagten jedoch viel mehr aus. Mit immer meinte ich immer, jedwede Lebenslage, jede Situation. Sie würde sich immer auf mich verlassen können. "Ich... Ich sollte jetzt gehen. Denke ich." Obwohl ich genau genommen gar nicht wollte.

  • Das halbherzige Schmunzeln ihres Onkels konnte zwar nicht überzeugen, aber es war zumindest ein kleiner Erfolg. Für ihn ebenso wie für Prisca. Es war keine einfache Entscheidung die er zu treffen hatte, eine von vielen, die Marcus auf seinen Schultern trug und die ihm niemand abnehmen konnte. Prisca bewunderte ihn dafür wie er das schaffte, doch wenn sie sah wie sehr er manchmal darunter litt war sie traurig. Wie gerne hätte sie ihm etwas von der Last auf seinen Schultern abgenommen, doch sie wusste, dass das nicht ginge. Ihn einfach zu umarmen, ihn zu halten und von ihm gehalten zu werden, dieses Gefühl der Geborgenheit, war vielleicht das Einzige was wirklich half. So konnte Marcus hoffentlich ein wenig zur Ruhe kommen und sich sicher und geborgen fühlen in ihren Armen.


    Marcus war ihr Beschützer und er wollte immer für sie da sein. Das wusste Prisca und dafür liebte sie ihn. "Ich weiß … und ich will es immer für dich sein ..." für immer, wisperte Prisca mit einem dankbaren Blick in seine Augen zurück. Nachdem sich Marcus von ihr gelöst hatte beugte sich Prisca noch einmal zu ihm vor, nahm sein Gesicht vorsichtig in beide Hände und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Manchmal wünschte sie insgeheim sie wäre nicht seine Nichte und könnte ihm noch mehr geben, wie diesen einfachen Kuss der aus tiefstem Herzen kam. "Gute Nacht Marcus und … bitte bleib! Doch das war unmöglich. Das wusste Prisca, auch wenn niemals etwas zwischen ihnen sein würde, was nicht sein dürfte. Es war einfach der Wunsch nach seiner Nähe die Prisca kurz zögern ließ, ehe sie sein Gesicht streichelnd aus ihren Händen wieder entließ: "schlaf gut." Bester Onkel der Welt! Es fiel Prisca unendlich schwer ihn jetzt einfach mit einem aufmunternden Lächeln gehen zu lassen, allein mit seinen Sorgen, aber sie wusste auch, dass es einen Morgen und einen Morgen danach geben würde. Für immer und so lange, wie es den Göttern gefiele, so lange würden sie sich an ihr Versprechen erinnern ...

  • Ein Lächeln, ein Blick. Ich hatte das Gefühl, in ihr mich selbst zu sehen. Die tiefe Verbundenheit war unleugbar. Wenn es etwas wie einen Seelenverwandten gab, so war Prisca der meine. Spätestens in diesem Moment war mir das klar. Sie barg mein Gesicht in ihren Händen und... Erstaunt sah ich sie an, Überraschung überlagerte das aufkeimende Entsetzen über diesen Kuss, der - selbstverständlich! - nur im Sinne der sittsamen Zuneigung gegeben worden war. Und dennoch war da der leise Zweifel, der etwas mit Helena zutun hatte. Das Entsetzen darüber, was wäre, wenn es eben nicht so wäre. Ich überspielte die plötzliche Befürchtung, redete mir schleunigst und erfolgreich ein, dass eine Nichte ihren Onkel selbstverständlich so küssen durfte, vollkommen leidenschaftslos, tröstender Natur und, nun ja, durchaus auch auf die Lippen, insbesondere in einer solchen Situation. Es war schließlich nichts dabei. Wirklich und wahrhaftig nicht. Warum also sich Gedanken machen? Und trotzdem rasten sie nun dahin, trotzdem machte ich mir Sorgen - recht egoistische, wie ich mir eingestehen musste, denn ich wollte ganz gewiss nicht Prisca so verlieren, wie es mit Helena hatte geschehen müssen - zu ihrem eigenen Besten! An die andere Variante mochte ich gar nicht denken. Ich fand Prisca wunderschön, um nicht zu sagen perfekt, und zwar in jedweder Hinsicht. Sie wäre eine wunderbare Frau, eine liebende Mutter, eine treue Gefährtin, eine aufopfernde Freundin. Für mich war sie all dies, doch in erster Linie auch meine Nichte, und das würde sie auch bleiben - vor allem anderen. Hinzu kam, dass ich ihr selbst bei aller Eventualitäten mich selbst ihr nicht aufbürden wollte. Was ich genau genommen heute bereits getan hatte.


    Prisca mochte meinen melancholischen Ausdruck deshalb ein wenig fehldeuten, immerhin war unser Gespräch gänzlich in diese Melancholierichtung abgeglitten, so dass im Grunde kaum ein Anlass zum Grübeln bestand, wenn ich sie nun besorgt ansah. Sie stockte kurz, als ich mich dazu anschickte, mich zu erheben, was mich dazu veranlasste, sie forschend anzusehen und dann vollends aufzustehen, als sie mich freigab. Als ich vor ihrem Bett stand, strich ich ihr noch einmal über das dunkle Haar und die Wange bis hin zum Kinn. "Du auch", flüsterte ich. Dann trat ich den Rückzug an, mit anderen Gedanken im Kopf als vor meinem Eintreten in ihr Zimmer, doch obgleich sie andersartig waren, muteten sie nicht unbedingt leichter und sorgloser an, sondern betrafen nun zum größten Teil eine andere Person als zuvor.

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