officium MAC | Erneuter Besuch

  • Ein – für die Decima zumindest – namenloser Sklavenjunge brachte Seiana zum Officium des Aurelius Corvinus, wo er anklopfte und sie ankündigte, bevor er dem Sklaven der Decima zeigte, wo der warten konnte.

  • "Seiana? Ja, ich erwarte sie bereits", erwiderte ich auf Leones Frage hin. Kurz darauf schickte er sie mir ins officium. Ich hatte einiges mit ihr zu klären, natürlich allen voran diesen peinlichen Auftritt auf der Hochzeit meines Neffen Ursus. Jener hatte mir zwar ausgerichtet, dass Seiana sich in aller Form entschuldigt hatte, doch natürlich wollte ich das noch einmal in ausführlicher Form direkt von ihr selbst hören.


    Als sie eintrat, erhob ich mich und kam halb um den Schreibtisch herum. "Salve, Decima Seiana", grüßte ich meine Klientin freundlich und reichte ihr die Hand. Dann deutete ich auf den Sessel und nahm selbst vor dem kleinen Tisch Aufstellung, auf dem zwei Karaffen parat standen. "Verdünnter Wein?" fragte ich sie und schenkte hernach das ein, was sie bestellte. Ich stellte den Becher vor ihr ab und nahm selbst wieder Platz. "Ich freue mich, dass du hergekommen bist. Es gibt einiges, über das wir reden sollten", leitete ich das Gespräch ein und überließ dann ihr, womit sie beginnen wollte. Ich selbst lehnte mich interessiert zurück, betrachtete sie und nippte nebenbei an meinem Wein. Ich fand, dass sie ein wenig blass um die Nase wirkte, doch hatte ich Seiana seit ihrer Ankunft aus Alexandrien erst einmal gesehen, und seitdem war etwas Zeit vergangen. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein.

  • Seiana folgte dem Sklaven und wartete, während er sie ankündigte, um nach der entsprechenden Aufforderung das Officium zu betreten. „Salve, Aurelius Corvinus“, grüßte sie zurück, mit einem Lächeln, das ein wenig ehrlicher war als sonst dieser Tage – was nichts anderes hieß als dass es nicht zur Gänze aufgesetzt war. Sie nahm die angebotene Hand und nahm dann Platz, als Corvinus sie dazu einlud, nur um gleich darauf angedeutet den Kopf zu schütteln. „Wasser ist ausreichend, danke.“ Sie sah ruhig dabei zu, wie er das Gewünschte einschenkte und den Becher dann hinstellte, nahm ihn aber nicht. Sie wusste nicht so Recht, wie sie nun anfangen sollte. Das, weswegen sie vor drei Tagen hier gewesen war, war im Grunde schon wieder hinfällig angesichts der Neuigkeiten, die sie jetzt zu sagen hatte. Sie wollte es eigentlich nicht. Seiana wollte nicht erzählen, welche Wendung ihr Leben gerade nahm, wie sie letztlich – in ihren Augen – gescheitert war an etwas, was sonst nahezu jede Römerin schaffte, und das in einem angemessenen Alter. Im Gegensatz zu ihr. Aber eine Wahl hatte sie auch nicht wirklich. Nicht nur, dass es nicht lange dauern würde, bis es bekannt wurde, es war einfach ihre Pflicht, den wichtigsten Menschen in ihrem Leben davon selbst zu erzählen, und ihr Patron gehörte dazu. Sie wagte sich gar nicht vorzustellen was wäre, wenn er von anderen davon erfuhr.


    Sie sah auf, als er sich setzte und sie ansprach, und zum ersten Mal seit der Begrüßung selbst begegnete sie wieder seinem Blick. „Ja, das gibt es.“ Sie stockte kurz, und ihr Blick wanderte für einen Moment zu dem Becher mit Wasser, der sich ihr wie eine willkommene Ablenkung zu präsentieren schien, eine Möglichkeit, Aufschub zu bekommen. Aber es brachte nichts. Jeglicher Aufschub würde ohnehin nur temporär sein. Und sie würde nicht damit beginnen, sich etwas zum Festhalten zu suchen. Sie sah ihren Patron wieder an. „Ich hoffe, dir wurde ausgerichtet, warum ich vor einigen Tagen hier gewesen bin. Ich wollte mich entschuldigen für das, was auf der Hochzeitsfeier deines Neffen passiert ist – bei ihm und seiner Angetrauten, aber selbstverständlich auch bei dir.“ Seiana war heilfroh darum, dass sie sich die Worte zuvor zurecht gelegt hatte. Es gab so viele Stolperfallen in diesem einen Satz, so erschien es ihr zumindest, die größte die, dass sie vermied, Caius zu nennen. „Verzeih mir aber, wenn ich diese Entschuldigung erst einmal nach hinten stelle. Etwas anderes hat sich ergeben, das wichtiger ist – meine Verlobung ist aufgelöst.“

  • Nachdem Seiana also ihr Wasser erhalten und ich mich wieder gesetzt hatte, um zu erfahren, welche Anliegen meine Klienten hatte, verging nicht viel Zeit, bis sie den Fauxpas ihres Verlobten ansprach. "Ja, Titus hat mich informiert. Ich wäre gern zu eurem Gespräch hinzugestoßen, mir ist allerdings etwas wichtiges dazwischengekommen." Ich lächelte entschuldigend uns spezifizierte nicht weiter, was ich hatte dringendes erledigen müssen. Ich ging nun davon aus, dass sie mir die Hintergründe dieser unvorteilhaften Störung der Hochzeitsfeierlichkeiten nun gleich darlegen würde, denn hierüber hatte Ursus kein Wort verloren - augenscheinlich hatte Seiana aber auch nichts darüber verlauten lassen. Doch sie verblüffte mich mit einer Informationen, die ebenso unerwartet kam wie sie kurios war. "Aufgelöst?" wunderte ich mich und zog die Brauen zusammen. "In beiderseitigem Einverständnis?" wollte ich näher wissen und kniff die Lider ein wenig zusammen. Welcher Mann war so von Sinnen, eine Frau wie Decima Seiana gehen zu lassen? Sie würde eine wunderbare römische Matrone abgeben. Ich fragte mich, ob dieser Aelius dachte, sich alles erlauben zu können, nur weil er der Kaiserfamilie im weitesten Sinne angehörte. Missbilligend schüttelte ich den Kopf. "Das ist eine unerwartete Nachricht, die du mir da bringst. Und eine ungeheuerliche noch obendrein. Ich gehe davon aus, dass du nichts getan hast, was einen solchen Zug rechtfertigen würde?" stellte ich mehr fest als ich fragte.

  • Seiana nickte nur und fragte nicht weiter nach, was ihren Patron aufgehalten haben könnte – sie war immerhin ohne Termin gekommen, sie war auch darauf gefasst gewesen, dass keiner Zeit gehabt und sie erneut hätte kommen oder länger warten müssen. Es war gut gewesen, dass das Ehepaar Zeit gehabt hatte, und Corvinus hatte ihr ja einen Termin angeboten. Was sich in mehrfacher Hinsicht nun bewährte, musste sie so doch nicht noch ein weiteres Mal kommen. „Aufgelöst“, bestätigte Seiana, und sie konnte nicht ganz verhindern, dass ihre Stimme müde klang. Sie sah die Überraschung, die sich auf seinem Gesicht breit machte, hörte sie in seinen Worten, seinem Tonfall. Und sie wusste, dass es das sein würde, was sie zu erwarten hatte in den nächsten Tagen und Wochen. Überraschung, und, schlimmer noch, Mitleid. „In…“ Sie zögerte kurz. Letztlich war es in beiderseitigem Einverständnis gewesen – sie hatte ja zugestimmt. Wenn sie auf der Verlobung bestanden hätte, Caius hätte… hätte er sich dann an sein Wort gehalten? Ja. Die lautlose Stimme war leise, aber dennoch konnte Seiana in diesem Moment nicht anders, als sie zu hören, obwohl sie gerne eine andere Antwort gehabt hätte. Caius hätte sich wohl an sein Wort gehalten. Aber was für eine Ehe wäre das dann geworden? Wenn er einer anderen so sehr verfallen war… die Gründe dafür spielten doch keine Rolle, ob er die Iunia nun wirklich liebte, ob es nur der Sex war, ob es das Kind war oder ob sie sonst irgendwelche Fäden gezogen hatte, die ihn ihr hatten verfallen lassen. Seiana hatte nicht großartig die Wahl gehabt, als seine Entscheidung zu akzeptieren und zuzustimmen.


    „Ja“, antwortete sie also. „Es ging von ihm aus, aber ich habe zugestimmt.“ Bei einem anderen hätte sie nun wohl erneut ein höfliches Lächeln aufgesetzt, das zeigen sollte, das daran nichts besonderes war – aber bei ihrem Patron fand Seiana das nicht sonderlich angebracht. In gewisser Hinsicht konnte sie ihm gegenüber fast ehrlicher sein als gegenüber ihrer Familie, gegenüber Faustus, weil sie befürchtete von ihrem Bruder nur gesagt zu bekommen, dass er Recht gehabt hatte. Wenn sie von Aurelius Corvinus Tadel bekam, dann würde dieser anderer Art sein, da war sie sich sicher. Neutraler. Sachlicher. Dennoch wich sie seinem Blick für einen Moment aus, als die nächste Frage kam. „Nein.“ Dass sie mit Caius nicht das Bett geteilt hatte, war nach wie vor nichts, was sie tatsächlich als ihren Fehler sah – vielleicht hätte sie Caius halten können, hätte sie das getan. Aber hätte sie es getan, sie wäre damit nicht klar gekommen. Mit dem Ehrverlust, den das bedeutet hätte, für sie – selbst wenn nur sie und Caius davon gewusst hätten. Sie hätte es gewusst, hätte es immer gewusst. Am liebsten hätte sie nun geschwiegen, und wäre Corvinus nicht ihr Patron, sie hätte auch geschwiegen. So allerdings sah sie sich gezwungen, noch mehr hinzuzufügen. Auch wenn es ihr schwer fiel, darüber zu reden. „Er… hat sich für eine andere entschieden. Damit hängt auch der Vorfall auf jener Hochzeit zusammen – ich fürchte, ich habe deinem Neffen und seiner Frau Gründe für das Verhalten meines… ehemaligen Verlobten genannt, die nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Zu meiner Verteidigung kann ich nur sagen, dass ich vor drei Tagen selbst noch nicht… wirklich im Bilde war.“

  • Ich konnte mir nicht helfen - Seiana wirkte nicht sonderlich begeistert über diesen unvorhergesehenen Verlauf der Dinge. Ich schürzte kurz die Lippen und versuchte, mir einen Grund vorzustellen, aus dem dieser Aelius meine Klientin abserviert haben könnte. Immerhin hatte sie sich nichts zu Schulden kommen lassen - sowohl nach eigenen Angaben als auch bewiesen dadurch, dass mir keine Klagen zu Ohren gekommen waren. Gut, das musste nichts heißen. Dennoch: "Ich nehme an, es ist wenn überhaupt nur ein schwacher Trost, wenn ich dir versichere, dass dies für mich nicht im Ansatz nachvollziehbar ist", bemerkte ich leicht reserviert, was sicherlich nicht an Seiana lag, sondern an der Tatsache, dass der Aelier die Verlobung gelöst hatte. Ich fragte nicht nach, warum sie dem zugestimmt hatte. Es war ihre Angelegenheit, sie war sui iuris und konnte ihre eigenen Entscheidungen treffen. "Deine Verwandten werden nicht sonderlich begeistert sein, vermute ich." Eine weitere Feststellung.


    Kurz darauf erwähnte sie dann den Grund für die Hinfälligkeit der Verlobung, und meine Brauen rutschten nach oben, um kurz darauf zusammengezogen zu werden. Auch wenn ich dieser Tage nicht zu allzu viel zu gebrauchen war, konnte ich dennoch rasch kombinieren. "Er hat die Verlobung wegen der Iunia gelöst?" Die Überraschung schwang deutlich in meiner Stimme mit, bis ich den Kopf schüttelte. "Entschuldige, ich möchte nicht zu sehr in dich dringen. Aber das ist... Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll." Verglich man die beiden Frauen - und nur die Frauen, nicht ihre Familien - miteinander, lag die Dummheit dieses Mannes bereits auf der Hand. Führte man die weiteren Kriterien an, war es fast als - zumindest politischer - Genickbruch zu werten. "Dann hat er sich ihretwegen dergestalt aufgeführt?"

  • Nein, ein Trost war es nicht für sie. Nicht wirklich. Auch wenn es einen Teil in ihr gab, der doch wenigstens etwas wie… Erleichterung verspürte, dass ihr Patron so dachte. Dass er kein Wort darüber verlor, was sie wohl getan haben mochte. Dass sie ungeeignet war, und aufgrund ihres Alters wohl immer ungeeigneter werden würde. Nur sein zurückhaltender Ton schien darauf hinzudeuten, dass er keineswegs begeistert war. Nur von was – ob von der Nachricht an sich oder doch von ihr – wusste sie nicht zu sagen, und das verunsicherte sie ein wenig. Als die Sprache auf ihre Verwandten kam, lenkte sie erneut ihren Blick kurz zum Becher, musterte die spiegelnde Wasseroberfläche, in der sich kleine Lichtreflexe brachen. „Nein. Werden sie nicht.“ Ihr Onkel wusste es bereits. Faustus musste sie noch schreiben. Sie hatte es aufgeschoben bis jetzt. Und der Rest… Seiana unterdrückte ein Seufzen. Vielleicht sollte sie im Atrium einen Aushang machen, wo jeder vorbei kommen würde, das wäre wohl noch am einfachsten.


    Als Seiana jedoch den Grund ausführte und Corvinus sofort auf die Iunia kam, war sie doch ein wenig überrascht. Es war nicht sonderlich schwer, diese Schlussfolgerung zu ziehen, aber trotzdem… hätte sie nicht damit gerechnet. Und noch weniger hätte sie mit dem Erstaunen gerechnet, die der Aurelier so deutlich kundtat. Sie wusste nicht, ob ihr gefiel, dass er die Iunia ansprach. Aber sie konnte nicht leugnen, dass ihr gefiel, was er sagte. Wie er es sagte. Es war wie Balsam für sie. Es zeigte, dass sie Recht hatte zu denken, dass es unverständlich war, dass Caius ihr eine Iunia vorgezogen hatte, und noch dazu Axilla. Dass sie Recht hatte, wenn sie sich in ihrem Stolz verletzt fühlte. „Ja“, bestätigte sie zunächst nur schlicht, bevor sie weiter sprach. „Er…“ Sie zögerte. Sie wusste nicht, wie viel sie sagen sollte. Corvinus war ihr Patron und hatte als solcher das Recht, gewisse Dinge zu erfahren, mehr als es beispielsweise Aurelius Ursus und seine Frau hatten, zumindest was sie betraf. Andererseits… fiel es ihr einfach nicht leicht. Sie presste kurz die Lippen aufeinander. „Iunia Axilla ist der Grund, sowohl für die Auflösung als auch für den Eklat während der Feier. Er… war offenbar eifersüchtig auf ihren Begleiter. Ich verrate dir damit kein Geheimnis, ich gehe davon aus, dass die Hochzeit bald stattfinden wird.“ Immerhin war die Iunia schwanger. Sie konnte es sich nicht leisten, allzu lange zu warten. „Ich… als ich kam, um mich zu entschuldigen, habe ich deinem Neffen und seiner Frau gesagt, dass Aelius Archias die Iunia unter seine Fittiche genommen hat.“ Es brachte nichts, um diese Sache herumzureden. Wenn Aurelius Ursus seinem Onkel alles von dem Gespräch berichtet hatte, wusste ihr Patron ohnehin davon, und selbst wenn nicht, bestand die Gefahr dass es doch noch irgendwann thematisiert wurde. „Ich wusste an jenem Tag bereits von… von der Art seines Verhältnisses zu der Iunia. Ich habe es nach dem Vorfall bei der Feier erfahren. Allerdings wusste ich noch nichts von seinem Entschluss, die Verlobung zu lösen, und da schien es mir… sowohl das Einfachste wie auch das Beste zu sein, einen Teil der Wahrheit zu verschweigen.“

  • Es lag mir fern, Seiana auszufragen, auch wenn mich die näheren Umstände schon interessierten. Ich glaubte indes aber, über genügend Taktgefühl zu besitzen, um eine Art Verhör vermeiden zu können, zumal Seiana das Gesprächsthema sichtlich schwer fiel.


    "Hm", gab ich mit einer erhobenen Braue zur Antwort auf ihre Erklärung. Eifersüchtig auf Duccius Vala war er gewesen? Nun, wenn der Aelius sich stets so verhielt wie auf der Feier, dann hatte er auch allen Grund dazu, auf einen Mann eifersüchtig zu sein, der zumindest Manieren besaß. Aber diese Gedanken behielt ich für mich, denn immerhin war der Aelier zu diesem Zeitpunkt noch der Verlobte meiner Klientin gewesen. Ich schwieg noch einen Moment und schüttelte ansatzweise den Kopf. Das war alles, was ich noch zwecks Bewertung des Sachverhalts andeutete. "Mach dir keine Gedanken. Es ist verständlich, dass du diese Situation nicht breit treten möchtest. Umso mehr ehrt dich, dass du mir die Wahrheit sagst. Ich schätze das sehr, und ich betrachte das nicht als selbstverständlich." Ich sah Seiana einen Moment lang forschend an. Mitleid empfand ich keines für sie, abgesehen davon, dass sie es sicherlich auch nicht gewollt hätte. Die Decima hatten ihren Stolz. Ich wusste jedoch nicht recht, wie ich nun fortfahren sollte, ohne zu abrupt das Thema zu wechseln und es damit abzuwerten oder ihr vor den Kopf zu stoßen. "Wenn es schon in diesem Bereich Besseres zu berichten gegeben hätte, so hoffe ich doch, dass zumindest sonst alles zu deiner Zufriedenheit läuft?" fragte ich sie und ließ damit unerwähnt, auf was ich anspielte. Sie hatte damit die Möglichkeit, sich selbst etwas auszusuchen, über das sie reden wollte.

  • „Danke.“ Das Wort kam nur leise über ihre Lippen, aber Seiana meinte es um nichts weniger ernst. Dass ihr Patron ihr keine Vorwürfe machte, dass er Verständnis zeigte, dass er ihr sogar sagte, sie solle sich keine Gedanken machen – Seiana hatte nicht geahnt, dass sie diese Worte gebraucht hatte, bis sie sie nun hörte. Und es tat ihr gut, dass sie kein Mitleid sah in seiner Miene, seinen Augen. Überraschung, Erstaunen, Unglauben – aber kein Mitleid. Sie lächelte leicht. „Du bist mein Patron. Ich möchte nicht, dass irgendwelche Fragen offen bleiben. Oder Zweifel.“ Sie wollte nicht, dass etwas derartiges ihr Verhältnis zu ihrem Patron trübte. Davon abgesehen standen die Chancen, dass sie bei ihm nur dieses eine Mal davon reden musste, umso besser, je ehrlicher sie jetzt war.


    Dass Corvinus das Thema dann wechselte, dafür war sie allerdings noch dankbarer. Es hieß, dass er keine Fragen mehr hatte, und es hieß, dass sie das Schwierigste hinter sich hatte. „Nun…“ Jetzt endlich nahm sie den Becher zur Hand und trank einen Schluck von dem Wasser. „Ich habe Studien an der Schola begonnen, diesen widme ich mich derzeit sehr intensiv. Hauptsächlich Wirtschaft, im Augenblick, aber ich plane, mich noch mit weiteren Wissenschaften zu beschäftigen. Und über meine Geschäfte kann ich mich auch nicht beklagen.“ Sie verzog die Lippen zu einem leichten Lächeln. „Diesbezüglich möchte ich aber auch mit dir reden – ich habe in Alexandria begonnen, mich im Buchhandel zu versuchen, wie du ja weißt. Als ich dann hierher zurückkam, habe ich zunächst alles so belassen, aber ich habe bereits festgestellt, dass der Vertrieb doch etwas schwierig zu betreuen ist von Rom aus. Zumal ich Wert darauf lege, die Verwaltungsarbeit auch wirklich zu kontrollieren und die Entscheidungsprozesse selbst bestimmen zu können. Dafür ist es notwendig, jederzeit eingreifen zu können.“ Die Hauptarbeit ließ Seiana natürlich erledigen, aber das hinderte sie nicht daran, selbst sehr gewissenhaft nachzukontrollieren. Und was Entscheidungen anging, hatten ihre Angestellten so gut wie keine Freiheiten, da kannte sie nichts. Sie war die Einzige, die bestimmte was geschah in oder mit ihren Betrieben. „Ich würde diesen Betrieb also gerne nach Rom verlegen.“

  • Ich erwiderte lediglich ein Nicken auf Seianas Erklärung hin. Es war löblich, dass sie derart dachte. Nach meinem Kenntnisstand hatte ihr Verlobter - ihr ehemaliger Verlobter - sich bisher nicht selbst hier blicken lassen, was nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Familie in ein schlechtes Licht rückte. Doch Seiana hatte nunmehr noch weniger Einfluss auf den Aelius, und daher begann ich auch kein Gespräch über ihn und darüber, was sich gehörte und was nicht. Zumal Seiana selbst sehr wohl wusste, was sich gehörte, das hatte ihr Besuch vor drei Tagen bereits bewiesen.


    "Das klingt gut. Ich selbst sollte in nicht allzu ferner Zukunft den cursus iuris in Angriff nehmen. Ich habe bisher noch keine Zeit gefunden, mich den Rechtswissenschaften entsprechend zuzuwenden, und ich werde für eine mögliche Kandidatur zum praetor dieses Wissen brauchen", erwiderte ich und seufzte. Dieser Kurs war etwas, das ich eigentlich schon viel zu lange vor mir her geschoben hatte. Es erschien mir auch nicht unbedingt eine schmackhafte Lektüre zu sein. "Ja. Danke im Übrigen noch für die Exemplare, die du mir hast zukommen lassen. Insbesondere die Abhandlung über die Ursprünge unserer Gesellschaft waren recht...amüsant zu lesen", sagte ich und schmunzelte kurz. In der letzten Zeit hatte ich mich diesen Schriften mehr aus dem Grund gewidmet, nicht zu viel nachdenken zu müssen über Siv, und da war mir eine leicht verdauliche Kost mit teilweise recht wahnwitzigen Thesen gut zupass gekommen.


    "Ah", seufzte ich dann und nickte. "Das kann ich gut nachvollziehen. Ich habe das Glück, einen recht ambitionierten Verwalter auf Sardinien zu haben. Du möchtest lediglich den Buchhandel hierher verlegen?" Ich wusste, dass Seiana einen weiteren Betrieb erstanden hatte, hatte allerdings vergessen, dass dieser sich bereits in Rom befand. Auch ein gutes Gedächtnis konnte sich nicht alles merken, insbesondere dann nicht, wenn es viele Personen gab, die alle ein Eckchen davon für sich beansprechen wollten.

  • „Der cursus iuris steht bei mir auch noch auf meiner Liste. Aber ich denke, damit werde ich mir vorerst noch ein wenig Zeit lassen.“ Seiana erwiderte Corvinus’ Schmunzeln mit einem leichten Lächeln. „Es freut mich, dass die Schriften deinen Geschmack getroffen haben. Ich habe versucht, eine einigermaßen ausgewogene Mischung zusammenzustellen.“ Eine Mischung aus ernsthaften Themen, aber auch aus leichterer Kost, die eher dem Amüsement diente. Wie es schien, hatte sie damit richtig gelegen, jedenfalls mit der Abhandlung, die ihr Patron gerade erwähnt hatte.


    „Nun, gerade der Verwalter meiner Töpferei ist auch sehr zuverlässig. Dennoch…“ Diesmal hatte ihr Lächeln etwas Entschuldigendes. „Ich entscheide gerne selbst. Und im Gegensatz zu dir kann ich mir die Zeit, die dies kostet, ja auch leisten.“ Hatte sie doch kein Amt, keine Aufgabe, die sie derart in Anspruch nahm, und als Frau würde sie das wohl auch niemals haben. Selbst als Ehefrau und Mutter konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie das so sehr beanspruchen würde, dass sie ihren eigenen Interessen und ihren Geschäften nicht mehr würde nachkommen können. „Ja, nur den Buchhandel. Die Töpferei habe ich ja hier gekauft, und der Hauptstandort ist stets hier in Rom geblieben, auch wenn ich in Alexandria einen Teil der Waren begonnen habe zu verkaufen. Und die Taberna Medica…“ Seiana stockte kurz, bevor sie sich zwang weiterzusprechen. Die Taberna war von Caius gewesen, und das war einfach nach wie vor ein empfindliches Thema. „… habe ich erst nach meiner Rückkehr nach Rom erhalten, das heißt, sie ist ebenfalls bereits hier gemeldet.“

  • Sim-Off:

    Entschuldige die Wartezeit


    "Das ist dir gelungen", erwiderte ich nicht nur die Worte, sondern gleichsam auch das Schmunzeln, mit dem sie mich bedacht hatte. Dann musste ich kurz auflachen. "Ich bekleide das Ädilat nun schon zum zweiten Mal, wie du weißt. Beim letzten Mal war der Zeitplan deutlich straffer. Vielleicht liegt dieses Empfinden aber auch daran, dass ich dieses Mal mehr fleißige Helfer habe als zuvor. Aber ich kann nachvollziehen, was du meinst." Ich hätte Seiana auch nicht anders eingeschätzt. Sie machte auf mich stets den Eindruck, zuverlässig und energisch zu sein, da hätte es nicht gepasst, wenn sie etwas derart Wichtiges wie die Finanzen ihrer Betriebe unkontrolliert aus der Hand gab.


    "Gut, den Buchhandel also. Hast du bereits Räumlichkeiten gefunden? Sonst könnte ich mich umhören", fuhr ich also fort. "Die Dokumente hast du mitgebracht?" fragte ich und sah sie entsprechend an. "Ah, eine taberna medica? Hm. Wo liegt sie genau? Ich frage, weil der Großteil unserer Familie von einem iatros behandelt wird, der eigentlich zu weit entfernt ist vom Quirinal. Mein Neffe Ursus schenkt deinem Verwandten Mattiacus sein Vertrauen, aber..." Ich für meinen Teil war nach der Sache mit Helena äußerst skeptisch geworden, was das anging. "Soweit ich weiß, ist er Tribun bei den Kohorten, da wird er im kommenden Jahr kaum für Hausbesuche freigestellt werden.... Deswegen schaue ich mich, zumindest für mich und die Meinen - nach einem anderen iatros um." Erwartungsvoll sah ich nun Seiana an. Vielleicht kam sie mir entgegen.

  • Sim-Off:

    Kein Thema


    Seiana freute sich, von ihrem Patron zu hören, dass er ihre Vorgehensweise verstand – und nicht etwa dachte, sie übertreibe oder kümmere sich um Dinge, die sie eigentlich anderen überlassen sollte, erst recht als Frau. „Nun, ich denke, ein Ädilat erfordert immer viel Arbeit. Das ohne Helfer zu schaffen, ist kaum möglich, nicht wenn man gute Arbeit leisten will. Und dass du diesen Anspruch hast, zeigt ja die Tatsache, dass du nach deiner Krankheit ein weiteres Mal kandidiert hast für diesen Posten.“


    Unterdessen zog sie die Unterlagen des betreffenden Betriebs hervor, um sie Corvinus zu reichen. „Der Buchhandel“, bestätigte sie. „Noch habe ich keine, aber ich habe bereits verschiedene Räumlichkeiten besichtigt, und ich denke, ich werde in diesen Tagen eine Zusage bekommen. Hoffentlich von meinem Favoriten.“ Wieder verzogen sich ihre Lippen zu einem leichten Lächeln. So viel Stress dieser Umzug auch bedeutete, er hieß vor allem eines: Ablenkung. Ablenkung, die sie dringend nötig hatte. Dann sah sie überrascht auf. „Nun… sie liegt in der Nähe der Traianischen Märkte. Nicht direkt dort, wo der Andrang am größten ist, aber in unmittelbarer Nachbarschaft.“ Sie musterte den Aurelier. Die Taberna Medica war ein höchst sensibles Thema derzeit, aber davon ließ sie sich nichts anmerken. „Ja, mein Onkel ist Tribun derzeit. Nun… ich möchte ihm keine Konkurrenz machen. Aber ich denke auch, dass seine Zeit knapper bemessen ist, und wenn du dich ohnehin anderweitig orientieren möchtest…“ Wenn er das ohnehin wollte, war es doch immer noch besser, es blieb wenigstens im weiteren Sinn in der Familie. Seiana überlegte. „Wenn du möchtest, kann ich dir gerne einmal den Iatros meiner Taberna und seinen Gehilfen zu einem Gespräch vorbei schicken. So kannst du dir ein Bild von dem Können der beiden machen, und ob es für dich in Frage käme, ihnen deine Gesundheit und die deiner Familie anzuvertrauen.“ Jetzt lächelte sie Corvinus wieder an. „Falls dich dieses erste Gespräch zufrieden stellt, werden wir uns sicher einig.“

  • Während ich also die Umschreibung des Buchhandels vollzog, unterhielten wir uns nebenher weiter. "Ja, das wäre mir sehr recht, wenn du einen Termin arrangieren könntest. Ich kann mir im Übrigen nicht vorstellen, dass er dich als Konkurrenz betrachten würde. Immerhin besitzt er selbst keine taberna medica, oder doch?" fragend sah ich Seiana an, dann schrieb ich weiter. "Ich hege die Hoffnung, dass Iuno meiner Frau und mir bald Nachwuchs schenkt", fuhr ich dann fort. "Du kannst nicht zufällig auch kompetente Hebammen empfehlen?" Um eine Amme musste man sich dann Gedanken machen, wenn es soweit ist. Schließlich sollte eine solche Frau dann auch in der Lage sein, das Kind zu stillen. Für eine Patrizierin gehörte sich das nun einmal nicht. Kurz darauf siegelte ich das Dokument.


    Nachdem ich das Siegel beiseite gelegt und die Hände über dem Dokument schwebend locker zusammengefaltet hatte, betrachtete ich Seiana einen Moment intensiver. "Ich würde gern noch etwas mit dir besprechen. Es ist bei weitem nicht spruchreif und ich habe mich nicht leicht getragen mit dieser Entscheidung, doch ich möchte den Posten des auctor gern abtreten. Dem Senat werde ich diesen Entschluss allerdings erst bekannt machen, wenn ich einen Nachfolger gefunden habe. Ich dachte dabei an dich, Seiana, sofern du dir diese Position aufbürden möchtest, denn du weißt selbst, dass es derzeit alles andere als rund läuft." Ich sah sie ernst an. "Ich würde es dir gewiss nicht nachtragen, wenn du ablehnst."

  • „Nun, nein, eine Taberna medica besitzt mein Onkel nicht.“ Und sie wusste nicht einmal, inwiefern Mattiacus für Freunde etwas berechnete, oder wie viel. In jedem Fall behandelte er, so weit sie das beurteilen konnte, nur Bekannte und Freunde, und bot seine Dienste nicht jedem an – natürlich nicht, bei seiner gesellschaftlichen Stellung. Insofern mochte ihr Patron Recht haben, wenn er meinte, ihr Onkel würde das nicht als Konkurrenz betrachten. „Welche Termine wären für dich günstig in nächster Zeit? Dann werde ich einen entsprechenden arrangieren.“ Ein flüchtiges Lächeln flog über Seianas Gesicht, obwohl ihr bei den folgenden Worten eher weniger danach zumute war. Corvinus hoffte auf Kinder. Natürlich. Kinder, vor allem Söhne, waren doch die Krönung jeder Ehe. Und sie selbst war weiter davon entfernt denn je. Nicht dass sie unbedingt Kinder haben wollte, im Gegenteil, wann immer Caius davon gesprochen hatte, war sie wenigstens innerlich zurückgeschreckt… Aber in der Situation zu sein, dass Nachwuchs ein Thema war… Auch wenn sie nicht glaubte, eine gute Mutter zu sein. „Derzeit leider noch nicht, nein. Aber ich plane, die Taberna noch ein wenig zu erweitern, wenn die Geschäfte gut laufen. An eine Hebamme habe ich dabei bereits selbst schon gedacht, denn ein guter und erfahrener Iatros ist bereits tätig für mich, ebenso wie dessen Schüler, der ihn nun schon seit Jahren begleitet und unter seiner Ägide bereits Behandlungen übernimmt. Sie sind gut aufeinander eingespielt, den beiden durch einen dritten interne Konkurrenz zu verschaffen, halte ich für eher ungeschickt. Eine Hebamme würde das Spektrum der zwei dagegen gut ergänzen.“ Sie machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: „In jedem Fall wünsche ich dir, dass Iuno deine Hoffnung erhört.“


    Als Corvinus dann Siegel und Dokument beiseite legte und sie ansah, wurde Seiana unwillkürlich noch aufmerksamer als ohnehin schon. Sein Blick hatte sich ein wenig verändert, auch wenn sie nicht sagen konnte wie – sie spürte es ohnehin mehr als dass sie es sah. Seine Worte bestätigten dieses Gefühl aber nur, und für einen winzigen Moment fragte Seiana sich, was los war, ob sie möglicherweise etwas falsch gemacht haben könnte. Aber je weiter Corvinus sprach, desto deutlicher wurde, dass er ihr etwas ganz anderes sagen wollte. Seianas Augen weiteten sich. „Dein Nachfolger bei der Acta? Ich?“ Für einen Moment konnte sie nicht anders als ihn anzustarren, bevor sie sich wieder in den Griff bekam. „Ich… Es ist traurig, dass du dich zurückziehen möchtest. Aber ich fühle mich geehrt, dass du dabei an mich denkst.“ In Seianas Kopf wirbelte es ein wenig. Auctrix. Es wäre viel zu tun. Er hatte Recht, sie wusste nur zu gut, dass es derzeit nicht sonderlich gut lief. Der feste Stamm der Redaktion war klein, und das war auch gut so, fand sie, aber diese hatten zu wenig Zeit, und sie hatten zu wenig freie Schreiber, um das wettmachen zu können. Es wäre viel Arbeit, mehr, als sie jetzt investierte. Sie würde umdisponieren müssen, würde sich entgegen ihrer Worte von vorhin dann doch auf Verwalter verlassen müssen, was ihre Betriebe betraf… Aber was das bedeutete… Die Acta zu übernehmen. In die Fußstapfen ihrer Tante Lucilla würde sie damit treten. Dass Lucilla eine Matrone war, wie sie im Buche stand, stand außer Frage, daher gab es doch auch keine Diskussion darüber, ob das für eine Frau ihres Standes schicklich war… Vielleicht fand das der ein oder andere, aber diese Menschen würden es auch nicht für schicklich halten, dass sie Betriebe besaß und selbst verwaltete oder bei der Schola tätig war… „Ja“, antwortete sie schließlich. „Mir ist klar, dass es eine Herausforderung sein wird. Und ich würde sie gerne annehmen.“ Dann, erst nachdem sie sich entschieden hatte, fiel ihr noch etwas ein. „Wirst du dich denn ganz zurückziehen, oder wirst du der Acta wenigstens als Subauctor erhalten bleiben?“

  • Ich machte eine wegwerfende Geste. "Ich werde meinem scriba sagen, dass er nötigenfalls Platz schaffen solll für ein Treffen mit deinem iatros. Fühle dich also frei, mir einen Termin mitzuteilen. Sofern nicht plötzlich ein Tempel einstürzt, werde ich ihn dann sicher wahrnehmen können." Ich hob einen Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen und hörte ihr dann aufmerksam zu. Sie plante also, zu erweitern, und das war natürlich keine schlechte Idee. Immerhin war es undenkbar, dass ein iatros, und sei es ein noch so guter, eine Geburt kontrollierte. Ich verstand nicht viel von diesen Dingen, doch das leuchtete selbst mir ein. Es liefen dort Dinge ab, die kein Mann verstand, weswegen die Frauen dann auch lieber unter sich waren. Das hatte ich am eigenen Leib bereits erfahren, als Penelope Siv geholfen hatte. Ich nickte erneut, auch wenn das Lächeln jetzt ob meiner Gedanken ein wenig aufgesetzt wirkte. "Danke dafür."


    Das darauffolgende Thema schien sie voll und ganz zu überraschen, und wer hätte ihr das verübeln können? "Ich weiß von Germanica Aelia, dass sie selbst nicht so viel Zeit investieren kann wie sie gern täte", erwiderte ich. "Mir fiele kein besserer ein als du. Immerhin hast du deine Fähigkeiten bereits als lectrix unter Beweis gestellt. Natürlich ist das etwas anderes, als die Zeitung zu leiten, aber ich hätte dich nicht gefragt, wäre ich mir nicht sicher, dass du diese Aufgabe bewältigen kannst. Zumal du eine Verwandte des Acta-Urgesteins Decima Lucilla bist." Ich schmunzelte beim Gedanken an die kleine, eigenwillige Hispanierin. "Wie geht es ihr eigentlich?" wollte ich unvermittelt wissen.


    Ich ließ Seiana ein wenig Zeit, um über meinen Vorschlag nachdenken zu können, doch sie entschied sich schneller als erwartet, was mich angesichts ihres Engagements allerdings nicht sonders hätte überraschen sollen. "Das freut mich zu hören. Ich werde dem Senat dann meine Empfehlung für dich aussprechen", erwiderte ich. Letztenendes blieb es eine Entscheidung des Senats, wer in meine Fußstapfen treten würde. "Als auctrix bleibt es dann dir überlassen, wen du in deine Redaktion aufnimmst und wie du die Posten besetzt. Wie ich schon sagte, herrscht bei Germanica Aelia ein wenig Zeitknappheit. Sie und Germanicus Corvus sind ja auch ein wenig spät dran, was den Nachwuchs anbelangt. Ich hatte mit ihr bereits darüber gesprochen, und sie würde, falls du es gutheißt, dann deinen alten Platz als lectrix einnehmen wollen, da er weniger zeitintensiv ist als der des stellvertretenden auctor. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass jener Posten unbesetzt wäre."

  • Seiana lächelte. „In Ordnung, ich werde deinem Scriba einen Termin zukommen lassen.“ Gedanklich machte sie sich eine Notiz, dass sie mit dem Iatros würde reden müssen. Es genügte, wenn Iaret sich mit ihrem Patron traf, fand sie – der Junge war nicht notwendig dabei. Obwohl Crios nicht wirklich jünger war als sie und sie das auch wusste, war es ihr doch bisher gelegentlich so vorgekommen, als lägen Jahre zwischen ihnen. Nein, Iaret war völlig ausreichend. Immerhin würde es auch er sein, der Corvinus und die Seinen behandeln würde, sofern sie zu einer Übereinkunft kamen – es fiel Seiana im Traum nicht ein, dem Jungen das anzuvertrauen, so talentiert der auch sein mochte.


    Bei den folgenden Worten senkte Seiana für Momente ihren Blick und konzentrierte sich darauf, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie sich geschmeichelt fühlte. Gegen die zarte Röte auf ihren Wangen konnte sie wenig tun, aber sie verbiss sich das Lächeln, und als sie wieder aufsah, wirkte sie – abgesehen von der Röte – so gefasst und professionell wie stets. „Wie gesagt, es ist sicher eine Herausforderung. Eine, die ich gern annehme.“ Jetzt lächelte sie doch, als Corvinus auf ihre Tante zu sprechen kam. „Ihrem letzten Brief nach zu schließen, geht es ihr sehr gut. Sie hält sich derzeit in Gallien auf, bei einer Freundin in Narbo Martius.“ Dann wandte sich das Thema wieder der Acta zu, ihrer Nachfolge als Auctor und wie Corvinus das in die Wege leiten würde. Seiana spürte plötzlich ein merkwürdiges Kribbeln in der Magengegend. „Werde ich vor dem Senat selbst vorsprechen müssen?“ Oder genügt es, wenn du mich vorschlägst. Das sprach sie nicht laut aus, aber im Grunde war es das, was sie insgeheim hoffte. Der Gedanke, möglicherweise vor den Senatoren sprechen zu müssen, gefiel ihr nicht wirklich. „Nun, mich würde es freuen, wenn du der Acta erhalten bleibst. Wenn Germanica Aelia an meiner Statt Lectrix werden möchte, würdest du dann den Posten des stellvertretenden Auctor übernehmen?“ Sie lächelte, eine Spur verlegen nun. „Verzeih bitte, ich möchte nicht zu voreilig erscheinen. Die Gründe, die dich zum Rücktritt von deinem Posten als Auctor bewegen – ich hoffe sie hindern dich nicht daran, den des stellvertretenden wenigstens in Betracht zu ziehen.“

  • Ich nickte nur, damit hatte sich das Thema der Terminfindung vorerst erledigt und das andere nahm mich vollends in Beschlag. Seiana wirkte kurz so, als dachte sie nach, und eine zarte Röte überzog dabei ihre Wangen. Nein, ich konnte wahrlich nicht nachvollziehen, wie jemand eine solch perfekt wirkende Frau abschmettern konnte für ein schussel, wie es diese Iunia war. Ich seufzte leise. "Grüße sie doch bitte recht herzlich von mir, wenn du ihr schreibst. Sie hat mir große Fußstapfen hinterlassen, und du wirst sie ebenfalls erben, sofern der Senat dir sein Vertrauen ausspricht." Ihre Frage ließ mich kurz die Stirn runzeln, dann schüttelte ich den Kopf. "Vorerst wird das nicht nötig sein, denke ich. Ich werde die Sache ansprechen und dann sehen wir weiter. Es mag gut möglich sein, dass die Senatoren die Frau kennenlernen wollen, die sie wählen sollen. Rechne also mit einer Vorladung. Sollte sie nicht kommen, warst du zumindest vorbereitet. Das ist besser, als wenn der Senat dich laden und du aus allen Wolken fallen würdest." Ich schmunzelte kurz schief, konzentrierte mich dann kurz auf meinen Becher und trank einen Schluck.


    "Das würde ich, wenn du ihn mir anbietest", erwiderte ich und überging damit ihre augenblickliche Furcht, vielleicht zu voreilig gewesen zu sein. "Es würde mich freuen." Ich schmunzelte erneut, diesmal belustigt. "Immerhin müsste ich nur einspringen, wenn du verhindert bist, was meinem Terminkalender durchaus zugute käme", bemerkte ich und grinste Seiana im Anschluss an.

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