"dominus? Da ist eine Iunia Axilla. Die will zu dir. Sie hat keinen Termin, soll ich sie trotzdem reinlassen?" Minus sah den Aurelius mit seinen runden Kinderaugen fragend an. Er hatte die Iunius draußen stehen gelassen und die Tür nicht richtig zu gemacht, weil er nämlich mitten auf der Schwelle stand, so dass der Besuch also jedes Wort hören konnte. Nicht besonders klug, aber er war ja auch noch ein kleiner Junge. "Sie ist echt hübsch!" fügte er noch an, als könnte den Ädilen das überzeugen, sie sogleich zu empfangen.
officium MAC | Eine Iunia beim Ädil
- Leone
- Geschlossen
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Die Tür flog auf, ohne dass jemand geklopft hatte. Livius Pyrrus zuckte zusammen, und ich blickte missbilligend auf den Kurzen, der hereinlugte. Es war Minus, und die Wahrscheinlichkeit, dass er zu Pyrrus wollte, war erschreckend gering. Also hob ich nur fragend die Brauen und taxierte ihn mit einem gleichgestalten Blick, und er verriet mir, dass eine Iunia wartete. Axilla.... Der Name kam mir bekannt vor, und doch konnte ich ihn keiner Begegnung, keinem Gesicht zuordnen. Ob das die Iunia war, die Ursus' Hochzeit um ein Haar hatte platzen lassen?
Da sagte der Knabe etwas von ihrer Schönheit und ich entschied für mich, dass es dann kaum die Iunia sein konnte, die ich hinter dem Namen vermutete. Minus hatte die Tür nicht geschlossen, also musste sie jedes Wort gehört haben. Ich seufzte. "Sie soll hereinkommen", wies ich den Jungen an, der artig nickte und die Tür offen stehen ließ. Ich hörte, wie er der Iunia draußen noch einmal sagte, dass sie jetzt zu mir kommen könnte, und dann wurden Schritte laut. Verwundert sah ich die Frau an, die eintrat. Es war doch jene Iunia, welche auf der Hochzeit Auffsehen erregt hatte. Die Frage war nun: Was wollte sie von mir? Entschuldigt hatte sie sich doch bereits. "Salve, Iunia." Ich nickte Pyrrus zu, der kurz eine Grimasse zog, sich Tafel und Griffel schnappte, und dann verschwand. "Was kann ich für dich tun?" fragte ich, während ich gleichzeitig auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch deutete.
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Axilla war dem Jungen ins Atrium gefolgt, Leander bei ihr im Schlepptau. Wenn sie denn empfangen würde, würde er brav und gehorsam auf sie warten, und ansonsten das Haus mit ihr wieder verlassen. So aber hinderte seine Anwesenheit sie noch daran, an ihrem Kleid herumzunesteln vor lauter Nervosität.
Der Junge hieß sie also, zu warten, und ging zu einer Türe, in deren Schwelle er stehen blieb. Axilla musste grinsen ob der Dreistigkeit, mit der der Kleine die Tür aufriss und um einen Termin für sie fragte. Als er dann aber meinte, sie sei 'echt hübsch' wurde das Grinsen doch sehr verlegen und sie fühlte die Wärme auf ihren Wangen und wusste, dass sie ein wenig rot geworden war. Vielleicht sollte sie doch anfangen, sich zu schminken, denn sie wurde viel zu häufig unmatronenhaft rot.
Sie schaute gerade sehr interessiert den Fußboden an, um ihre Reaktion zu verbergen, als sie auch schon hörte, dass sie wohl eintreten könne. Beim Blick auf den Jungen musste sie aber doch wieder Lächeln, und sie betrat das officium so mit einem freudigen Ausdruck – wenngleich etwas roten Wangen. Nur hatte sie sich so ablenken lassen, dass sie nicht bemerkte, wie Leander ihr noch die lederne Dokumentenrolle mitgeben wollte, in der die wahrscheinlich benötigten Urkunden für die ganzen Betriebe enthalten waren. Allerdings würde der Grieche ihr sicher nicht nun nachgehen, nur um die zu übergeben. Er sah den Jungen nur kurz an und meinte leise “Ich warte hier mal.“ und lächelte etwas verlegen. Konnte ja nicht lange dauern, bis es seiner Herrin auffiel und sie nochmal herauskam.Die war inzwischen im Officium und bemerkte, wie ein etwas streng dreinschauender Schreiberling gerade hinter ihr beim hinausgehen die Türe schloss, während sie noch immer damit kämpfte, ihr Lächeln einigermaßen im Zaum zu halten. Den angebotenen Platz nahm sie auch gerne wahr und sie setzte sich sogleich hin. Sie war noch immer sehr nervös, und das kindlich direkte Kompliment von eben machte das nicht unbedingt wirklich besser, aber sie überspielte es, so gut sie konnte. Der Senator durfte nur nicht zu sehr darauf achten, wie ihre Augen abgelenkt den Raum nebenzu erfassten, wie ihre Hände sich im Schoß falteten, damit die Finger nicht an einer Kleidfalte spielten und lauter solche Kleinigkeiten, die geradezu Axillas Schauspielkünste boykottierten.
“Salve... Senator Aurelius.“ Axilla war sich einen Moment nicht sicher, was nun die richtigere Anrede war, Senator oder Ädil. Sie wollte ja zum Ädilen, aber Senator war ihres Erachtens nach dennoch der höhere und damit passendere Titel. Sie hoffte das zumindest. “Ich bin hier... nein, anders. Du bist ja Ädil, und ich müsste Lizenzen für ein paar Betriebe umschreiben lassen. Die waren in Alexandria, aber sollen nun hier nach Rom verlegt werden. Oh, und eine Neugründung, dafür gibt es noch kein Dokument. Und ich wollte fragen... naja, ob das geht.“ Verlegen lächelte sie nun doch wieder und sah Corvinus offenherzig dabei an. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, sie hätte sich vorher mehr erkundigt, was genau zu tun war. Aber das hatte sie nicht. Und wozu war Corvinus Ädil, wenn nicht, um genau so Personen wie ihr weiterzuhelfen? -
Da ich die Iunia ab jenem Moment aufmerksam beobachtete, in dem sie den Raum betrat, entging mir auch das nervöse Umschauen ihrerseits nicht. Ich kommentierte es nicht, sondern sah sie unverwandt an und wartete darauf, dass sie mir ihr Anliegen mitteilen würde. Ihr Zwiespalt bezüglich der geeignetsten Anrede entging mir, ihre Nervosität indes nicht. Ich überlegte schon, ob ich das Gespräch unbemerkt auf den Aelier lenken konnte, um meinem Missfallen dieser Mauscheleien Ausdruck zu verleihen - doch in jener Situation wäre es nur allzu offensichtlich, und so unterließ ich eine direkte Anspielung darauf und hoffte, dass sich mir im weiteren Gesprächsverlauf eine Möglichkeit bieten würde, diese Thematik anzusprechen.
"Gut, das kann ich für dich tun", erwiderte ich und bereute es schon, Livius Pyrrus hinausgeschickt zu haben, wie auch schon bei dem Gespräch mit Seiana. Ich zog also selbst eine Wachstafel zu mir, um die Namen der Betriebe zu vermerken. "Kümmern wir uns zuerst um die Änderung deiner Konzessionen. Um welche Geschäfte handelt es sich denn konkret? Und ich nehme an, du führst die aktuellen Dokumente mit dir?" Besonders gesprächig war ich nicht, das ging mir selbst auch auf, andererseits - was hätte ich schon groß mit Iunia Axilla reden sollen, nach diesem Auftritt auf der Hochzeit meines Neffen? Gern hätte ich sie auf später vertröstet, was die Umschreibung anbelangte, doch wenn sie die Dokumente mit sich führte, gab sie mir keinen Grund, die ädilische Tätigkeit aufzuschieben.
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Axilla dachte sich nichts dabei, dass der Aurelier sie so aufmerksam anschaute. Sie fragte sich noch nicht einmal, warum. Eigentlich war sie das von den meisten Männern nicht anders gewöhnt. Entweder, die behandelten sie ganz und gar wie Luft – was Axilla dann immer ärgerte – oder aber sie sahen sie meist sehr gründlich an. Sehr gründlich, vor allem vom Hals an abwärts. Aber das störte Axilla nicht. Das sagte ihr viel eher, dass sie so häßlich ja nicht sein konnte. Irgendwie war das ja sogar ein Kompliment... fast. Und so war für sie der Blick des Aureliers nicht weiter interessant oder hinterfragungswürdig. Sie kam nichtmal auf die Idee, er könne sie aus einem anderen Grund so genau mustern. Und selbst, wenn sie sich daran erinnert hätte, dass er ja der Patron von Seiana war und diese ihr das ja auch erzählt hatte, hätte sie vermutlich noch nicht weiter darüber nachgedacht.
Sie saß also nur da und lächelte etwas nervös, versuchte, möglichst ruhig zu sitzen und sich nichts anmerken zu lassen, als der Ädil auch gleich zur Sache kam. “Es ist ein Mosaikenleger und ein Architekt. Ursprünglich waren die in Alexandria, aber die sollen nun nach Rom. Die Dokumente... Dokumente... Dokumente?“ Axilla schaute an sich runter, klopfte sogar einmal kurz ihr Kleid ab. Wo hatte sie die verdammte Dikumentenrolle denn hingetan? War die runtergefallen? Sie sah kurz hektisch neben den Stuhl. Auf der einen Seite war nichts, und auf der anderen auch nicht. Aber sie hatte sie mitgenommen, da war sie sicher!
Der ganze Vorgang dauerte nur etwa 5 Sekunden, bis Axilla wusste, wo die Dokumente sein mussten. Die Röte schoss ihr in die Wangen, und schnell stand sie auf. “Ich, tut mir leid, ich hab sie... also mein Sklave, draußen... bin gleich wieder...“
Schon während dem Reden war sie flink in Richtung Tür aufgebrochen und riss diese nun geradezu hektisch auf. Direkt davor wartete ein Leander, der sich ein Grinsen gerade so eben verkneifen konnte und ihr die lederne Dokumentenrolle reichte, die Axilla mit einem dankbar-beschämten Lächeln auch entgegennahm und sie sofort auf den Fersen wieder umdrehte. Die Tür wurde wieder zugemacht – trotz aller Hektik leise, wenngleich Axillas Hände dabei zitterten – und sie tippelte wieder zurück. Beim Gehen winkte sie einmal kurz mit der Rolle und lächelte noch einmal ehrlich peinlich berührt. Im Gegensatz zu vorhin machte sie sich jetzt nicht die Mühe, möglichst ruhig und würdevoll zu schreiten, man sah ihren Schritten durchaus jedes kleine bisschen Nervosität an.
“Ja, also, hier sind die Dokumente.“ Mit den zittrigen Fingern bekam Axilla beinahe das Band nicht gelöst, das die ganze Rolle zusammenhielt. Sie zischte einen kleinen Fluch, ehe das Band nachgab und der Knoten sich öffnete, und ohne zu fragen rollte Axilla alles auf dem Schreibtisch des Senators auf, um so das Gewünschte herauszufischen. -
Ein Mosaikenleger und ein Architekt also. Ich nickte und wartete, aber die Namen fielen nicht, weswegen ich auch nichts in die Wachstafel ritzte, die ich mir zuvor zurechtgelegt hatte. Ganz offensichtlich schien die Iunierin die Dokumente zumindest mit sich geführt zu haben, auch wenn das jetzt offensichtlich nicht mehr so war. Sie klopfte ihr Kleid ab und suchte auf dem Boden, und meine Braue rutschte marginal hinauf, um sich dort fragend zu wölben. Augenblicklich errötete sie, stammelte sich etwas zurecht und floh dann regelrecht aus dem Zimmer. Ich saß hinter meinem Schreibtisch und fragte mich, ob das wohl ihr Ernst war. Sie kam mir unvorbereitet vor. Oder lag das nur an ihrer Nervosität? Sonderlich klug wirkte sie dabei jedenfalls nicht auf mich, doch musste es wohl auch solche Leute geben. Allerdings war die Iunia in meinen Augen gerade ein lebendes Beispiel dafür, warum man Frauen keine Geschäfte anvertrauen sollte.
Als sie zurück kam und sich setzte, räusperte ich mich kurz und sah ihr dabei zu, wie sie die Dokumentenrolle hektisch entknotete. Um ein Haar hätte ich ihr geholfen. Das war ja nicht mitanzusehen, wie sehr ihre Finger zitterten und wie aufgeregt sie war. Doch ich legte nur den stylus auf die Tafel, überhörte geflissentlich den undamenhaft gezischten Fluch und wartete, bis sie die Besitzurkunden der Betriebe herausgesucht hatte und mir reichte. Ich nahm sie entgegen und überflog die erste Urkunde. Gleich in der zweiten Zeile stolperte ich über einen Namen. Ich runzelte die Stirn und warf einen knappen Blick auf das zweite Dokument, dann sah ich Axilla fragend an. "Dies sind nicht deine Betriebe?" hörte ich mich sagen, und ich ließ meine ganze Autorität in diesen Satz hineinfließen - und auch die Verärgerung darüber, wie sich der Besitzer jener umzuschreibenden Betriebe verhalten hatte gegenüber meiner Klientin.
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Das ganze war so unendlich peinlich. Axilla wollte doch nach dem vermutlich katastrophalen Ersteindruck hier im Hause wenigstens auf den zweiten Eindruck alles gut und richtig machen. Oh, wie sehr sie sich jetzt Urgulania mit ihrer Souveränität und ihrer Redegewandtheit an ihre Seite wünschte. Oder wenigstens etwas von deren Eigenschaften für sich selber.
Der Senator besah sich die Unterlagen und zog skeptisch die Augenbrauen hoch. Ein wenig verwundert nahm Axilla seine Frage auf. Hatte sie nicht gesagt, dass die Betriebe Archias gehörten? Konnte sein, sie wusste es nicht mehr. Allerdings hatte sie nicht gedacht, dass das ein Problem werden könnte.
“Nein, diese beiden Betriebe gehören Aelius Archias. Ich bin seine Vilica.“ Kurz fragte sich Axilla, ob die Verweiblichungsform dieses Wortes überhaupt rechtens war, oder ob sie nicht doch eher der Vilicus war. Nun, der Aurelier würde schon wissen, was sie meinte. Dumm konnte er ja nicht sein, sonst wär er nicht Ädil. “Und ich sollte das nur dann ummelden, weil er ist ja Procurator und hat auch viel zu tun, und wegen meiner Weberei und der Imkerei muss ich ja auch noch zu dir. Die hab ich vergessen, also die Weberei, hier, die ist von mir, die soll auch umziehen, von Alexandria nach hierher. Also, nicht in die Stadt, vor die Stadt, aber den Stoff will ich ja auch hier verkaufen, und da brauch ich ja eine Konzession dann dafür.“ Während dem Reden zückte Axilla die Urkunde ihrer Weberei und reichte sie auch an den Aurelier weiter, ohne dabei jedoch ihren Redeschwall zu unterbrechen. “Und das wäre ja noch mehr Arbeit gewesen und noch dazu unnötig, weil ich bin ja sowieso hier. Und ich hab ja auch die Vollmacht von ihm, dass ich das machen darf. Das ist doch dann kein Problem, oder?
Ich weiß es nicht, in Alexandria war das alles ein bisschen anders. Aber da kannte ich ja auch den Agoranomos persönlich, weil die Bantotaken sind ja Freunde der Familie, und ich war ja auch Scriba vom Gymnasiarchos und der war ja auch Archeprytanes... also, die meiste Zeit über, später war das ja meine Cousine Urgulania. Und da konnte ich dann einfach zu ihm hin und der wusste ja, dass ich das alles darf. Und... ähm... also... das... interessiert... dich... vermutlich.... nicht...“
Warum erzählte sie ihm das überhaupt alles? Musste er ja nicht wissen, wen sie alles in Alexandria kannte und dass das dort anders war als hier. Denn jetzt war sie ja hier und nicht dort, folglich musste sie sich auch mit ihm jetzt herumschlagen, der komplizierter war als Anthimos Bantotakis und sie darüber hinaus ordentlich nervös machte. Und wie immer, wenn sie nervös war, geriet sie ins Plappern und merkte es erst, wenn sie im Gesichtsausdruck ihres Gegenübers keimendes Unverständnis entdeckte. Und wie immer war ihre Nervosität nun schlimmer als noch vorher, weil sie jetzt nicht nur dachte, etwas falsch gemacht zu haben, sondern es sehr genau wusste.
Sie versuchte, es zu überspielen, indem sie ein charmantes Lächeln wählte und nochmal anfing, aber diesmal langsamer und nicht so wirr. “Verzeih, ich bin nur etwas nervös. Ist sozusagen meine erste Amtshandlung in Rom. Auch wenn Verwalter kein richtiges Amt ist. Und ich möchte gern alles richtig machen.“ Ein kleines Geständnis konnte sicher nicht schaden. Verlegen und ehrlich schaute Axilla zu Corvinus auf, fast sowas wie Entschuldigung heischend. “Aber das ist doch kein Problem, dass die Betriebe Aelius Archias gehören, oder doch? Dann müssten wir vielleicht einen Termin ausmachen, wenn er da selber vorbeikommen muss. Nützt ja sonst nichts.“ -
Ich hielt die Dokumente immer noch in meiner Hand und den Kopf gesenkt, sah dabei jedoch die Iunia an, was meinem Blick schulmeisterhaft wirken ließ. Sie war also seine Verwalterin, soso. Nannte man die Dinge heutzutage nicht mehr beim Namen? Dann hatte ich scheinends etwas verpasst. Meine Hand sank langsam, die Urkunden näherten sich beständig der Tischplatte, während die Iunia redete und redete und redete und gar nicht mehr aufhörte. Gleichsam gesellte sich nun auch die zweite Braue hinzu zu der ersten, bis ich mit einem pergamentenen Klatschen die Urkunden vor mir auf den Schreibtisch fallen ließ und eine Hand zur Stirn führte, wo ich mir einseitig kurz die Schläfe massierte, ehe ich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel ergriff. Iunia Axilla redete derweil immer noch. Ich ließ mich in eine bequemere Stellung sinken und legte die Fingerspitzen aneinander, die Ellbogen auf die Stuhllehnen augestützt. So saß ich da und wartete, während Minuten meines Lebens sinnlos an mir vorüberzogen.
"Vermutlich", bemerkte ich trocken und griff dabei Axillas Formulierung auf, als sie plötzlich verstummt war und ihr offenbar auffiel, dass sie zu viel geredet hatte. Sie hätte sich auch nicht sorgen müssen, dass ich irgendeine der genannten Informationen in irgendeiner Weise weitergeben würde, denn kaum dass sie ausgesprochen waren, waren sie auch schon wieder verschwunden aus menem Gedächtnis. Zumindest entschuldigte sie sich dafür, und sie wirkte auch rechtschaffen zerknirscht. Ich räusperte mich. "Allfällig resultiert deine Nervosität nicht darin, dass du mich wegen einer Amtshandlung aufsuchst, sondern aus dem Wissen, dass es meine Klientin ist, welche die Leidtragende bei dem Grund der Eskalation während des Empfangs letzte Woche ist." Ich kniff ein wenig die Augen zusammen und musterte die Iunia prüfend. Auf die Betriebe und ihr eigentliches Anliegen ging ich zunächst nicht näher ein. Es sprach schon Bände, fand ich, dass dieser Aelius einen Handlanger schickte und nicht selbst hier erschien.
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In einem Moment lächelte Axilla noch, im nächsten schaute sie bereits drein, als hätte Corvinus ihr eben eröffnet, die menschliche Inkarnation eines Gottes zu sein. Eines Rachegottes, wohlgemerkt, und Axilla schaute einen Moment nur so überrascht, dass kein noch so misstrauischer Mensch wohl auf die Idee kommen würde, sie könnte ihre Reaktion spielen. Selbst das Rot wich schlagartig von ihren Wangen, während ihr der Mund offen stand und sie einfach nur schaute.
“Deine Klientin...?“ echote Axilla etwas hohl, während sie ihren Geist nach eben jener Information durchforstete, die sie wohl haben sollte, die ihr aber nicht präsent war. Und so dauerte es einen Moment, ehe Erkenntnis in ihren Augen blitzte und Axilla so erschrocken zu Corvinus rübersah, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie nicht augenblicklich im Erdreich verschwunden war. “Oh... ich... also... also wegen Seiana... also... das war nicht... also, ich meine, ich hab nicht... ich wollte nicht... ich wollte mich ja auch bei ihr entschuldigen, aber... also... das war nicht so geplant, ich meine...“ versuchte Axilla eine Entschuldigung zusammenzustammeln, während sie schon so auf dem Stuhl herumrutschte, dass man ihr den unterdrückten Fluchttrieb deutlich anmerkte. “Und beim Brautpaar hab ich mich ja auch schon entschuldigt, und... ich kann da doch nichts dafür!“ Gut, eine etwas schwache Verteidigung, aber Axilla konnte ja wirklich nichts dafür. Naja, zumindest nicht, dass es in dieser Situation damals so eskaliert war. Dass Archias sich letztendlich in sie verliebt hatte, dafür konnte sie vielleicht schon etwas. Immerhin hatte sie ihn nicht nur nicht abgewiesen, sondern in Rom dann geradezu dazu ermuntert, mit ihr intim zu sein. Aber für sein Benehmen auf der Hochzeit konnte sie ja nun wirklich nichts! -
Meine Worte mussten bei ihr eine mittlere Katastrophe ausgelöst haben, wenn ich danach urteilte, wie sie mich ansah und wie sie auf ihrem Stuhl herumzappelte. Ich wartete schweigend, bis sie sich wieder soweit gefangen hatte, dass zumindest der Mund zuklappte. Auf ihre Nachfrage hin hob ich nur kurz die Brauen, was meinerseits eine Bestätigung der Frage darstellte. Wieder dauerte es einen Moment, bis sich etwas am Gesichtsausdruck der Iunia änderte, und als es dann schließlich soweit war, trat die Erkenntnis in ihren Blick. Und ein Gestammel aus ihrem Mund, dass meine Überzeugung nur noch weiter festigte: Ein Mann, der Seiana für diese Frau ziehen ließ, war entweder nicht ganz bei Sinnen - oder ein hoffnungsloser Romantiker, der es in der Politik ohnehin nicht weit bringen würde. Ich seufzte erneut und erwägte ein zweites Mal, sie zu unterbrechen, doch da brach sie abrupt ab und sah sich mit meinem leicht mitleidigen Blick konfrontiert. Das Geschlecht der Iunier schien auch schon einmal bessere Tage erlebt zu haben.
"Nun, dafür gewiss nicht", bemerkte ich und machte daraufhin eine fortwischende Handbewegung. "Aber gut. Es bringt nichts, dir gegenüber mein Missfallen auszudrücken. Widmen wir uns lieber deiner Angelegenheit - oder besser der seinen, da er dich geschickt hat, um für ihn den Kopf hinzuhalten." Ich schürzte die Lippen und nahm die beiden Besitzurkunden wieder auf. "Ein Mosaikenleger und ein Architekt also", bemerkte ich mit Blick auf die Dokumente. "Und beide sollen hierher nach Rom transferiert werden. Es ändert sich also nur der Standort des Geschäfts." Fragend sah ich sie an und beschloss, etwas genauer zu werden, für den Fall, dass sie nicht ganz auf der Höhe war. "Also nicht der Name oder der Besitzer?"
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Auf seine Art schien er beinahe genauso abweisend wie Seiana zu sein. Vielleicht war er deshalb ihr Patron geworden. Axilla wusste es nicht, aber es fühlte sich logisch an. Sie konnte absolut nicht einschätzen, was er dachte. Zum Glück, sonst wäre sie nicht so wie ein Häuflein Elend bei seinen Worten sitzen geblieben und zusammengezuckt, als er das Wort an sie richtete.
Ganz kleinlaut blickte sie auf die Urkunden, die er in den Händen hielt und nickte.“Ja... hrrrm... ähm, ja, genau. Nur der Standort, nicht der Besitzer, und der Name bleibt auch gleich.“
Axilla schaute zu, wie der Senator sich die Urkunden ansah, und kaute etwas nervös auf ihrer Unterlippe herum. Sie hatte doch so unbedingt einen guten Eindruck hinterlassen wollen, und nun schien das geradezu unmöglich, weil Seiana seine Klientin war, und offensichtlich schon etwas erzählt hatte. Anders konnte sich Axilla die Reaktion nicht erklären, auch wenn sie nicht wusste, was genau Seiana wohl erzählt haben mochte.
“Ähm... Senator? Also, ich wollte nur sagen, dass Archias es sicher nicht böse gemeint hat. Also, wegen Seiana. Ich weiß, dass er sie sicher nicht verletzen wollte. Und... also auch, ihre gens nicht beleidigen wollte. Und ich... also, ich möchte mich gerne auch nochmal entschuldigen, denn das alles lag sicher auch nicht in meiner Absicht.“
Axilla hatte das dringende Bedürfnis, irgendwas hier retten zu wollen. Sie kannte das nicht, dass jemand sie so abschätzig behandelte. Seiana war da die erste gewesen, und nun machte der Aurelier da weiter. Für Axilla war das neu, und es gefiel ihr nicht wirklich. Und vielleicht half ja eine kleine Entschuldigung, das zu ändern. -
Ich nickte und begann, die Namen der beiden Betriebe auf die Wachstafel zu übertragen. Bedauerlicherweise hatte ich Livius Pyrrus ja zuvor fortgeschickt. Ihn jetzt allerdings rufen zu lassen, hätte nur noch mehr Zeit in Anspruch genommen, also verzichtete ich darauf und erledigte die Schreibarbeit lieber selbst. Viel war es ohnehin nicht. Ich vermerkte die laufende Nummer der Betriebe und dass sie fortan als in Rom geführt laufen sollten. Dann legte ich den stylus fort und griff nach Feder und Tinte, um die Konzession von Alexandrien nach Rom zu übertragen. Ich setzte unter jedes der beiden Dokumente denselben Vermerk, unterschrieb und setzte das Amtssiegel darunter. Eine Weile schwieg die Iunia, so dass ich beinahe vergaß, dass sie immer noch anwesend war. Erst als ich das zweite Dokument gerade siegelte, sprach Axilla mich erneut an und ich sah auf, während ich das Siegel in den erkaltenden Wachs drückte.
Einen Moment sah ich sie an, auch als sie geendet hatte noch, dann deutete ich kurz ein Kopfschütteln an und sah wieder auf meine Arbeit hinunter. "Was Aelius Archias tut oder nicht tut, fällt auf seine eigene Familie zurück, nicht auf deine oder die Seianas. Vielleicht sollte er daran denken, wenn er die Seinen beim nächsten Mal zu blamieren gedenkt", bemerkte ich beiläufig und reichte Axilla dann geschäftig beide Dokumente zurück. Ob sich das auf dals Malheur bei der Hochzeit oder das Bäumchen-wechsle-dich-Spiel der Verlobten bezog, ließ ich unerwähnt. "Du scheinst ja nun in der Position sein, ihn zu beeinflussen. Es läge vermutlich auch in deinem Ermessen, wenn das Gerede nicht gar so negativ ausfällt." Ich warf Axilla einen kurzen Blick zu. "Die Originale erhältst du zurück. Ich werde im tabularium die Änderung eintragen lassen, dann sollte es auch keinen Ärger mit den alexandrinischen Behörden geben", informierte ich die Iunia. "Und um welche Neugründung geht es?"
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Es dauerte eine Weile, bis ihr Gegenüber Axilla antwortete. Fast schon fürchtete sie, was falsches gesagt zu haben, weil die Antwort so lange auf sich warten ließ. Aber dann sagte der Aurelier doch noch etwas, was sie kurz zum nachdenken brachte. Sie hatte Einfluss auf Archias? Und sie konnte etwas dafür tun, dass das Gerede nicht so negativ würde? Konnte er ihr auch sagen, wie bei allen Olympiern sie das anstellen sollte? Abgesehen davon, dass Axilla ihren Einfluss in etwa so groß einschätzte wie den eines einzelnen Flusskiesels auf eine Überschwemmung. Ihr war noch nichtmal in den Sinn gekommen, sie könnte Archias beeinflussen. Oder generell ihren Ehemann. Wozu sollte sie das denn tun?
Es dauerte einen Moment, bis die Erkenntnis kam, wozu eine Frau sowas tun sollte. Und Axilla schämte sich geradezu, dass sie da nicht daran gedacht hatte. Aber Intrige lag ihr ganz und gar nicht, und woher sollte sie denn wissen, in welche Richtung sie zu lenken hatte, wenn es doch eigentlich kein Ziel gab, an dem sie ankommen wollte? Das hatte ihr Vater manchmal gesagt, und sie erinnerte sich just daran. Wer nicht wusste, wohin er wollte, für den ist kein Wind günstig. Auch wenn ihr Vater nie gesegelt war.
“Ähm... also, meine Weberei müsste auch noch umgeschrieben werden. Die da...“, stupste sie das Pergament verhalten noch einmal an. Vermutlich hatte der Ädil das vor lauter Ärger vorhin einfach überhört, oder eben gerade vergessen. Oder aber, ihre Erklärung dazu war zu zaghaft gewesen. Oder alles zusammen.
Dennoch befleißigte Axilla sich, ihm auch seine Frage zu beantworten, während er sich um ihren Weber kümmerte. “Und die Neugründung ist für mich. Eine Imkerei im Umland, aber ich möchte den Honig gerne in Rom verkaufen. Also, nicht ich selber, das macht schon ein Markthändler. Aber das muss ja trotzdem alles angemeldet sein, nicht?“
Sie lächelte ihn mit diesem unbeschwerten Lächeln an, das so gekonnt verdeckte, was in ihr vorging. Wenn man auch das meiste Axilla an der Nasenspitze ansehen konnte, Sorgen konnte sie noch immer gut verdecken hinter einer Maske von Leichtigkeit und Fröhlichkeit, die ihr zugegebenermaßen den Eindruck eines naiven Dummchens aufdrückten, aber das störte Axilla nicht weiter. Das war besser, als wenn man mit Fragen gelöchert wurde. Und der Vorteil war, dass man unterschätzt wurde – wenngleich das Axilla mehr störte, als dass sie es als Vorteil auszunutzen gewusst hätte. Aber sollte der Aurelier ruhig denken, sie nehme das ganze nicht so schwer. -
Die Iunia schien nicht gerade besonders wach im Geiste zu sein. Zumindest wirkte sie einen Moment lang so auf mich. Ganz offensichtlich dachte sie nach, was sie mit der Offenbarung anfangen sollte, Einfluss auf einen Aelius nehmen zu können. Ich musste an mich halten, um nicht die Augen zu verdrehen. Es wurde nur allzu deutlich, dass Axilla bis zu diesem Moment kaum - oder gar keinen - Gedanken daran verschwendet hatte, welche Möglichkeiten sich damit boten. Seiana hingegen, da war ich mir sicher, hätte ihren Einfluss zu nutzen gewusst. Und sie wäre sich dessen von vorn herein bewusst gewesen. Ich war mir sicher, dass ich ihr nicht hätte erklären müssen, dass ein Aelius auch mit dem Kaiser verwandt war. Die Iunierin allerdings schien in dieser Hinsicht - und vielleicht nicht nur in dieser - auf den Kopf gefallen zu sein.
Mein Blick fiel auf das Dokument, begraben unter den geänderten Konzessionen, und ich schürzte die Lippen und zog das Dokument ein wenig widerwillig hervor. Wortlos änderte ich auch Standort und Zulassung der Weberei der Iunia ab und vermerkte die Eckdaten ebenfalls auf der Wachstafel, um sie später offiziell eintragen zu können. Während ich siegelte und unterschrieb, informierte sie mich bereits über die Neugründung einer Imkerei. "In der Tat." Eine meiner Brauen wölbte sich viel sagend, ich selbst sagte kaum mehr. Ich öffnete eine Schublade und zog einen frischen Bogen Papyrus heraus. Iunia Axilla schrieb ich. "Name?" fragte ich sie und blickte sie über die Feder hinweg fragend an. Ich empfand es als lästig, sich mit ihr zu befassen, und wäre einer meiner Helfer hier gewesen, so hätte ich sie am liebsten an jene verwiesen. Natürlich meinte ich den Namen des neuen Betriebes, nicht ihren, denn der stand dort bereits.
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Axilla beobachtete sehr genau das Gesicht des Senators, jeden Blick, jede kleine Geste. Er schaute ganz und gar ernst drein, beinahe, als wäre sie ihm zu viel. Entweder bemerkte er ihr Lächeln gar nicht, oder aber es scherte ihn nicht und ließ ihn kalt. Axilla hielt die Maske noch einen Moment aufrecht, in der Hoffnung, er würde vielleicht doch noch aufsehen und sich dann vielleicht ein wenig erweichen lassen, aber während sie zusah, wie er auf seine Wachstafel mehr und mehr kritzelte, erlosch es zusehends und machte leiser Resignation platz. Sie schnaufte einmal lautlos tief durch und ließ ihren Blick im Raum schweifen, während der Ädil beschäftigt war.
Sie sah sich um. Es war wirklich ein schönes und fein hergerichtetes Zimmer. Nicht unbedingt voll von Schnickschnack und Spielerei, eher geradlinig und fast schlicht, und trotzdem irgendwie elegant. Der Tisch war aus schönem, edlen, glatt poliertem Holz, die Wände schön gestrichen und nur wenig verziert. Ein großes, offenes Fenster ließ Licht und Luft herein. Axilla blickte fast sehnsüchtig dahin.
Als er nach dem Namen fragte, blinzelte Axilla kurz und sah zu ihm, brauchte eine Sekunde, um zu verstehen. “Oh, Apiaria Iuniae.“ Auch wenn Axilla manchmal eine lange Leitung hatte, so lang nun auch wieder nicht. Ihren Namen kannte er ja, sogar lieber, als ihr lieb war. Und es ging um den Imker, da nahm Axilla an, er wollte dessen Namen wissen. “Ganz einfach und schlicht“, fügte sie noch charmant an, begleitet von einem kleinen Lächeln, das er vermutlich wieder nicht sah – oder das er schlicht wieder ignorieren würde.Ihr blick glitt wieder durch das Zimmer, und blieb schließlich an einer Blume hängen. Ungefragt stand Axilla auf und ging mit schief gelegtem Kopf zu dem Pflänzchen rüber, besah es sich aus der Nähe. Sie kannte diese Blumen aus Alexandria. “Die ist hübsch“, meinte sie völlig aus dem Zusammenhang gerissen und berührte ganz sachte und vorsichtig die Blüte mit den Zeigefinger ihrer linken Hand, hob das Köpfchen der Orchidee nur eine Winzigkeit an, wie zur Begrüßung. Es war nur eine kurze Berührung, mit aller Vorsicht der Welt durchgeführt, fast wie im Traum. Axilla mochte Pflanzen gerne, vor allem Blumen. Blumen waren schön für jeden, schenkten jedem ihre Schönheit und ihren Duft. Sie hatten keine Erwartungen an den, der sie sah. Blumen hatten nur einfache Bedürfnisse nach Licht und Wasser, mehr nicht. Anders als Menschen.
“In Alexandria am Paneion wachsen auch welche, die sind aber mehr rosa, nicht so hell wie diese hier.“ Axilla stand noch eine Sekunde wie im Traum da, dann erst trat sie verschämt einen Schritt zurück. Höchstwahrscheinlich war das dem Aurelier wieder nicht recht, dass sie einfach aufgestanden und seine Sachen betatscht hatte. Auch wenn es der Pflanze ganz sicher nichts getan hatte. -
Ich verzeichnete den Namen auf den Papyrus, vemerkte den Ort der Produktionsstätte und das Datum der Urkundenausstellung. Anschließend holte ich eine neue Wachstafel aus einer anderen Schublade hervor, klappte sie auf und suchte in der darauf verzeichneten Liste nach einer Zahl. Ich fand sie recht schnell, nickte, legte die Tafel fort und trug eine Summe auf den frischen Papyrus ein. Im Anschluss vermerkte ich die relevanten Dinge ebenfalls auf meiner Tafel und legte den Griffel hernach wieder auf das Wachs. Jetzt folgte noch der Siegelvorgang. Ich redete während der Handgriffe nicht mit der Iunia. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich sagen sollte. Lediglich ein Nicken folgte auf ihren Kommentar.
Gerade in dem Moment allerdings, in dem ich das Amtssiegel ins Wachs drückte, stand sie auf und ging auf die einzelne weiße Orchidee zu, die in einem hübschen Topf neben dem Fenster auf einem Beistelltisch stand. Ich wandte den Kopf und folgte ihrer Bewegung mit kritischem Blick. Axilla hob die Hand, meine Augen weiteten sich - doch da hatte sie die Blüte bereits berührt. Ich runzelte verärgert die Stirn. Schließlich lief ich auch nicht durch die Zimmer fremder Personen und berührte deren Kunstschätze. Doch die Iunierin schien nicht allzu viel vom Benehmen zu verstehen, so schien es mir. Ich sah zurück auf das Siegel, dessen Wachs inzwischen erkaltet war, und seufzte. Der Siegelstempel war festgeklebt. Mittels vorsichtigen Ruckelbewegungen versuchte ich, ihn aus dem Wachs zu lösen, doch das gelang mehr schlecht als recht. Immerhin schien sie Geschmack zu haben, wenn sie schon keinen Anstand besaß. Ein leises Knacken ertönte, dann löste sich der Siegelstempel mit der Hälfte des Wachses vom Papyrus ab. Ich begann, das Wachs aus dem Metall zu lösen. Ein Unterfangen, das ich lästig fand, und dementsprechend wenig Geduld zeigte ich dabei. Mein Blick glitt zurück zu Iunia Axilla. "Sie stammt aus Asia", bemerkte ich leicht widerwillig. Dennoch war nicht zu leugnen, dass die Iunia unbewusst ein Gesprächsthema gefunden hatte, mit dem sie mich am ehesten einfangen konnte. "Das ist die Königin der Orchideen. Und sie reagiert empfindlich auf Berührung." Vielsagend blinzelte ich Axilla an und hob eine Braue.
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Während der Ädil Wachs von seinem Stempel puhlte, kam auch schon der Tadel wegen der Berührung. Axilla biss sich verlegen auf die Unterlippe und nickte kurz. “Entschuldige...“ Sie hatte der Pflanze ja nichts getan! Nur ganz vorsichtig einmal das Köpfchen berührt. Mehr nicht. Und sie kannte diese Art von Blume, auch wenn sie keine Ahnung von deren Namen hatte. War ja auch unwichtig, fand sie. Ob das nun die Königin der Orchideen oder die Bettlerin der Gänseblümchen war, war doch egal. Sie war hübsch, was musste man mehr wissen von einer Blume?
Dennoch schien der Aurelier nicht mehr ganz so feindselig zu sein. Zumindest ein klitzekleines bisschen weniger. Und mehr instinktiv als aus Berechnung beschloss Axilla, das Thema vielleicht etwas fortzuführen. Hier die ganze Zeit nur schweigend dazusitzen und so zu tun, als würde sie nicht merken, wie kaltschnäuzig er war, lag ihr nicht. Dann lieber über Blumen ein wenig reden. Es gab weitaus schlechtere Themen.
“Hast du sie aus Asia importieren lassen, oder meinst du, dass diese Art dort wächst?“ fragte sie also neugierig nach. Sie warf noch einen fast sehnsüchtigen Blick auf die Blume, ehe sie wieder zurück zum Ädilen ging und sich brav wieder hinsetzte. Die Blume war sicher die freundlichere Gesellschaft. Die hatte nicht so scharfe Worte für die Iunia übrig.
Und ebenso instinktiv, wie Axilla beschlossen hatte, das Gespräch beizubehalten, streckte sie dem Ädil wie selbstverständlich die Hand hin, dass er ihr das verklebte Siegel geben konnte. Sie dachte sich nichtmal was dabei. Sie sah nur, ihm machte das Kratzen keinen Spaß, und ihr machte sowas nichts aus. Dass das nicht ihre Aufgabe war und vielleicht etwas befremdlich wirken mochte, daran dachte sie nicht.
“Und hast du noch mehr wie sie, oder ist das die einzige im Haus? Im Paneion in Alexandria wachsen ja hundert Stück direkt nebeneinander. Das sieht aus wie rosa Teppich, wenn man sie von weiter weg sieht. In weiß wäre das sicher auch sehr schön.“ -
Ich folgte der Iunia mit Blicken, als sie zurück kam und sich wieder setzte. Noch wusste ich einfach nicht, wie ich sie einschätzen sollte. Ich kratzte derweil weiterhin ungeduldig am Siegel und reichte es ihr ebenso selbstverständlich wie sie mich mit der Hand dazu aufforderte. Erst, als das Amtssiegel die Hand gewechselt hatte, registrierte ich, dass ich es aus der Hand gegeben hatte. Mit einem Stirnrunzeln betrachtete ich sie, wie sie - deutlich geschichter als ich - das Siegel vom Wachs befreite. "Beides", gab ich dann auch endlich antwort auf die Frage. Ich klang wohl immer noch reserviert, was ich selbst auch bemerkte, weswegen ich mich räusperte. "Ich schätze Blumen dieser Art. Sie sind wählerisch und gedeihen nur, wenn man sie mit Samthandschuhen behandelt. Dieses Exemplar stammt aus Asia, ich habe mir sagen lassen, dass sie dort ganze Wälder besiedelt." Gut, das war vielleicht etwas zu viel Information gewesen. Stirnrunzelnd betrachtete ich Iunia Axilla, wie sie geschickt das Wachs zwischen den schmalen Stegen des Magistratensiegels entfernte. "Das werde ich vermutlich nicht zu Geicht bekommen", entgegnete ich. Denn Senatoren durften nicht nach Ägypten reisen. "Aber deine Vermutung stimmt. Dieses Exemplar ist nicht das einzige." Inzwischen war ein Häufchen aus erkaltetem Wachs vor Axilla entstanden, und das Siegel wirkte auf mich wieder recht brauchbar. Ich streckte die Hand danach aus und wartete, um es wieder an mich zu nehmen und die Urkunde fertigzustellen.
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Mit schmalen Fingern konnte man eben besser filigrane Arbeiten verrichten. Axilla löste nebenbei das Wachs aus den Ritzen des Siegels, während sie dem Aurelier zuhörte. Abblätternde Wachsbrösel sammelte sie schön artig auf einem Häufchen am Rand des Schreibtisches, immerhin wollte sie ihm sein schönes Officium nicht vollkrümeln, sondern ihm Arbeit abnehmen.
“Das muss dann sicher sehr schön sein in Asia“, meinte sie mit einem leichten Lächeln, als sie sich einen ganzen Wald dieser Blumen vorstellte. Vor allem, wenn diese so empfindlich waren, dann war das fast sowas wie ein Wunder. In den Wäldern würde sich wohl kaum wer um diese Pflanzen kümmern. Außer, dort gab es tatsächlich Nymphen, die einen Spaß daran hatten, eben das zu tun. “Aber es ist dann doch sicher sehr schwierig, dass sie nicht eingehen. Hast du dafür extra jemanden, oder machst du das selbst?“
Axilla hatte wenig Ahnung von der Pflege von Pflanzen. Man war eben vorsichtig mit ihnen, stellte sie in die Sonne oder in den Schatten, und goss sie. Weiter reichten ihre Kenntnisse nicht. Abgesehen davon war sie sowieso viel eher für die robusteren Wildpflanzen zu begeistern. Oder Bäume, unbedingt Bäume. Und die konnte man meistens gefahrlos anfassen.Sie war mit dem Siegel fertig, und der Senator streckte auch gleich seine Hand wieder danach aus. Mit einem etwas unsicheren Blick gab Axilla das Siegel anstandslos zurück und war sich nicht sicher, ob das eben falsch war. Aber er schien ihr nicht wirklich böse deswegen zu sein, also zuckte sie einfach die Schultern und dachte sich nichts weiter dabei, während sie interessiert zuschaute, wie er die Urkunde aufsetzte.
“Ja, Senatoren dürfen ja nur mit Sondererlaubnis nach Alexandria. Flavius Furianus war ja letztes Jahr da, aber weil er krank war“, erzählte Axilla freimütig. “Aber ich kenne einen guten Maler in Alexandria. Wenn du möchtest, könnte ich ihn bitten, ein Bild von den Blumen des Paneions zu malen. Dann siehst du sie wenigstens so.“ Anthimos würde das sicher für Axilla machen, wenn sie ihn lieb darum bat. Da hatte sie keine Bedenken. Und wenn es den Aurelier freuen würde, warum also nicht? Dass dieser sie eben noch etwas herablassend behandelt hatte, war dabei schon wieder so ziemlich vergessen. -
Gewiss war es schön dort. Mir war es bisher allerdings nicht vergönnt, diese Schönheit mit eigenen Augen zu sehen. Ich ging auch davon aus, dass es wohl niemals soweit sein würde. Eine Reise nach Asia, nur zum Vergnügen, dauerte viel zu lange. Die Iunia riss mich von diesen Gedanken fort, als sie die Pflege der Pflanzen ansprach. Augenblicklich dachte ich an Siv, und ein Schatten huschte über mein Gesicht. "Das erledigen die Sklaven", erwiderte ich etwas knapp, weil sie meinen wunden Punkt angesprochen hatte. Den wundesten derzeit - nicht nur für mich, auch für die Pflanzen. Noch war kein annähernd adäquater Ersatz für Siv gefunden worden.
"Davon habe ich gehört. Offensichtlich dachten alle, auch der Kaiser, dass Ägyptens Schönheit das Letzte wäre, was er sehen würde. Und dieses Jahr kandidiert er zum consul." Ich schmunzelte kurz. Das war natürlich auch eine Möglichkeit, geltende Verbote zu umgehen. Vielleicht wäre es eine Option für das Alter, überlegte ich. Aber vermutlich würde ich es ohnehin nicht übers Herz bringen, unseren Kaiser offensichtlich zu hintergehen, nicht einmal bei einer vergleichsweise nichtigen Kleinigkeit. Ich reichte der Iunia die Urkunde. "Ich wünsche viel Erfolg mit diesem Betrieb", sagte ich und runzelte hernach irritiert die Stirn, als sie von einem befreundeten Maler sprach, der ein Bild des Paneion malen könnte - für mich. Augenblicklich fragte ich mich, was die Iunierin dazu bewog, mir ein Gemälde schenken zu wollen. Doch vom Schenken hatte sie nicht gesprochen, wie mir nach kurzem resümieren auffiel. Ich überlegte. "Hmm." Hier im Raum wäre noch Platz für ein Bild. Ich musterte die junge Frau vor mir, während ich nachdachte und schließlich nickte. "Ja, warum eigentlich nicht? Wenn es dort wirklich so schön ist, wie du sagst..." entgegnete ich schließlich langsam. "Selbstverständlich zahle ich dafür", stellte ich gleich klar. Es wäre mir wohl unangenehm, wenn sie mir etwas schenkte.
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