alicubi | Des Nächtens

  • Ich hatte nicht schlafen können. Wieder einmal nicht. Der Wein hatte mich diesmal wacher gemacht und die Wunde in meiner Brust zum schmerzhaften Auseinanderklaffen gebracht. Es fühlte sich so an, als eiterten die Wundränder, und auch das verbissene Ausbrennen brachte nur mehr Schmerz, aber keine Linderung. In den letzten fünf Tagen, den Tagen seitdem sie gegangen war, hatte ich mich vollends zurückgezogen von den anderen. Einmal nur hatte ich Celerina besucht, das war gestern gewesen. Ich hatte gehofft, dass es mir danach vielleicht besser gehen würde, doch es war noch schlimmer als zuvor gewesen. Zu diesem tiefen Gefühl des Verlusts wegen Siv waren nun auch noch Schuldgefühle bezüglich Celerina hinzugekommen, die ich vergeblich zu bekämpfen suchte, indem ich mir einredete, dass sie es nicht anders verdient hatte. Ich wusste, dass es Gerede im Haus gab, weil ich Phraates hatte auspeitschen lassen und ihn anschließend nach Sardinien verbannt hatte. Es wunderte mich nur, warum mich keiner darauf ansprach. Selbst die Sklaven sahen mich an, als wäre ich ein wandelnder Geist, vor dem man sich nun mehr in Acht nehmen musste als vor der Bestrafung. Doch ich vergaß dabei, dass ich mich abschottete und keinen außer Prisca an mich heran ließ, und so war es wohl kein Wunder, dass bisher niemand mich direkt wegen Phraates ausgefragt hatte.


    Da ich nun also nicht schlafen konnte, hatte ich mich entschieden, ein wenig im Hause herumzustreifen. Es war weit nach Mitternacht, sicher schliefen bereits alle. Meine Schritte waren träge und langsam, was vom Weingenuss kam, und ich fühlte mich hitzig und schwindelig zugleich. Septima hätte mich wohl getadelt. Während ich darüber nachdachte bog ich um eine Ecke des Flures und erfasste augenblicklich eine Gestalt in hellem Stoff. Zunächst hielt ich sie für eine der Parzen, doch im nächsten Moment erkannte ich Celerina darin. Mir drehte sich der Magen um - nun ja, zumindest fühlte es sich so an - und ich wollte mich abwenden und ungesehen wieder in die Richtung verschwinden, aus der ich gekommen war. Doch zu spät, wie musste mich gesehen haben. Vielleicht gelang mir die Flucht trotzdem.


    Sim-Off:

    reserviert für ebenjene

  • Mir war übel. Wie es mittlerweile schon fast zur Gewohnheit geworden war, lag ich wach in meinem Bett und konnte partout nicht einschlafen. Es war mein Magen, der rebellierte, denn ich hatte den ganzen Tag über nichts gegessen. Mir war alles zuwider. Als ich mir sicher sein konnte, daß alles schlief, verließ ich mein Refugium. Unter keinen Umständen wollte ich weder einem Sklaven, geschweige denn einem Familienmitglied begegnen. Jedes menschliche Wesen war mir zuwider.
    Wie schon vor einigen Nächten, zog es mich wieder hinaus in den Garten. Gleich, ob es dort kalt war oder nicht. In der Kühle der Nacht erhoffte ich mir Besserung für den Augenblick. Auf Zehenspitzen, um ja niemanden zu wecken, schlich ich durch die Gänge. Nur mein kleines Öllämpchen war mein Begleiter. Aufgrund der anhaltenden Müdigkeit waren meine Sinne träge geworden. Diese Tage verlangten mir viel Energie ab.
    Ich bog um eine Ecke des Flures. Es war nicht mehr weit. Doch dann blieb ich wie angewurzelt stehen. Vor mir sah ich eine Gestalt, die auch abrupt stehen geblieben war. Sofort mußte ich mich an eine Geschichte erinnern, die mir einige Sklaven des Hauses einmal erzählt hatten. Demnach sollte in manchen Nächten der Geist eines grausamen Maiordomus umgehen, der von einer der Sklavinnen vor einigen Jahren gemeuchelt wurde. Ich hielt das natürlich für dummes Sklavengeschwätz. Doch jetzt, da ich selbst diese Gestalt erblickt hatte, wurde ich doch verunsichert. Als ich jedoch genauer hinsah, erkannte ich die wahre Identität dieses „Geistes“. Es war nicht der tote Maiordomus, es war mein Ehemann. In diesem Moment wußte ich nicht, was schlimmer war. Schnell wollte ich noch den Rückzieher machen, wollte zurück in mein cubiculum rennen, aber es war zu spät. Er hatte mich schon gesehen.
    Also verharrte ich abwartend an Ort und Stelle und hoffte, er möge den Rückweg antreten.

  • Nur kurz verhielt ich noch, dann wandte ich mich ab und verschwand hinter der Ecke, hinter der ich kurz zuvor aufgetaucht war. Doch statt in mein Zimmer zurückzugehen, blieb ich stehen und lehnte mich mit Rücken und Hinterkopf an die Wand. Mein Herz schlug bis zum Hals, so sehr, dass man es sicherlich sogar sehen konnte. Wie angewurzelt stand ich da. Eigentlich hatte ich doch gehen wollen. Doch der bloße Anblick Celerinas hatte wieder den Zweifel in mir gesäht. Ging sie zu einem anderen? Wieder einmal? Nun, da ihr Geliebter bestraft und fort gebracht worden war? Ich wartete. Ich würde ihr folgen. Die Ungewissheit war zu vernichtend, die Situation zu verlockend. Und meine Wut schwoll wieder an. Ich schwörte bei den Göttern, dass ich sie augenblicklich strafen würde, wenn ich sie mit einem anderen erwischte.

  • Den Göttern sei Dank, er ging! Einen Moment verharrte ich noch, um sicher zu gehen, daß er es sich nicht anders überlegt hatte und zurück kam. Nein, er kam nicht wieder um die Ecke hervor gesprungen! Er scheute die Konfrontation genauso wie ich.
    Erleichtert darüber atmete ich auf und setzte meinen Weg fort. Diesmal etwas eiliger als zuvor, da ich befürchtete, auf mich könnten noch weitere unliebsame Begegnungen warten. Meine Sinne waren durch den Schreck wie aufgeputscht. Alles nahm ich nun viel klarer und deutlicher wahr, so empfand ich es zumindest. Außerdem ermahnte ich mich selbst, in Zukunft vorsichtiger zu sein.


    Endlich, da war die Tür zum Garten! Ich öffnete sie und trat ins Freie hinaus. Es war nicht mehr ganz so kalt, wie vor einigen Nächten. Dafür ging ein leichter Wind und es nieselte. Doch das machte mir nichts aus. Ich blieb trotzdem stehen, auch wenn die Regentropfen mein Gesicht trafen und mein Nachthemd durchnässte. Nein, sie trafen mich nicht, sie liebkosten mich. Tausende von keinen Liebkosungen, die dazu beitrugen, daß ich mich für den Moment ein wenig besser fühlte. Der Wind strich um mich herum und durch das nasse Gewebe und mich begann zu frösteln. Doch ich blieb einfach stehen, so als wäre nichts, so als gehöre dies ganz selbstverständlich dazu.

  • Ich wartete. Und lauschte auf ein Geräusch. Doch ich hörte nichts, und als ich wieder um die Ecke sah, stand Celerina schon nicht mehr dort. Ich folgte ihr augenblicklich nach - wo war sie plötzlich hin? An der nächsten Ecke wandte ich mich nach rechts, zu dem Villenflügel hin, in dem Orest und die Blümchen schliefen. Doch dann hörte ich leise das Öffnen einer Tür und drehte mich, um dem Geräusch nachzugehen. Kühler Wind drang in die exedra. Jemand - Celerina - hatte die Tür zum Peristyl hin geöffnet. Ich wartete, dann schlich ich näher.


    Meine an die Dunkelheit angepassten Augen konnten Celerina sehen, wie sie inmitten des Grases stand und nichts tat. Mein Blick wanderte an ihrer Gestalt hinunter. Ob sie nicht fror? Was tat sie da nur? Und trug sie tatsächlich keine Sandalen? Die aufkeimende Wut war Verwunderung gewichen. Wartete sie auf jemanden? Ich zog eine Grimasse. Sie musste mich zuvor doch gesehen haben. Oder vielleicht wollte sie auch, dass ich zu ihr kam? Kurz dachte ich trotzig darüber nach, einfach wieder zurück ins Bett zu gehen und zu versuchen, endlich in den Schlaf zu finden. Flüchtig überlegte ich, ihr von Siv zu erzählen, doch dieser Gedanke war noch schneller verschwunden als der erste. Dennoch trat ich in den Säulengang hinaus. Lautlos, einem Geist gleich. Es war kalt draußen, stockfinster durch den wolkenverhangenen Himmel, und kleine Tröpfchen hüllten einen sogleich in einen nebligen Wasserfilm. Erneut zögerte ich, schürzte die Lippen. Es sollte mir gleich sein, ob sie hier draußen krank wurde. Ich sollte mich umwenden und sie stehen lassen. Und doch konnte ich das nicht. Sie war meine Frau, und wenn ich schon keine persönliche Beziehung mehr zu ihr hatte, so doch eine gesellschaftliche Verpflichtung. Neuerlich zog ich eine Grimasse, dann gab ich mir einen Ruck und sprach sie an. Gute vier Meter trennten uns physisch. Eine ganze Welt im Geiste. "Willst du dir den Tod holen?" fragte ich widerstrebend, aber nicht halb so ruppig wie beabsichtigt.

  • Ich zuckte erschrocken zusammen, als ich Marcus´ Stimme hörte. Wie ein Geist war er aus dem Nichts aufgetaucht. Also war er mir doch gefolgt, dieser hinterlistige Schuft! Und dabei waren mir seine Schritte gar nicht aufgefallen. Offensichtlich spionierte er mir doch nach und allmählich kam ich auch zur Überzeugung, daß ich es mir doch nicht nur eingebildet hatte, er würde mich von seinen Sklaven überwachen lassen. Ihn mußte eine große Angst plagen, ich könne ihn weiter hintergehen. Was ihm dabei wohl wichtiger war, der Ehebruch an sich oder den gesellschaftlichen Schaden, der daraus erwachsen konnte, ich tippte auf die zweite Möglichkeit. Doch da konnte er beruhigt sein. Ich würde nicht diejenige sein, die dieses Thema nach Außen trug.


    Langsam drehte ich mich zu ihm herum. Mein offenes Haar hing in Strähnen an mir herab und klebte an meinem Körper, ebenso das nasse Nachtgewand, so daß sich das, was darunter vorborgen schien, sich in seinen Konturen abbildete. Ich sah ihm fest in die Augen, denn ich hatte kein Grund, mich vor ihm zu verstecken.
    "Der Tod wäre allemal eine Alternative," entgegnete ich ihm bitter und verzog dabei keine Miene. Da ich mich nicht imstande fühlte, mich mit ihm auf ein längeres Gespräch einzulassen, wollte ich ihn einfach stehen lassen und wieder hinein gehen. Es war gerade mal ein Tag vergangen, nachdem er sich einfach zu mir gelegt hatte und mich wie einen Gegenstand benutzt hatte. Ob es ihm Vergnügen bereitete hatte, wagte ich ja zu bezweifeln. Doch die Kälte, mit der er es getan hatte, widerte mich an.
    "Du wirst mich nun entschuldigen müssen." Mit diesen Worten wollte ich mich an ihm vorbeischieben. Zu allem Übel mußte ich dann auch noch passenderweise niesen. Offenbar war ich auf dem besten Wege, meine Alternative zu finden.

  • Celerina bot einen jämmerlichen Anblick, wie sie so dastand, das Haar besprenkelt vom Nieselregen, wie ausstaffiert mit vielen kleinen Kristallen, und ohne Schuhe. Ihre Antwort fasste ich automatisch als Vorwurf auf, ohne dass sie es so gemeint hatte. Ich runzelte verärgert die Stirn, versuchte aber, nicht allzu viel von meinen Gedanken nach außen sichtbar zu machen. Der Tod wäre eine Alternative! Das war er nie. Man stahl sich nicht einfach so davon.


    Und schon wollte Celerina flüchten. Aber sie musste dazu direkt an mir vorbei, und ich ergriff sie am Handgelenk und hielt sie eisern fest. "Du wirst jetzt nicht einfach verschwinden", grollte ich sie an und erschrak dann vor mir selbst, meinem Tonfall. Los ließ ich sie allerdings nicht, sondern starrte sie nur über die kurze Distanz hinweg an. Rings um uns herum prasselte der Regen nun stärker. Er war kalt, und er rann mir an den Wangen herunter, übers Kinn, die Lippen und die Nase. Sie nieste. Und ich starrte sie nur an und wusste nicht, was ich sonst noch sagen sollte. Meine Finger waren immer noch um ihr Handgelenk geschlossen. Sie wusste, was ich mit ihrem Geliebten getan hatte. Sie wusste auch, dass er inzwischen auf dem Weg nach Sardinien war und sie ihn wohl niemals wiedersehen würde. Ich hingegen wusste nichts. Nicht ihre Beweggründe, nicht ihre Gedanken. "Warum?" wollte ich daher wissen und erwartete rundheraus, ob sie meinem Gedankensprung folgen konnte. Fest hielt ich sie immer noch.

  • Noch ehe ich hätte reagieren können, hatte er mein Hanggelenk ergriffen und hielt mich fest, so daß es mich schmerzte. Eine Flucht war so unmöglich geworden. Natürlich zerrte ich daran, auch wenn dies den Schmerz noch forcierte, doch dann erschrak ich über seinen donnernden Tonfall, den er mir gegenüber anschlug. Von da ab verzichtete ich auf jegliche Gegenwehr, denn ich hätte sowieso keine Chance gegen ihn gehabt. Mich tangierte eh nichts mehr, also ergab ich mich. Er war so wütend, daß ich jede Minute damit rechnete, er würde mir etwas antun wollen. Na los, schlag mich doch! Das ist es doch, was du willst! Ich wollte es ihm entgegen brüllen, doch ich ließ es, denn es hatte ja doch keinen Sinn. Diese Situation erinnerte mich ganz stark an meine Entführung. Mit dem Unterschied, damals hatte ich noch einen Überlebenswillen, einen Grund, mich meinem Peiniger nicht zu ergeben. Ich hatte auf eine glückliche Zukunft gehofft, auf eine liebevolle Beziehung mit meinem Mann, eine gelungene Ehe. Doch nun? Ich stand vor dem Abgrund, bereit zu springen.
    Eine ganze Weile starrten wir uns nur an. Keinerlei Regung, nichts. Nur der Regen wurde stärker. Da ich allerdings schon gänzlich durchnässt war, machte mir das nicht mehr viel aus. Dann dieses durchdringende WARUM?, das vorerst unbeantwortet im Raum stehen blieb.
    Meine Güte, konnte er sich das nicht denken? War er denn so stumpfsinnig. Es mochte ja sein, daß er ohne Liebe auskam, aber ich nicht! Liebe war doch wie ein Elixier. Ohne Liebe ging doch ein Mensch auf Dauer zugrunde.
    "Weil er mir das gab, was du wohl nie im Stande sein wirst, mir zu geben: Liebe. Du liebst mich nicht und du hast mich auch nie geliebt und du wirst es auch nie, nicht wahr?" So sehr ich mich auch anstrengte, die Fassung zu bewahren, in diesem Moment gelang es mir nicht, denn ich mußte wieder an ihn denken.

  • Erst riss sie an ihrem Arm, dann gab sie auf und fügte sich. Los ließ ich sie dennoch nicht, ohne zu wissen, warum ich sie weiterhin hielt. Und Celerina schwieg. Das einzige Geräusch war das leise Prasseln von Regentropfen af Blätter, Geäst und Boden. Ich blinzelte die Tropfen fort, die meine Wimpern benetzten. Als sie schließlich doch etwas sagte, traf sie mich damit härter als jeder Vorwurf. Ich starrte sie an, mein Gesicht kurz im Schmerz verzerrt, bis Verärgerung es ablöste und ich schließlich - nach einem tiefen Atemzug - wieder Kontrolle über meine Züge erlangte. Celerina wirkte bewegt, und wer hätte es ihr verübeln können? Dennoch klangen ihre Worte wie eine Anschuldigung. Ich ließ ihre Hand los, fühlte mich wie auf wackligem Grund stehend. "Ich habe mich bemüht", gab ich verteidigend zurück, obwohl es mehr verzweifelt klang. Ich ärgerte mich darüber. Ich schien einfach nicht mehr ich selbst zu sein. In Situationen, in denen ich mich sonst gut beherrschen konnte, entglittenmir die Zügel. Einfach so, ohne Vorwarnung, ohne einen Grund. "Ich bin mit dir nach Puteoli gefahren. Ich habe es versucht. Doch du dankst es mir, indem du mir ein fremdes Kind unterschieben willst. Wie kann ich dir da noch vertrauen? Wie könnte ich dich dafür lieben? Denkst du, ich sehe nicht, dass du unglücklich bist? Glaubst du, ich wüsste nicht, dass du die Hochzeit bereust? Ich bin nicht blind, Celerina. Zumindest nicht in diesen Dingen. Ich versuche, das beste daraus zu machen. Du hättest wenigstens warten können, bis ich... Bis es geklappt hätte." Mit dem Kind. Mit meinem Kind. Es war mir doch einerlei, ob sie mir treu war, wenn ich sicher gehen konnte, dass sie loyal war. Ich zog eine Grimasse. Laut geworden war ich nicht, und erstaunlicherweise war ich nun sogar ruhiger als eben noch. "Ich liebe dich nicht. Aber ich habe dich respektiert, nicht nur, weil du meine Frau bist. Es ist schwer, Titus und Septima zusehen zu müssen, wie gut sie sich verstehen und ergänzen. Ich habe das nie gehabt, und ich glaube einfach nicht, dass ich das jemals haben werde, wenn... Wenn du nicht loyal bist." Ich blinzelte in den Regen.

  • Bemüht? Oh ja, er hatte sich stets bemüht, konnte jedoch nicht wirklich überzeugen. Wäre die Lage nicht so schrecklich ernst gewesen, ich hätte genau jetzt lachen müssen. Er hatte mir nie das Gefühl gegeben, bei ihm geborgen zu sein. Eben das, was sich jeder in einer Beziehung wünschte. Anfangs hatte ich es ja noch für Schamgefühl seinerseits gehalten, welches er mir gegenüber hatte. Doch ich hatte schon bald verstanden, daß er niemals nach meiner Nähe getrachtet hatte.
    Mit Puteoli, welches er nun ansprach, hatte auch ich geglaubt, dies wäre nun endlich der ersehnte Wendepunkt in unserer Ehe. Falsch gedacht!
    "Ich hatte doch auch geglaubt, es würde sich nun alles zum Guten wenden, wenn wir gemeinsam einige Tage allein verbringen. Die Zeit in Puteoli war wohl die schönste, in dieser Ehe und meine Gefühle, die ich dir dort zum Ausdruck gebracht habe, waren echt. Das mußt du mir glauben. Und was du mir auch glauben mußt, ich habe ihn nach unserer Rückkehr nicht mehr wieder unter vier Augen gesehen. Weil ich geglaubt habe, du seist jetzt endlich für mich da." Und das entsprach der Wahrheit! Ich hatte mich tatsächlich mit dem Gedanken getragen, seinertwegen Chimerion aufzugeben.


    Nun prasselten die Regentropfen richtig stark zu Boden, als wollten sie ihren Beitrag zu unserem Zwist leisten. Wieder mußte ich niesen. Ich zitterte nun am ganzen Leib. nicht nur wegen der Kälte, die langsam unerträglich wurde, auch wegen dem Schmerz, der mich in diesem Augenblick erfüllte, als er es endlich offen aussprach: er liebte mich nicht!
    "Sag mir, was liebst du dann, wenn du nicht mich lieben kannst? Sag es mir, damit ich mich darauf einstellen kann! Ich habe von Anfang an gewußt, welchem Zweck diese Ehe in erster Linie zu dienen hat. Was glaubst du, wie beschämend es für mich ist, noch immer nicht schwanger zu sein? Und ich hatte mir von Anfang an so sehr gewünscht, dass es dein Kind sein würde." Ich sprach nun voller Zorn, ich die Verschähte. Hätte ich nur geahnt, wie brisant meine erste Frage für ihn gewesen war! Hätte er nur von Anfang an mit offenen Karten gespielt! Vielleicht wäre dann manches anders verlaufen. Im Augenblick jedoch war ich so entkräftet, so ausgelaugt, wie schon lange nicht mehr. Wie gerne hätte ich mich fallen lassen. Einfach fallen lassen.

  • Sie verstand es nicht. Verstand nicht, dass Gefühle trügerisch waren und allein schon deswegen gut verwahrt werden wollten. Zu starke Gefühle schadeten nur. Weit mehr, als sie irgendwem von Nutzen waren. Zu viele Gefühle hingegen waren schlecht, verwirrten und beeinträchtigten Denken und Handeln negativ. Ich hatte meine Lektion gelernt, damals schon, in Germanien. Als ich die Nachricht vom Tod meiner Eltern bekommen hatte. Und ein zweites Mal, als mir die Augen bezüglich meiner Adoptivschwester geöffnet worden waren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch das letzte Bisschen meiner Selbst weggeschlossen, weil es besser so war.


    Während sie also beteuerte, dass ihre Gefühle echt gewesen waren, fragte ich mich, warum ausgerechnet mir so etwas passieren musste. Es gab so viele Römer, die eine gute Ehe führten. Und noch mehr, die Liebschaften hatten, an jedem Finger eine! Und doch wollte ich mich selbst nicht bemitleiden. Ich sah Celerina an. Weil ich geglaubt habe, du seist jetzt endlich für mich da. Erst als sie das sagte, senkte ich den Blick. Das hatte gesessen. Ich fühlte mich schlecht, schlechter noch als ohnehin schon. Und ich schämte mich dafür, dass sie die Situation so beurteilte. War ich denn nicht für sie da gewesen? Woran machte sie das fest? Ich dachte an die gestrige Nacht. Sogar wenn es mir schlecht ging, war ich für sie da, wenn auch nicht so, wie sie es sich vielleicht wünschte. Und sie hatte stets zu mir kommen können. Ich wäre doch da gewesen!


    Als ich den Blick wieder hob, nieste sie. Und schlotterte vor Kälte. Ich hätte ihr meinen Mantel angeboten, wenn ich denn einen getragen hätte, doch ich war ebenso auf die Haut durchnässt wie sie, und auch ich hatte eine Gänsehaut vor Kälte. Ein Vorschlag, hineinzugehen, hätte allerdings wohl zur Folge gehabt, dass sie gänzlich verschwunden wäre, und es war wichtig, dieses Gespräch. Das wusste ich selbst auch. Obwohl ich ihre Frage nicht beantworten konnte. Es lag mir auf der Zunge, aber ich konnte es nicht zugeben, nicht einmal mir selbst gegenüber. Nicht jetzt, nicht so und nicht hier. Also wich ich ihrem Blick erneut aus, heftete ihn kurz auf ihre Hand und sah sie dann wieder an. Lange Zeit sagte ich nichts. "Ich weiß, dass ich ein schlechter Ehemann bin, Celerina", sagte ich schließlich resigniert und leise, wie das Säuseln des Regens, der sich seinen Weg durch die Rabatten bahnte. "Ich hatte gehofft, wenn ich mich bemühe..." Ich verstummte und musterte ihr Gesicht. "Aber wenn es tatsächlich eine solche...Qual für dich ist, meine Frau zu sein, wenn du es wirklich willst... Dann entbinde ich dich von dieser Pflicht. Doch wenn du es mit mir aushalten kannst, dann sei so loyal und belüge mich nicht bei meinem Erben. Nur das nicht, das ist alles, was ich von dir verlange." Meine Miene war steinern, als ich das mit leiser Stimme sagte. Nur meine Augen verrieten, dass ich das Ende der Ehe nicht wollte, dass ich bereit war, mich weiterhin zu bemühen, auch wenn es einen Drahtseilakt für mich bedeutete. Diesen Blick konnte ich nicht maskieren.

  • Was er wahrscheinlich gar nicht wußte, ich war unter ganz bestimmten Voraussetzungen in diese Ehe gegangen. Mein zurückliegendes Leben hatte mich dazu bewogen. Ich hatte nie mit ihm darüber gesprochen. Hatte es für mich behalten. Wahrscheinlich auch deswegen, weil ich selbst die dunklen Jahre vergessen wollte. Ich wollte, daß alles besser werden würde. Nie wieder wollte ich vor meinen eigenen Augen betrogen werden, nie wieder mißhandelt und nie wieder eigesperrt werden.
    Ich war so voller Zuversicht gewesen, da ich nach dem Tod meines ersten Ehemannes selbst für mein Leben verantwortlich war und nach Rom ging. Ich glaubte, ich könne alles besser machen, eine bessere Wahl treffen. Und als ich dann ihn traf... Doch war ich so geblendet gewesen von seinem Charme.


    Ich stand kurz davor, endgültig zusammenzubrechen. Ich konnte einfach nicht mehr! Was hatte ich getan, dass sich in meinem Leben eine Enttäuschung an die nächste heftete? Konnte es damit denn nie genug sein? Alles was ich wollte, war doch nur ein wenig Wärme!
    Selbst jetzt konnte er mir keine Antwort auf meine Frage geben, was er liebte. Vielleicht hätte ich es verstanden, wenn er mir jetzt und hier gestanden hätte, daß er sich nur zu Männern oder Kindern oder Huren hingezogen fühlte. Ich hätte es verkraftet und hätte mich danach richten können. Doch nichts dergleichen. Gab es denn tatsächlich Menschen, die nichts empfinden konnten? Offensichtlich gab es sie, denn er war einer davon.


    Was nun folgte, versetzte mir den finalen Stoß, der mir die Knie weich werden ließ, der mir endgültig die Bodenhaftung nahm. Ich hielt den Atem an, als er davon sprach, mich von meiner Pflicht als Ehefrau zu entbinden. Eine Scheidung! Ich selbst wußte, was dies für einen Skandal mit sich bringen würde. Dies kam einem gesellschaftlichen Tod gleich. Ganz zu schweigen, daß sich dann wohl meine eigene Familie gegen mich stellte. An das Gerede, welches dieser Schritt zur Folge hatte und das ich mir schon ganz deutlich ausmalen konnte, wollte ich gar nicht erst denken. Also hatte ich im Grunde genommen keine andere Wahl, als mich ihm zu fügen, auch wenn mir das noch so schwer fiel. Denn damit begab ich mich vollkommen in seine Hand, einen Zustand den ich so nicht wieder erleben wollte.
    "Ich ..ich werde mich in Zukunft fügen. Du.. du wirst keinen Grund mehr zur Klage haben. Ich, ich verspreche es!", begann ich nervös zu stammeln. Ich konnte einfach nicht glauben, was ich da gesagt hatte. Das war der Beginn Wahnsinns. Mir wurde so seltsam zumute. Ich konnte definitiv nicht mehr. Letztendlich knickten nun meine Beine zusammen und ich verlor den Halt, was zur Folge hatte, daß meine Knie auf den aufgeweichten Boden niedersanken.

  • Das Warten war unerträglich. Es war noch sclimmer als das vom Regenprasseln untermalte Schweigen. Eine Veränderung ging in Celerinas Blick vor, und sie klang gehetzt, als sie endlich etwas erwiderte. Doch was sie sagte, rief ein Runzeln auf meine Stirn und einen unverständigen Blick meinerseits hervor. Sie wollte sich fügen? Damit konnte sie nur ihr Schicksal meinen. Und ich sollte keinen Grund mehr zur Klage haben? Was meinte sie nun damit wieder?


    Ich sah sie forschend an und wollte eben eine entsprechende Frage stellen, als sie wegknickte. So schnell konnte ich nicht reagieren. Zwar griff ich insinktiv nach vorn, um sie aufzufangen, bekam aber nur den Ärmel ihres Nachtgewandes zu packen, der ob sich ihres Körpergewichts mit einem erstaunlich leisen Ratschen fast vollkommen vom Rest der tunica trennte und wie eine nasse Fahne im Wind von ihrer Schulter herab hing. Erst, als Celerinas Knie bereits ins nasse Gras gesunken waren, konnte ich sie halten und daran hindern, noch weiter zu fallen. Ich war inzwischen in die Hocke gegangen und sah sie besorgt an. War sie ohnmächitg? Das schlechte Gewissen keimte in mir, obgleich ich mir andererseits gewünscht hätte, sie mochte nicht nur ihr Wort geben, sondern auf den Stein des Iuppiter schwören, dass sie mir kein fremdes Kind unterschieben würde. "Celerina", sprach ich sie an. Fast im selben Moment war entferntes Donnergrollen zu hören, und wiederum etwas später der erste Blitz zu sehen. Ein Gewitter würde Rom heute nach noch heimsuchen.


    Kurzentschlossen richtete ich mich wieder auf, um mich herunterzubeugen und Celerina auf die Arme zu nehmen. Ich hatte mich noch nicht ganz wieder mit ihr aufgerichtet, als ein hüpfendes Feuer sich näherte. "Herr?" Brix klang erstaunt, als er in der immer noch offen stehenden Tür auftauchte und mich verwundert ansah. Mit Celerina auf den Armen näherte ich mich ihm. Ihre Füße wippten mit jedem Schritt sachte auf und ab. Sie war leichter, als ich es in Erinnerung hatte. Brix trat stumm zur Seite und hob die Laterne noch etwas höher, um kurz in Celerinas Gesicht leuchten zu können. "Ich habe die offenstehende Tür bemerkt und wollte nachsehen, weil die Hunde nicht angeschlagen haben", bemerkte er. Das war ein Umstand, den ich an Brix regelrecht liebte. Er stellte selten die falschen Fragen, einfach, weil er mitdachte. In diesem Falle hob er nur fragend die Brauen, bohrte jedoch nicht nach, als ich ein Kopfschütteln andeutete. Ich bugsierte Celerina an ihm vorbei und zurück ins Haus. Unschlüssig blieb ich kurz stehen, während Brix hinter uns die Tür nach draußen verschloss. Sollte ich Charis wecken? Oder Celerina allein in ihr Zimmer bringen? ich verwarf beides und setzte mich in Bewegung, meinem eigenen cubiculum entgegen. Schlaf würde ich ohnehin keinen mehr finden, was machte es da schon noch aus, ob ich allein war oder nicht?


    Vorsichtig legte ich Celerina in mein Bett. Die Decke war noch zurück geschlagen, ein Zeugnis meines fruchtlosen Versuches, in den Schlaf zu finden. Ihre dunklen Strähnen waren verworren und klebten nass an ihrem Gesicht. Es spielte keine Rolle, ob sie tatsächlich bewusstlos war oder nur apathisch oder sich verstellte. Ich war kein guter Ehemann, und hier bot sich mir nun eine winzig kleine Möglichkeit, es wieder wettzumachen. Ich setzte mich neben sie. Ihr Nachtgewand war durchweicht, sie hatte Gänsehaut. Sie würde kränkeln, wenn ich sie in diesem Zustand zudeckte, also begann ich damit, ihr den kalten, nassen Stoff abzustreifen. Es war mir peinlich, dass mich der Anblick erregte, der sich schlussendlich bot. Die Feuchte hatte ihrer marmornen Haut einen leichten Ganz verliehen, der in der Dunkelheit kaum wahrzunehmen war. Ich deckte sie zu, betrachtete sie noch einige Herzschlage lang stumm und zog mich dann in einen Sessel zurück, den ich neben das Bett stellte. Im Dunkel wirkte sie so, als gehörte sie dorthin, wo sie lag. Ich nippte an meinem Wein, doch irgendwann war der Becher geleert und ich selbst zu träge, um aufzustehen und mir nachzuschenken. Daher stellte ich den leeren Becher auf den Boden, zog die Knie an und versuchte, die Augen offen zu halten. Was mir natürlich nicht gelang, und irgendwann schlief ich selbst, durchnässt und unterkühlt, mit angezogenen Knien in dem Sessel ein, der neben meinem Bett stand. In dem meine Frau lag.

  • Ich hatte es einfach geschehen lassen, ohne über die Folgen nachzudenken. Mach dich nicht schmutzig! Paß auf deine Kleidung auf! Sei standhaft und laß dich nicht einfach so gehen! Sei immer Herr über dich selbst! Die Ermahnungen meiner Ziehmutter, als ich noch ein Kind war, sie waren vergessen und hatten keine Gültigkeit mehr. Ich hatte mich gehen lassen, ließ mich einfach fallen. Meine Muskeln entspannten sich. Mein Geist schaltete ab. Es schien, als erhebe er sich vom Boden und flöge davon.
    Dieser Zustand erschien mir als der einzig wahre. Niemand konnte mir nun noch etwas anhaben, mir etwas zuleide tun. Sei es körperlich oder auch mental.
    Was um mich herum nun geschah, es belastete mich nicht mehr, denn ich erfasste es nicht mehr mit keinem meiner Sinne. Denn ich schwebte. Ich war weit, weit weg…


    Stunden mußten bereits vergangen sein. Wie viele, konnte ich nicht sagen. Ich lag auf einer weichen Unterlage. Mir war mollig warm. Ganz anders, als es vorher im Regen gewesen war. Es hatte wohl aufgehört, zu regnen. Vielleicht war schon Tag und die Sonne war endlich wieder da. Etwas muße es doch sein, was meinem Körper Wärme schenkte. Ganz langsam öffneten sich meine Augen nur einen Spalt weit. Dämmerlicht. Ich blinzelte, bis meine Augen sich an die Umgebung gewöhnt hatten. Mir war anfangs nicht ganz klar, wo ich war. Vorerst starrten meine Augen zu der Decke hinauf, bis mir endlich bewußt wurde, ich war nicht mehr draußen. Ob es Tag war konnte ich nur mutmaßen. Der Raum wurde von dem Schein einiger Öllampen erhellt.
    Vorsichtig und leise versuchte ich mich zu erheben. Ich lag in einem fremden Bett und war nackt. Zugedeckt mit einer fremden Decke. Jemand hatte mich zugedeckt. Noch hatte ich nicht erfasst, daß ich nicht allein war.
    Die Erinnerungen an das Vorgefallene waren alles andere als genau. Wie ein nebliger Schleier kam mir alles vor. Was davon wirklich real war oder nicht, war schwer zu sagen. Ich wußte nur noch, ich hatte draußen gestanden und es hatte ein wenig geregnet. Und dann war ich überrascht worden… von Marcus!
    Ich erblickte ihn nun endlich, wie er schlafend in einem Sessel lag, direkt neben dem Bett. Für einen Moment hielt ich den Atem an. Sollte ich etwa immer noch träumen? Der wachende, fürsorgliche Ehemann, der neben dem Lager seiner Frau wachte. Ein wahrlich schöner Gedanke! In einer guten Ehe war das auch mit Sicherheit normal gewesen. Aber doch nicht in dieser! Sogleich schob ich diese Gedanken beiseite und überlegte rasch, ob ich nicht schleunigst verschwinden sollte. Ein wenig überstürzt stand ich auf, lediglich geschützt von der Decke, die mich warm gehalten hatte. Ich wollte mich nicht länger in seiner Nähe aufhalten, wer weiß, was er mit mir angestellt hatte, während ich nicht bei mir selbst gewesen war. Vorsichtig schob ich mich an ihm vorbei, nicht daß er noch wach wurde! Dabei blieb es nicht aus, ihn noch einmal genauer zu betrachten. Mir fiel auf, seine Kleidung war ganz naß und das womöglich schon seit einigen Stunden. Wenn ich ihn so zurückließ, würde er sich den Tod holen. Den Tod holen… Ich zögerte erst. Nein, auch wenn er mich nicht liebte und für mich nichts empfand, mich nur zur Befriedigung seiner Begierden benutzt hatte, konnte ich ihn nicht so liegen lassen. Allerdings war ich auch nicht erpicht darauf, ihn aufzuwecken.
    Ich begann vorsichtig an seiner Tunika zu zerren, allerdings ohne erfolgreich zu sein. Schlafend war er einfach zu schwer, um ihn ausziehen zu können. Außerdem hatte ich darin nun wirklich keine große Erfahrung. Wozu gab es denn auch Sklaven? Genau, Sklaven! Ich konnte doch einfach einen Sklaven herbeirufen. Den Gedanken verwarf ich aber ganz schnell wieder. Dies war ganz allein mein Problem.
    Wieder machte ich mich an seiner Tunika zu schaffen, Diesmal versuchte ich sie einfach, ganz rabiat entzwei zu reißen. Mühevoll und darauf bedacht, daß er nicht aufwachte, versuchte ich sie ihm dann auszuziehen. Das war eine schweißtreibende Angelegenheit. Aber ich hatte es tatsächlich geschafft! So, und jetzt noch eine Decke. Aber es gab keine Weit und breit, außer der, die ich im meinen Körper geschlungen hatte. Ich seufzte. Schließlich nahm ich doch die Decke, um ihn damit zuzudecken. Dummerweise war ich jetzt wieder nackt. Mir blieb nichts anders übrig, als den Fetzen, der einmal die Tunika meines Mannes gewesen war zu nehmen und sie notgedrungen um mich zu hüllen. Damit wagte ich mich aus seinem cubiculum und huschte, hoffentlich ungesehen, in meines.

  • Ich wachte auf, als jemand an mir zerrte, aber ich öffnete die Augen nicht. Im Gegensatz zu Celerina war mir der Verlauf der Nacht noch sehr gut in Erinnerung und drängte sich schlagartig in den Vordergrund, als ich aus dem Schlaf gerissen wurde. Etwas ratschte. Meine Kleider waren nicht mehr ganz so nass wie noch vor ein paar Stunden, doch immer noch feucht. Es war eine warme Feuchte, ich hatte den Stoff mit dem Körper erwärmt. Verstohlen linste ich durch die Wimpern und sah meine Vermutung bestätigt: Celerina zog mich aus, nur bedeckt von der dünnen Schlafdecke, die sie um ihren Körper gehüllt hatte. Ich schloss die Augen wieder und wartete, tat so, als schliefe ich weiter, nur um nicht mit ihr reden zu müssen. Ich hätte nicht gewusst, was ich sagen sollte.


    Und dann hörte ich, wie die Tür ins Schloss gezogen wurde und ich allein war. Jetzt sah ich an mir hinab und entdeckte die Decke. Meine tunica allerdings fehlte. Sie musste sie mitgenommen haben. Ich stand auf und warf die Decke aufs Bett. Ich fühlte mich, als stünde ich vor dem Scherbenhaufen meines Lebens. Trotzdem zog ich mir etwas Trockenes an. Und trotzdem ließ ich Sofia und Arsinoe kommen, damit sie mir beim Anlegen einer toga helfen konnten. Es war noch sehr früh, aber ich machte mich trotzdem für die allmorgendliche salutatio fertig. Mit einem Seufzen und unterdrückten Gedanken an den mich umgebenden Schlamassel verließ ich wenig später mein Schlafgemach. Mir tat der Nacken weh, ich hatte mich gehörig verlegen.


    ~ finis ~

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