Obwohl der Mensch nie objektiv sein konnte, egal wie oft er es versuchte, vermochte es Avianus, eine objektive Einschätzung treffen zu können: Es lief irgendetwas falsch. Er wäre zu vielen schrecklichen Dingen nie fähig gewesen und würde es womöglich auch nie sein. Doch in ihm versteckte sich manchmal etwas Düsteres, Grausames, Schreckliches, welches einen ewigen Kampf mit seiner guten Seite ausfechtete. Er war das Schlachtfeld zwischen gut und böse, und welche seiner zwei Seiten momentan dominierte, dies war ebenso wechselhaft wie seine Entschlüsse in Bezug auf die reale Situation, in der er sich befand. Wenn er etwas wusste, dann war es, dass er schnell entscheiden musste. Egal, wie er sich letzten Endes entschied, er musste einfach wissen, wer er selbst war. Wie weit er für seine Genugtuung zu gehen bereit war, um sich zu rächen dafür, dass ihm genommen wurde, was ihm lieb war. Der Konflikt nahm jedoch kein Ende, dies war traurige Wahrheit. Er war, wenn man ihn mit etwas Trivialem verglich, wie Wasser - es konnte zu Eis gefrieren oder wieder auftauen. Zwei Zustände. Zwei Arten, zu sein. Zwei mögliche Arten, seinen Weg zu beschreiten. Eine davon war die Falsche, wusste Avianus.
"Es ist nichts Neues für mich, Blut an den Händen zu haben, war ich doch schon einmal in einem Gefecht verwickelt, bei meinem Tribunat. Doch das hier ist etwas Anderes. Das hier ist keine Notwehr und es ist persönlich. Und längst nicht so einfach zu entscheiden." Avianus hielt inne, schwieg einen Moment lang und ließ die Worte von Narcissa verhallten. Es waren einige Momente, an denen sie still waren und nichts sagten. "Wenn ich mich für einen Weg entscheide, muss es einer sein, der weder unseren Namen noch meine Ehre besudelt. Ich bin kein Mörder, Narcissa, und will auch keiner werden. Doch will ich das Recht haben, über die Mörder selbst richten zu dürfen. Sie haben mich immerhin meines Vaters beraubt."