atrium | Das Leben nach dem Tod

  • Obwohl der Mensch nie objektiv sein konnte, egal wie oft er es versuchte, vermochte es Avianus, eine objektive Einschätzung treffen zu können: Es lief irgendetwas falsch. Er wäre zu vielen schrecklichen Dingen nie fähig gewesen und würde es womöglich auch nie sein. Doch in ihm versteckte sich manchmal etwas Düsteres, Grausames, Schreckliches, welches einen ewigen Kampf mit seiner guten Seite ausfechtete. Er war das Schlachtfeld zwischen gut und böse, und welche seiner zwei Seiten momentan dominierte, dies war ebenso wechselhaft wie seine Entschlüsse in Bezug auf die reale Situation, in der er sich befand. Wenn er etwas wusste, dann war es, dass er schnell entscheiden musste. Egal, wie er sich letzten Endes entschied, er musste einfach wissen, wer er selbst war. Wie weit er für seine Genugtuung zu gehen bereit war, um sich zu rächen dafür, dass ihm genommen wurde, was ihm lieb war. Der Konflikt nahm jedoch kein Ende, dies war traurige Wahrheit. Er war, wenn man ihn mit etwas Trivialem verglich, wie Wasser - es konnte zu Eis gefrieren oder wieder auftauen. Zwei Zustände. Zwei Arten, zu sein. Zwei mögliche Arten, seinen Weg zu beschreiten. Eine davon war die Falsche, wusste Avianus.


    "Es ist nichts Neues für mich, Blut an den Händen zu haben, war ich doch schon einmal in einem Gefecht verwickelt, bei meinem Tribunat. Doch das hier ist etwas Anderes. Das hier ist keine Notwehr und es ist persönlich. Und längst nicht so einfach zu entscheiden." Avianus hielt inne, schwieg einen Moment lang und ließ die Worte von Narcissa verhallten. Es waren einige Momente, an denen sie still waren und nichts sagten. "Wenn ich mich für einen Weg entscheide, muss es einer sein, der weder unseren Namen noch meine Ehre besudelt. Ich bin kein Mörder, Narcissa, und will auch keiner werden. Doch will ich das Recht haben, über die Mörder selbst richten zu dürfen. Sie haben mich immerhin meines Vaters beraubt."

  • „Ja, richtig. Nur wenn du immer wieder übst, klappt es irgendwann mit dem Eier trennen.“ stimmte Frija lächelnd zu und verließ mit Marei an der Hand das Atrium. Das Gespräch zwischen den Herrschaften ging sie beide nichts an. „Wir können gerne in den nächsten Tagen zusammen Kuchen backen, aber dann nicht nur für uns, selbst wenn das eine verlockende Aussicht wäre, denn immerhin gehört alles was verwenden den Herrschaften. Also darfst du auch nicht zu verschwenderisch mit den Zutaten umgehen, hast du verstanden Marei?“ Frija nahm sich fest vor, ihre Herrin um Erlaubnis zu fragen und würde ihr anschließend auch das süße Ergebnis präsentieren, wenn es denn genießbar werden würde.


    Frija brachte Marei zu Septima, wo diese dem Kind einen Brief in die Hand drückte und ihr auftrug, diesen zur Casa Decima zu bringen.

  • Aufmerksam lauschte Narcissa Tiberius´ Worten. Kurz huschte ein Schatten über ihr Antlitz, als er seine Erlebnisse während seines Tribunats andeutete. Wo war es noch gewesen? Richtig...Germanien. Sie sah ihn zwischen dunklen Zweigen stehen unter einem schweren, grauen, Wolken geschwängerten Himmel. Regentropfen auf dem Gesicht. Er hatte Recht, das hier war etwas anderes. Es brachte ihn mehr als alles andere aus dem Gleichgewicht.
    Einige Atemzüge lang lag Stille zwischen ihnen beiden. Die Worte hingen noch einen Augenblick mit all ihrem Schrecken in der Luft, ehe Tiberius fortfuhr.
    Das was sie hörte beruhigte sie einerseits, andererseits erfüllte es sie aber auch mit Sorge um ihren Verwandten. Es klang nicht danach, als wäre ein Ende seines Schwankens in Sicht. Sie suchte seinen Blick und fand ihn nachdenklich, das Gesicht ernst. Manchmal musste man sich einfach von seinem Gefühl leiten lassen. Dass er das nicht konnte war klar. Da gab es zu vieles, dass er bedenken und noch mehr, dass er zu verlieren hatte.
    „Ich bin mir sicher, dass du einen Weg finden wirst...“, erwiderte sie ruhig. >Ich hoffe es...<
    „Und ich wünsche dir, dass du bald fühlst, welcher der richtige für dich ist...Kein Mensch sollte so lange mit Ungewissheit und Zweifel gestraft sein...Hast du“, Sie zögerte einen Moment, „Hast du schon einmal über eine Auszeit nachgedacht, um dir über die Dinge richtig klar zu werden? Vielleicht würde es dir gut tun, einmal eine Weile von dem ganzen Trubel hier wegzukommen...“ Aus dem Augenwinkel heraus nahm Narcissa wahr, wie die beiden Sklaven das Atrium verließen...

  • Sim-Off:

    Sorry für die sehr späte Antwort... ich hatte einfach viel Anderes zu tun. :(


    Avianus hielt seine Fuße fest auf dem Boden, mit angespannten Knien, so als hätte er Angst, das Gleichgewicht zu verlieren. Er dachte nicht gerne an sein Leben zurück, im Gegenteil. Ihm war klar, dass Menschen jederzeit für die Zukunft lebten und nicht, um ihrer Vergangenheit hinterher zu sehen. Einige Dinge brannten sich jedoch unvergesslich in den Geist ein und hinterließen klaffende Wunden, nie verheilende Narben. "Ja. Ich werde einen Weg finden", versprach Avianus mit sicherer Stimme, "Verlasse dich darauf."
    Avianus saß nun eher unruhig und wechselte seine Sitzhaltung nahezu im Zwei-Minuten-Takt. Mal angelehnt an die Rückbank, einmal mit tief in der Handfläche versunkenem Kinn oder auch mit verschränkten Armen den Oberkörper an den Beiden abstützen. An Variationen mangelte es ihm nicht. "Das klingt gut", erwiderte Avianus, ohne viele Worte zu verlieren, "Eine Weile wegkommen, das klingt wirklich nach einem guten Ratschlag. Aber meine Pflicht hält mich hier."

  • Aufmerksam lauschte Narcissa Avianus´ Worten und beobachtete seine Körperhaltung. Sichtlich bemühte er sich um Erdung und Haltung. Beides würde er auch brauchen. Das und jede Menge Durchhaltevermögen und Courage, denn seine Suche würde auch dazu führen, in der eigenen Wunde zu graben.


    Sie spürte seine Unruhe, als er mit scheinbar überzeugter Stimme versicherte, einen Weg zu finden. Insgeheim bewunderte die junge Aurelia ihn für die Sicherheit, die er vermochte in seine Worte zu legen – vielleicht auch in dem Versuch sich selbst davon zu überzeugen. Sicherlich machte sich der Aurelier keine Illusionen darüber, dass es nicht einfach werden würde. Oft standen sich die Menschen selbst im Weg. Aber Narcissa hatte den Eindruck, dass er zumindest auf der richtigen Spur war. Schließlich hatte er schon damit Stärke bewiesen, indem er eingesehen hatte, dass er nicht immer würde fortlaufen können.


    „Verstehe“, antwortete sie in einer für untypisch knappen Antwort. Immer waren es die Pflichten. Männer hatten immer überall Pflichten. Dabei war es nur eine Frage der Priorität. Sein momentaner Zustand beeinflusste auch die Ausführung seiner Pflicht – war ihm das nicht bewusst? Aber die junge Aurelia sprach diesen Gedanken nicht aus, stattdessen ging sie auf seine sichtliche Unruhe ein.
    „Hast du jetzt noch etwas vor? Wie wäre es, wenn wir etwas unternehmen würden? Ein Spaziergang? Theater?..“ Hauptsache, es würde ihm ein wenig Luft verschaffen und in auf andere Gedanken bringen. Das Atrium erschien ihr jetzt unangenehm düster. Das Licht, dass durch verschiedene Öffnungen, Fenster…eindrangen schlug helle Schneisen in die Schatten.

  • Avianus wusste insgesamt noch nicht, welche Ironie des Schicksals noch auf ihn wartete. Welchem Konflikt er noch gegenüber stand - Genugtuung oder Ehre? Er befand sich in einer Situation, die ziemlich festgefahren war, ein schmaler Grat zwischen Recht und Unrecht. Er hatte Angst, eines Tages, sei er noch fern, die falsche Entscheidung zu treffen, den falschen Weg einzuschlagen.


    Avianus nickte, als Narcissa vorschlug, etwas zu unternehmen. In der Tat keine schlechte Idee, womöglich brachte es sie beide auf andere, freundlichere Gedanken. Avianus konnte nicht sein leben lang vor sich herschmollen - auch wenn er wusste, dass ihn Erinnerungen eines Tages einholen würde, willigte er ein. "Theater klingt gut... ich würde gerne mit dir kommen", er lächelte zum ersten Mal in ihrem Gespräch. Das Licht, welches durch einige Öffnungen in das Atrium schien, erhellte seinen Mund mit einem Oval.

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