hortus | lass die Sonne in dein Herz ...

  • ~~im atrium ~~


    Leone führte den Gast weiter ins atrium, welches an jenem Tag nicht nur Licht durchflutet, sondern zudem noch ziemlich zugig war. Grund dafür waren die Türen, die in der gesamten Villa offen standen um frische Luft in die Hallen der villa zu lassen.


    Vor einer Sitzgruppe angekommen, wandte sich Leone zu dem Flavier um:"Warte bitte hier Herr. Ich werde sofort nach Aurelius Corvinus suchen lassen. Zu meinem Bedauern weiß ich allerdings nicht, wo er sich zur Zeit gerade aufhält. … Ich bitte dich von daher um etwas Geduld. Wenn du etwas zu trinken möchtest, zögere nicht einen Wunsch zu äußern", erklärte Leone freundlich und mit einem Fingerzeig auf eine namenlose Sklavin, die in der Nähe mit einem Tablett voller Erfrischungen wartete.


    Mit diesen Worten, einem strahlenden Lächeln und einer tiefen Verbeugung verabschiedete sich der Ianitor und begab sich Suche nach dem Hausherrn.
    Aurelius Piso war es indes frei gestellt sich zu setzen oder ein wenig herum zu schlendern. Die anwesenden Sklaven würden ihn sicher nicht daran hindern, schließlich war er kein Niemand von der Straße, der womöglich das Familiensilber klauen würde sobald er die Gelegenheit dazu hätte.



    ~~ in etwa zur selben Zeit im Garten ~~


    Endlich kehrten die Tage des Jahres zurück, an denen das Licht der höherstehenden Sonne die grauen Schleier des Winters zusehends verdrängte. Die Nächte wurden kürzer und lauer und damit kehrten nach und nach die Farben der Natur, die Düfte der Blumen und die Stimmen der Vögel zurück. Zuerst nur ganz zaghaft, doch mit einem Mal war es allerorts zu sehen zu hören und zu spüren, mit welcher Kraft die Natur aus ihrem tiefen Schlaf erwachte. Jahr für Jahr vollzog sich dieses Schauspiel und doch war es jedes Mal wieder faszinierend und schön zu beobachten wenn der Frühling Einzug hielt.


    Für Prisca war dies unbestritten die schönste Jahreszeit und sobald die Temperaturen erträglich genug waren, verbrachte sie so viel Zeit wie möglich im Freien. Egal ob nun bei einem Stadtbummel, einem Ausflug ins Grüne oder wie heute, im eigenen Garten, Prisca wollte einfach nicht länger die Decken und Wände der villa anstarren, sie wollte endlich hinaus und die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut spüren, so lange, wie die Sonne noch nicht allzu stark wäre.


    Deshalb hatte sich die Aurelia an diesem Tag (wie so oft) in eine abgeschiedenen Ecke des Gartens, geschützt durch Rosenhecken und in der Nähe der villa zurück gezogen. In der Annahme hier ungestört zu sein trug Prisca lediglich ein balnearis vestis, wie sie es sonst üblicher Weise in den Thermen trug und in dieser leichten Bekleidung hatte sie es sich auf einer Liege bequem gemacht. Einfach herrlich die Wärme und diese Energie der Sonne am ganzen Körper spüren zu können, wobei die Aurelia natürlich auf ihre zarte blasse Haut achten musste. Allerdings hatte Prisca nicht vor das Sonnenbad ewig auszudehnen, aber ein wenig wollte sie schon so verweilen und genießen ....


    Bei ihr war Saba, die sich neben der Liege auf einem Kissen niedergelassen hatte und mit einer Harfe zudem für ein wenig Unterhaltung sorgte. Die Melodie welche die Sklavin mehr oder weniger improvisierte war recht simpel und bot entsprechend genug Möglichkeiten, ein paar Verse darauf zu reimen.


    Dies tat Prisca auch in jener versonnenen Art, wie sie mit geschlossenen Augen da lag und leise summend ihren Gedanken nach hing: "… mmhm .. mmh … was sagt mir mein Herz, … was flüstert es mir …mmhm .. mmh … welch stummen Schmerz … den ich verspür, … immer dann, wenn ich an dich denken muss … mmhm .. Mmh … Ist das der Grund, warum ich mich so verzehr? … mmhm … verzehre nach dir, … du mein Liebster … hmm..mmh … leidest du auch so wie ich? … oh dann sag mir doch, … was kann ich tun? … mmhm .. Mmh … um dein Herz zu berühren? … mmmh… dir zu zeigen, … wie sehr ich dich … Li"


    Mitten in ihrem Gesang stoppte Prisca, denn sie glaubte ein Geräusch gehört zu haben. Sie öffnete die Augen und während sie sich aufsetzte, zog sie gleichzeitig mit einer Hand ein bereit liegendes Laken vor ihren Körper. Blinzelnd sah sich sich um und meinte dabei zu Saba: "Hast du das gehört?... - " Was denn? Nein Herrin ich habe nichts gehört.", erwiderte Saba ergeben. Die Sklavin legte die Harfe beiseite und sah sich kurz nach allen Richtungen um, bemerkte aber nichts auffälliges. "Da ist nichts …", stellte sie schließlich achselzuckend fest und wollte sich damit wieder dem Spiel der Harfe widmen ...

  • Als Piso die Villa Aurelia betrat, wurde er mit einigen heftigen Böen begrüßt. Er hielt seine Toga (selbstredend hatte er eine solche angezogen, schließlich war dies doch eine offizielle Sache, in der er Corvinus sprechen sollte) fest, damit diese nicht runterrutschte. So eine Toga war schon etwas Unpraktisches, eigentlich sollte man sie abschaffen... Aber, wenn Piso ehrlich auf sich war, auf dieses Statussymbol des römischen Bürgers würde er nicht verzichten wollen, auf gar keinen Fall. Spätestens dann nicht, wenn sie dereinst Streifen haben mochte. Piso konnte sich ein ganz leichtes Lächeln nicht verkneifen, als er daran dachte, und Leone zuhörte.
    “Nun, sicher, ich werde es mir einfach bequem machen“, informierte er den Türsklaven und ließ sich auf einer der Klinen nieder, die im Atrium der Aurelier standen. Die Verbeugung des Sklaven fiel ihm wohl auf. Die Aurelier hatten wohl besser erzogene Sklaven als die Flavier, dachte er innerlich, an den miesepetrigen Acanthus denkend.
    Er fargte sich kurz, ob er hier etwa unerwünscht wäre... ach was, dachte er sich. Er war hier bei einer befreundeten Familie. Niemand würde ihn hier davon abhalten, zu sein. Oder auch, vielleicht ein wenig rumzuschnüffeln.
    Der Flavier erhob sich wieder von der Kline und schritt auf ein sehr nettes Relief zu, das ihm noch gar nicht wirklich aufgefallen war vorher. Es stellte eine Szene dar, und zwar ästhetisch sehr reizend, von...
    ...doch seine Konzentration wurde weggezogen vom Relief, als er etwas hörte. Leises Singen. Ganz deutlich. Es war keine elaborierte Melodie, die man sang, und auch Piso selbst schätzte seine Stimme besser ein als die der jungen Frau, die sang. Und trotzdem... die Stimme kam ihm bekannt vor. Schon gehört.
    Viel Auswahl gab es nicht, wer das sein könnte. Und er war sich auch ziemlich sicher darin,w er dies sein mochte.
    Neben dem Relief, welches er gerade noch begutachtet hatte, öffnete er eine Tür, die in einen großen Hortus hinaus führte. Nicht so groß und schön wie der flavische, doch er war geordneter, und hatte viel mehr Blumen, während sich der flavische Garten vorläufig durch labyrinthartige Verästelungen auszeichnete.
    Ein paar Schritte ging er hinaus, trat dabei unbewusst auf ein paar am Boden liegende Äste. Sie knirschten und einige brachen. Der Gesang verstummte, und Piso verfluchte seine Tollpatschigkeit und den Sklaven, der das Geäst unzweifelhaft dorthin gelegt hatte, innerlich.
    Doch er hatte die Melodie schon verortet. Er wusste, wo ihre Quelle zu finden war. Es waren Stimmen zu hören, auch die zweite hatte er schon gehört – es war die Sklavin, bei der er geschafft hatte, sie so einzuschüchtern.
    Ein Schritt zur Seite nach links wurde getätigt. Und er fuhr mit der Hand nach vorne, um einen vor ihm stehenden Busch zu teilen. Er steckte seinen Kopf durch und erblickte tatsächlich die Personen, die zu erblicken er erhofft hatte. Naja, an der Sklavin lag ihm nicht viel, es war viel eher die Herrin, die er sehen wollte. Er brachte ein Lächeln hervor.
    “Salve, Prisca. Störe ich?“ Gut möglich, dass dem so war, schließlich trug Prisca nur einen Bademantel, nichts, womit man sich in der Öffentlichkeit sehen lassen konnte.
    Aber dies war ja nicht die Öffentlichkeit. Oder doch? Er war hier ja der Eindringling... er fühlte sich auf einmal etwas unsicher, er hatte plötzlich Lust, einen Rückzieher zu machen... aber nein, unmöglich, dies zu machen!
    Ein wenig verlegen also grinste er Prisca an, wohl der Tatsache eingedenk, dass er ihre Privatsphäre gestört hatte.
    “Es war einfach nur so... du hast so schön gespielt, und, ja...“, veruschte er sich zu rechtfertigen.

  • " Doch da kommt jemand! … ", beharrte Prisca weiter darauf etwas gehört zu haben. Da! Genau aus der Richtung des Busches kam das Knirschen und Rascheln. Wer mochte das sein? Am ehesten rechnete die Aurelia in dem Moment mit einen von den Gärtnern und zweifellos hätte sie diesen sofort verscheucht. Der soll sich gefälligst in einer anderen Ecke des Gartens beschäftigen .. Doch es kam ganz anders und ehe sich Prisca recht versah, erblickte sie ein nur allzu bekanntes Gesicht …


    "Ach nee, sieh an der Flavier vom Markt", erklang es zuerst leise und weniger erfreut aus Sabas Mund. Noch zu gut erinnerte sie sich an den bösen Blick, den sie damals von ihm zugeworfen bekommen hatte. Damit war das Harfenspiel wohl vorerst beendet. Die Sklavin rollte mit den Augen und da sie ohnehin keine Beachtung finden würde tat sie das wozu sie da war. Flugs erhob sie sich und machte sich daran das Badetuch ihrer Herrin möglichst schnell so zu ordnen und zu verknoten, dass die Herrin einigermaßen passabel gekleidet wirkte.


    "PISO?! … Oh, was für eine Überraschung!", rief Prisca leicht erschrocken aber viel mehr angenehm überrascht aus. Sie betrachtete Piso einen kurzen Moment und strich dabei, eher aus Verlegenheit, eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht, die sich aus dem lose geflochtenen Haarknoten gelöst hatte. "Ich …ich hatte ja gar keine Ahnung, dass du heute zu Besuch kommst …Nein natürlich störst du nicht!" Sicher ist er nicht wegen mir hier, oder? Egal … er ist jedenfalls hier! Wie schön! Ein inniger Blick und ein eher scheues Lächeln konnten Priscas Freude über Pisos spontanes Erscheinen kaum verhehlen. Jedoch realisierte die Aurelia recht schnell in welcher Aufmachung sie hier überrascht wurde und das brachte ihre Wangen augenblicklich zum glühen. Was die Sonne bislang nicht geschafft hatte war nun Piso zu verdanken. Du meine Güte wie sehe ich überhaupt aus? Zum Glück war Saba bereits damit beschäftigt sie notdürftig herzurichten, sodass Prisca wenigstens nicht das Gefühl hatte vor Scham im Boden versinken zu müssen.


    Jetzt fehlt nur noch, dass er gehört hat was ich gesungen habe. Hat er mich am Ende gar schon länger beobachtet? , fühlte sich Prisca irgendwie ertappt und doch war ihr selbst dieser Gedanke alles andere als unangenehm. Nein ganz im Gegenteil. Es verursachte ein eher wohliges Gefühl in ihr - so um die Magengegend herum. Ein herrliches Kribbeln, wie vorhin: Als die Sonnenstrahlen ihren Bauch beschienen hatten, oder ... als Piso ihre Hände in der Bücherei berührte, oder … als sie sein wunderschönes Gedicht immer und immer wieder durchgelesen hatte. Herrje, ich bin doch nicht etwa? … , erschrak Prisca über sich selbst, just in dem Moment, als ein Schmetterling dicht an ihrem Kopf vorbei flog und sie leicht irritiert zu blinzeln begann. Prisca war - salopp gesagt - 'völlig durch den Wind' angesichts der Tatsache, dass Piso hier vor ihr stand, so plötzlich und unerwartet , dass selbst dem Flavier die Worte fehlten um seine Anwesenheit zu rechtfertigen ...


    "Ja, nun … ich …ich habe hier ein wenig die warme Frühlingssonne genossen und mir dabei die Langeweile mit etwas Gesang vertrieben.", rechtfertigte sich Prisca ihrerseits verlegen lächelnd. Es fiel ihr zusehends schwerer einen klaren Gedanken zu fassen, so lange Piso da inmitten des Gebüschs stand und deshalb hörte sich Prisca spontan und mit zitternder Stimme selbst sagen: "Ehm, Piso, möchtest du dich nicht ein wenig zu mir setzen und mir Gesellschaft leisten?" Die Aurelia klopfte einladend neben sich auf den freien Liegenplatz und gleichzeitig machte ihr Herz einen Sprung angesichts dieser kühnen Geste und der Erkenntnis, dass sie damit seine Nähe suchte und wollte ...

  • Genau in dem Moment, da Piso seinen Kopf durch die Hecke erstreckte, und Prisca mit freudiger Überraschung seinen Cognomen ausrif, fiel dem Flavier auf, dass er noch immer die unselige Schriftrolle mit den zu verbrennenden Schriften in seiner Hand hielt. Er erinnerte sich an das letzte Mal zurück, dass er Prisca gesehen hatte, damals in der Bibliothek. Damals hatten sie von Büchern geschwärmt, jetzt aber würde ihn die Schriftrolle als Bücherverbrenner hinstellen. Sollte Prisca Einblick in sie erhalten, würde es ihn als beileibe nicht so großer Verehrer von Büchern hinstellen, und ebendies könnte das perfekte harmonische Bild, in dem die beiden bisher verkehrt haben, die wundervolle Zuckerwelt der gegenseitigen Zuneigung (denn das L-Wort wollte Piso nicht in den Mund nehmen, auch nicht metaphorisch) würde es zerstören, und statt den bisherig so mühselig gepflegten Watteplüsch würde der harte Boden der Wirklichkeit von Pisos Arbeit zum Vorschein kommen.
    Er verschränkte seine Arme also hinten, hinterm Rücken, um die Schriftrolle, auf seinem Hinterteil aufliegend, vor neugierigen Blciken zu verbergen. Er hätte sie zwar fallen lassen können,d och mittlerweile wäre das viel zu offensichtlich gewesen.
    Er lächelte, als sie dieses Vorkommnis eine wahre Überraschung nannte, und ihm versicherte, er störte nicht, wiewohl nicht erwartet. Solche Worte gingen Piso natürlich hinunter wie Öl, und er lächelte breit. Gleichwohl bemerkte er, wie Priscas Wangen einen sehr gesunden Teint annahmen. War das wegen seiner Präsenz? Piso war natürlich sehr eitel, doch er wagte es jetzt trotzdem kaum, an so etwas überhaupt zu denken. Vielleicht ein einfacher Sonnenstich? Sicherlich. Komisch, kam es ihm in den Sinn. Bei jeder anderen Frau würde er es als Selbstverständlichkeit auffassen, dass sie vor ihm auf dem Boden lag, doch bei Prisca war es irgendwie... anders, er wusste auch nicht wie. Tja, Piso war wohl unfähig, die Plüschwelt zu überwinden. Doch es passte ihm sehr in den Kram, dort zu verweilen.
    “Deine Musik hat mich angelockt, Prisca...“, brachte er etwas hervor, was wie eine Erklärung klingen mochte, oder auch nicht. “Ich wollte den Aedilen sehen... und... ich hatte gar nicht gewusst, das du musizieren kannst... so schön...“ Er grinste, noch verlegender als vorhin, und trat, hinter seinem Rücken noch immer die leidige Schriftrolle verbergend, aus der Hecke heraus.
    Mensch, sah sie hübsch aus, dachte er sich innerlich, und tastete sich innerlich nach einem Gefühl ab. Wertschätzung, ja. Respekt, ja. Begehren, ja. Zuneigung, das auch noch. Aber Liebe? Es mochte seltsam erscheinen, doch so sehr er danach suchte, Venus hatte ihm noch immer nicht die Fähigkeit, wieder zu lieben, gewährt. Doch er selber war sicher, das konnte noch werden... wenn er sich erst einmal wieder mit ihr gutgestellt hätte. Komisch, wieder kam ihm Serrana in den Sinn, Decima Serrana. Sie schien nur noch ein ferner Schatten in seinem Gedächtnis, aber der Gedanke an sie tat noch immer weh.
    Doch wieso an Serrana denken? Hier vor ihm saß eine Frau, die ihm mehr bieten könnte. Sie war schöner, aus noblerem Blut, intelligenter, kunstsinniger, alles in allem eine Frau, nach der jeder nur streben konnte. Und hier lag sie vor ihm, wie auf dem Prästentierteller ausgelegt.
    Gib dir einen Ruck, Aulus, dachte er sich.
    Er trat aus dem Gebüsch heraus, seine Augenäpfel folgen mehr nolens als volens den Bewegungen eines Schmetterlings, der vor Prisca herumschwirrte und aufstieg gen Himmel. Er zauberte ein Lächeln auf die Mundwinkel des Flaviers, welcher wieder auf Prisca niederblickte, welche, noch immer etwas erschrocken, versuchte, ihre Existenz hier im Garten zu rechtfertigen, als wäre sie der Eindringling, nicht etwa Piso. Sie war schon süß, irgendwie.
    “Sicherlich. Das tue ich auch sehr gerne... dann und wann“, antwortete er. Piso sah man normalerweise die Röte im Gesicht nicht leicht an, aber spätestens jetzt sollte Prisca etwas davon mitgekriegt haben.
    Ach Herrje, und ihre Stimme klang wie Espenlaub, welches im Wind schwankte. Es löste etwas in Piso aus, was ihn dazu veranlasste, sofort zu nicken, als sie ihm den Platz anbot und mit eienr familiären, vertrauten Geste auf die Liege klopfte. Er rückte seine Toga zurecht – wieso musste er so ein unbequemes Kleidungsstück gerade jetzt anhaben? – und ließ sich hernieder. Corvinus sollte doch warten. Das hier war, zumindest jetzt, für Piso wichtiger.
    Er blinzelte einen Moment hinauf in die strahlende Sonne, bevor er zu Prisca blickte. “Mmm... ist eigentlich, äh, mein Gedicht bei dir angekommen? Hast du es gekriegt?“, fragte er. Erstens, man konnte ja nicht immer sicher sein. Und zweitens, er war ein wenig begierig auf etwaiges Feedback, und sicher konnte man keine bessere Kritik bekommen als von einer Adressatin.

  • Nein natürlich war er nicht wegen ihr gekommen. Wie konnte sie das so etwas auch nur annähenrd glauben/ hoffen. Soso meinen Onkel will er sehen, ... weshalb wohl? "Oh du willst zu meinem Onkel?! .. Nun ich denke mal, dann wird er bald hier sein. Soll ich Saba nach ihm schicken lassen?", entgegnete Prisca beiläufig, die leichte Enttäuschung hinter einem warmen Lächeln versteckend. Nein wirklich enttäuscht war sie keinesfalls, dazu überwog die Freude über Pisos unerwartetes Erscheinen zu sehr. Meine Musik hat ihn also angelockt. Sie gefällt ihm. .. Und was ist mit mir "Danke sehr. Findest du denn, dass ich Talent habe?" Prisca schenkte dem Flavier ein weiteres offenes und leicht verlegenes Lächeln zum Dank für seine Worte. Ein Glück, dass heute die Sonne schien und somit eine Schuldige gefunden war für die Röte in ihrem Gesicht. Und bei ihm? Waren seine Wangen nicht auch leicht gerötet? Überhaupt wirkte Piso etwas verlegen und zurückhaltend - wenn es sich Prisca so recht überlegte - die Arme hinter dem Rücken verschränkt, so als hätte er etwas zu verbergen. Hat er ...?


    Prisca war sich nicht sicher und deshalb verfolgte sie jede seiner Bewegungen aufmerksam, insbesondere die seiner Augen, als er sich zu ihr setzte. Hatte sie gar gehofft in ihnen etwas zu entdecken? Etwas besonderes, das die wundervollen Worte in seinem Gedicht bestätigten könnte? Etwas, dass ihr zeigen würde wie sehr er sie …


    Der Schmetterling flog von dannen und mit ihm ein winziger Funken Hoffnung, dass es wahr werden könnte was sie sich insgeheim immer erhofft hatte. Herrje, wie kann ich nur so dumm sein und mich in ihn … und er? Wie kann ich so vermessen sein zu glauben, dass er mich eventuell auch … , begann Prisca plötzlich mit ihren Gefühlen zu hadern, die einfach da waren und die sie nicht verleugnen konnte seit diesem einen Tag auf den Markt. Oder hatte sie gar nach einem Strohhalm greifen wollen, da er so perfekt erschien. Ein Mann, gutaussehnd, mit vielseitigen Interessen, dazu charmant und überdies ein … Patrizier! War es nur das was zählte? Herrje Diese ständigen Gedanken an ihn, der Wunsch ihn wieder zu sehen und jetzt saß er leibhaftig neben ihr, ganz plötzlich und unerwartet, so nah und …Und nun? ... Nein, niemals können seine Worte der Wahrheit entsprechen! Wie könnten sie auch nur ansatzweise wiederspiegeln, was er womöglich empfinden mag. Prisca konnte und wllte es einfach nicht wahr haben, dass Piso in Wirklichkeit diese eine Andere… Verdammt! Wie kann eine Frau nur so dumm sein und ihn verlassen, fluchte Prisca innerlich. Existiert dieses L-Wort überhaupt? Er ist schließlich ein Flavier, ein Patrizier wohlgemerkt, aus einem uralten Adelsgeschlecht welches allein schon aus Tradition sämtliche Verbindungen ausschließlich rationell bewerten würde. Was zählten da schon so profane Dinge wie … Gefühle und dieses L-Wort.


    All diese verzehrenden Gedanken währten nur einen flüchtigen Moment, bis Piso ihr die Frage stellte ob sein Gedicht angekommen sei. Ab diesem Zeitpunkt war Prisca eigentlich egal, was kommen würde. Nur dieser schöne Moment der Zweisamkeit mit ihm zählte und sei es nur ein ungezwungenes Plaudern unter Freunden. Ein so schöner und sonniger Tag wie dieser wäre schließlich und letztendlich für immer verloren, wenn er nicht gelebt würde - egal wie …


    "Jaaa ... hab ich… ", seufzte Prisca ergeben auf als wäre sie soeben aus einem Traum erwacht und entsprechend verklärt sah sie ihn an. "Es ist einfach wunderschön! So … so etwas schönes habe ich noch nie geschenkt bekommen. … Wie kann ich dir nur dafür danken? ... " Was wäre wohl ein angemessener Dank für solch ein wundervolles Geschenk? Ein Kuss vielleicht? Nur leider verließ Prisca der Mut bereits auf halben Wege wieder, den sie sich bereits unbewusst zu Piso vorgebeugt hatte. … Nein ein Kuss wäre viel zu intim und würde sich nicht ziemen, obwohl Prisca nichts lieber tun würde … Und jetzt?


    Just in dem Moment glaubte Prisca etwas hinter Pisos Rücken entdeckt zu haben. Es sah wie eine Schriftrolle aus, doch sie konnte sich täuschen. Hatte er gar ein Geschenk für sie dabei? Ein weiteres Gedicht? Wie dumm dies anzunehmen! Aber es passte es eben so gut in Priscas Wunschdenken, dass sie nicht anders konnte als dem Flavier spontan zu fragen: "W..Was hältst du denn da eigentlich hinter deinem Rücken. Ist das … ein Geschenk, ... für mich?, kam es keck aus Priscas Mund und schelmisch grinsend beugte sie sich noch ein wenig weiter vor, um nach zusehen was da wäre … nun war es ganz an ihm, zu handeln …

  • Oje! Falsch! Jetzt hatte er gesagt, dass er nicht ihretwegen hier wäre! Vielleicht hätte er das nicht tun sollen... aber alles andere wäre wohl eine Lüge gewesen. Piso hielt sich selber für einen guten Lügner (was er aber nicht wahr, das konnte man aus dem Blickwinkel einer unbeteiligten Person ziemlich gut sagen). Trotzdem hätte es enorme Komplikationen gegeben, wenn er nun wirklich so etwas behauptet hätte. Immerhin konnte er etwas tun, was vielleicht seine Intentionen besser rüberkommen lassen würde: er schüttelte den Kopf, als sie ihm die Frage stellte. Saba hieß die Sklavin also. Sie war, so fand Piso, ein kleiner Nichtsnutz, da war ja Semiramis ein echtes Goldstück dagegen. “Der Aedil muss ja jetzt nicht unbedingt gestört werden.“
    Sie stellte ihm eine Frage, bei deren Antwort er nicht lange überlegen musste. “Oh ja, das finde ich. Sehr viel Talent. Das erkenne ich sofort.“ Piso meinte das ehrlich. Ihm hatte das Harfenspiel gefallen (wie andere ihr Spiel sehen mochten, stand auf einem anderen Blatt Pergament). Und ja, er war sich ziemlich sicher, dass er Talente gut einschätzen konnte. Da waren zum einen Leute wie diese Aoide, oder Calvena, wie sie sich nun nannte – null Talent, null! Einfach nur Berieselung für die Massen! Er selber, er war da halt avantgardistischer... und vielleicht könnte er auch Prisca in diese Richtung lotsen.
    Als er sich auf der Liege zurücklehnte, futzelte er seine Schriftrolle leicht nach links, sodass sie hinter seinem Torso verborgen war. Ha, und Piso dachte tatsächlich, Prisca hätte das nicht gesehen. Weit gefehlt, doch dies würde sich erst in ein paar Sekunden herausstellen. Ein wenig Zeit hatte er also noch, um Priscas Körper, nur unzulänglich verborgen von ihrem Bademantel, einen tunlichst nicht allzu offensichtlichen Blick angedeihen zu lassen.
    Die Götter hatten Prisca mit einem wundervollen Körper und einem unheimlich hübschen Gesicht beschenkt, dies war klar. Wie sollte er sich gegenüber einer solchen Schönheit verhalten? Sicherlich leckten die Männer vor ihr scharenweise den Staub vor ihren Sandalen auf. Und sicher hatte sie zigtausende von Verehrern, unter denen Piso (wobei er sich selber nicht einmal sicher war, ob er sich dazu zählen sollte) nur einer wäre.
    Er musste kurz an das gründlich misslungene Opfer am Palatin denken, wo Venus sein Opfer abgelehnt hatte, wegen eines winzigen Flüchtigkeitsfehlers, eines Verhasplers. Kurz dachte er daran, was sein hätte können, wenn das Opfer gelungen wäre. Sicherlich würde er nun, da er nun befreit war von diesem Stein, welcher sein Herz umgab, schon Prisca umgarnen – obwohl, ob er damit erfolgreich war? Und außerdem – tat er das nicht schon?
    Der Flavier verstand sich selber nicht mehr. Irgendwie war die Situation eine ganz kuriose. Piso sah sich selber am Rande vor diesem Gefühl, welches mit L anfing. Doch er konnte nicht durch eine unsichtbare Mauer, die sich zwischen ihm und dieser erschloss.
    Es war zum Mäuse melken, dachte er sich innerlich, und beschloss, eben diesen Gedanken Abhilfe zu schenken, indem er sie nach dem Gedicht fragte. Ja, sie hatte es bekommen (hoffentlich nicht vermittelst der Hände eines Corvinus, eines Ursus oder eines Orestes, oder wie die Kerls in der Sippe sonst noch hießen). Und... sie hatte es wohl gemocht. Glück gehabt, dachte sich Piso und atmete ein wenig aus. Erleichterung durchströmte ihn. Er hatte eine ganze Nacht mit diesem Gedicht zugebracht, daran herumgefeilt und herumgetüftelt, und doch... eine vage Unsicherheit war geblieben.
    Diese war nun zerstreut, zumindest fürs Erste. Doch da war eine Frage... wie sollte sie sich dafür bedanken? Er zuckte die Achseln, unds chüttelte den Kopf sanft. Trotz seiner Geste, die verdeutlichte, dass ihm nichts an einem Danke lag, hatte er doch einen innerlichen Wunsch... mit einem Kuss, dachte sich Piso. Jawohl, den hätte er sich durchaus verdient! Und, Potzblitz, sie beugte sich vor! Ja, würde sie denn? Nein, sie hielt inne! Hatte sie sich anders entschieden? Piso brach der Schweiß aus, und umso mehr, als Prisca plötzlich die Schriftrolle ansprach. Und sich dabei noch weiter vorbeugte, Piso dabei einen unbeschreiblichen Blick in ihren Ausschnitt bietend. Der Flavier schluckte. Was nun, sprach Zeus?
    “Ein Geschenk? Äh... nein, ist was Berufliches.“ Er ließ die Rolle Rolle sein, hoffte, dass Prisca nicht weiter nachhaken würde, und beugte sich seinerseits ein wenig vor. “Ich... ich hätte dir natürlich etwas mitgebracht... wenn ich gewusst hätte, dass du hier bist... ich hätte sicher...“ Der Redefluß stockte, seine Rhetorik versagte, als er festellte, dass sein Gesicht ganz knapp schon bei Prisca war. Ach, ohne diese nervige Sklavin als Beobachterin hätte er sich jetzt auch wohler gefühlt.
    “Ich...“ Wo war sein Schneid geblieben? Ach. Er erhob seine rechte Hand und fuhr ihr damit durchs Haar, ihren Nacken ertastend, wo sie ruhen blieb.
    Und dann, ja dann, dann tat Piso etwas unbeschreiblich Dämliches.
    Er brachte sein Gesicht nach vorne, spitzte seine Lippen leicht an und küsste sie auf den Mund.

  • … einfache Gedanken einer unbedeutenden Sklavin die, unbeachtet von der Welt in einem Garten römischer Adeliger, 860 a.u.c. die Harfe spielte ...
    Nein nein, natürlich muss der Ädil jetzt nicht gestört werden. Nein warum denn auch? Wohl eher hätte der Ädil jetzt nur gestört, wie? Was findet die Aurelia nur so toll an diesem Flavier? Ach nee, das Lob für das Harfenspiel bekommt auch sie? Obwohl ich es bin, die sich hier die Finger wund spielt. Und wie dankt man es mir? Durch Nichtbeachtung. Pah! Weiß doch jeder, dass es sich für die Herrschaften nicht ziemt selbst ein Instrument zu spielen. Aber das interessiert diesen Rüpel vom Markt wohl kaum. ... "Na gut, dann kann ich ja aufhören wenn ich hier nicht mehr gebraucht werde"… Oh was geschieht nun? Das ist ja unfassbar! Sind die beiden noch zu retten? Warum reißen sie sich nicht gleich auf dem Forum Romanum die Kleider vom Leib?! Ich glaub´s ja nicht, was macht die Aurelia denn da! Will sie ihn etwa küssen? Nein doch nicht, puh! "Ehm … Herrin, pass auf! Dein Badekleid ..." Oh ihr Götter sie hat doch kaum etwas an! Und der Flavier? Wo starrt er denn nun wieder hin? Na das war ja so was von klar! "Hallo?!" Was macht er denn jetzt? Er wird doch nicht??? … Unfassbar, er wagt es tatsächlich sie sie einfach zu küssen. Herrje, was soll ich denn jetzt nur tun? Soll ich Hilfe holen, um Hilfe schreien wenn es die Aurelia schon nicht tut? …oh nein, das sehe ich mir nicht länger mit an ...
    … und schließlich zu dem Entschluss kam, dass es manchmal besser war die Herrschaften in Ruhe zu lassen und lieber ganz still und heimlich zu verschwinden. ...



    Prisca bekam von Sabas Worten und ihrem heimlichen Verschwinden nichts mit. Überhaupt realisierte sie momentan recht wenig, angesichts ihrer leicht vernebelten Sinne. Sie hatte nur Augen für den Flavier, denn ansonsten hätte ihr eigentlich bewusst sein müssen, wo sie sich gerade aufhielten (jedenfalls nicht anonym in irgendeiner kleinen Buchhandlung, wo es sicherlich weniger auffällig gewesen wäre) Ob es Piso auch so ging ... mit seinen Gefühlen? Ganz unwohl scheint er sich jedenfalls in meiner Nähe nicht zu fühlen, stellte Prisca zufrieden fest, auch wenn ihr durchaus seine etwas zurückhaltende Art auffiel. Er will tatsächlich keinen Dank für sein wundervolles Gedicht? Oder war er gar abgelenkt durch diesen geheimnisvollen Gegenstand den er geschickt verborgen hielt?


    Nur etwas berufliches? So so. Warum stotterst du dann so? Pisos verzweifelte Erklärungsversuchte brachten Prisca erst dazu, ihn ein wenig necken zu wollen. Hätte er ihr nicht einfach erklären können, um was es sich da hinter seinem Rücken handelt? Warum versteckte er es überhaupt, wenn es sich doch nur 'etwas berufliches' war. Ist es gar etwas unsittliches? Na wenn schon - um die guten Sitten in Rom war es doch ohnehin nicht gut gestellt! Zumindest wenn man den Stimmen vom Land Glauben schenken wollte. Wozu also diese Geheimniskrämerei? Das machte Prisca nur neugierig und sicher hätte sie es verstanden, schließlich war sie weder dumm noch ein kleines Kind mehr. Ob der Flavier überhaupt eine Ahnung hatte, was für Schriften Prisca schon alles gelesen hatte? Sicher nicht! … Und das war auch gut so. Aber einen Versuch, es ihr zu erklären, hätte er nun wirklich unternehmen können! Aber was tat er stattdessen?


    Prisca spürte, wie Piso mit seiner Hand in ihren Nacken fuhr und sie fest zu sich heran zog und noch ehe sie völlig klar sehen konnte, wurde ihr überraschtes Seufzen auch schon von seinen Lippen erstickt. Wie kann ER es wagen, was fällt IHM eigentlich ein? Mich zu küssen … oh … ohh ,… Alle zehn Finger hätten nicht mehr ausgereicht um aufzuzählen, wie oft Prisca dem Flavier dafür eine Ohrfeige hätte verpassen müssen. Eigentlich. Für diese, … seine unverfrorene, unverschämte, unzüchtige,…Oh nein, für seine … seine wundervolle, mutige, herrlich sinnliche Tat. Er … Er küsst mich! … Tatsächlich … wow! … Prisca riss die Augen auf und schloss sie augenblicklich wieder. Die rechte Hand, mit der sie eigentlich gerade zuschlagen wollte, fuhr lediglich zitternd durch Pisos Haar, verwuschelte es dabei mit einigen fahrigen Bewegungen und fand letztendlich an seiner Schulter genügen Halt. Was wird aus meiner Ehre? … Meinem Onkel? Prisca war unfähig, von sich aus diese wundervolle Vereinigung wieder zu lösen, geschweige denn an irgend etwas vernünftiges zu denken. Alles verblasste angesichts dieses wunderschönen Augenblicks in seinen Armen.


    Und weiter? Von Vorteil wäre es sicher das Atmen nicht vollständig zu vergessen und deshalb holte Prisca mit einem langgezogenen "mmmmmh Seufzer durch die Nase wieder Luft. Ihre Lungen brannten und das Herz schlug ihr bis zum Hals. … mmmmehr! Bitte!! Nicht aufhören ... Zusammen mit diesem Wunsch schmiegte sich Prisca noch ein wenig mehr an und rieb sich gegen Pisos Brust (ungeachtet dem Badetuch, welches zu verrutschen drohte) wodurch er nun deutlich spüren konnte, was er sich zuvor schon angesehen hatte. Wenn es schon dieser eine verbotene Kuss sein sollte, dann wollte sie es auf alle Fälle bis zum letzten Atemzug auskosten, … womit es wiederum an Piso wäre zu entscheiden, wann er diesen Kuss würde enden lassen wollen ...



    [SIZE=7]edit: mit der Jahrezahl (1. Zeile) durcheinander gekommen ;)[/SIZE]

  • Flavius Piso. Ein Sklave hatte seine Ankunft vermeldet, und ich hatte zunächst den Brief zu Ende diktiert, ehe ich mich auf den Weg ins atrium gemacht hatte. Doch dort war keine Spur des Flaviers zu sehen gewesen. Eine Befragung Leones hatte auch keinen Aufschluss über den Aufenthalt des Flaviers gegeben, ich wusste lediglich, dass er das Haus nicht wieder verlassen hatte. Ich nahm also Platz und machte mich bereit zu warten - in der Annahme, dass ein dringendes Bedürfnis ihn dazu veranlasst hatte, sich von einem Sklaven den Weg zu den Latrinen weisen zu lassen. Doch gerade, als ich mich wieder erhoben und beschlossen hatte, dass ich die Wartezeit auch mit einem weiteren Diktat verbringen konnte, lief mir Saba in die Arme. Sie starrte mich entsetzt an und wich meinem Blick dann beschämt aus. Offensichtlich wollte sie sich in Luft auf lösen oder, sofern das nicht klappte, mir schnellstmöglich entkommen. Ich fand das Verhalten etwas merkürdig, fragte sie aber dennoch. "Saba, hast du Flavius Piso gesehen?" fragte ich sie. "Oh", machte Saba und verzog den Mund. "Ja, den hab ich gesehen...." Ich atmete tief durch. "Und hättest du wohl auch die Güte..." "Im hortus, dominus!" "Danke, Saba." Die Gute verschwand recht schnell, und ich wunderte mich, was der Flavier wohl im Garten tat. Gemessenen Schrittes machte ich mich auf den Weg. Ein Gespräch im Grünen war mir recht, denn es war Frühling, und alles spross und gedieh. Bald hatte ich das Peristyl erreicht. Und kurz darauf trat ich auf den Kiesweg, der sich durch den Garten schlängelte. Um wie vom Donner gerührt stehen zu bleiben.


    Flavius Piso. Meine Prisca. Eng umschlungen. Leicht bekleidet. Mein Mund klappte auf. Dann begann das brodeln tief in meinem Inneren. Es spielte keine Rolle, dass Prisca den Kuss offensichtlich erwiderte. Es spielte keine Rolle, nicht die geringste! Er bedrängte sie, dieser Flavier, und sie war noch nicht einmal gesellschaftsfähig gekleidet! Steif, aber energisch ging ich den beiden entgegen. Meine Wut überdeckte alles andere, auch wenn ich versuchte, mich zumindest im Ansatz zu kontrollieren. "Flavius!" zischte ich scharf und streckte bereits die Hand aus, um ihn wenig sanft von ihr zu lösen, sollte er nicht selbst auf die Idee kommen, schnellstmöglich einen gewissen Abstand zwischen sich und meine Nchte zu bringen. Zornig - und eifersüchtig - funkelte ich ihn hernach an, nicht ohne mich zuvor vor Prisca geschoben zu haben. Ich sagte nichts weiter. Ich wartete auf eine Erklärung, und die hatte von ihm zu kommen, nicht von ihr. Ganz allmählich sickerte noch etwas in meinen Geist. Die Enttäuschung. Ich hatte immer gewusst, dass ich Prisca irgendwann nicht mehr halten konnte, und vor diesem Tag fürchtete ich mich. Nun schien es so, dass er näher gerückt war, ohne dass ich ihn hatte kommen sehen. Und gerade in dieser Situation, in meiner Trübsal, wog diese Erkenntnis hundert mal schwerer als ohnehin schon. Und demjenigen, der mich getrogen hatte, hatte ich noch eine Empfehlung ausgesprochen.


    Flavius Piso.

  • Aaaaah.
    Das war wundervoll.
    Oh, ja, das war da direktgehend, Mensch Meier, fantastisch!
    Der Flavier dachte nicht an die Konsequenzen nach, die sein Handeln nach sich ziehen könnte. Seine Impulsivität war in ihm durchgekommen. Die Sklavin verzog sich, sah er aus seinen Blickwinkeln, doch das störte ihn nicht weiter. Schließlich war sie unbedeutend, klein, faselte Abstrusitäten, und war vor allem sehr störend durch ihre Präsenz. Er wollte sie nicht in seiner Umgebung haben.
    Was er wollte, war, das hier zu genießen.
    Zuerst hatte er sich ja gedacht, sie würde ihn schlagen, und eine dumpfe Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte, dass sie damit sehr wohl Recht gehabt hätte. Denn was er getan hatte, das war schon enorm frech gewesen. Aber auch enorm... hammer... ja, er fühlte sich, als ob man ihm einen Hammer an den Kopf gehauen hätte. Vor Pisos geistigen Augen bildeten sich Plüschgebilde, die lustig-flockig vom Himmel runterpurzelten.
    Er war noch immer dabei, sie zu küssen. Und dieses Mal... berührte sie seinen Kopf. Ein Schauer durchfuhr den Flavier, als er seine zweite Hand an ihren Rücken legte, ganz leicht, und bemerkte, wie sie ihm durch die Haare strich... über den Kopf... wie sie ihn an der Schulter berührte... wie fühlte es sich an, fragte er sich innerlich?
    Die Antwort war – guuuut. Enorm. Das war jetzt einmal etwas, was er bis zum Ende seiner Tage in seinem Herz behalten würde, hach ja, er fühlte, wie er aufblühte, wie die Musen ihn umschmeichelten, wie die...
    Huch, da trapste ja was hinter ihm.
    Ah. Sicher war es Amor auf leisen Füßen.
    Aah. Oder Venus, gekommen, sich zu entschuldigen für die Abweisung seines Opfers.
    Aaah. Oder aber die Musen, gekommen, um ihm ihre Aufwartung zu machen?
    Aaaah. Vielleicht auch die Parzen, gekommen, um ihn freundlich zu belächeln ob dieses Punktes im Schicksal, welches...
    AAAAAH! Es war Aurelius Corvinus!


    Wie in einem wahnsinnigen Zeitraffer zog sich das wundervolle Traumgebilde des Flavius Piso sich in Nichts zusammen. Weg war der Plüsch, weg die Wonne, weg das weiche Gefühl der Annehmlichkeit. Eine innere Implosion fühlte er in seiner Seele, als er sich ruckartig von Prisca löste, mit einem lauten Geräusch nach Luft japste, sich herumdrehte und dabei von der Liege fiel.
    Er kam nicht hart auf, schließlich war dort Wiese, und weiches Erdreich; trotzdem stieß er ein “G...g-ga!“ aus als Zeichen der Erschrockenheit. Immerhin hatte er sich mit beiden Armen noch an der Lehne festhalten können, sodass er sich sofort, noch immer in einem Schockzustand, hochziehen konnte. Mit ihm war auch die vermaledeite Schriftrolle heruntergepurzelt, fiel ihm auf, als er aufstand, schluckte und sich zu Corvinus hindrehte.
    Hinten an seiner Tunika befand sich nun ein grün-brauner Fleck, auch teilweise auf seiner Toga (welche er ja angezogen hatte). Die selbe war nun komplett zerknüllt. Das schlimmste aber war die sichtbare Beule, die sich unten an der Tunika am Stoff abzeichnete. Piso drapierte ungeschickt die Toga erst einmal so, dass dieser Makel unzulänglich verdeckt wurde.
    Ähh..., hub er dann zu sprechen an. Jetzt aber musste er knallrot sein, wenn er es noch nciht vorher gewesen war. “Nun... öh... ja... salve, Aedil, und es schaut alles ganz anders aus, als es ist! Ich kann alles erklären!“
    Oh, Magna Mater! Gib mir eine Eingebung!, dachte er, als er nochmals schluckte.

  • Endlich! - Endlich hatte Prisca einen gewissen Rhythmus gefunden, wie sie Luft bekäme und sie beide gleichzeitig ihre Lippen weiter aufeinander pressen, daran saugen und wieder lösen konnten, … immer und immer wieder. Mmmmh ist das schön! Ob Piso glücklich ist? So wie ich es bin? ... Oh, es fühlt sich einfach nur … wundervoll an, so schön, ... in seinen Armen liegen zu dürfen, seine weichen Lippen zu spüren und ihm ganz nah zu sein. Dieses herrliche Gefühl mit ihm zusammen zu schweben, immer höher und höher, hinauf in ungeahnte Regionen der Lust und weiter bis in den Olymp der L …, der L ... Verdammt! Kann es wahr sein? Dort oben, verborgen hinter den bunten Wolken, liegt da der Höhepunkt - der Zenit der Lust und L …, den wir nur zusammen erreichen können? Mit wem, wenn nicht mit Piso! … Oh bitte Venus, bitte lass diesen Traum in Erfüllung gehen, damit dieser eine Kuss niemals endet, seuftze Prisca leise während sie sich weiter an Piso anschmiegte und sich gar nicht mehr von ihm lösen wollte.


    Besser wäre es aber, denn mittlerweile war Prisca von diesem einen Kuss so berauscht, als hätte sie sämtliche Vorräte an Opiaten der Aurelier auf einmal geraucht. Zweifellos wäre ihr Onkel nicht sehr erfreut darüber, wenn all die kostbaren Kräuter und Mixturen plötzlich aus der hauseigenen Apotheke verschwunden gewesen wären. Allerdings wäre er noch weitaus weniger entzückt, wenn er seine Nichte hier so sehen würde. Tut er aber nicht! … zum Glück , seufzte Prisca nur während sie mit geschlossenen Augen weiter an Pisos Lippen hing. Das hier war eine völlig neue und wundervolle Erfahrung für sie und hoffentlich auch für den … "Flavius!..."


    Genau! Wobei Prisca den Gensnamen von Piso niemals derart scharf und zischend in den Mund genommen hätte wie, Moment mal! Die Stimme kenn ich doch … "Marcus?! Oh nein!!! Prisca war in der ersten Sekunde so perplex, dass ise nur einen überraschten Laut ausstoßen und mühsam das Badetuch fest halten konnte, um nicht völlig entblößt dazustehen. Wie aus dem Nichts war ihr Onkel erschienen und er fuhr zwischen sie wie der leibhaftige Göttervater. Beim Jupiter! Ganz deutlich konnte Prisca die Blitze vor Augen sehen, die Marcus in Richtung des Flaviers schleuderte, so dass dieser wie vom Donner gerührt von der Liege plumpste. "Nein nicht!" - Du meine Güte was macht er da? Mein Onkel. Als sie das sah wäre Prisca am liebsten schützend vor Piso gesprungen, wenn nicht Marcus bereits zwischen ihnen gestanden hätte und …


    ...Ohhh, dieses blöde Badetuch! Warum muss es ausgerechnet jetzt rutschen?! Gerade noch konnte Prisca es mit beiden Händen festhalten, um es hastig wieder neu zu ordnen. "Marcus? Bitte, … Marcus! Lass mich es erklären … Peinlich genug war diese Situation allemal und es entbehrte wohl jeglicher Erklärungsversuche ihrerseits. Marcus war sichtlich erbost Vielleicht zurecht, aber verstehen konnte und wollte sie es nicht. Nicht jetzt."Marcus, es … ist doch nichts passiert. Frag Saba, sie war die ganze Zeit über hier!" Apropos, wo war die Sklavin überhaupt abgeblieben? Flüchtig nur sah Prisca sich nach ihr um, denn letztendlich könnte eine Sklavin ohnehin nichts bezeugen.


    Schließlich gelang es Prisca, mit einem Seufzer der Verzweiflung, das Tuch endlich wieder fest zu verknoten, sodass sie nun beide Hände frei hatte um damit am Ärmel ihres Onkels herum zu zupfen. Wie kannst du mich nur so blamieren Onkel! Piso wird mich nie wieder ansehen, geschweige denn anfassen, wenn du ihm jetzt etwas antust. "Marcus ich bitte dich! Was ist denn daran so schlimm? Wir haben uns doch nur geküsst ...", schluchzte Prisca immer wieder und dabei sah sie ganz verzeifelt zu Marcus hoch in der Hoffnung, er würde endlich von ihr Notiz nehmen und ihre Worte als die erlösende Erklärung akzeptieren ...

  • Ganz offensichtlich begriff der Flavius recht schnell, dass es besser war, wenn er sich selbst von meiner Nichte löste. So ließ ich, nachdem er zurückgesprungen und während er von der Liege purzelte, meine Hand unverrichteter Dinge wieder sinken - und ehe ich etwas damit tat, was mir später noch leid tun würde. Der Flavier...nun, er gackerte, was mich etwas befremdete. Ich selbst hatte mich schützend vor Prisca aufgebaut, die soeben hastig ihr Tuch wieder zu befestigen suchte. Sie war es, die zuerst die Sprache wiederfand - und sogleich den dreisten vigintivir verteidigte. Mir war, als würde ich ihre Worte wie durch Watte hindurch hören. Er ging sie derart harsch an und sie nahm ihn in Schutz? Inzwischen hatte sich auch Flavius Piso wieder aufgerappelt. Ich hatte einen Arm nach hinten gebogen, um Prisca hinter mir zu halten. Er sollte sie nicht noch einmal so sehen. "Da bin ich gespannt", knurrte ich ihm eine Antwort entgegen. Priscas Beteuerungen ignorierte ich geflissentlich. Erst, als sie mich am Ärmel zupfte, wandte ich mich halb zu ihr um. Schluchzte sie etwa? Sie würde doch wegen dieses Lüstlings nicht weinen, oder doch? Überrascht sah ich sie an, doch die Bitterkeit konnte ich nicht ganz aus meinen Augen verdrängen. "Du wirst dich anziehen gehen", sagte ich und versuchte so zu klingen, als sei das ein Befehl. Doch selbst in meinen Augen klang es schlichtweg seltsam, nicht nur, weil ich leise gesprochen hatte, sondern auch weil es befremdlich für mich war, in diesem Ton mit Prisca zu reden. Nichtsdestotrotz setzte ich ruhig ein Wort hintenan. "Sofort." Und Flavius Piso ließ ich keine Sekunde aus den Augenwinkeln.


    Ich selbst fühlte mich...nun, erschlagen traf es wohl am ehesten. Dies war eine Situation, mit der ich nicht gerechnet hatte. Nun mochte man denken, dass ein Kuss tatsächlich nichts Schlimmes war, nicht etwas, das meine Reaktion rechtfertigte. Doch erkannten wohl die wenigsten, wie viel mir Prisca tatsächlich bedeutete. Ich war in diesem Moment mehr als ihr Onkel. Ich war ihr Bruder, ihr Vater, ihr Freund und ihr Beschützer - zumindest sah ich mich so. Und nicht zuletzt war sie meine Vertraute. Die einzige, die ich hatte, und die einzige, der ich wohl jemals so sehr vertrauen würde wie ich es tat. Und auch wenn dies hier nur ein Kuss war, so erinnerte ich mich noch peinlichst genau an die Worte des Flaviers über Prisca, die, gepaart mit seinem Auftritt heute und der Tatsache, dass er ledig war und aus gutem - geeignetem! - Hause stammte, mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Trotz meiner beabsichtigt halbherzigen Versuche, einen geeigneten Ehemann für Prisca zu finden - und trotz der in diesem Falle glücklichen Fügung des Verschwindens meines Freundes Aquilius - schien sich hier etwas anzubahnen, das ich nicht mehr verhindern konnte. Insofern blieb es mir nur übrig, verletzt zu schnauben, als Prisca von "nur einem Kuss" sprach.


    Es ließ sich also darauf schließen, dass - wenn ich auch nur geahnt hätte von Floras Techtelmechtel mit dem schwarzen Sklaven - ich vermutlich einen Herzinfarkt bekommen hätte.

  • Oh ja, Piso hatte sich glücklich gefühlt, so glücklich wie schon seit einer sehr langen Zeit nicht mehr. Das war das Leben gewesen, er hatte es gefühlt. Geküsst hatte er in der Zeit, seit der er in Rom war, was schon ziemlich lange nun war... nicht Serrana. Sie hatte ihn nicht ranlassen. Warum eigentlich, dachte er sich, als er noch immer Corvinus anstierte. Genau, Axilla. Aber war das echt gewesen? Sie waren beide in einem Rausch des Begehrens gefangen gewesen... jetzt eben nicht, fragte er sich, als er die Erregung, die er gerade noch gespürt hatte, komplett in sich abebben fühlte. War da mehr gewesen als nur Lust? War es?
    Doch er hatte keine Zeit, in sich hineinzuhorchen und nachzudenken. Priscas Worte kamen ihm an die Ohren... nein, rief sie. Es ist nichts passiert. Nicht schlimm. Nur geküsst...
    Nur. Piso schluckte abermals, als ob dies ein neuer Tick wäre von ihm. Er fühlte sich sehr unbehaglich in seiner Haut. Es mochte so erscheinen, dass Corvinus komplett überreagierte. Aber er vollzog den Zorn doch nach – schließlich erschien ihm Corvinus sehr dominant, ein wenig wie ein vielleicht ein wenig netterer Furianus. Naja, viel netter. Furianus hätte ihn in einer solchen Situation umgebra... nicht umgebracht, sondern ihm zuerst noch die Haut vom Leibe gezogen und sie vor Pisos Augen verbrannt. Oder so. Und die Erfahrung, die Piso mit Haustyrannen hatte, brachte ihn nun auch dazu, den Duckmäuser zu spielen. Es erschien ihm das intelligenteste in dieser Situation.
    Was war das? Prisca schluchzte. Sie weinte. Seinetwegen. Sie war besorgt um ihn. Um ihn. Sein Mund öffnete sich ein wenig, als er versuchte, hinter Corvinus etwas von ihr zu erhaschen. In seinem Herzen wurde es warm... für einen Moment... einen winzigen Moment lang war es greifbar, dieses L-Gefühl.
    Doch entzog es ihm sich wieder, fast wie von den Fingerspitzen weggleitend, als Piso wieder in Corvinus‘ Augen schaute. Sie sahen stählern aus. Sauer war der Aurelier auf jeden Fall. Piso hatte keine Ahnung von den interfamiliären Verschachtelungen und Arrangements innerhalb der gens Aurelia, doch musste es so sein, dass Prisca in irgendeiner Weise eine Protegée des Corvinus war.
    Na, das hatte er jetzt ganz fein gemacht. Jetzt bloß nicht fortrennen. Er nahm seine ganze verbliebene Courage (...erbärmliche Reste) zusammen, atmete ein und antwortete.
    “Äh.“ Eloquent Aulus, fast so eloquent wie die Hennennachmachung von grade eben. “Ich... nun ja... bin hierher gekommen, um dich zu sprechen... dann bin ich in den Hortus gegangen, als ich wartete. Dort habe ich Prisca gesehen, und wir haben uns angesprochen, und eines führte zum anderen, und...“
    Wie weiter? Was sollte er tun? Für einen winzigen Moment dachte er daran, Prisca die Schuld zuzuschieben, und zwar für alles, was geschehen war, sich irgendwie kompliziert rauszureden. Doch das würde in die Hose gehen. Also beschloss er, alles auf eine Karte zu setzen, machte ein verzweifeltes Gesicht und warf seine Hände leicht nach oben.
    “Es ist alles meine Schuld! Ich bin für all dies verantwortlich, nicht Prisca! Sie trifft keine Schuld, dass es soweit kam, sondern mich! Bitte, bestrafe sie nicht!“ Was war, wenn der Kerl sie in ein Loch warf, ähnlich wie das, welches man in der Villa Flavia hatte?
    Er duckte sich nieder, fast, als wollte er sich vor Corvinus zu Boden werfen und ihm die Füße, um Gnade für Prisca winselnd, abschlecken. Allerdings hob er etwas vom Boden auf... dem Himmel sei Dank war es noch nicht soweit, dass ein Patrizier einen Kotau machen musste.
    Es war die Schriftrolle, die unselige Schriftrolle. Die mit den zu verbrennenden Büchern oben drauf. Die, die mit Piso zu Boden gefallen war.
    Der Flavier umklammerte sie mit der rechten Hand wie ein lebensrettendes Seil. “Ich... ich habe hier Arbeit...“, krächzte er. “Verbotene Bücher... es ist die Liste, die ich dir bringen sollte, und die wir gemeinsam durcharbeiten sollten...“ Vielleicht hielt dies nicht nur als Erklärung her, was er hier ursprünglich machte, sondern auch ein passables Ablenkungsmanöver? Wäre doch schön; auch wenn die Hoffnung dünn war.

  • Natürlich wusste Prisca wie viel sie ihrem Onkel bedeutete und sie wiederum liebte ihn - zwar nicht wie Helena es getan hatte - aber doch mit einem Gefühl tiefster Zuneigung und Verbundenheit. Marcus war so viel mehr als nur 'der Onkel'. Er war ihr bester Freund, ihr Vertrauter und Beschützer in einer Person. Jemand an den sich Prisca anschmiegen wollte und konnte, wann immer sie Zeit für einander hatten. Und ausgerechnet ihm fiel sie nun auf so schändlliche Weise in den Rücken und verletzte ihn damit, ohne es selbst zu merken. Unter normalen Umständen hätte es Prisca sofort gespürt, beziehungsweise wäre es ihr nie in den Sinn gekommen so etwas tu tun. Aber hier und jetzt waren ihre Sinne einfach zu vernebelt von diesem einen Kuss des Flaviers, der ihr so viel bedeutete.


    Die Aufforderung sich sofort anziehen zu gehen, überhörte oder ignorierte Prisca deshalb, irgendwie, obwohl es eigentlich ein klarer Befehl von Marcus gewesen war. Eigentlich! Wie zum Trotz blieb Prisca hinter ihm stehen und hielt sich stattdessen an seinem rechten Arm fest. So als wolle sie ihn daran hindern, etwas zu tun was er bereuen könnte. Womöglich hielt ihn das davon ab den Flavier zu schlagen, womöglich drückte sein verächtliches Schnauben jedoch nur aus, wie enttäuscht er in Wirklichkeit von seiner Nichte war. Zu recht? ... Diese Bitterkeit in seinen Augen, die Prisca kurz sehen konnte - ja - sie sagte so viel mehr aus, als alle Worte der Welt. Prisca verstummte mit einem Mal und stattdessen klammerte sie sich einfach nur an ihn, in der Hoffnung er würde sie nicht von sich stoßen….


    Oder wollte Marcus stattdessen dem Flavier einen Stoß versetzen, da dieser nun endlich Worte fand um alles zu erklären. Wirklich alles!? ... Oh ja!! Piso erklärte es so, wie es gewesen war und das war gut so! Und er nahm tapfer die ganze Schuld auf sich, was sollte er auch anderes tun. Wirklich? … Da war so ein kleines Zögern in seiner Stimme, ein flüchtiger Moment nur, den er inne hielt wärend eine Augenbraue der Aurelia langsam nach oben wanderte. Kann es sein, dass er mir die Schuld geben will?, begann Prisca sich ernsthaft Gedanken zu machen, über ihr womöglich zu freizüges Verhalten ...


    Und dann das! "W.was??? … wie bitte???", entfuhr es Prisca spontan ganz laut und Marcus war in dem Moment wohl der Einzige, der deutlich spüren konnte wie der Verstand in seiner Nichte langsam wieder zu arbeiten begann, da ihre Finger ziemlich unbeherrscht in seinen Unterarm gruben. Ich glaubs ja nicht!!! .. Nachdem nun alles gesagt war hatte Piso anscheinend nichts besseres vor als mit dieser komischen Schriftrolle herum zu wedeln, so als wolle er nun endlich zur Tagesordnung übergehen, weswegen er eigentlich hergekommen war.


    Priscas Unterkiefer klappte ungebremst herunter und zum Glück stand ihr Onkel vor ihr, um dieses Bild des Jammers zu verbergen, welches sie augenscheinlich bot. Das war nun ganz und gar nicht das was sie erwartet hatte, das er sagen würde, oder zumindest gehofft hat, dass er es sagen würde … wie konnte sie nur …


    Wie konnte ich nur so blöd sein ihn zu küssen. Was habe ich denn erwartet? - Dass er zu erklären versucht ,wie viel ihm dieser Kuss bedeutet, wie viel ich ihm bedeute? Dass er mich begehrt und er sein Verlangen nach mir einfach nicht mehr zügeln konnte, oder wie soll ich diesen Erhebung da, unter seiner Tunika sonst deuten? Dass er mich L … also, dass er mich … mich am Ende gar …. Prisca begann erneut zu schluchzen, aber dieses mal war es aus einem ganz anderen Grund. Verflogen waren mit einem Mal alle Schmetterlinge in ihrem Bauch (zumindest für heute). Sie fühlte sich zutiefst verletzt in ihren Gefühlen, die sie immer noch für Piso hegte, wie von ihm benutzt und einfach weggeworfen. Du Schuft! Es geht dir jetzt tatsächlich nur um deine Arbeit? Um diese blöde Schriftrolle, mit den noch blöderen Büchern, die du mit Marcus durcharbeiten wolltest??? … Und was ist mit dem Kuss den du mir gegeben hast Und der Prisca wirklich viel bedeutete! Sehr viel! Sonst wäre sie jetzt niemals so aufgebracht, wie sie es war.


    In ihrer ganzen Verzweiflung stieß Prisca einen leisen Schrei aus und sie versuchte mit Leibeskräften an Marcus vorbei zu kommen, um diesem … diesem Na warte! Du Schuft!, Genau, …um diesem Flavier endlich die Ohrfeige zu verpassen, die längst überfällig war und die er eigentlich schon hätte bekommen müssen, als er es gewagt hatte ihre Lippen überhaupt zu berühren. Wenn es nur nicht so schön gewesen wäre! Prisca fühlte sich, als hätte man sie zuerst in warme Decken gehüllt und gleich darauf ins kalte Wasser geschmissen. Wenigstens war sie jetzt klar bei Verstand und es war ihr schlicht egal, wie der spontane Wutausbruch auf die beiden Männer wirken mochte, .... jedenfalls sagte man den Aurelierinnen nicht umsonst ihre Heißblütigkeit nach ... und von der würde Piso sich nun überzeugen können, sofern Marcus sie nicht davon zurück halten würde ...

  • Gewiss war dies hier eine seltsame Situation. Das war sie für uns alle. Dennoch hatte ich nicht vor, es Piso auch nur ein Stückchen weit angenehmer zu machen, indem ich ihm gar entgegen kommen würde. Ich reckte angriffslustig ein wenig das Kinn vor und wartete. Seine Erklärung besänftigte mich nicht im Mindesten. Im Gegenteil zogen sich meine Brauen unheilverkündend zusammen, während er sich erklärte. Er war also ins atrium gebeten worden und dann eigenmächtig in den Garten vorgestoßen? Ich sah ihn finster an. "Und dringst du des Öfteren ungebeten in die Gefilde eines fremden Hauses ein, Flavius?" erkundigte ich mich scharf, während ich noch immer zwischen ihm und Prsica stand. Etwas befremdlich sah ich ihn an, kaum dass er von Bestrafung sprach. Wieso auch sollte ich Prisca strafen? Sie konnte von allen doch am wenigsten etwas für diese Misere! Und dann verbeugte sich der Flavius vor mir und hob eine Schriftrolle auf. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn dabei. Er war der Arbeit wegen hergekommen - ich durchschaute ihn dennoch. Gewiss hatte er selbige nur mitgebracht, um eine Ausflucht zu haben!


    Prisca hinter mir rührte sich immer noch nicht. Ich wollte eben nochmals darauf hinweisen, dass sie sich besser rasch entfernen und umziehen sollte, als ich merkte, wie sie brodelte. Mein eben noch strenger Blick auf sie spiegelte nun kurze Überraschung wider, dann trat die Erkenntnis hinein, als ich sah, dass Prisca vor Ärger zitterte und nicht etwa vor Scham oder weil sie fror. Gut und gern wäre ich nun beiseite getreten, um sie auf Flavius Piso loszulassen - denn sie machte den Anschein, als würde sie ihn postwendend niederringen. Ein grimmiges, kurzes Grinsen trat auf mein Gesicht, und ich machte wider besseren Wissens einen Schritt zur Seite. Dagegen konnte ich mich nicht wehren, auch wenn es der Anstand geboten hätte, Prisca hineinzuschicken, damit sie den lüsternen Blicken des Flavius Piso verborgen blieb. Kaum dass der Schritt getan war, überdachte ich die Situation nochmals. Es war eindeutig nicht richtig, Prisca nicht fortzuschicken. Und doch hatte ich in diesem Moment eine morbide Freude daran, Prisca bei ihrer Rache für den offensichtlich geraubten Kuss zu betrachten - so sehr, dass ich finster grollend sogar leicht grinste, während ich abwartend die Arme vor der Brust verschränkte.

  • Corvniuns machte ein ganz gemeines Gesicht, und der „dreiste Vigintivir“ musste sich beherrschen, um nicht eingeschüchtert den Kopf einzuziehen. Er wusste, der Aurelius war jetzt am längeren Hebel. Dies war sein Garten. Seine Nichte. Sein Grundstück. Piso sollte gar nicht hier sein. Er sollte im Atrium sein, nicht im Hortus. Vielleicht sollte er überhaupt nicht hier sein. Und vor allem hätte er ES nicht tun sollen.
    Die Nummer mit der Schriftrolle zog nicht, er spürte es. Sie vorher noch ausgestreckt gehabt, als würde sie ihm die geeignete Rettung bieten, ließ er sie sinken und starrte auf Corvinus. Prisca rief irgendetwas, aber Piso war sich nicht sicher, was es war. Der Aedil stellte ihm die selbe Frage, die er sich selber schon gestellt hatte. Was tat er überhaupt hier? Seine Arbeit, ja. Aber nicht im Hortus.
    “Ich...“ Er räusperte sich. “...ich habe ihre Stimme gehört, und sie hat so schön geklungen...“ Dass die Besitzerin ebendieser Stimme nun einen plötzlichen Gesinnungsschwank erlitten hatte, das ersah er nicht. Er konnte es nicht sehen, schließlich stand Corvinus noch immer vor ihr. Doch eines hörte er – die Verteidigungsreden Priscas waren verklungen.
    Er wollte noch hinzusetzen, dass er nicht gedacht hatte, dass es Corvinus etwas ausmachen würde, wenn er hier im Garten kurz wäre. Doch dazu kam er nicht mehr. Denn der Aurelier blickte zurück zu seiner Nichte, wieso, wusste Piso nicht – und machte unversehends einen Schritt zur Seite.
    Was sich nun vor Piso erschloss, damit hatte er nicht gerechnet. Es war eine wütende Prisca. Wütend, nicht auf Corvinus. Sondern auf ihn. Auf ihn, Aulus Flavius Piso, er erkannte es sofort. Sie sah so aus, als ob sie sich gleich auf ihn stürzen würde.
    Oh nein, schoss es ihm durch den Kopf. Alles verbockt. Alles. Sauber gemacht, Aulus. Ganz großartig, ganz fein hast du das angestellt. Von jetzt an wirst du einen großen Bogen rund um die Villa Aurelia machen müssen... so groß, dass du die Villa Flavia gar nciht mehr mal aus dem Hintereingang verlassen können wirst.
    Tschack, machte die Schriftrolle, als sie Pisos Händen entglitt und auf den Boden fiel. Sie musste einen Stein getroffen haben, oder sonst etwas. Jetzt war er also erreicht, der Punkt des totalen Versagens. Und er hatte sich schon Hoffnungen gemacht... Venus hatte wohl was gegen ihn, dachte er sich und öffnete den Mund. Heraus kam ein leises: “Prisca, es tut mir Leid... alles... es tut mir Leid.“ Er ließ den Kopf senken und presste resigniert die Augenlider zusammen. Egal, was jetzt kam, er würde es nicht sehen wollen.
    So, mit zugeschlossenen Augen, sah Piso gar nicht mal, dass Corvinus ihn nun so dermaßen deppert angrinste, dass jener dafür selber eine Ohrfeige verdient hätte.
    Piso hatte es nun also, wie man aus der Warte des objektiven Betrachters einwandfrei feststellen konnte, gründlich und fachmännisch versaubeutelt. Er hatte sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Es war nicht das erste Mal gewesen, doch er hatte sich selten so mies beim Runterpurzeln gefühlt, und so ertappt. Er konnte sich jetzt nicht einmal vor ihr hinstellen und sagen, dass er sie liebte, nicht einmal das, denn es würde nicht stimmen. Und Piso wollte Prisca nicht anlügen.

  • Das grimmige Grinsen ihres Onkels entging der Aurelia ebenso wie der erneute Erklärungsversuch des Flaviers. Prisca wollte nur noch eines, … weg von hier! Zuvor aber musste sie noch ihrer Wut irgendwie Luft machen. Einer Aurelia stahl man nicht einfach so einen Kuss und ging dann wieder zur Tagesordnung über, als sei nichts gewesen. Genau das tat Piso aber, zumindest in Priscas Augen, da er es nicht für nötig hielt ihr nun seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Stattdessen denkt der Kerl jetzt tatsächlich an diese blöde Schriftrolle ! An seine Arbeit?! … Er ist also doch nur wie all die anderen Männer auch, kam Prisca in ihrem ganzen Gefühlschaos (inklusive Selbstmitleid und verletztem Stolz) letztendlich zu dem Schluss, dass sie sich in Piso völlig getäuscht hatte. Welch eine Schmach und Demütigung war das für Prisca, nachdem sie sich so hatte gehen lassen. Nur ein einfacher Kuss und … weiter nichts? War ihre Ehre am Ende gar beschmutzt deswegen? Das machte Prisca wütend, sehr wütend, …so wütend, dass sie schnellen Schrittes auf Piso zu eilte - kaum, dass ihr Onkel zur Seite getreten war.


    Ach jetzt tut es dir auf einmal leid??, klang es ihr da höhnend aus seinem Munde entgegen und das setzte dem Ganzen die Krone auf. Mir ..mir sollte es leid, dass ich ..ich … dich L...aahhhrrr Wie von selbst wanderte Priscas Rechte nach oben und einen Wimpernschlag später landete diese schon auf Pisos Wange. Sie traf! Oh Wunder, ob nun fest oder nicht, das spielte kaum mehr eine Rolle. Eher war es ein halbherzig geführter Schlag doch er reichte aus, die Wut auf Piso so plötzlich verpuffen zu lassen, wie sie gekommen war.


    Oh nein! Die Aurelia erschrak zutiefst über ihre Tat, noch ehe sie die Finger fast streichelnd wieder von seiner Wange löste und so die leicht gerötete Stelle sichtbar wurde. Das … das wollte ich nicht! Verwirrt starrte Prisca Piso an und er,… erwiderte der Falvier ihren Blick überhaupt oder zog er es weiterhin vor, seine Augen vor ihr zu verschließen? Prisca konnte es nicht einmal mit Gewissheit sagen, da sein Gesicht bereits hinter einem Vorhang aus Tränen verschwamm. Niemals würde sie vergessen können wie schön es sich angefühlt hat, in seinen Armen zu liegen und seine Lippen zu spüren, entfacht die Sehnsucht nach mehr! .. Längst war es zu spät es leugnen zu wollen, dass sie … ich mich in dich verliebt habe … Soooo jetzt war es heraus, das Wort, mit 'L'. Zumindest war es ganz deutlich in Priscas Augen zu lesen, sofern Piso sie ansehen würde. Und wenn nicht, "Ich...ich hof..fe du w..weißt, wofür die war?! ...Mir tut es je..denfalls nicht leid ...", dich geküsst zu haben, schluchzte sie. Würden er und Marcus verstehen können, was sie in Wahrheit damit sagen wollte und was gerade in ihr vor ging? Hilfesuchend sah Prisca kurz zu Marcus, dann wieder zu Piso um schließlich völlig aufgelöst einfach davon zu eilen ...



    Sim-Off:

    @ Piso: entschuldige, der Schlag war nicht abgesprochen. Ich hoffe er ist trotzdem für dich in Ordnung ^^

  • Die Ohrfeige kam genau zu der Sekunde, in der Piso sie innerlich errechnet hatte, was durchaus eine bemerkenswerte Leistung war, wenn man bedachte, das ser nichts sehen konnte. Vielleicht hatte ihn der Wind den er kurz vorm Einschlag spürte, dazu geführt, dass er ihn vorausgesehen hatte. Doch trotzdem schaffte er es nicht mehr, reflexartig sich wegzuwerfen. Er hätte es auch gar nicht wollen, er würde, was jetzt kam, mit der selben stoischen Schicksalsergebenheit hinnehmen wie ein Märtyrer dieser Christianersekte im flavischen Amphitheater vor den Löwen.
    Doch irgendwie... war der Schlag nicht so, wie erwartet. Weh tat er natürlich, und zwar so, dass der von Natur aus eher wehleidige Piso vor Schreck die Augen wieder aufriss. Doch was dann kam, war... er konnte es nicht recht in Worte fassen... als ob sie ihm zärtlich noch die Hand übers Gesicht strich, nachdem sie dies getan hatte.
    War das ein Zeichen, dass sie ihm vergeben hatte? War das ein Zeichen, dass er noch hoffen konnte? Mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck, der höchstens aussagte, dass Piso keine Ahnung hatte, was er nun denken sollte, geschweige denn sagen. Prisca sah fürchterlich aus, schlimmer als er es tun müsste mit dem sicherlich rot glühenden Stigma, welches Priscas Hand ihm auf die Wange gebrannt haben musste. Fast war es ihm unmöglich, ihr Gestammel zu hören. Was sagte sie? Wofür das war... ja, er wusste es. Es war dafür, dass er sie geküsst hatte, ohne dass er selber in sich eine Regung der Liebe für sie verspüren konnte. Es war einfach NUR dafür, dass er sie geküsst hatte, verdammt noch mal.
    Priscas Blick geisterte eine Sekunde noch herum, bevor sie hastig davonstürzte. Piso unterdrückte den geradezu zwingenden Impuls in ihm, ihr noch etwas nachzurufen. Einfach nur ihren Namen zu rufen. Vielleicht hätte er es eh nicht können, wenn er es versucht hätte. Er fühlte sich... groggy. Als ob man ihm nicht nur eine nicht besonders deftige Watsche verpasst hätte, sondern, als ob ein Elefant ihm auf den Kopf getreten wäre.
    Eine, zwei, drei Sekunden blickte er noch Prisca nach, seine Lippen ganz leicht bewegend, ohne dass etwas rauskam, nicht einmal der kleinste Ton.
    Sie hatte gesagt, es täte ihr nicht Leid. Was tat ihr nicht Leid? Die Ohrfeige? Oder aber... der Kuss? Aulus, du bist ein Delusionist, hörte er eine Stimme in sich schnarren, als er seinen Blick zu Corvinus richtete und ihn merkwürdig indifferent anschaute.
    “Ich hoffe, jetzt bist du glücklich, Aurelius“, machte er mit verbissener Stimme. Er senkte seinen Kopf und ließ sie hernieder, um die Schriftrolle wieder aufzunehmen. Sie fest umklammernd, mühte er sich wieder hoch. “Ich hoffe, dass dir die Schau gefallen hat und du jetzt zufrieden bist.“ Dann wäre es wenigstens einer von uns, dachte er sich. Er streckte die selbe Schriftrolle aus, zu Corvinus hin.
    “Wollen wir jetzt endlich das hier durchgehen?“ Er konnte es selber kaum fassen, dass er jetzt noch an Arbeit dachte... aber hierzu war er hierher gekommen! Hierzu war er gewählt worden. “Sonst muss ich meinen Wählern erklären, dass ich nicht im Stande war, meine Aufgaben zu verrichten, weil der kurulische Ädil nicht arbeiten wollen hat.“ Seine Stimme war nicht, wie sonst so oft, voller luftiger Levität und heiteren Lebens, sondern hatte etwas von einem deprimierten alten Mann an sich.

  • Es war alles, nur ganz sicher nicht tugendhaft, dass ich mit vor der Brust verschränkten Armen daneben stand und, nun, nichts unternahm, als Prisca dem dreisten Flavius eine Ohrfeige verpasste. In mir jubilierte es, als ich seinen darauf folgenden Gesichtsausdruck sah, und doch war die Sorge um Prisca so groß, dass ich ihr um ein Haar postwendend gefolgt wäre, nachdem sie mich derart hilfesuchend angesehen hatte und anschließend davongestoben war. Ich hätte den Flavier stehen gelassen. Er mochte den Weg hinaus auch selbst finden, schließlich war er bereits ungeladen bis hierher gekommen. Doch wäre dies ein weiterer Punkt auf meiner Liste der Unmöglichkeiten, und nun, da Prisca vorerst außer Gefahr und vor den anzüglichen Blicken dieses...vigintivir geschützt war, wurde auch ich merklich ruhiger.


    Allerdings nur bis zu dem Punkt, an dem der Flavius seinen Mund auftat. Seine Worte nämlich ließen den schwer kontrollierbaren Zorn wieder aufflammen, und ich biss die Zähne zusammen, um kein falsches Wort zu entgegnen. Wenigstens so viel Stärke bewies ich in diesem Moment. Doch als der Flavier mir auch noch drohte, bröckelte mein Widerstand gegen die scharfe Entgegnung wie hartbackener Ton in ägyptischer Sonne. Auf mich machte er einen rachsüchtigen Eindruck, keinen deprimierten, was gewiss auch daran liegen mochte, dass ich Flavius Piso so sehen wollte. Meine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. "Du besitzt wahrhaft die Dreistigkeit, dich an meiner Nichte zu vergehen und mir im Anschluss daran, im Anschluss an ihre folgerichtige Reaktion auf deine...Unkontrolliertheit zu drohen? Mir?" presste ich hervor. "Wärest du nicht ein Verwandter meiner Frau und verwandt mit Flavius Gracchus, den ich sehr schätze...ein Spross aus gutem Hause...wärest du nicht ein Magistrat Roms, Flavius Piso, ich würde dich mit Schimpf und Schande hinauswerfen und dafür sorgen, dass deine Karriere an diesem Punkt endet", sagte ich leise. Das war mein voller Ernst. "Ich habe mich für dich eingesetzt. Und so dankst du es mir!" Ich machte eine abrupte Geste mit der Rechten und holte tief Luft, um sie dann anzuhalten und zumindest zu versuchen, mich nicht hineinzusteigern. Ein Augenblick verstrich. Ich fühlte mich benebelt von roten Schlieren, die vor meinen Augen tanzten. Dann hob ich die Hand, streckte mahnend den Zeigefinger Piso entgegen. Meine Miene ließ keinen Zweifel an meiner Ernsthaftigkeit. "Ich schwöre dir, Flavius Piso, wenn du auch nur einmal, ein einziges Mal noch meine Nichte belästigst oder sonst jemanden aus meiner Familie, dann werden dir auch dein Name und deine Ämter nicht helfen. per Iovem lapidem, das schwöre ich." Er würde mir Prisca nicht wegnehmen. Meine Prisca! Und er würde sie nicht mehr ungestraft belästigen, nie wieder. Dann ließ ich die Hand sinken und versuchte, neutral zu klingen. Ich wollte die Sache schnellstmöglich hinter mich bringen, um nach ihr sehen zu können. "Dann lass sehen, deine Liste."

  • Vielleciht waren seine Worte wirklich einen Schuss patzig gewesen, dachte sich Piso, als er sie ausgesprochen hatte. Au weia. Das wird Ärger geben. Doch so richtig scherte er sich jetzt nicht mehr drum. Ihm war jetzt alles einfach nur noch mehr egal. Er hatte keine Ahnung, was vor sich ging mit ihm. Er musste mit sich ins Reine kommen. Irgendwie.
    Die Tirade des Aureliers ließ nicht lange auf sich warten, nachdem er seine bissigen Worte geboren aus Frust und Depression, geäußert hatte. Was kam nun? Drohen? ”Ich will und wollte dir nicht drohen”, versuchte Piso seine eigenen Worte wieder zu beschwichtigen, dabei erahnend, dass er damit gegen eine Mauer rennen würde, denn Corvinus quatschte und quatschte weiter, redete sich in Rage, und Piso blieb nichts anderes übrig, als seine Schultern hängen zu lassen und sich ausschimpfen zu lassen wie ein Sklavenjunge, der was angestellt hatte. War das Geifer, was von den Lippen des Aurelius rann, dachte sich Piso am Rande, oder war das nur seine Einbildung? Irgendwie kam er sich vor, als stünde er gar nicht hier, sondern wäre ein außenstehender Betrachter, der neben den beiden Patriziern stand und sich die Szene anschaute. Huch, Corvinus laberte noch immer. Eingesetzt? Ja, Corvinus hatte sich für ihn eingesetzt! Und Piso sich auch für ihn! Was war denn mit der Götterspeisung zur Megalesia gewesen? Die hätte sich Corvinus als Gamsbart an den Hut stecken können, wenn er nicht noch gewesen wäre und zwei andere zusammengekratzt hätte, wie auch die gesamte verfluchte Cybelepriesterschaft!
    Piso blickte Corvinus nur stumpf an, wenn Corvinus von Zorn benebelt war, war Piso das von einem grausamen Gefühl der Dumpfheit. Doch was kam dann? Er sollte Prisca nie wieder... belästigen? Und er deutete mit dem Finger auf ihn. Also das, das fand Piso jetzt wirklich unhöflich. Belästigen, konnte man das gleichstellen mit sehen, fragte er sich, und wollte gerade etwas Protestierendes erwidern, als ihm einfiel, dass er noch einen Trumpf in der Tasche hatte. Und zwar keinen Unbedeutenden. Den könnte er einsetzen... doch das hätte noch seine Zeit. Er beruhigte sich innerlich, auch seine vorher unerbauten Gesichtszüge entspannten sich. Es würde schon noch alles gut werden. Und wenn dazu Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt werden mussten.
    So fuhr er nur wortlos, ohne eine Bestätigung, aber auch ohne Protest oder Einwand, den Arm aus und reichte die Schriftrolle Corvinus. ”Ich habe die mir zugesandte Liste geordnet und eingeteilt. Sie sollte recht selbsterklärend sein.”



    Sehr gefährlich:
    Nieder mit den Kaisern – Heius Maturus – ein gefährliches, aufwieglerisches Buch, voller republikanischem Gedankengut.
    Die strahlende Größe des Caligula – Tettius Mus – der Titel sagt alles. Die Verehrung eines Kaisers, der unter der Damnatio Memoriae steht.
    Das Leben des göttlichen Nero – Cocceius Galba – siehe oben. Zudem recht ausführliche Darstellung von Neros Sexorgien.
    Das Priesterpack und ihre Tricks – Duilius Longus – ein pseudoaufdeckerisches Buch über angebliche Umtriebe der Priesterschaft. Besonders schlecht weg kommen die Quindecemviri und die Vestalinnen.
    Alternatives Opfern – Manius Lanatus – propagiert den Nutzen von Menschenopfern.


    Gefährlich:
    Der Kaiser, ein Außerirdischer? – Quintius Bassus – stellt die Theorie auf, dass die Ulpier Außerirdische sind. Lächerlich, könnte jedoch gewisse Teile der Bevölkerung ansprechen.
    Memoirien einer Prostituierten (illustriert) – Afrania Soemias – die Memoirien einer Puffmutter. Lesen sich eher wie ein Anleitungsbuch für unsittliche Stellungen beim Geschlechtsverkehr.
    Meine sentimentalen Reisen – Naevius Pilitus – ein Buch, welches überholte Verschwörungstheorien (unter anderem die Verschwörung der Heinzelmännchen Germaniens und der Fluch des Hannibal über Rom) verbreitet.
    Philosophische Überlegungen – Ogulnius Drusus – harmloser Titel, jedoch stellt der Autor Verschwörungstheorien aufgrund falscher Faktenlagen auf, und kommt zum Schluss, dass das Etablissement gestürzt werden muss.
    Friede über alle – Statilius Gallus – wettert gegen die Streitkräfte Roms.
    Die verkommene imperiale Jugend – Autor unbekannt – nimmt die Jungensünden der Kaiser in die Mangel.
    Handbuch zum Geld machen – Ennius Silvanus – stellt kriminelle Arten und Weisen dar, ein Vermögen zu erscheffeln.


    Minder gefährlich:
    [Hier standen einige weitere Titel, die aber von eher geringerem Interesse sind]

  • Der Flavius sagte....nichts. Nichts! Nur, dass er mir nicht drohen wollte, was sicherlich eine weise Erkenntnis war, angesichts der Tatsache, dass kurz davor war, ihn sozusagen ungespitzt in den politischen Boden Roms rammen zu rammen, angesichts seiner Tätlichkeiten. Nein, dieser Flavius war nicht gut für Prisca. Nicht gut genug. Er stand da wie ein begossener Hund, mit hängenen Schultern und gleichgültigem Blick. Gut, das war in diesem Moment wohl auch besser für ihn, denn indem er meiner Wut keine neue Nahrung gab, beruhigte ich mich allmählich.


    Die Schriftrolle schnappte ich ihm unwirsch aus der Hand, überflog die Liste der dort verzeichneten bedenklichen Schriften an Ort und Stelle. Bei den weniger bedeutenden Titel sah ich wieder auf. "Mir ist neulich eine weitere Schrift untergekommen", sagte ich. "Utopische Ulpianie. Von einem Hortalus Macer. Das muss unbedingt noch zugefügt werden." Ich rollte die Liste wieder zusammen und ließ die Hand sinken, mit der ich sie hielt. "Du wirst mit deinen Kollegen die Durchführung der Verbrennung übernehmen", sagte ich. Dies war mehr eine Feststellung als eine Frage, immerhin waren die IIIviri für die Durchführung und die Überwachung der Bücherverbrennung verantwortlich. "Ich gehe davon aus, dass ihr bereits mit dem Zusammentragen der Schriften begonnen habt? Und gibt es bereits einen Termin?"

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