area | Der Mond allein erhört mein Klagen

  • Seitdem Phraates fortgebracht worden war, waren dunkle Wolken in Charis Leben heraufgezogen. Er war der einzige, der wichtigste Mensch in ihrem Leben geworden. Nach einigen anfänglichen Schwierigkeiten, die sie mit dem Parther gehabt hatte, hatten sie sich doch noch gefunden und sie hatte sich unsterblich in ihn verliebt. Daß es dem Parther ähnlich gegangen war, hatte er ihr immer wieder in Kleinigkeiten gezeigt. Eine Blume, die er ihr ins Haar gesteckt hatte, kleine Geschenke, die er ihr gemacht hatte, ein leidenschaftlicher Kuß, wenn sie sich tagsüber über den Weg gelaufen waren und wundervolle Nächte, die sie miteinander verbracht hatten. Die Makedonierin fühlte sich, als habe man ihr das Herz aus der Brust geschnitten, nachdem der Parther so schwer bestraft worden und nach Sardinien gebracht worden war. Und es gab niemanden in diesem großen Haus, dem sie hätte ihr Leid klagen können. Siv, die sie seit ihrem ersten Tag in der Villa Aurelia gekannt hatte, war fort gegangen und mit den anderen Sklaven hatte sie einfach zu wenig verbunden, als daß sie sich ihnen hätte anvertrauen können.
    Was noch erschwerend hinzu kam, war ihre Herrin. Celerina war für all das Unheil, welches ihr widerfahren war, verantwortlich. Wie konnte sie es für sich vereinbaren, ihr ergeben zu dienen und sie nicht zu hassen, für daß, was ise ihr angetan hatte? Charis war dazu erzogen worden, stets loyal zu ihren Herrschaften zu stehen und ihre eigene Bedürfnisse vollkommen auszublenden. Seit sie jedoch Phraates kennengelernt hatte, der ein freier Mann war, bevor er Sklave geworden war, war das anders geworden. Er hatte ihr beigebracht, ihre eigenen Bedürfnisse zu hinterfragen und diese auch zu stillen.
    Seit Phraates fort war, begann in Charis etwas heranzuwachsen, was Tag für Tag, Ohrfeige für Ohrfeige stärker wurde. Doch es gab kein Ventil, das ihr geholfen hätte, das Angestaute abzulassen.


    Ohnmächtig vor Wut und Kummer, das Gesicht mit Tränen überströmt war sie hinaus in den Hof gegangen, nachdem sie all ihre Aufgaben erledigt hatte, dort wo sie sich früher immer mit Phraates getroffen hatte. Der volle Mond stand schon am Himmel. Der selbe Mond der auch über Sardinien stand....


    Sim-Off:

    Reserviert! :)

  • Brix hätte ohne weiteres diese Aufgabe jemand anderem übertragen können. Aber das tat er nicht. Seitdem er der maiordomus war und damit Mathos Aufgaben übernommen hatte, waren so einige Dinge umstrukturiert und neu geordnet worden, aber diese eine Sache hielt er wie sein zweifelhafter Vorgänger. Brix ging abends selbst durch das Haus, verschloss die Türen und ließ die Hunde heraus. So machte er das auch an diesem Abend. Er sah zuvor überall noch nach dem Rechten. Ein kurzer Blick aus der Küche in den Hof, dann wollte er sich schon zurückziehen und abschließen, als er ein Schluchzen hörte. Brix hielt inne und öffnete die Tür wieder. Fast unsichtbar im Dunkel sah er Charis auf einer Stufe hocken, die von hier aus in den Garten führte. Er runzelte verwundert die Stirn, hängte den Schlüsselbund wieder an seinen Gürtel und trat hinaus ins Mondlicht. Langsam ging er zu ihr und setzte sich wortlos neben sie. Er sagte nichts, sondern legte ihr nur tröstend eine Hand auf den Rücken.

  • Charis blickte zum Mond hinauf. Wenigstens konnte sie so bei Phraates sein, was immer er nun auch tat. Vielleicht reckte er ja gerade seinen Kopf im gleichen Moment auch zum Himmel, irgendwo auf Sardinien, und dachte voller Schmerz an sie. Der Fluß der Tränen wollte gar nicht versiegen. Schluchzend setzte sie sich auf eine Treppenstufe und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
    Sie wäre mit ihm gegangen, hätte sie nur gekonnt. Hätte sie sich nur aufgelehnt, gegen ihre Herrin, als sie den Parther fälschlich beschuldigte, wäre sie nur zu Corvinus gegangen und hätte sich für Phraates eingesetzt, dann wären sie wohl nie getrennt worden. Dann wäre dieses Leben, so schwer es auch sein mochte, erträglich gewesen.
    Als sich plötzlich jemand neben sie setzte und sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte, zuckte sie erst zusammen. Wie schön wäre es gewesen, wäre dies Phraates gewesen, der sich neben sie gesetzt hatte und der seine Hand auf ihre Schulter gelegt hatte. Sie zögerte, als es darum ging, nachzusehen, wer derjenige war, denn sie wollte sich nicht schon wieder der Enttäuschung hingeben müssen. Ihr Geliebter war weit fort. Zu weit, um ihn zu erreichen. Zu nah, um ihn vergessen zu können.

  • Brix saß eine ganze Weile neben Charis und hatte inzwischen begonnen, ihr langsam über den Rücken zu streichen, um sie zu trösten. Er sagte nach wie vor nichts, sondern ließ sie weinen. Manchmal war es einfach besser, angestaute Fluten hinauszulassen, statt sie zurückzudrängen. Und Charis war nicht die einzige, die weinte, weil eine Ungerechtigkeit stattgefunden hatte. Brix hatte schon manches Mal die Funktion des Tröstenden übernommen, auch wenn er natürlich nicht immer mitbekam, was 'seine Leute' für Probleme hatten.


    Als Charis einfach nicht aufhören wollte zu weinen, legte Brix ihr die Hand auf die ihm abgewandte Schulter und zog sie einfach zu sich heran. Seine Barthaare kitzelten sie vielleicht etwas an der Stirn, als er sie zu sich zog, und ihre einfachen Tuniken raschelten leise bei der entstandenen Bewegung, aber Brix glaubte, dass Charis sich besser fühlen würde, wenn sie einfach jemanden hatte, der ihr zuhörte. Dass es um Phraates ging, ahnte er schon.

  • Wie verzweifelt konnte ein Mensch noch sein? Was konnte unternommen werden, um diesen Schmerz zu lindern? Chris wußte sich darauf keine Antwort und weil sie keine wußte, umso unglücklicher wurde sie. Alsbald hatte sie herausgefunden, wer neben ihr saß. Es war Brix, der maiordomus, der ihr ein wenig menschliche Wärme gab, indem er bei ihr war und sie schließlichzu sich heranzog. Aber was noch wichtiger war, er stellte keine dummen Fragen. Jeder, der nicht mit Scheuklappen durchs Leben ging, wußte was in den letzten Wochen vorgefallen war. Auch wenn nicht jedem die Zusammenhänge klar geworden waren, so war es doch offensichtlich, warum Charis weinte. Vielleicht war nicht jedem bewußt, wie viel ihr der Parther bedeutet hatte, doch spätestens jetzt konnte Brix zumindest eine Ahnung davon bekommen, wie trist und leer es in Charis´ Herzen aussah.
    "Sie hat ihn einfach ans Messer geliefert! Einfach so! Und dabei ist er doch unschuldig. Ich hasse sie dafür! Ich hasse sie so sehr! Am liebsten würde ich sie... Ich würde sie...", sagte sie schluchzend doch ihre Wut war deutlich herauszuhören. Charis´ Fäuste ballten sich, doch sie brachte es nicht weiter über ihre Lippen, was sie am liebsten mit ihrer Herrin anstellen wollte, hätte sie denn die Möglichkeit dazu gehabt. Sie war so machtlos und doch tobte die Wut in ihr.

  • Brix wartete, bis Charis selbst etwas sagen mochte. Er ahnte schon, worum es ging. Und als sie schließlich damit herausrückte, was sie bedrückte, sah er sich in seiner Vermutung bestätigt. Er schwieg noch einen Moment. "Ich weiß, Charis. Ich habe versucht, die Strafe zu verhindern", sagte er dann zu ihr. "Immerhin haben sie ihn nur auf die Plantage geschickt. Ihm wird es da gut gehen, besser, als wenn er hier geblieben wäre." Das war Brix' Meinung. Er glaubte, dass man Phraates das Leben zum Hades auf Erden gemacht hätte, wäre er hier in Rom gebieben. Corvinus hätte ihn sicherlich nicht länger in der Nähe seiner Frau geduldet, immerhin musste er davon ausgehen, dass sie ihm die Wahrheit gesagt hatte - und wer glaubte schon einem Sklaven? Und Brix verstand auch Charis' Verhalten, warum sie ihm nichts von der Unschuldigkeit ihres Liebsten erzählt hatte. Man stellte sich nicht offen gegen seinen Herrn, und Brix schätzte Celerina durchaus so ein, als würde sie ein solches Verhalten hart bestrafen. Man munkelte, dass die Peitsche im flavischen Haushalt bei weitem häufiger eingesetzt wurde als hier. Brix ließ Charis wieder los und sah schweigend auf den Kiesboden. Charis würde sie wohl am liebsten umbringen. "Die Wut wird vorbeigehen" sagte er leise. Er wusste, wovon er sprach, denn ihm war es einmal genauso ergangen. Brix kannte die ohnmächtige Wut, die einen bei jedem Tritt und Schritt begleitete und nicht weichen wollte.

  • Charis´ Wut fand kein Ventil, nichts wohin sie hätte entweichen können und auch Brix Worte vermochten dies nicht. Was ihr Brix sagte, war sicher gut gemeint und auch aufrichtig, aber was nutzte dies alles, wenn er nicht verhindern konnte, was geschehen war. Daß man Phraates nur auf die Plantage geschickt hatte, war dabei nur ein kleiner Trost. Ihr machte es schwer zu schaffen, daß sie nicht den Mut hatte, ihn zu schützen, indem sie die Wahrheit gesagt hatte. Sie allein kannte die Wahrheit. Sie wußte, wer schuldig und wer unschuldig war. Nur war sie wie erstarrt gewesen, als sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte, die Wahrheit zu sagen. War es Furcht? Oder einfach die Loyalität, die sie ihrer Herrin schuldig gewesen war? Sie hatte ihr mit einem Mal alles genommen, was ihr wichtig war. Sie hatte genommen, damit sie nicht hergeben mußte. Und damit auch keine weiteren Fragen aufkamen, hatte sie dafür gesorgt, daß sich ihr Liebhaber in Sicherheit wiegen konnte, allzeit bereit, wenn es ihr nach ihm gelüstete. All das wußte Charis und es ekelte sie. Sie hatte sich oft schon gefragt, was passiert wäre, hätte sie den Mut zur Wahrheit gehabt. Sklaven glaubte man nicht. Celerina hätte ihr die Augen ausgekratzt, und Corvinus?
    Brix nahm seine Hand von Charis´ Rücken. Die Wut würde niemals vorbei gehen. Nicht solange sie lebte. Nicht, solange es eine solche Ungerechtigkeit gab.
    "Ich hätte ihm alles sagen müssen. Corvinus, er hatte mich angewiesen, ihm alles zu berichten, was mir auffällt. Aber ich habe es nicht getan. Egal was ich tue, Brix, nichts wird vorbei gehen. Gar nichts." Die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage war so erdrückend für sie. Nichts würde wieder gut. Niemals.
    "Ich wünschte, ich könnte jetzt bei ihm sein", sagte sie nach einer kleinen Pause, jedoch keiner ihrer Wünsche, sofern sie überhaupt einen hatte, war jemals in Erfüllung gegangen.

  • Diese Information war neu für Brix. "Er hat dich spionieren lassen?" fragte er seine Mitsklavin. Charis war ein Geschenk Corvinus' an seine Gattin gewesen. Noch vor der Hochzeit, wenn Brix sich da richtig erinnerte. Ob das alles nur den Zweck gehabt hatte, sie auszuspionieren? Das sah dem Senator nicht ähnlich, und deswegen verwunderte es Brix. Vielleicht allerdings war es an der Zeit, bestimmte Meinungen zu überdenken. Brix konzentrierte sich wieder auf Charis' Problem. "Ich kann dich verstehen Charis." Er zögerte kurz, hier weiterzureden. Näheres von seiner Herkunft wussten nur sehr wenige, Siv fiel darunter, und Niki. Brix ging sparsam mit diesen Informationen um, denn sie machten ihn verletzbar. "Weißt du, als ich gefangen wurde, damals, da habe ich mein Heim verteidigen wollen. Meine Frau und meine Kinder waren da schon tot. Ich dachte auch, dass es niemals vorbei gehen wird, und das ist es auch nicht. Vorbei. Ich höre ihre Schreie immer noch. Aber es ist besser geworden, Charis." Brix erzählte leise und gefasst. Zu weit lagen diese Ereignisse in der Vergangenheit zurück. Sie muteten fast wie ein schlechter Traum an. Brix legte ihr wieder einen Arm um die Schultern. "Kann ich irgendwas tun?" fragte er sie.

  • "Anfangs sollte ich ihm nur mitteilen, welche Bedürfnisse und Wunsche sie hat. Aber mit der Zeit wollte er immer mehr darüber wissen, was sie tut, wenn sie für sich ist." Charis sah betroffen zu Boden. Sie hatte sich von Anfang an nicht wohl in ihrer Haut gefühlt, als sie damals Corvinus Drängen nachgegeben hatte. Und das für ein Stückchen Hühnchenfleisch. "Sie wird mich umbringen, wenn sie es erfährt!" Das würde sie ganz gewiß. Diese Frau kannte keine Skrupel.
    Und dennoch half es Charis ein klein wenig, darüber zu reden, Luft abzulassen und jemanden zu haben, der ihr zuhörte. Auch wenn Brix nur wenig an ihrem Problem ändern konnte.
    Als Brix nun anfing, über sich zu reden, sah sie ihn fast ungläubig an. Charis war bis jetzt der festen Überzeugung gewesen, Brix wäre schon immer Sklave gewesen. Als etwas anderes hatte sie sich ihn nie vorstellen können. Brix, der freie Germane, ein Mann mit Frau und Kindern, unglaublich! Und was er zu erzählen hatte, klang noch weitaus schlimmer, als daß, was sie erlebt hatte. "Wie sind sie gestorben?", fragte sie vorsichtig, obschon sie es sich denken konnte. Sie wollte ihn damit nicht verletzen und hätte es auch verstanden, wenn er sich dieses Kapitel nur für sich aufhob.
    Wieder legte er väterlich seinen Arm um ihre Schultern, eine Geste, die ihr wieder Kraft geben sollte. "Was würdest du mir raten, Brix? Was soll ich tun? Ich würde ihm so gerne helfen, weil ich ihn im Stich gelassen habe, als er meine Hilfe gebraucht hätte." Innerlich hoffte sie, er könne ihr einen Rat erteilen, der all ihre Sorgen zunichtemachte. Doch sich daran zu klammern, wäre kindisch gewesen.

  • Das war interessant. Brix verstand allerdings den Sinn dahinter nicht. War da Eifersucht im Spiel? Oder wollte er sich nur versichern, dass seine Geschenke ihre Wirkung nicht verfehlten und gewisse Dinge geheim blieben? Brix wollte diese Sache eigentlich im Raum stehen lassen. Und was sollte er dazu auch sagen? Er erkannte keinen rechten Sinn dahinter. Nur Charis schien deswegen sehr besorgt zu sein. "Wer sagt, dass sie es erfahren muss?" versuchte er, ihr einen anderen Weg aufzuzeigen. Was man nicht wusste, machte einen nicht heiß. An diesem Sprichwort war viel Wahres.


    Brix war ein Mann, der gern und ohne zu zögern sein letztes Hemd hergab - sofern es einer guten Sache diente. Er war sanftmütig und hatte einen scharfen Verstand. Doch alte Wunden schmerzten frisch, wenn sie aufgerissen wurden, und Charis streute mit ihrer Frage Salz hinein. Der Ton ihrer Stimme verriet zwar etwas anderes, aber Brix bekam dennoch einen harten Zug um die Mundwinkel und ließ einige Momente verstreichen, ehe er antwortete. Und er ersparte Charis die Einzelheiten. "Sie sind verbrannt", sagte er schließlich aufgeräumt und war froh, dass Charis von sich aus das Thema wechselte.


    "Hm", machte Brix nachdenklich und runzelte die Stirn. "Wir erhalten regelmäßig Post aus Sardinien, und wir schreiben regelmäßig zurück. Du könntest ein paar Zeilen schreiben und ich werde dafür sorgen, dass er sie erhält. Sonst glaube ich nicht, dass du viel tun kannst. Wenn du dem Senator die Wahrheit erzählst, wird er Phraates - sofern er dir überhaupt glaubt - kaum zurückholen. Er wird eher den Richtigen bestrafen lassen, und ich glaube nicht, dass er dann dasselbe Schicksal teilt wie der Parther", überlegte Brix laut. "Ganz zu schweigen von Celerinas Reaktion." Sie würde Charis wohl hassen und ebenfalls bestrafen lassen. Brix schüttelte den Kopf. "Du kannst nichs tun, Charis. So leid mir das tut."

  • Charis sah ihn forschend an. Die Idee an sich war tatsächlich verlockend! Wieso auch sollte sie etwas davon erfahren? Wäre sie da nicht die Hüterin von gleich zwei Geheimnissen gewesen! Sie hatte Corvinus wichtige Informationen vorenthalten und sich damit in zweierlei Hinsicht schuldig gemacht. Gegenüber Corvinus und Phraates gleichermaßen. Hätte sie dem Aurelier von Anfang an von der Beziehung ihrer Herrin zu dem Thraker erzählt, dann wäre Phraates niemals dieses Unrecht geschehen. Und sie selbst?
    "Sie wird es erfahren! Irgendwann wird sie es erfahren. Genauso wie es Corvinus erfahren wird, daß ich ihm nicht alles gesagt habe." Die scheinbare Ruhe, die in ihrer Stimme lag, täuschte nicht darüber hinweg, was in ihr vorging. Und auch die Aussicht, Phraates Briefe schreiben zu können, war da nur ein kleiner Trost. Noch deprimierender war Brix´ Einschätzung, daß sich an Phraates Schicksal nichts ändern würde, selbst dann, wenn sie Corvinus die Wahrheit sagte. Und so war denn auch sein Fazit überaus ernüchternd: Sie konnte nichts tun. Doch Charis wußte, daß sie nicht ewig diesem Druck standhalten konnte. Eines Tages würde sie darunter zerbrechen. War es da nicht besser, sich allem zu entledigen und sich von all diesem Druck zu befreien? Vielleicht schickte man sie dann auch nach Sardinien. Wenigstens konnten sie dann dort zusammen sein.


    Charis richtete ihren Blick wieder zu den Sternen. "Das dort oben ist Zatalkasi. So nennen sie Kassiopeia in Parthien," meinte sie plötzlich. Sie hatte sich wieder an die kühle Nacht im Hof der Villa Flavia erinnert, als sie sich zum ersten Mal mit Phraates getroffen hatte. Dabei hatte er ihr nicht nur die Sterne am Firmament erklärt. Ein ganze Zeit lang, saß sie noch so da und schaute hinauf zu den Sternen.
    "Doch... , vielleicht kann ich doch etwas tun…"

  • "Das weißt du nicht mit Bestimmtheit", wandte Brix ein. natürlich bestand die Gefahr. Insbesondere dann, wenn Charis das Schweigen nicht mehr aushielt und ihr Gewissen erleichtern musste. "Das bleibt deine Entscheidung. Du weißt, dass ich mich da nicht einmischen werde. Du musst es für dich entscheiden", erwiderte er. Sicherlich waren weder der Senator noch seine Gattin auf den Kopf gefallen. Und gab es da nicht ein Sprichwort, das besagte, dass alles ans Licht kam, wenn nur genügend Zeit vorhanden war?


    Charis und Brix schwiegen gemeinsam. Sie saßen einfach da und starrten in den Nachthimmel hinauf, bis Charis das Schweigen brach. "Zatalkasi? Komischer Name",, erwiderte Brix auf Charis Information hin. Das klang seltsam auf der Zunge. "Vielleicht sitzt er jetzt auch irgendwo und schaut sich diesen Stern an." Zugegebenermaßen eine ziemlich romantische Vorstellung, und Brix war eigentlich niemand, der sich mit solcherlei Gedanken die Zeit vertrieb. Aber er hatte das Gefühl, dass Charis diese Vorstellung helfen würde, und deswegen hatte er sie geäußert. Bei ihren darauffolgenden Worten dann wurde er allerdings hellhörig. Er dachte augenblicklich daran, dass sie sich das Leben nehmen wollte. Dementsprechend vorsichtig tastete er sich auch an diese Idee Charis' heran: "Und an was hattest du da gedacht?"

  • "Ja, meine Entscheidung." Charis Worte klangen etwas abwesend. Nur selten in ihrem Leben war es soweit gekommen, daß sie eine eigene Entscheidung hatte. Allerdings bei genauerer Betrachtung war ihre jetzige Situation einfach ausweglos, so daß sie auch diesmal keine Entscheidung haben würde. Es war nur eine Frage der Zeit, wie lange sie noch diesem Druck gewachsen war.
    "Ja, er ist seltsam. Das dachte ich am Anfang auch." Nun belächelte sie sich selbst dafür, daß sie Phraates anfangs eher abgeneigt war. Dabei konnte er doch so romantisch sein. Voller Poesie waren seine Worte gewesen. Und auch wenn sein Latein nicht perfekt gewesen war, so vermisste sie doch sehr seine eigentümlichen Formulierungen.
    "Das wäre eine schöne Vorstellung. Vielleicht denkt er dann auch an mich." Charis dachte noch einmal über das nach, was Brix wegen der Post nach Sardinien sagte. Es wäre doch eine wundervolle Gelegenheit gewesen, wenn sie Phraates hätte schreiben können. Inzwischen sann Brix über das nach, was der Makedonierin nur andeutungsweise über die Lippen gekommen war.
    "Brix, ich möchte einen Brief an Phraates schreiben," sagte sie dann und lächelte dann wieder ein bißchen. Jedoch ihren gefassten Entschluß, alles Corvinus zu beichten, erwähnte sie nicht mehr.

  • Schweigend sah Charis hinauf zu den Sternen, schweigend dachte Brix über ihre Worte nach. Zu einem Ergebnis kam er nicht, dafür unterbrach Charis sowohl die Stille als auch seine Gedanken, indem sie zusagte, etwas schreiben zu wollen. Brix vergaß ob dessen nicht ihre Bemerkung, bemerkte jedoch, dass sie kaum weiter darüber sprechen wollte und beließ es dabei. Er nickte nur und fragte sich, ob das vage Lächeln auf ihren Zügen ein echtes war oder ein gestelltes, das ihn beruhigen sollte. Ob es ihm gefiel oder nicht, er würde zukünftig verstärkt ein Auge auf Charis werfen müssen, um sie gegebenenfalls von Dummheiten abzuhalten. Diese Erkenntnis machte ihn nicht unbedingt froh, doch erschien sie ihm notwendig.


    "Das kannst du gern machen. Gib ihn einfach dem Boten mit oder mir, ich leite ihn dann weiter", erwiderte er. "Und wenn du irgendetwas hast, komm ruhig zu mir. Ich werde tun, was ich kann." Das war zwar nicht viel, aber immerhin einiges mehr als andere tun konnten.

  • Für kurze Zeit hatte Charis ihre Kümmernis verdrängt, weil sie glaubte, einen Weg gefunden zu haben, wie sie ihrem Geliebten nahe sein konnte. Ja, sie würde einen Brief schreiben. Einen Brief, in dem sie Phraates alles mitteilte, was sie ihm nicht hatte sagen können, wie schlecht es ihr ohne ihn ging und daß sie alles unternehmen wollte, damit er rehabilitiert wurde und wieder zurückkehren konnte, zu ihr.
    "Ich werde ihn dir morgen geben. Noch heute Abend werde ich mich daran machen und ihn schreiben. Was glaubst du, wie lange wird es dauern, bis Phraates ihn bekommt?", wollte sie wissen. Charis hatte zwar schon oft Briefe zur Postannahme gebracht, doch hatte sie keinerlei Erfahrung darin, wie lange ein solcher Brief unterwegs war. Außerdem würde ihr Brief kaum über den normalen Postweg versendet werden.
    "Danke Brix. Das ist sehr freundlich von dir!" Über Brix´ Angebot, ihn aufsuchen zu dürfen, falls sie etwas auf dem Herzen hatte, schien sie erfreut zu sein. Jedoch wußte sie genau, sie würde dies wohl kaum in Anspruch nehmen, insbesondere in der Sache, die sie in der Zeit, seitdem sie zusammen saßen, geplant hatte.

  • Brix machte zunächst große Augen, schmunzelte dann und lachte schließlich leise. "Immer mit der Ruhe. Es wird erst Ende der Woche wieder jemand nach Sardinien geschickt werden mit Korrespondenz. Du hast also noch gute drei Tage Zeit. Hast du genügend Schreibmaterial?" Brix ging davon aus, dass es ein langer, laaaanger Brief werden würde. Er sah Charis von der Seite her an und für einen Moment war die Trübsal vergessen.


    "Gern", antwortete er ihr nur. Er bot das allen an, und wer mochte, konnte das Angebot wahrnehmen. Es lag in seinem Wesen, mit allen gut auskommen zu wollen. Bei vielen klappte das, bei manchen nicht. "Etwas besser?" fragte er Charis kurz darauf und stieß sie sanft mit dem Ellbogen gegen den Oberarm.

  • Noch drei Tage Zeit! Sie konnte es nicht fassen, in drei Tagen würde jemand nach Sardinien reisen, in dessen Gepäck sich ihr Brief an Phraates befinden würde. Unfassbar, einfach umwerfend!
    Bei Brix ´beschwichtigenden Worten errötete sie etwas. Wieder einmal war bei ihr die pflichtbewußte Sklavin durchgedrungen, die alles sofort erledigen mußte und die einen Luxis,m wie Zeit zu haben gar nicht kannte.
    "Ja, natürlich. Drei Tage. Dann werde ich ihn dir in den nächsten Tagen geben. Und ja, ich habe genug Schreibmaterial. Die Herrin möchte, daß ich ihren neuen Sklaven unterrichte. Er soll Lesen und Schreiben lernen." Ihre letzten Worte kamen ihr nur zögerlich über die Lippen, denn ihr war noch der Abend allgegenwärtig, an dem der Gallier angekommen war und Celerina ihm auf seine Frage hin geantwortet hatte, er könne sich bei Charis stets nehmen, wonach er verlangte. Doch sie würde sich schon gegenüber dem Gallier behaupten, das hoffte sie zumindest.
    "Ja, schon besser," meinte sie etwas gelöster. Manchmal half es eben doch, wenn man sein Herz ausschüttete, besonders dann, wenn danach immer noch riesige Felsblöcke auf einem lasteten.

  • Brix nickte. "Das freut mich. Wollen wir jetzt zurück ins Haus gehen? Wir könnten beide eine Mütze voll Schlaf abbekommen. Das würde uns gut tun", bemerkte Brix. "Falls du Hilfe brauchst mit den neuen Sklaven, lass es mich wissen. Und auch, wenn du jemanden zum Reden brauchst." Der Germane erhob sich und bot der sitzenden Charis eine Hand an, um ihr aufzuhelfen. Er würde gemeinsam mit ihr zurück ins Haus gehen, die Tpr verschließen und sie noch zum Schlafraum geleiten, ehe er sich selbst schlafen legen würde.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!