balneum | Das Drama – Akt2: Verzweiflung

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    Die Luft war geschwängert von Lavendel und Rosenblüten, schwerer Wasserdampf sorgte für Nebel und ließ die Welt unwirklich erscheinen. So als gäbe es nichts außer diesem kleinen Raum voller warmen Wasser und sie selbst. Wie ein Traum, ganz allein, entrückt von der Realität. Wie im Stall, da war es so ähnlich gewesen. Doch da hatte sie sich leicht gefühlt, hier war alles so bedrückend, einengend.
    Ein Räuspern ließ sie leicht zusammen zucken, verlegen reichte sie Lysandra ihr Kleid. „Ich komm allein zurecht!“ erklärte sie der Sklavin. Ausnahmsweise gab diese kein Wort von sich, stattdessen nickte sie nur und ließ Flora dann allein. Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, hetzte sie davon. Wo nur war Narcissa? Fast lautlos huschte die Sklavin durch die Gänge der Villa um den älteren Zwilling zu suchen. Sie war beunruhigt. Flora hatte sich noch nie so seltsam benommen. Wer wusste was passierte, wenn sie das Mädchen jetzt zu lang allein ließ.


    Kaum war Lysandra fort, fühlte sie sich ein wenig besser. Lysandra hatte einen so durchdringenden Blick wie ihre Mutter und schien auch nur jedes kleine Geheimnis schon von weitem zu wittern. Diesmal war es kaum verwunderlich, hatte sie sich doch höchst auffällig benommen. Immer wenn sie etwas angestellt hatte, dann versuchte sie es zu verschleiern, in dem sie zwanghaft so sein wollte wie immer. Es gelang ihr nicht, sie war allein eine miserable Lügnerin. Mit Narcissa zusammen konnte sie so manch Geheimnis für sich behalten, aber allein, nur selten. Ausgerechnet jetzt musste sie es für sich behalten. Nein sagen kann doch so einfach sein stichelte die kleine Stimme der Vernunft schon fast gehässig. Flora verzog das Gesicht, immer noch stand sie mitten im Bad unschlüssig herum, aber diese Kommentar, geboren aus Angst und auch einer Portion Verzweiflung, ließ sie schließlich ins warme Wasser gleiten. Kurz schauderte sie, hier war sie auch schon einmal mit Cimon gewesen, nach dem Ausflug der so desaströs gewesen war. Und doch hatte sie ihren Spaß gehabt, trotz ihres unfreiwilligen Bads in einem eiskalten Bach. Hatte sie sich da in Cimon verliebt? War sie überhaupt verliebt? Oder war es etwas anderes, das sie so sehr anzog. Wieder diese Fragen die sie nicht zu beantworten wusste, obwohl sie die Antworten doch brauchte. Auch um selbst zu wissen, wie es dazu gekommen war. Sie seufzte und konnte den Tränen keinen Einhalt gebieten, als sie ihr über die Wange liefen.
    Warum nur hatte sie alles Verständnis für Ehre, Herkunft und Verantwortung für einen kurzen Augenblick reines Glück eingetauscht? Die Konsequenzen waren gewaltig und das Geheimnis drohte sie jetzt schon zu ersticken. Sie hatte ganz gewaltig Schande über sich und ihre Familie gebracht. Ihr Vater rotierte sicherlich grad in seinem Grab und ihre Mutter würde sich von ihr los sagen, wenn sie das wüsste. Nicht einmal Narcissa würde Verständnis für sie haben… Es gab eigentlich nur einen Ausweg… doch sie hatte Angst. Schließlich ließ sie sich einfach immer tiefer ins Wasser sinken, sie war allein und das Wasser würde einfach ihre Schande ertränken…


    Sim-Off:

    Reserviert

  • „Narcissa!” Überrascht öffnete die junge Aurelia die Augen und wandte den Kopf jener Richtung zu, aus welcher der aufgebrachte Ruf kam. Lysandra flog förmlich auf sie zu und noch während sie den hortus überquerte und zu dem Wiedenkorb herüber kam, in dem Narcissa dösend die Frühlingssonne genossen hatte, konnte sie die tiefe Beunruhigung im Gesicht der Leibsklavin sehen, die sich wie ein hässliches Tier in ihre Züge gegraben hatte.
    „Was ist denn?”, Alarmiert setzte sich Narcissa in dem Sessel auf. Lysandra war ja ganz außer Atem. So hatte sie die Sklavin nur sehr selten erlebt.
    „Narcissa…”, keuchte sie. In ihrer Aufregung vergaß sie ganz und gar die förmliche Anrede.
    „Deine Schwester ist im balneum. Ich glaube, du solltest nach ihr sehen….” Diese Worte genügten, um die junge Aurelia aus ihrem Sitz auffahren lassen und ohne eine Antwort zu geben, eilenden Schrittes dem Bad zuzustreben.


    Lavendel, der Duft von Rosenblüten und warme feuchte Luft schlugen ihr entgegen, als sie ohne anzuklopfen, von Sorge getragen, das balneum betrat. Umgehend setzte sich die Feuchtigkeit als kleine Tropfen auf ihrer Haut, ihrem Haar und der cremefarbenen Pala ab, die sie an diesem Tag. Lysandra hatte sich sichtlich Mühe mit dem Bad gegeben und besonders edle und beruhigende Düfte ausgewählt.
    Etwas irritiert stellte sie fest, dass sie wohl allein war. Von Flora war weit und breit nichts zu sehen. Hatte sich Lysandra etwa einen schlechten Scherz erlaubt? Zwar lag neben dem Becken ein frisches Handtuch und auch eine saubere Tunika, ihre Schwester aber konnte sie nirgends entdecken. Das Herz schlug ihr eine Spur schneller in der Brust. Wo war sie nur? Nach jenem Schrecken, den sie auf Lysandras Gesicht gesehen hatte, musste Narcissa sie möglichst bald finden.
    Sie trat näher an den Beckenrand heran, durchschnitt dabei unsichtbare Wolken aus Feuchtigkeit. Es war wirklich unglaublich schwül. Die Oberfläche des Wassers bewegte sich nicht, war ruhig wie Spiegelglas. Aber etwas stimmte nicht. Entgegen der offensichtlichen Ruhe in diesem Raum, blieb eine Feder in ihr alarmiert gespannt. Stirnrunzelnd tat sie noch einen Schritt


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    „FLORA!” Ihr Schrei hallte wie zehn hysterische Matronen von den Wänden und der Decke wider, Wasser spritzte zu allen Seiten auf, als Narcissa die Stufen ins Becken hinunter sprang und zu ihrer Schwester watete, die sie kopfunter im Wasser entdeckt hatte. Der Stoff ihrer Pala saugte sich voll, wurde schwer und zog sie nach unten, doch sie achtete nicht darauf. Kämpfte an, gegen den Stoff, der sie zurückhielt. Atemlos, obschon der kurzen Distanz, erreichte sie den Körper ihrer Schwester, zog ihn unter den Armen nach oben.
    „Flora! Floraaa!” Ihre angsgeschwängerte Stimme überschlug sich fast. „Sag doch was!!!’”, Ihr Herz schlug ihr wild gegen den Brustkorb, als wollte es sich frei kämpfen.

  • “Ich will das aber nicht!“ „Du musst!“ „Warum?“ Kurz hatte Flora ihren Kopf gegen den Rand des Beckens gelegt, die Augen geschlossen. Sie erinnerte sich an ein Gespräch ihrer Mutter, bevor diese ihre beiden Töchter zum ersten mal mit möglichen Ehemännern bekannt gemacht hatten. Es waren Männer gewesen, die ihr Großvater hätte sein können. Dick und grau, mit Einfluss und Geld. Alte betagte Patrizier die noch keine Erben hatten und in die Zwillinge ihre Hoffnungen setzte. Ihre Mutter seufzte angespannt und betrachtete die Jüngere der Beiden im Spiegel, sie stand direkt hinter Flora und fing den durchdringenden Blick des Mädchens auf. „Weil es deine Pflicht ist!“ erklärte sie. Doch mit dieser Antwort wollte sie sich nicht zufrieden geben. „Das sagst du jedes Mal. Es ist meine Pflicht!“, sie klang verbittert und wütend und das mit gerade mal dreizehn Jahren. „Du willst doch gar nicht das wir glücklich werden!“ warf sie ihrer Mutter vor und fegte den Schminktisch frei. Kästchen, Tiegel und Schmuck landete auf dem Boden. „Flora, bitte!“ Lucilla versuchte es mit Geduld, doch ausgerechnet ihre Jüngste war ein Wildfang und wollte nicht eingesperrt werden. Ihre Mutter nahm ihre Hände in die ihren und zwang sie sanft in die Augen zu sehen. „Ich will nicht das du oder Narcissa unglücklich seid. Ihr seid mit wertvoll. Doch keine von uns hat eine Wahl. Wir sind geborene Patrizierinnen, wir haben alles was unser Herz begehrt: Geld und Einfluss, einen stolzen Namen, doch dafür haben wir keine Wahl!“ meinte sie ruhig und sah ihre Tochter traurig an. „Auch ich habe mir mein Leben anders vorgestellt, als ich in deinem Alter war. Doch, ebenso wie man in euch Erwartungen hat, so hatte man sie in mich gesetzt und tut es immer noch. Als Erstes kommt immer die Familie und das gilt auch für alles was du tust. Wenn du dir einen Fehler erlaubst, dann betrifft das nicht dich, sondern in erster Linie die Familie. Es ist schwer und du wirst es hassen, aber es gibt Fluchtmöglichkeiten!“ vertraute sie ihr an. Sie glaubte das Flora alt genug war zu verstehen. Beschämt hatte sie danach ihre Hände betrachtet und genickt. An diesem Tag hatte sie ihre Mutter nur zu gut verstanden und gewusst, dass diese nur das Beste für sie wollte. Am Ende hatte ihre Mutter sie ja nicht verheiratet, weil die Beiden doch wirklich zu alt waren für zwei junge hübsche Mädchen die sich wohl nur langweilen würden.
    Kurz biss sie sich auf die Unterlippe. Zuerst kommt die Familie, sagte sie zu sich und spürte Tränen auf der Wange. Wie sehr sie diesen Leitspruch ihres Lebens hasste, denn jetzt fühlte sie sich nur noch schlechter, weil sie ihren Gefühlen nach gegeben hatte. Flora mochte auf die meisten naiv, oberflächlich und auch irgendwie kindisch wirken, aber es war eine Maske die sie sich aufgebaut hatte um nicht an den Erwartungen zu zerbrechen, die man an sie hatte. Ein Bollwerk gegen die Realität. Nun aber schien sie nicht mehr so recht zu wissen was richtig und falsch war. Es kam ihr so falsch vor, ihr ganzes Leben nur nach den Wünschen anderer auszurichten, aber was sollte sie machen, sie war in diese Welt hinein geboren und sie durfte nicht einfach alles woraus ihre Welt bestand mit Füßen treten, nur weil sie gesehen hatte, wie es sein konnte, wenn sie tat was sie wollte. Wenn sie einmal selbst entschied. Sie schluchzte kurz auf und rieb sich energisch übers Gesicht. Niemand außer ihr und Cimon wusste davon, dass sie im die Familienehre beschmutzt hatte. Aber das reichte aus, allein diese Tatsache ließ sie verzweifeln. Die war kein Klein-Mädchen-Streich über den man nachsichtig hin weg sehen würde, nur weil sie es nicht besser wusste. Sie war siebzehn und schon lange kein Kind mehr. Leicht raufte sie sich die Haare, was hatte sie nur gemacht? Irgendwie traute sie sich auch nicht mit Narcissa zu reden, hatte sie doch das Gefühl, dass ihre Schwester sie einmal nicht verstehen würde. Es wäre das schlimmste für sie ausgerechnet ihre Zwillingsschwester wegen so etwas zu verlieren. Sie hatte wirklich alles aufs Spiel gesetzt.


    Es war kein bewusster Entschluss, sondern wohl ein Akt der Verzweiflung, als sie untertauchte. Einfach erst einmal um die Gedanken zu vertreiben und kurz in eine Welt unter zu tauchen, die ihre Probleme nicht kannte. Wasser konnte so herrlich alles abdämpfen und die Konturen verwischen lassen. Hätte sie geahnt, dass ausgerechnet Narcissa diesen Moment nutzte um ins Bad zu stürmen, wäre sie wohl am Beckenrand geblieben, so aber, befürchtete ihre Schwester sogleich das Schlimmste. Keine drei Herzschläge lang hatte sie die Luft angehalten, da wurde sie dann fast schon unsanft wieder aus dem Wasser gezogen, dabei verschluckte sie sich und prustete und hustete erst einmal, was Narcissas Panik nur verstärkte. „Mir.... geht’s.... gut“, versuchte sie zwischen ihren hustern zu erklären.

  • Flora verschluckte sich, prustete, keuchte, hustete und versuchte sich aus Narcissa Griff zu befreien. Wasser spritzte auf und ganze Wellen schwabbten klucksend gegen den Beckenrand. Für einen Außenstehenden musste es so aussehen, als versuche die eine die andere zu ertränken. Das absolute Gegenteil war der Fall. Hier war eine Schwester, die glaubte, ihr Ebenbild wolle Suizid begehen und das musste sie um jeden Preis verhindern.
    Und als sich das Wasser um sie herum wieder beruhigte und Flora nicht mehr allzu oft husten musste, da war es eine verkehrte Welt, denn Narcissa war es, die ein so erschrockenes, getroffenes Gesicht machte, als sei sie diejenige gewesen, die versucht hatte sich eigenhändig zu ersäufen. Der Schock saß tief und ließ sich auch nicht dadurch mindern, dass Flora versichert hatte, ihr ginge es gut. Offensichtlich tat es das nicht. So kannte sie ihre Schwester nicht. Egal wie schwierig die Situation auch gewesen war, Flora war immer frohen Mutes gewesen und hatte auch sie damit aufgerichtet. Die Entdeckung, dass ihr Zwilling, ihre wahre Familie und beste Freundin zu SO etwas fähig war, ohne dass SIE etwas davon geahnt hatte – das erschütterte Narcissa in ihren Grundfesten. Sie war so verwirrt, dass sie den aberwitzigen Drang verspürte gleichzeitig in Tränen auszubrechen und lauthals zu lachen. Es war furchtbar. Der innere Druck entlud sich in einer vollkommen Narcissa-untypischen Reaktion.
    „BIST DU WAHNSINNIG GEWORDEN?!”, schrie sie Flora an und in ihrer sich überschlagenden Stimme lag aller Schrecken. Sie konnte ihn nicht für sich behalten, musste ihn teilen, auch wenn es – oder gerade weil es – Flora gewesen war, die ihn ihr wie ein Peitschenhieb aus dem Nichts ins Fleisch geschnitten hatte. Sie fühlte sich tief verletzt, dabei war es nicht sie selbst gewesen, die versucht hatte sich umzubringen…
    „WAS UM ALLES IN DER WELT TUST DU?!”

  • Die Frage wer wem einen Schreck eingejagt hatte, würde sich wohl nicht so schnell klären, denn es dauerte eine ganze Weile bis Flora sich wieder eingekriegt hatte und das ganze Wasser, welches sie ausversehen geschluckt hatte, als Narcissa sie etwas unsanft aus dem Wasser zog, ausgehustet hatte. Zumal ihre Schwester sie festhielt und an sich drückte. Kurz hatte sie ja versucht sich aus dem Griff ihrer Schwester zu befreien, doch dann hatte ihr Ebenbild sie nur noch mehr fest gehalten. „Narcissa“, meinte sie zwischen durch reichlich atemlos, aber ihre ältere Schwester wollte gar nicht hören. Die war völlig hysterisch. Für den Moment konnte sie das gar nicht nachvollziehen und sie kam auch nicht auf den Gedanken, dass Narcissa glaubte sie wollte sich ertränken. Lysandra hatte ganze Arbeit geleistet und den älteren Zwilling ganz schön in Panik versetzt, sonst würde dieser wohl auffallen, dass es nicht nach dem aussah, was sie sich vorstellte.
    Hinzu kam auch noch, dass Narcissa ihr dann schon ins Ohr kreischte. Sie verzog das Gesicht. „Was denn?“ fragte sie gedämpft nach und verstand die Welt einfach nicht mehr. „Baden!“ antwortete sie und strich sich eine klitschnasse Strähne aus dem Gesicht. „Und Haare waschen!“ fügte sie hinzu. „Was glaubst du denn?“ stellte sie nun ihre Frage.

  • "Baden"..."Haarewaschen"...die banalen Worte hingen einen Moment lang bedeutungslos in der Luft, bis sie dumpf in Narcissas Verstand eindrangen. Dort drehten sie erst noch eine Runde, ehe sie eine Reaktion auf Narcissas Gesicht auslösten. Zunächst absolut verdutzt, glich sie nun einem nassen Pudel der reichlich dämlich aus der Wäsche glotzte.
    "Wie?", fragte sie gedehnt, jetzt reichlich unsicher angesichts des verwirrten Gesichts ihrer Schwestern und lockerte etwas ihren Griff.
    "Du wolltest nicht...?" Automatisch fiel sie in Floras Kopfschütteln ein.
    "Nicht!" Es machte Klick- und sie drückte Flora wieder heftig an sich. Dieses Mal jedoch nicht aus Furcht, die jüngere könne sogleich einen neuerlichen Suizidversuch starten, sondern aus purer überschäumender Freude darüber, dass sie sich geirrt hatte. Der andere Zwilling war die Leidtragende.
    "Flora! Bona dea - bin ich froh!", stieß sie hervor und entließ Flora dabei aus ihrer Umarmung. "Lysandra hat mir vielleicht Angst gemacht! Sie sagte, ich solle sofort ins Bad, mit dir stimme etwas nicht...und als ich dich dann so sah" Lächelnd schüttelte sie über ihre eigene Kurzschlussreaktion den Kopf und strich sich dabei die klatschnassen Haare aus der Stirn..."Ich dachte gerade, du versuchst dich zu ertränken..."

  • Noch einen kurzen Moment befand sie sich noch in dem Würgegriff ihr Schwester und hatte das Gefühl, dass diese sie ertränken wollte. Kurz wand sie sich um sich zu befreien, aber Narcissa wollte einfach nicht locker lassen. Stattdessen starrte ihr Ebenbild sie völlig Fassungslos an. Was bitte ging denn ihr gerade im Kopf herum. „Zissi, kannst du mich bitte los lassen?“ fragte sie leise und konnte sich gerade nicht vorstellen, mit welchen Alpträumen sich ihre Schwester gerade auseinander setzte. „Du erwürgst murgls...“, der letzte Teil ihres Satzes wurde abgewürgt, als Narcissa sie noch einmal an sich drückte. Dann endlich war sie befreit. Seit wann hatte Narcissa so viel Kraft in den Armen? Kurz schnappte sie nach Luft. „Was meinst du mit: Du wolltest nicht?“ fragte sie nach und versuchte dann irgendwie die Spannung zu lösen. „Du hast doch nicht etwa geglaubt ich würde versuchen mich zu ertränken?“ Fragte sie scherzhaft und verstummte, als sie an dem Gesicht ihrer Schwester erkennen konnte, das diese genau das geglaubt hatte. Nun war sie es, die ihren Zwilling völlig entgeistert ansah. Dann warf sie jedoch Lysandra einen finsteren Blick zu. Musste diese immer gleich so hysterisch werden, wenn sie sich einmal nicht so benahm, wie die Sklavin es wollte. Einmal davon abgesehen, dass sie immer noch völlig durch den Wind war, fand sie das Verhalten der Sklavin gerade einfach nur peinlich und sinnlos. Narcissa hatte gerade tausend Ängste wegen der übertriebenen Panik ausgestanden. „Du bist ein dummes Huhn“, fuhr sie die Sklavin vorwurfsvoll an.

  • Unbemerkt in all der Aufregung war die Leibsklavin zurück ins balneum gehuscht. Gerade in jenem Augenblick, als Narcissa ihre Schwester endgültig freigegeben hatte. Einen ersten Ausruf der Empörung angesichts einer vollkommen durchnässten Narcissa in voller Gewandung, die schwer und dunkel an ihrem Körper hing und sämtliche weiblichen Rundungen preisgab, würgte sie hinunter und machte stattdessen ein reichlich zerknirschtes Gesicht.
    domina – ich hatte den Eindruck, dass es dir nicht gut geht...woher konnte ich denn ahnen, dass deine Schwester gleich mit samt ihrer wertvollen Pala in das Becken springt“, versuchte sie es in einem bemüht ruhigen Ton. Aber sie war nicht gelassen. In diesem Moment sah sie sich im Recht. Mit Flora stimmte etwas nicht.


    Narcissa war dagegen gar nicht in der Lage überhaupt einen Gedanken an Lysandras Überreaktion zu verschwenden. Es geschah selten, dass sie ihre Umgebung so vollkommen ausschaltet. Doch jetzt kreiste ihre Aufmerksamkeit allein um Flora. „Aber geht es dir auch wirklich gut?“ Forschend blickte sie ihrer Schwester ins Gesicht. Was sie nicht aussprach, dass würde sie in ihren Zügen lesen können. Klar und deutlich. So ganz konnte sie an einen Totalirrtum der Leibsklavin nicht glauben. Zumeist irrte sich Lysandra im Bezug auf die Zwillinge nur geringfügig. Aber warum, um alles in der Welt hatte sie nichts bemerkt? Der Gedanke trübte ihre Erleichterung. Normalerweise spürte sie doch instinktiv, was Flora umtrieb!

  • Das war sicherlich ein Anblick für die Götter, die beiden Zwillinge patschnass mitten im Balneum. Nur wirkte Lysandra mehr als nur missbilligt, auch wenn sie ganz kurz den Anstand hatte zerknirscht zu wirken. Hatte Flora gehofft, dass sie damit von ihrer Person ablenken konnte, so hatte sie die Sklavin jedenfalls unterschätzt. Zumindest war sie ja Narcissa eine Erklärung schuldig, nur wusste sie nicht wie sie ihrer Schwester erzählen sollte, was sie getan hatte. Flora kannte ihr Ebenbild gut genug um zu wissen, dass diese nicht nur schockiert sein würde, sondern wohl auch enttäuscht und wütend. Und was Lysandra mit ihr anstellen würde, konnte sie sich auch zu gut ausmalen. Sie ertränken, weil es das Naheliegenste war, oder aber direkt ihrer Mutter schreiben oder zu Manius gehen. Eigentlich war die Sklavin sonst eine vortreffliche Verbündete, doch diesmal hatte sie ernsthaft Zweifel ob diese verstehen würde. Sie wich dem besorgten Blick ihrer Schwester und den abwartenden von Lysandra aus. Die Sklavin würde sie zumindest zum Schweigen bringen, wenn sie dieser ein Versprechen abnahm. Narcissa würde es ohne hin für sich behalten. Doch sie hatte Angst, dass ihre Schwester dann einige Tage nicht mehr mit ihr reden würde. Narcissa war ihr doch so wichtig. Ohne diese war sie doch allein. Was für eine elende Zwangslage. Selbst schuld, ertönte die kleine Stimme ihres Gewissens. Du wolltest ja nicht hören, stichelte das Stimmchen weiter. „Zu niemandem ein Wort!“ verlangte sie dann erst einmal von Lysandra und sah sie streng an. „Wenn nicht, dann kannst du gleich wieder raus gehen!“ fügte sie hinzu und fühlte sich nur halb so Selbstbewusst, wie sie gerade tat.

  • Sie hatte es gewusst! Nach allem was sie am veränderten Verhalten der Aurelia beobachtet hatte, war das nun der Beweis für ihre Vermutungen. Die Luft schien förmlich von all den Geheimnissen zu summen, die in den Ecken versteckt lagen, als Flora dann streng ihr Versprechen einforderte, nichts nach außen zu tragen, was in diesen vier Wänden gesprochen wurde. Immerhin stellte die domina es ihr noch frei zu gehen, wenn sie wollte. Aber natürlich war Lysandra nichts ferner, als jetzt das balneum zu verlassen. „Ich verspreche es domina Flora, so wahr ich hier stehe und bei den Göttern, welche die Hand schützend über uns halten...“,


    Flora versuchte selbstbewusst zu wirken, aber Narcissa konnte ihrer Schwester ansehen, dass sie sich nicht wirklich selbstbewusst fühlte. Das brachte eine Saite in ihr zum Schwingen, die ihr, ohne dass sie einen rechten Grund dafür finden konnte, einen Schauer der Angst über den Rücken jagte und die feinen Härchen auf ihren Unterarmen aufstellte. Narcissa konnte dieses Gefühl nicht festmachen. Schon oft hatte es Momente gegeben, da hatte ihr Flora Dinge anvertraut, die für ihr Ebenbild ungeheuerlich waren. Aber dieses Mal...
    „Was ist geschehen, Flora?“, sie sagte es ruhig, aber ihre Zunge fühlte sich dabei so trocken wie Schmirgelpapier an.

  • Eigentlich hatte sie gehofft, dass Lysandra raus gehen würde, wenn sie ihr ein solches Versprechen abnötigte. Aber leider schien sich die Sklavin in all ihren Befürchtungen und Vermutungen bestätigt zu fühlen und wollte nun den Grund wissen, warum eine ihrer Herrinnen sich so merkwürdig auffuhr. Zumindest konnte sie Lysandra so weit vertrauen, dass diese kein Wort sagen würde, nur befürchtete sie, dass die Sklavin anschließend jede Gelegenheit nutzen würde um gegen sie zu sticheln. Als ob es nicht reichte, dass sie sich schon selbst Vorwürfe machte. Die Sklavin würde es ihr nicht einfacher machen. Im Gegenteil… lautlos seufzte Flora. Selbst von Narcissa erwartete sie kein Verständnis.
    Schließlich schwor Lysandra zu schweigen. Einen ganzen langen Augenblick sah sie diese noch an, dann nickte sie zögernd. Erst einmal zufrieden damit. Das große Donnerwetter würde sicher gleich folgen.


    Narcissa hingegen versuchte erst einmal einfühlsam zu sein. Doch Flora hatte das Gefühl ihre Schwester ganz furchtbar enttäuscht zu haben. Vermutlich würde es eine der seltenen Augenblicke werden in denen es sogar zum Streit kam. Kurz sah sie ihren Zwilling an. Narcissa sah aus wie ein nasser Hund. Schöne Scheiße, fluchte sie innerlich. Es wäre wohl besser, wenn sie erst einmal aus dem Badewasser heraus kamen. So konnte sie wenigstens noch ein bisschen Zeit gewinnen. Kurzerhand kam sie aus dem Wasser heraus und wickelte sich in ein Handtuch ein. Sie wusste dass Narcissa ihr automatisch folgen würde. In dieser kurzen Zeit konnte sie sich überlegen, wie sie es ihnen erzählte. Aber im Grunde gab es keine Möglichkeit es ihnen so beizubringen, als sei es nur ein harmloser Spaß den sie machte. Kurz warf sie Lysandra einen merkwürdigen nachdenklichen Blick zu. Die Sklavin könnte völlig unberechenbar reagieren. Selbst wie Narcissa reagieren würde, konnte sie sich nicht wirklich vorstellen. Dafür war ihr Geheimnis wohl zu schockierend.
    Ein wenig verlegen starte sie dann ihre Füße an und kam sich vor wie ein sechs jähriges Mädchen vor ihrer Mutter. „Ich hab mit einem Mann geschlafen…“ sagte sie dann ganz leise.

  • Im Leben der Zwillinge hatte es schon oft Situationen gegeben, in denen manchmal eine, zumeist aber beide ein Geständnis hatten ablegen müssen. Natürlich war das immer mit viel Spannung und großem Ärger verbunden gewesen. Sie hatten herumgedruckst, waren von einem Bein aufs andere getreten, die Augen herumirrend und ausweichend. Dennoch, Lysandra konnte sich an kein Geschehnis erinnern, das mit diesem hier vergleichbar gewesen wäre. Vielleicht war es die Schwüle des balneums, das romantische Zwielicht, das eigentlich Entspannung bringen sollte. Die Spannung in der Luft war greifbar, vibrierte regelrecht durch den Körper der Sklavin hindurch.


    Auch Narcissa hätte keinen Grund benennen können, weshalb es anders war, als sonst. Es war beinnahe so, als hätte sie eine leise Vorahnung dessen, was kommen würde. Bisher hatte sie nur das Gefühl erfasst, während die Worte noch irgendwo in der Luft hingen und darauf warteten wie überreife Früchte gepflückt zu werden. Flora zögerte es hinaus. Was immer „es“ auch war. Langsam watete sie zu der Treppe hinüber und stieg die Stufen empor, um sich schließlich in ein Handtuch einzuwickeln, als wollte sie etwas verbergen. Natürlich folgte Narcissa ihr. Schritt für Schritt ließ sie das warme Wasser hinter sich. Schwer und sackartig hing die Pala an ihrem Körper. Obschon es warm im Bad war, begann sie leicht zu frösteln. Schützend verschränkte sie die Arme vor der Brust, um das letzte bisschen klägliche Wärme bei sich zu behalten und ließ Flora dabei keinen Atemzug aus den Augen. Die Anwesenheit der Leibsklavin schien Flora erheblich zu stören. Immer wieder warf sie Lysandra einen raschen Blick zu. Auch Narcissa empfand es störend, die Sklavin im Rücken zu wissen, die für ihre Impulsivität berüchtigt war.
    Ihre Zehen anstarrend flüsterte eine dünne Stimme schließlich: „Ich hab mit einem Mann geschlafen...“,Narcissa war sich im ersten Moment nicht ganz sicher, ob sie richtig verstanden hatte, was Flora da soeben von sich gegeben hatte, so leise hatte sie es gewispert. Doch als dann schon im nächsten Augenblick ein empörtes„WAAAAAAAS?“, ertönte und Lysandra wie eine noch nicht erfundene Dampfwalze herangestürmt kam, den Kopf putenrot, zerstreuten sich ihre Zweifel. „BIST DU VON ALLEN GUTEN GEISTERN VERLASSEN?!“ Lysandra hatte Narcissas Höhe erreicht und war drauf und dran an der Aurelia vorbei zu stürmen, doch der Zwilling hielt sie bestimmt am Arm zurück. „Warte...“, Ihr Blick rutschte zurück zu Flora, die wie ein Häufchen Elend da stand. >Das war noch nicht alles<, warnte sie eine innere Stimme, während sich ein anderer Teil still darüber wunderte, weshalb sie so ruhig blieb. Normalerweise wäre schon allein dieses Geständnis Grund genug gewesen Flora Unzurechnungsfähigkeit zu unterstellen, hatte sie doch bereits damit „Schande“ über die Familie gebracht. Eine Schande, die man vertuschen konnte.
    „Mit wem?“, Selbst in ihren eigenen Ohren klang es unnatürlich ruhig.

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