Domus Aeliana - Cubiculum Axilla

  • Eigentlich hätte Axilla sich gerne zu Archias umgedreht. Sie wollte gerne sehen, was er dachte. Worte waren so trügerisch, aber Augen waren da meist ehrlicher. Doch auf der anderen Seite wollte sie sich nicht von ihm lösen, um sich herumzudrehen. So lag er direkt an ihr, seine Hand an ihrem Bauch, seine Nase an ihrem Haar, und sie konnte seine Nähe und Wärme fühlen. Das wollte sie jetzt nicht aufgeben. Nichtmal dafür, ihn ansehen zu können.
    So aber blieb sie liegen, als er ihr seine seltsame Frage stellte. “Was hat das mit Stolz zu tun?“ fragte sie etwas verwirrt. Axilla war ihr Stolz nicht wichtig. Auch nicht, dass andere Stolz auf Archias wären. Das war ihr recht egal. Wie er auf die Frage kam, verwirrte sie.
    Und als er dann seine zweiten Worte wählte, machte sich ein sehr schaler Beigeschmack in ihr breit. Wenn sie es wollte, kaufte er eben eine Rüstung? Axilla wollte nicht, dass er eine Rüstung hatte, sie wollte, dass er eine Rüstung haben wollte. Wenn er es nur ihretwegen tat, damit sie ruhe gab, dann lag die doch nur irgendwo in seinem Chaos, und die Nützlichkeit wäre ganz für die Katz. Sie wollte ihm damit doch nichts böses tun.
    “Musst du nicht. Wenn du keine willst und das auch nicht können willst, musst du das nicht.“ Axilla würde sich damit schon abfinden. Sie wollte Archias nicht dazu zwingen oder überreden, das zu tun.

  • »Weiß nicht«, erwiderte Caius. Er hatte doch keine Ahnung! Für ihn wär das noch am sinnigsten gewesen, die Erklärung mit dem Stolz, alles andere verstand er nicht so. Er konnte sich schon wehren, und bestimmt konnte er auch wem den Arm abhacken, wenn man ihm ein Schwert in die Hand drückte (notfalls sich selber). Nur ob Axilla das dann toll fand, wagte er zu bezweifeln.


    Axilla antwortete erstmal nicht. Und dann sagte sie, dass er sich keine Rüstung kaufen musste. Weiber! Versteh die einer! Vor vier Sekunden hatte sie ihm noch eine aufschwatzen wollen! Caius war echt ratlos. Vielleicht war Axilla ja wieder schwanger. Dann hatten die Frauen es ja bekanntlich nicht so mit den Gefühlen und so... Trotzdem stöhnte er.
    »Soll ich nun oder soll ich nicht? Ich weiß manchmal echt nicht, ob ich nun richtig lieg oder nicht, Axilla«, sagte er und verpackte da so wenig Vorwurf wie möglich drin. Er sah an Axillas Wange vorbei mit gerunzelter Stirn zum Fenster.
    »Glaubst du, ich könnt dich nicht verteidigen, wenn ich müsste?« halte er mal nach. War ja irgendwie ein starkes Stück, wenn sie das dachte. Er sah zwar nicht aus wie ein Streichholz, aber was er an Masse vorzuweisen hatte, war eben nicht alles labberig!

  • Wenn er nicht wusste, was er meinte, warum fragte er dann danach? Axilla hatte das Gefühl, ihren Mann im Moment so gar nicht zu verstehen. Erst fragte er sie etwas, und dann konnte er nicht erklären, was er damit meinte. Woher sollte sie dann wissen, was er damit gemeint hatte?


    Sie lag also nur da und das Gespräch begann wieder, in zunehmendem Maße schwierig zu werden. Warum konnte er es nicht einfach gut sein lassen? Mussten sie das jetzt bereden? Und vor allem, was konnte jetzt sie da dafür?
    Mit einem mal war die Nähe und Vertrautheit des Moments irgendwie dahin, und Axilla rollte leicht mit der Schulter, ehe sie ein Stückchen von ihm wegrobbte, um sich herumzudrehen. Offenbar wollte Archias jetzt nicht schmusen und es einfach gut sein lassen, sondern er wollte reden. Und Axilla konnte da nicht so einfach liegen bleiben und weiter genießen, wenn es mit zunehmendem Maße unangenehm wurde wegen des Gesprächs.
    “Ich dachte, dass du eine Rüstung auch haben willst, nicht, dass das eine Strafe für dich ist. Du sollst das nicht mir zuliebe tun. Du sollst gar nichts nur mir zuliebe tun. Entweder, du willst etwas tun, oder du willst es eben nicht.“ War denn so schwer zu begreifen, dass Axilla einfach wollte, dass er das auch wollte? Sie wollte ihn doch nicht ummodelieren und ihm etwas aufdrängen! Und er tat so, als wollte sie ihm was böses!
    Und auch schon die nächste Frage, die nun wirklich fast schon gemein war. Dachte er das denn von ihr? Axilla musste erstmal durchatmen, um die Worte zu ordnen, die ihr im Kopf rumspukten. Heute war er aber auch wirklich furchtbar kompliziert. Und alles nur wegen einer dämlichen Wachstafel, die ein dämlicher Scriba in die Latrine geschmissen hatte! Und sie musste das jetzt ausbaden!
    “Das hab ich so doch überhaupt gar nie gesagt! Aber... von einem Zimmermann verlangst du doch auch nicht, ein Haus zu bauen, ohne dass er Hammer und Nägel benutzt, oder?“ War das denn so kompliziert? “Und ein Schwert und eine Rüstung sind eben genauso Werkzeuge! Ist es denn so falsch, wenn ein Mann damit umgehen können soll?“
    Archias war einfach kein Soldat. Und sein Vater war auch keiner gewesen. Dann hätte er sie sicher verstanden. So aber verstand Axilla überhaupt nicht, was er denn jetzt hatte. “Ich will dir doch nichts böses“, echauffierte sie sich noch und sah ihn dann verständnislos an.

  • Axilla ruckelte herum und drehte sich dann zu ihm um. Caius nahm seine Hand weg und schob die statt auf Axillas Bauch unter seinen Kopf. Und dann lagen sie sich gegenüber und konnten sich ansehen, was im Klartext hieß, dass Gedanken und Gefühle wieder besser erkennbar waren, weil man die Mimik dabei hatte und nicht aus der Stimme raten musste. Caius machte jetzt ein frustriertes, fast quengeliges Gesicht und seufzte.


    »Das ist doch keine Strafe. Ist halt ne etwas festere Tunika. Sozusagen.« Caius zuckte mit der Schulter, auf der er nicht drauf lag.
    »Ich weiß nur nicht so richtig, wann ich die dann anziehen soll. Ich mein... Wenn es wirklich mal hart auf hart kommt und ich dich vor einer Horde reißerischer Barbaren beschützen muss, kann ich ja schlecht sagen Wartet mal. Ich hol mir nur schnell meine Rüstung. Ja? Caius machte ein fast hilfloses Gesicht. In so einer blöden Sodalität war er ja auch nicht, also konnte er auch nicht da eine Rüstung anziehen.


    »Und der Vergleich mit dem Zimmermann hinkt, mein Schatz!« Caius stupste ihr kurz die Nase.
    »Einem Zimmermann würdest du nämlich auch keine Pflugschar in die Hände drücken und sagen Mach du man. Da würde er dich auch komisch angucken. Und selbst wenn er pflügen wollte, müsste er das erst lernen. Nur warum, wenn's doch genug Bauer gibt? Und wenn es wirklich mal nötig wird, könnte er auch einfach Bohnen auf die Erde schmeißen und die mit den Händen eingraben. Da braucht er keinen Pflug zu, um sich da über Wasser zu halten.« Caius sah Axilla an. Ganz bestimmt hatte er sie damit überzeugt.


    »Ich weiß. Ich find nur nicht, dass ich eine Rüstung brauche, verstehst du? Oder ein Schwert. Ich mein, ich werd dich bestimmt eh nie verteidigen müssen, und wenn doch, krieg ich das trotzdem hin. Ohne Schwert.« Er stupste sie noch mal auf die Nase. Wieso redeten sie jetzt eigentlich über Rüstung und Schwert? Eigentlich hatte Caius doch über den Duccius....aber gut. Dann war der Streit vielleicht doch irgendwie zu Ende.

  • Eine festere Tunika? Auweh, das war ja in etwa so, als würde man den Tod als einen etwas tieferen Schlaf bezeichnen, oder die Schlachtschiffe der Classis als etwas größere Fischerboote.
    Bei allen anderen Themen verstand Axilla jede Menge Spaß und war für jede Albernheit zu haben, aber in Bezug auf Militär, gerade Soldaten, und auch deren Ausrüstung, da versagte ihr Sinn für Humor vollkommen. Und auch seine folgenden Worte waren für Axilla schlicht albern. “Darum geht es doch gar nicht! Aber es gibt durchaus Situationen, wo man die Zeit hat, sich zu wappnen. Das dauert ja nicht stundenlang! Und... ach... du verstehst das nicht.“ So langsam wurde Axilla ärgerlich, dass er so ganz offensichtlich nicht verstand, aber sie mit aller Gewalt von seiner Meinung überzeugen wollte. Das allerdings wäre eine Aufgabe gewesen, wohingegen die auferlegte Arbeit des Sisyphus wie ein durchaus lösbares Unterfangen erscheinen mochte.


    Und als er seinen Vergleich anbrachte, musste Axilla sich schwer zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen. Also wollte er gar nicht lernen, sie zu verteidigen. Konnte er doch gleich sagen, anstatt hier so wie die Katze um den heißen Brei herumzuschleichen. Natürlich fand Axilla das alles andere als toll, aber sein Herumgerede war da viel schlimmer. Und vermutlich konnte er in ihren Augen sehen, dass ihr das alles andere als gefiel.
    “Oder aber, er könnte einfach einen Bauer fragen und sich zeigen lassen, wie es geht. Vielleicht wird er dann nicht ein guter Bauer, aber dann scharrt er auch nicht wie ein Hund in der Erde herum.“ Axilla schmollte. Davon, sie zu überzeugen, war Archias meilenwert entfernt. Aber im Grunde war das auch nicht möglich, da sie in dem Punkt mehr als nur stur war. Aber gut, dann wollte er eben nicht. Sie würde damit schon klar kommen.


    “Du musst ja auch nicht.“ Was sollte sie denn noch sagen, außer, dass er nicht musste? Er war jetzt sowieso schon an einem Punkt, an dem er es nur noch falsch machen konnte. Denn so sehr sich Axilla auch gewünscht hätte, er würde das wollen, so sehr wusste sie, dass er es nicht wollte. Von daher würde sie schmollen, weil er es eben nicht wollte, und sie würde ebenso schmollen, wenn er es nur ihretwegen machte. Von daher war ihr das alles grade einfach nur zu viel und sie wollte auch gar nicht mehr darüber reden. Er war eben kein Soldat. Konnte ja nicht jeder Soldat sein. Hatte sie eben einen Ehemann, der das nicht konnte, na und? Gab ja genügend andere, die es konnten.
    Axilla starrte inzwischen leicht grummelnd irgendwo auf Archis Halsansatz, ohne wirklich hinzuschauen. Im Grunde wollte sie ihm nur nicht in die Augen sehen, denn für sie war das schlimm, egal wie sehr sie sich einredete, es sei es nicht.

  • Nein, ganz offensichtlich verstand Caius das wirklich nicht. Das war der Moment, an dem er aufgab. Als ihm klar wurde, dass Axilla ihn wohl nicht überreden, sondern überzeugen wollte. Und dass sie es gut fand, wenn ein Mann seine Familie verteidigen konnte....gegen wen auch immer und wann auch immer. Caius glaubte nicht, dass es jemals dazu kommen würde. Nicht in ihrer Zeit und nicht so, wie sie lebten. Hier würden wohl kaum irgendwelche Germanen einfallen oder welche Barbaren auch immer. Und gegen die feigen Angriffe aus dem Verborgenen sollten sie ja die Leibwächter schützen. Caius konnte eh nicht immer überall mitlatschen und aufpassen, erst recht nicht in einer Rüstung und mit Schwert. Und außerdem, wen sollte er denn fragen, ob er ihm das beibrachte? Er konnte ja schlecht einfach zu den Stadtkohorten gehen und darum bitten, dass er private Übungsstunden bekam. Doch nicht mit über dreißig! Die lachten ihn ja aus!


    Aber nein, er hielt den Mund. Er hatte echt genug von dem Thema. Und überhaupt.
    »Hmmm... Duhu, ich hätt langsam echt Hunger....« sagte er zu Axilla und strich ihr über die Wange. Dass er damit ziemlich abrupt und demonstrativ das Thema wechselte, war ihm selber nur allzu klar. Aber wenn er jetzt darüber nachdachte, dass Axilla die Bemühungen des buddelnden Zimmermanns als dümmliches Gegrabe ansah, dann zog er vielleicht Parallelen zu sich selber und wurde nur wieder wütend.

  • Er sagte nichts mehr, und sie sagte auch nichts mehr. Was sollte Axilla auch sagen? Ein Teil ihrer Traumwelt war gerade an der Realität zerschellt, und das war nichts, worüber sie gerne reden wollte. Es war schwer, zu sehen, dass der Traum, den man im Kopf hatte, nicht dem entsprach, was man vor sich hatte, und für Axilla gleich mehrfach. Aber sie wollte darüber nicht reden. Es hätte Archias weh getan, und ihm noch mehr weh tun wollte sie auf gar keinen Fall.


    Irgendwann wechselte er das Thema, und zwar so, dass es auch Axilla auffiel. Sie atmete einmal kurz und ruhig durch. Essen. Sie hatte so überhaupt keinen Hunger gerade. Nicht das klitzekleinste bisschen. Aber egal, damit wäre das Thema endlich beendet. Sie konnten etwas essen und dann schlafen gehen. War doch prima. Axilla wusste zwar schon irgendwie, dass heute wohl die erste Nacht sein würde, die sie in getrennten Betten verbringen würden, aber das war ja auch mal nicht schlecht. Sie konnte ja nicht ständig an ihm kleben wie eine Klette.
    “Ja, lass uns aufstehen“, meinte sie nur etwas lahm und machte sich dann auch schon daran, eben selbiges zu tun. In ihrer Frisur waren ein paar Haarnadeln verrutscht, so dass das ganze etwas schief saß. Axilla zog sie kurzerhand heraus, so dass ihre Haare zum Großteil offen über die Schultern fielen. Hier waren sie ja nur unter sich, da war das ja egal. “In der Küche müsste schon was fertig sein. Wir können also gleich essen.“ Wobei sie nicht essen würde, höchstens ein oder zwei Bissen und im Rest nur lustlos herumstochern, ohne sich anmerken zu lassen, dass sie nur lustlos herumstocherte.
    Sie strich sich noch einmal das etwas zerknautschte Kleid glatt und war dann auch schon startklar. “Gut, ich bin so weit, meinte sie noch mit gespielter Freude in der Stimme.

  • Axilla klang zwar nicht begeistert, aber sie würde wohl mitgehen. Also setzte sich Cais auf und wartete, bis Axilla soweit war. Gut, er hatte ein recht mulmiges Gefühl dabei, und irgendwas war immer noch nicht wieder in Ordnung, aber das würde sich bestimmt beim Essen wieder geben. Essen war immer gut. Zumindest für Caius. Dass jemand anders das vielleicht anders sah, war für ihn nicht so logisch.


    »Gut«, sagte Caius und stand auf. Dann ging er vor Axilla her und raus aus dem Zimmer, um in der Küche bescheid sagen zu lassen, dass das halbe Schwein auf Toast jetzt serviert werden konnte. Aber pronto!

  • Das war jetzt nicht das erste Mal, dass ihm der Trollo von der Tür gesagt hatte, Axilla wär eine ganze Weile weg gewesen. An sich war das ja kein Thema, er wollte sie ja nicht einsperren. Aber sie hatte nicht mal die vereinbarten drei statt fünf Wächter mitgenommen, und das fand Caius nicht mehr lustig. Dieser Levi war nicht besonders stark. Der konnte Axilla nicht verteidigen im Notfall. Und Caius konnte sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren, wenn er die ganze Zeit daran dachte, dass Axilla allein irgendwo rumhüpfte, nur mit einem Hänfterling in Begleitung. Halb Rom war voll mit Valas oder Valaabkömmlingen. Axilla verstand einfach nicht, dass er nur Angst um sie hatte.


    Caius war heute früher aus dem Verwaltungsgebäude gekommen. Aber Axilla war nicht da gewesen. Das hatte ihn nicht davon abgehalten, trotzdem in ihr Zimmer zu gehen. Rumwühlen wollte er nicht, das hatte er gar nicht nötig. Außerdem wäre es ihm wie Verrat vorgekommen. Er hatte es auf etwas anderes abgesehen, und das stand immer noch gefettet auf einem Rüstungsständer.


    »So, mein Freund. Du und ich, wir haben ein Rendezvous«, murmelte er dem aufgebockten Torso zu, und das klang wie eine Drohung. Caius trug nur eine Tunika, und die würde er auch anbehalten, wenn er das Ding da anzog. Gehärtetes Leder und dieses lorica-Teil, der cingulum militare... Caius kam sich vor, als würde er puzzlen. Dea Dia sei Dank war wenigstens alles so aufebaut, wie er es auch anziehen musste. Das erwies sich alleine als relativ schwierig, da die Seitenriemen mit seinen Wurstefingern nicht unbedingt einfach zu schließen waren, geschweige denn die nötige Anzahl an Löchern hatten. Es dauerte fast eine Stunde und viele Flüche, bis Caius sich in die Rüstung gequetscht hatte, die Axillas Vater gehört hatte. Er konnte nur flach atmen und sich kaum bewegen, und vor allem am Bauch war die ganze Geschichte verdammt eng. Er stand da wie in einen Schraubstock gezwängt, aber er fand es gut, dass er das Teil an hatte. Irgendwie zumindest. Das Schwert schnallte er sich als letztes um. Wenn er das nicht vorher schon auf Axillas Bett gelegt hätte, wäre er da am Boden nicht mehr dran gekommen, ohne die Rüstung zu sprengen. Als er das gladius festgezurrt hatte, zog er das Kurzschwert und fuchtelte kurz damit herum. Er war schon beim zweiten Fuchteln außer Atem, weil er ja kaum atmen konnte, und als wär das nicht genug, ging in dem Moment die Tür auf und Caius hielt imn Ausfallschritt und mit erhobenem Schwert vor dem Bett stehend inne und starrte seine Frau an.


    »Öh... Hallo Schatz...« Angriff war schließlich die beste Verteidigung.

  • Gerade kam Axilla von einem etwas weitreichenderen Spaziergang zurück. Aber warum auch sollte sie daheim rumsitzen und Däumchen drehen? Da ging sie lieber raus und taperte durch die Stadt, da hatten wenigstens ihre Beine eine Beschäftigung. Außerdem konnte sie beim Laufen schon immer am besten nachdenken, wenngleich sie hier in Rom leider nicht rennen konnte, wie ihr eigentlich der Sinn stand, sondern nur möglichst damenhaft schreiten.
    Als sie dann allerdings wieder zurückkam und die Tür zu ihrem Schlafzimmer öffnete, glaubte sie, dass sie wohl doch noch irgendwo in ihren Gedanken hängen musste. Sie sah Archias da stehen, das Schwert wild von sich gerecht, in die Rüstung ihres Vaters gequetscht wie eine Wurst in die Pelle. Sie machte die Tür nochmal von außen zu. Kurz schüttelte sie den Kopf und atmete einmal durch. Das musste sie eben geträumt haben. Die Tür öffnete sich wieder, aber noch immer dasselbe Bild.
    Verdammt, sie träumte nicht. “Was bei Mars machst du da?“ war das erste, was Axilla einfiel. Zu sagen, dass die Rüstung zu klein für ihn war, wäre schmeichelhaft gewesen. Es war ein Wunder, dass die Lederbänder das alles so zusammenhielten. Bitte, lasst die Rüstung nicht kaputtgehen..., schoss Axilla durch den Kopf, als sie fast schon ängstlich näher kam. Die ganze Situation war so grotesk, dass sie beinahe zum Lachen war. Und wäre es irgendeine Rüstung gewesen und nicht die ihres Vaters, Axilla hätte wohl schallend losgelacht. Aber es war eben nicht irgendeine Rüstung, sondern das einzige Stück Erinnerung, das sie an ihren Vater hatte, und das sie an ihren Sohn, so sie mal einen hatte, weitergeben wollte. Das war kein Spielzeug, und für sie sah es so aus, als würde Archias die Rüstung als genau das benutzen.

  • Die Tür ging wieder zu und Caius ließ das Schwert sinken und stellte sich gerade hin. Zumindest so gerade, wie ihm das möglich war. Die Riemen schnitten doch schon ziemlich ein, aber es ging. Dann ging die Tür wieder auf und Axilla fragte ihn, was er da machte. Was so gesehen eine ausgesprochen gute Frage war, das musste man ihr lassen, denn Caius hatte keine gescheite Antwort darauf. Axilla kam auf ihn zu und blieb dann stehen, und ihr Blick war nicht unbedingt der, den er sich vorgestellt hatte. Caius steckte erstmal das Schwert weg, und das ging ihm sogar ziemlich flüssig von der Hand. Er hätte es zwar besser gefunden, wenn die Scheide links gebaumelt hätte, aber tausende römische Soldaten konnten nicht irren. Es würde schon einen Sinn haben, dass man das Schwert links trug. Ein wenig um eine Antwort verlegen strich sich Caius durchs Haar.


    »Ich dachte mir...« Nein, wenn er damit jetzt wieder anfing, würden sie nur wieder streiten, und Caius war es einfach leid, sich mit Axilla darüber zu streiten, dass sie doch bitte wenigstens die drei Kerle mitnehmen sollte, wenn schon keine fünf. Wie sie das auch vereinbart hatten. Caius ließ die Hand sinken und seufzte (was in der Rüstung gar nicht so einfach war).
    »Ich wollte wissen, wie sich das anfühlt. Fühlt sich gut an.« Und das war nicht mal gelogen. Nur etwas eng eben.

  • Als Archias mit seiner Erklärung rausrückte, sah Axilla immernoch reichlich erschrocken drein. Er wollte wissen, wie sich das anfühlte? Vor nichtmal vier Wochen hatte er sich noch mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass Axilla die Möglichkeit auch nur angesprochen hatte, ihn in eine Rüstung zu stecken. Und jetzt auf einmal fühlte sich das gut an?
    “Und warum nimmst du dann die Rüstung meines Vaters dazu? Die ist dir viel zu eng.“ Ohne irgendwie zu fragen griff Axilla zielsicher nach der Schnalle des Gürtels und hatte sie mit einem geschickten Griff bereits geöffnet. Vorsichtig nahm sie das Ding ab und legte es geradezu behutsam aufs Bett.
    Sie sah nochmal an Archias hoch und runter. Ein Maultier im Pferdegeschirr, schoss ihr durch den Kopf. Das hatte ihr Lehrer zu ihr immer gesagt, wenn ihre Mutter sie gezwungen hatte, sich doch mal besonders fein zu machen. Denn ein feines Kleid machte auch aus dem Kind Axilla damals keine feine Dame, ebensowenig wie die Rüstung ihres Vaters aus Archias einen Krieger machte. Oder eben ein Pferdegeschirr aus einem Maultier ein Streitross. Warum nur machte er sowas?
    “Arm hoch“, stupste sie ihn an, damit sie die Schnallen würde öffnen können. Es war wirklich ein sehr, sehr seltsames Gefühl, jemand anderen als ihren Vater diese Rüstung tragen zu sehen. Und es war kein sehr gutes Gefühl. “Für dich müsste eine Rüstung viel weiter sein. So leiern die Schnallen aus...“

  • Not machte eben erfinderisch, Zeiten änderten sich. Und Caius gefiel es nun mal nicht, dass Axilla allein durch die Weltgeschichte lief. Das war zwar eine etwas abstrakte Denke, aber vielleicht sollte er doch irgendwie lernen, mit dem Schwert umzugehen. Für Seiana hatte er sich schon mal geprügelt, und da war sie nur seine Verlobte gewesen. Jetzt ging es immerhin um seine Frau, und die war fast ermordet worden. Besondere Tatsachen erforderten besondere Taten, jawohl! Und Caius war schon immer recht gut dabei gewesen, sich Dinge selbst einzutrichtern.


    »Ich weiß«, sagte er nur. Axilla löste den Gürtel und legte ihn aufs Bett. Caius sah sie dabei an. Dann machte er den Arm hoch und ließ Axilla die seitlichen Schnallen lösen. Dazu musste sie sie erst enger stellen und dann den Metalldorn lösen, das zwackte etwas. Caius hielt den Arm hoch und sah Axilla zu, wie sie Schnalle für Schnalle löste.
    »Ich hab sie doch nur kurz angehabt«, beruhigte er sie. Da war nichts ausgeleiert. Und so gut, wie Axilla sie pflegte, schon mal gar nicht. Caius ließ sich aus der Rüstung helfen, und das ging sozusagen ratzfatz. Da fragte er sich schon, wie das die Soldaten im Krieg machten. Ob die sich gegenseitig halfen, damit es schneller ging? Er selber hatte schließlich eine kleine Ewigkeit zum Anlegen gebraucht. Caius sah in Axillas Gesicht. Sie wirkte nicht glücklich. Er streckte eine Hand nach ihrem Gesicht aus, legte zwei Finger unter ihr Kinn und wollte sie damit dazu bewegen, ihn anzusehen. Der Torso war inzwischen gelöst und hing nur noch gehalten von seinen Schultern an Caius dran.
    »Schau nicht so böse«, sagte er leise.
    »Ist doch nichts passiert.« Caius beugte sich zu Axilla und gab ihr einen kurzen Kuss. Dann lächelte er leicht schief und ließ sich weiter helfen.


    Wenn er es recht bedachte, hatte er in letzter Zeit schon irgendwie Grund dazu, eifersüchtig auf diese Rüstung zu sein. Axilla war viel allein, weil er viel Arbeit hatte, und Caius hatte deswegen ein schlechtes Gewissen. Er hätte ihr ja Dinge geschenkt, damit sie zumindest ein paar kleine Freuden im Alltag gehabt hätte, aber nach der Sache auf dem Markt verzichtete er lieber darauf. Nur so war die Situation auch nicht eben die beste, zumal Axilla einfach nicht glücklich auf ihn wirkte. Caius seufzte leise.
    »Lass uns wegfahren, ja? Nach Ravenna. Oder wo anders hin. Wenn du möchtest«, schlug er vor. Er würde sich einfach Platz schaufeln. Und außerdem von jetzt an jeden Morgen durch den Palastgarten rennen, damit er besser in diese Rüstung passte. Nicht dass er sie haben wollte. Er wollte ja nur reinpassen. Und dass er das nicht tat, ein anderer gelieber Mensch von Axilla aber schon, kratzte schon irgendwie an seinem Ego.

  • Es ging nicht unbedingt einfach, aber Axilla wusste, wie sie die Rüstung öffnen konnte. Nicht unbedingt feinfühlig zog sie die Riemen enger, um den Verschluss aufzubekommen, und ignorierte dabei das gelegentliche Luftanhalten oder Keuchen ihres Mannes. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Warum musste es ausgerechnet diese Rüstung sein, in die er sich quetschte? Sie hatte ihm ja vorgeschlagen, dass er eine eigene kaufen sollte. Warum also musste es ausgerechnet die ihres Vaters sein?
    Er hob mit seinen Fingern ihren Kopf, als sie die Schnallen endlich alle offen hatte, und küsste sie kurz. Axilla erwiderte den Kuss eher als Schmatzer und wandte sich wieder der Rüstung zu. Wenn er angenommen hatte, sie würde sich hierüber freuen, dann musste er noch viel über sie lernen. “Es ist nur... ach, egal...“ Axilla wollte nicht schon wieder mit ihm streiten. Und sie war sich alles andere als sicher, ob er auch nur ansatzweise verstehen konnte, warum sie alles andere als erbaut über seinen Versuch, eine Rüstung zu tragen, war.


    Sie machte gerade Anstalten, ihm den Panzer über den Kopf zu ziehen, als er vorschlug, nach Ravenna zu gehen. Kurz stockte sie in ihrer Bewegung, ehe sie mit seinem Zutun doch die Rüstung schließlich auszog. Kurz geriet ihr Stand leicht ins Wanken, als sie das ganze Gewicht auf einmal in Händen hatte, aber sie war es gewohnt und wuchtete so den Brustpanzer wieder auf seinen Platz auf dem Ständer. “Und was ist mit deiner Arbeit?“ fragte sie dabei. Sie hatte sicher nichts dagegen, mal aus der Stadt rauszukommen. Aber das ging eben nicht einfach mal so. Sie hatte nun dank Silanus mitbekommen, wie ungnädig die Leute reagierten, wenn ein Procurator einfach mal so seinen Posten verließ. Das musste sie nicht unbedingt doppelt abbekommen, erst von ihrem Vetter, und dann durch ihren Ehemann. Da fragte sie lieber nochmal nach, ehe es Probleme gab.

  • Caius sog einmal kurz die Luft ein, als Axilla besonders fest an einem Riemen zog. Aber sonst tat er keinen Mucks. Aus irgendeinem Grund war Axilla nicht besonders begeistert, dass er sich in die Rüstung ihres Vaters gezwängt hatte. Caius konnte das nicht so richtig verstehen, immerhin hatte sie doch davon gesprochen, dass ihm eine Rüstung nicht nur stehen würde, sondern er ihrer Ansicht nach auch eine besitzen sollte. Und da testete er schon mal aus, wie sich das überhaupt so anfühlte, und dann machte sie ein Gesicht wie sieben Tage Hagelwetter. Und richtig zurückküssen wollte sie ihn auch nicht. Caius ließ die Hand sinken und seufzte tief. Vielleicht hatte er auch einfach zu wenig Feingefühl was das anging, aber er griff ihren angefangenen Satz direkt auf.


    »Nein, nicht egal«, bestand er.
    »Hör mal, ich weiß doch, was dir die Rüstung bedeutet.« Er zog die Augenbrauen zusammen und überlegte kurz angestrengt.
    »Irgendwas läuft schief, und ich weiß nicht was. Wir müssen darüber reden, Axilla. Ich will nicht, dass du so unglücklich bist. Also, abgesehen von der Rüstung, mein ich jetzt. Ich mein... Du bist irgendwie stiller. Du schläfst nachts hier. Wenn ich Urlaub vorschlage, fragst du nach meiner Arbeit. Als wolltest du gar nicht weg. Hab ich irgendwas falsch gemacht?« Caius hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. Er misstraute Axilla in diesem Moment in keinster Weise, er sorgte sich nur um sie, und das konnte sie ihm bestimmt auch an der Nasenspitze ansehen.

  • Beinahe hätte Axilla geschnappt, warum er die Rüstung anzog, wenn er wusste, was sie ihm bedeutete. Er konnte es ganz offensichtlich nicht wissen, denn sonst wäre er doch nicht so gefühllos gewesen, eben das zu machen. Während sie also die Rüstung noch zurechtrückte und dann das Schwert vom Bett holte, noch einmal prüfte, ob es gut genug geölt war und es dann in die Scheide am Gürtel steckte, begann Archias auf einmal, dass etwas schief laufen würde. Und er wollte darüber reden. Axilla seufzte. Immer musste er über alles reden. Sie redeten ja nur noch!


    “Ich schlafe nachts hier, weil das mein Zimmer ist“, begann sie gequält. Was wollte er denn jetzt damit sagen? Nur, weil sie nicht jede Nacht zu ihm kam, gab es ein Problem? Was hinderte ihn denn daran, auch ab und an zu ihr zu kommen? Abgesehen davon, dass auch jemand wie Axilla nicht immer Lust hatte. Vor allem nicht nach solchen Gesprächen.
    Sie sah zu ihm herüber und sah, wie bedröppelt er dreinschaute. Sie seufzte nochmal und nahm hilflos die Hände hoch. Was sollte sie ihm denn sagen? Wenn sie ihm alles erzählte, fühlte er sich nur wieder so seltsam und würde noch mehr reden wollen.
    “Es liegt nicht an dir...“ fing sie schließlich an. Er würde sie ja doch nicht in Ruhe lassen, ehe sie ihm eine Erklärung geliefert hatte. “Aber... weißt du eigentlich, wie das ist? Hier? Für mich? Ich... ich bin eingesperrt!“ So, jetzt war es raus! “Überall diese Wachen und die Blicke und das alles. Das ist alles so groß und ordentlich und... kaiserlich eben! Ich kann mich ja nirgends hinbewegen, ohne dass mir ein ganzer Rattenschwanz an Blicken folgt! Vom rausgehen mal ganz zu schweigen.“ Damit spielte sie mehr oder weniger auf seine Leibwächter an, die sie jedesmal aufs neue wieder abwimmeln musste.
    “In Alexandria konnte ich tun und lassen, was ich wollte. Da hat man mich ernst genommen. Ich war die Scriba vom Gymnasiarchos! Vom Epistates tou Museion! Ich hätte nur ja sagen müssen, und wäre für die Getreideversorgung der beiden größten Städte der Welt verantwortlich gewesen! Und hier? Bin ich nur deine Frau, sonst nichts. Nur eben die Frau von einem Aelier. Es interessiert niemanden, wie viele Sprachen ich spreche und was ich alles kann. Die einzige Aufgabe, die ich vielleicht habe, ist die, ein Kind zu kriegen.“
    Mit einem Seufzen ließ sie sich auf ihr Bett nieder und blickte rüber zu der Rüstung. “Schau dir die Rüstung meines Vaters an. Was siehst du?“ Sie ließ ihren Blick über die verschiedenen Metallspangen gleiten, über die Lederriemen, die Schulterstücke... “Mein Vater hat in dieser Rüstung Ruhm und Ehre für die Gens Iunia erlangt. Er ist in dieser Rüstung für das Imperium gestorben. Er hat Zeit seines Lebens das verkörpert, was von uns allen angestrebt werden sollte. Virtus, Fortitudo...
    Und jetzt? Er ist tot, alles was mir von ihm geblieben ist, ist diese Rüstung. Und ich kann nichts tun, um seine Ehre zu mehren. Ich kann nichts tun um seinen Ruhm zu erhalten. Alles ist vergangen wie Regen im Wald. Nachdem Silanus nun auch von heute auf morgen alles hingeschmissen hat und nichtmal mehr sein Amt übergeben hat, ist es noch schwieriger.“

    Jetzt blickte sie wieder zu Archias. “Natürlich frage ich nach deiner Arbeit. Ich will nicht noch mehr Gerede.“ So, jetzt war das meiste raus. Es gab zwar durchaus noch mehr, aber das hätte unweigerlich zu Streit geführt. Und sie war sich nichtmal sicher, ob er denn das bisher gesagte alles verstehen konnte.

  • Caius war eigentlich gar nicht der Redetür. Er redete zwar viel und oft und auch mal lang, aber eigentlich war ihm vieles sogar lieber, wenn man nicht drüber redete. Die Sache mit Piso und Axilla zum Beispiel. Wenn er da genauer drüber nachdachte, dann würde ihn das nur Sauer machen. Also ließ er es bleiben und umschiffte das Thema, wo immer es ging. Dass es auch für Axilla solche Themen gab, verstand er zwar, aber.... Das hier war doch was anderes! Caius hörte Axillas Worte zwar, aber er sah sie nur bedröppelt an. War ja nicht immer nur sie gewesen, die zu ihm gekommen war, sondern auch andersrum. Aber das hatte er gar nicht gemeint, sich nur wieder etwas trottelig ausgedrückt. Caius seufzte und strich erfolglos die rüstungsquetschungsbedingten Falten seiner Tunika glatt.


    »Naja, ich mein... Ach, du weißt doch, wie ich das mein.« Er zuckte unbeholfen mit den Schultern und seufzte. Man konnte ja auch kuscheln, so war das ja nicht. Caius war auch ganz sicher nicht abgeneigt davon. Aber das konnte er gar nicht wirklich erklären, weil Axilla ihn mit den nächsten Worten regelrecht aus den Socken haute. Unläubig und schon auch ein wenig traurig sah er sie an und stand da wie der berühmte Ochs vorm Berg. Eingesperrt fühlte sie sich? Aber warum nur? Klar, unten standen Wachen vor dem Tor, aber die waren auch vor ihr da gewesen und ja nicht nur wegen ihr da (auch wenn Caius es schon gut fand, dass sie da standen). Den Seitenhieb mit dem Rausgehen verstand er auch augenblicklich, aber da würde er nicht mit sich reden lassen. Natürlich wusste er, dass Axilla ihre Leibwächter immer wieder abwimmelte, und deswegen hatte er schon überlegt, die drei auszutauschen gegen Männer, die sich nicht mehr abwimmeln ließen. Er hatte Angst um sie, warum verstand sie das nicht? Und es war ja nun nicht so, dass die drei um Axilla kreisen sollten wie die Sonne um die Welt. Caius sah bedrückt aus. Er ließ das Entknittern sein und setzte sich auf Axillas Bett, sah dann zu ihr hoch. Aber Axilla war noch nicht fertig. Sie sprach von Alexandrien, und dass sie da jemand gewesen war, und dass überhaupt wohl alles besser war als hier in Rom. Mit ihm. Wo sie ja nur seine Frau war. Und Caius klingelte das ziemlich in den Ohren. Nur eben die Frau von einem Aelier hatte sie gesagt. Klang, als wär er ein Dahergelaufener Irgendwer. Caius wollte einwenden, dass es ihn interessierte. Dass erstolz auf sie war. Aber irgendwie steckten die Worte in seiner Kehle fest und wollten nicht rausflutschen. Als Axilla sich neben ihn setzte, heftete er den Blick an die Tür und schwieg. Axilla sprach ja auch eh gleich weiter. Von ihrem Vater, und dass er in dieser Rüstung gestorben war (was Caius nicht gewusst oder verdrängt hatte und es deswegen nicht mehr wusste, und unter diesem Aspekt kam ihm die ganze Aktion mit dem Anprobieren sogar selbst ziemlich hirnlos vor). Und dass sie nichts tun konnte, um das Erbe ihres Vaters zu erhalten. Er sah nur leder und Nieten, wenn er die Rüstung ansah. Für Axilla war das anders. Und sie hatte wohl wegen Silanus nach seiner Arbeit gefragt. Weil sie nicht noch mehr Gerede haben wollte. Caius wusste nicht, wovon sie sprach, aber er fühlte sich sehr schlecht. Und er hatte keine Ahnung, was er dazu sagen sollte. Die Worte waren schwer wie Steine, und er fühlte sich wie ein Idiot. Dabei hatte er nie schlechte Absichten gehabt.


    Er schwieg und starrte die Tür an. Alle Worte waren aus seinem Kopf gewichen, da war nichts mehr als heiße Luft drin. Was sollte er jetzt sagen? Er hatte das Gefühl, dass er irgendwas sagen musste. Nur was? Irgendwie schien alles falsch zu sein. Er war traurig und sauer zugleich, fühlte sich ohnmächtig und missverstanden und überhaupt. Als sie noch nicht verheiratet gewesen waren, war alles anders gewesen. Nicht so....kompliziert. Nur schwierig, aber noch irgendwie in Ordnung. Das hier jetzt... Caius hatte einfach keine Ahnung, wie er da rauskommen sollte. Und Axilla. Und über allem hing dieser Germane und wartete wie ein Geier auf frisches Aas, dass er einen Fehler machte. Davon war Caius felsenfest überzeugt.


    Irgendwann stieß er einen tiefen Seufzer aus. Ihm war unbehaglich, weiter sitzen zu bleiben. Hinstellen wollte er sich aber auch nicht. Rumlaufen erst recht nicht. Also bleib er, wo er war, und fühlte sich halt unbehaglich.
    »Willst du wieder zurück?« fragte er die Tür angestrengt, um nicht zu verraten, wie schwer ihm die Frage eigentlich fiel.
    »Nach Alexandrien, meine ich.« Würde er sich eben da eine Arbeit suchen. Man musste ja nicht im Palast wohnen. Oder arbeiten. Gab ja noch vieles andere. Und der größte Vorteil, den das hatte, war dass sie damit außer Reichweite von Vala war, und Caius die Aufpasserei damit begründen konnte, dass Axilla eben mehr war als jetzt und hier, in Rom. Er wandte den Kopf und sah sie an.

  • Nein, Axilla wusste eben nicht, wie er das meinte. Sie hatte keine Ahnung, warum er ihr vorhielt, dass sie nachts hier schlief. Nicht die geringste. Sie hatte bis eben noch nichtmal annähernd erahnt, dass es ein Problem für ihn war, wenngleich Axilla sich auch nicht vorstellen konnte, warum es ein Problem war. Deshalb hatte man ja eigene Zimmer, ansonsten könnte man ja gleich ein gemeinsames Zimmer bewohnen und musste sich nicht die Mühe mit den beiden Zimmern machen. Axilla verstand wirklich nicht, was Archias ihr mitteilen wollte.
    Aber er offenbar auch nicht, was sie ihm mitteilen wollte. Die meiste Zeit sah er hinüber zur Tür anstatt zu ihr oder zur Rüstung, als wollte er am liebsten fliehen. Axilla wusste nicht wirklich, was sie da tun sollte. Wenn er nur dann mit ihr reden wollte, wenn er etwas hatte, was er bereden wollte, umgekehrt bei ihr aber Reißaus nahm, wie sollte das gehen? Das machte die ganze Sache nur noch viel schlimmer. Außerdem hatte er ja überhaupt erst angefangen! Sie hätte doch keinen Ton gesagt, wenn er nicht schon wieder auf diese ganze Diskussion bestanden hätte!
    Und jetzt sagte er nichts. Gar nichts. Er saß nur da wie ein geprügelter Hund und sagte rein gar nichts. Keinen Ton über das, was Axilla zu ihrem Vater gesagt hatte. Nichts. Axilla wusste nicht, was schlimmer war. Das er erst mit diesem ganzen Blödsinn angefangen hatte, oder nun, da sie das sagte, was ihr wichtig war, gar nichts dazu zu sagen hatte. Er schaute nichtmal richtig zu der Rüstung hin! Axilla fühlte ganz schrecklich unverstanden in diesem Moment. Sah er das denn nicht? Verstand er nicht? Wollte er nicht verstehen? Axilla kapiert einfach nicht, wie er da sitzen und nur zur Tür schauen konnte, als wollte er einfach nur abhauen.


    Und dann sagte er doch endlich etwas. Ob sie wieder nach Alexandria wollte. Und ein Teil von Axilla brüllte in ihrem Innersten geradezu ein lautes, unüberhörbares JA hinaus. Sie vermisste Alexandria, furchtbar. Sie vermisste die Leichtigkeit, das Leben dort. Vor allem vermisste sie den Einfluss, den sie dort gehabt hatte. Die mächtigen Männer, die ihre Freunde gewesen waren, die sie mit einem Lächeln und einem unschuldigen Blick um den Finger wickeln konnte, die ihr einfach auch mal gerne einen Wunsch von den Augen abgelesen hatten. Das vermisste sie. Vor allem aber vermisste sie Urgulania. Aber die würde auch eine Rückkehr nach Alexandria nicht von den Toten auferstehen lassen.
    Und der andere Teil von ihr wollte hier bleiben. Sie fasste hier gerade Fuß, fand gerade sowas wie Freunde. Sermo war da. Und Vala. Der Gedanke, ihn dann wirklich nicht mehr zu sehen und auch keine Post von ihm bekommen zu können, weil Archias da wohl ebenso eifersüchtig reagieren würde, fühlte sich schrecklich an. Dazu kam noch, dass sie wohl kaum in der Villa Iunia in Basileia leben könnten, weil ihr Mann sich dann sicher in seinem Stolz gekränkt sah, aber Axilla nirgends anders würde wohnen wollen.
    Axilla atmete einmal tief durch und schaute wieder die Rüstung an. “Nein, möchte ich nicht“, antwortete sie schließlich bedrückt. “Ich hab hier gerade ein paar Freunde gefunden. Und vielleicht ergibt sich hier auch eine Arbeit. Aber ich möchte, dass du aufhörst, mich so einzuzingeln mit diesen Wachen und... überhaupt.“ Die Leibwächter gingen Axilla wirklich auf den Keks, und vor allem wollte sie verdammtnocheins für voll genommen werden, auch von ihrem Mann. Sie war kein Püppchen und auch kein Hündchen, sondern durchaus in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen.

  • Erstmal sagte Axilla gar nichts, und dann sagte sie, dass sie nicht wieder zurück wollte. Das war nicht unbedingt das Patentrezept, das Caius eigentlich am liebsten gewesen wäre. Er drehte den Kopf, um Axilla wieder anzuschauen, aber die sah nun die Rüstung an. Caius folgte ihrem Blick und richtete ihn auf den gehärteten Ledertorso, obwohl er ihn gar nicht sah. Und sie klang so unglücklich, dass es ihm regelrecht die Kehle zuschnürte. Caius schob die Unterlippe nach links, dann nach rechts, dann biss er sich drauf.


    Und dann schlang er seine Arme um Axilla und zog sie einfach zu sich ran und auf seinen Schoß. Einen Moment lang sagte er gar nichts und legte nur die Stirn an ihren Kopf. Dann seufzte er.
    »Ich möchte, dass du dich hier wohl fühlst. Bei mir«, sagte er.
    »Ich weiß, dass dir das mit den Wächtern nicht gefällt. Aber mir gefällt es nicht, wenn du nur mit Levi herumspazierst. Du kannst doch hingehen, wo du möchtest, ich will dich gar nicht einsperren oder so, das ist doch Quatsch. Dann nimm doch einfach noch Perisander mit. Oder Firas, oder....irgendwen, Axilla. Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn....« Caius zuckte unbeholfen mit den Schultern. Axilla war jetzt die Frau eines Aeliers, und damit bot sie Angriffsfläche. Vielleicht nicht direkt für den Kaiser, aber doch schon für dessen Familie. Und damit doch schon auch irgendwie für den Kaiser selbst. Caius' Augenbrauen hatten sich zusammengeschoben, und so gern er aber auch scherzte, so ernst war ihm das hier.


    »Ich finde es gut, wenn du eine Arbeit findest, ich würd dir sogar dabei helfen, wenn du mich lässt. Du bist kein Heimchen, das mag ich doch an dir. Ich glaub, eine Frau wie....wie Iunia Serrana würde mich zu Tode langweilen.« Caius seufzte. Hoffentlich verstand Axilla, was er damit meinte. Er drückte sie ein wenig an sich.
    »Seit ein paar Wochen hast du was. Und ich find nicht raus, was es ist und wie es besser wird. Das mit Leander war schlimm, ja. Ich muss die gaze Zeit dran denken was passiert, wenn das bei dir damit weitergeht. Wer würde denn nur nen Sklaven umbringen, verstehst du? Aber das hatten wir schon, ich will's nicht wieder aufwärmen. Ich würd mir nur wünschen, dass du mich verstehst.« Caius seufzte wieder und sah Axilla treuherzig an. Das Schlimmste war auch noch, dass sie ihm gar nichts mehr von sich erzählte.

  • Und plötzlich zog Archias zu sich auf den Schoß und hielt sie fest. Axilla musste sich beherrschen, sich nicht zu verkrampfen oder zu befreien. Wäre sie ein Igel, sie hätte sich wohl eingerollt und ihre Stacheln gezeigt, denn ihr Instinkt sagte ihr, dass genau das jetzt zu tun war. Da sagte sie gerade eben, er solle sie nicht einengen und erwachsen behandeln, und was machte er ? Zog sie wie eine Puppe auf seinen Schoß und hielt sie fest!
    Aber auch wenn alles dafür sprach, jetzt zu explodieren, blieb Axilla ruhig sitzen und ließ ihn an sich kuscheln und reden. Und während sie ihm zuhörte, wurde ihr eines klar: Er merkte nicht, wie er sie behandelte. Er merkte nicht, dass er sie wie eine Puppe herumzog und dirigierte. Er hatte es bei seinem Gastmal schon nicht gemerkt, und hier merkte er es auch nicht. Wahrscheinlich war er so und merkte es nicht einmal. Er meinte es ja nichtmal böse. Und vermutlich verstand er deshalb auch nicht, was Axilla daran nervte.
    “Ich will aber nicht Perisander mitnehmen, und auch nicht Firas. Levi ist genau richtig dafür.“ Sie ließ es endgültig klingen. Denn mit Perisander oder gar Firas im Schlepptau konnte sie eben nicht hingehen, wo sie wollte. Das waren Archias' Sklaven, und die würden ihm sagen, wo sie gewesen war. Und wenn sie sich noch einmal mit Vala treffen sollte, würde er so bestimmt davon erfahren. Levi hingegen würde nichts verraten, der war iunischer Sklave und nur dem Hause Iunia verpflichtet. Ihm vertraute sie. Archias Sklaven, so nett sie auch sein mochten, vertraute sie aber nicht.


    Dass er ihr helfen wollte, eine Arbeit zu finden war auch schon wieder etwas, wo sich Axillas imaginäre Stacheln aufrichteten. Das war es ja eben: Sie wollte keine Hilfe dabei haben! Zumindest nicht von ihm! Wie sollte sie sich denn gegen ihn da durchsetzen, wenn er ihr half? Dann konnte sie ja gleich weiter für ihn arbeiten. Und dass er Serrana als Negativbeispiel heranzog, war auch sehr, sehr unglücklich formuliert. Ja, Axilla hatte Streit mit ihr, ja, Axilla kam mit ihr nicht klar, ja, Axilla mochte sie noch nicht einmal besonders. Aber es war dennoch ihre Cousine. Das war so, wie wenn man den kleinen Bruder von jemandem beleidigte. Derjenige prügelte sich vielleicht jeden Tag mit dem Bruder, fand ihn doof und sagte das auch. Aber wehe, jemand anderes wollte den Bruder verprügeln oder sagte, der sei doof. Und so schaute Axilla auch kurz einmal mit hochgezogener Augenbraue zu ihm – zumindest so weit er das bei seinem Griff um sie zuließ.
    “Ich will nicht, dass du mir hilfst. Ich will das allein schaffen. Wenn ich mir helfen lassen würde, wär ich doch so, wie du sagst.“ Axilla verzichtete auf den Vergleich mit Serrana. Sie würde da nicht noch mit einfallen, egal, wie sehr sie sonst auf die Cousine auch schimpfen wollte. Da sprach ihr Stolz doch sehr dagegen.
    Doch als er dann Leander erwähnte, verfinsterte sich Axillas Miene doch wieder. “Es ist gemein, dass du ihn hier anführst“, meinte sie nur beleidigt und wand sich doch aus seinem Griff frei. In ihr kochte die Wut hoch, und das ließ sie herumlaufen wie ein Löwe im Käfig. “Das alles hier hat absolut nichts mit Leander zu tun. Absolut gar nichts. Nur du behandelst mich seit seinem Tod, als wäre ich verrückt und aus Glas und könnte keine eigenen Entscheidungen treffen. Und ich hab dir schon mehrmals gesagt, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffen möchte und werde.“ Wahrscheinlich war es alles andere als produktiv, ja, wahrscheinlich sogar der Inbegriff des „kontraproduktiv“, aber Axilla war sauer. Mal wieder. Und da dachte sie nicht nach, ehe sie das folgende sagte. “Du bist ja nur wütend, weil du der völlig fixen Idee verfallen bist, Vala wollte mich umbringen. Und nur, weil du da vollkommen überreagierst, darf ich nun nichtmal mehr einen Freund sehen! Und stattdessen willst du mich auf jeden schritt und tritt bewachen lassen. Aber das will ich nicht! Ich brauch auch Luft zum Atmen! Und wenn ich nur mit Levi irgendwohin gehen will, dann werde ich das tun!“
    Eigentlich hatte Axilla nicht wieder streiten wollen, aber Leanders Tod zu erwähnen war für sie ein Schlag unter die Gürtellinie. Er wusste doch genau, wie sehr sie ihren Leibsklaven geliebt hatte! Und wie sehr es sie schmerzte, dass er ihretwegen nun tot war.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!