Avianus kam mit einer kleinen, aber charmanten Verspätung vor das Haus, denn seine Sklaven hatten sich heute etwas Zeit gelassen und obwohl Avianus sie hetzte und laut schimpfte, dachten diese nicht daran, ein wenig mehr Tempo hinzulegen. Als er ankam, war schon fast die gesamte Familie dort versammelt und es berührte ihn fast schon peinlich, dass er nun der Letzte zu sein schien. In seiner Hand hielt Avianus wenigstens ein Abschiedgeschenk für seinen Vettern. Etwas ungeheuer Wertvolles, das Avianus geholfen hat, wenn er auf schlechte Gedanken kam. Nun sollte Ursus es haben, denn wo Heimweh war, dort wären schlechte Gedanken nicht fern.
Dennoch hasste Avianus lange, tränenreiche Abschiede. Nicht, weil er selbst weinen würde. Diese Eigenschaft hatte der Aurelier vor langer Zeit abgeschworen, hatte sie gegen Stärke eingetauscht. Ihm taten er die Frauen und zarter besaiteten Persönlichkeiten leid, die heute nicht um eine Träne herumkommen würden. Ursus war immer ein Teil von ihnen gewesen - da er nun ging, würde das Haus leerer erscheinen. Es war, als würde ein Ei im Vogelnest fehlen, ein Stuhl am Tisch, dem Legionär sein Schwert. Und doch war der Dienst mit dem Schwert Ursus' Bestimmung geworden, denn er wurde zum Legaten. Avianus war stolz, dass sein Vetter es so weit gebracht hatte. Wahrlich, er hatte seinen Weg gemacht. Nichts, was Avianus von sich behaupten konnte, denn er hatte noch unzählige Dinge im Leben vor, eine teure Rechnung mit jemandem offen, die er begleichen würde.
Doch heute galt der Tag ganz seinem Vettern Ursus und die Interessen des jungen Aureliers mussten zurückweichen. Unauffällig huschte Avianus an den anderen vorbei, in der Hoffnung, seine Verspätung würde nicht auffallen und trat an Ursus heran, der gerade mit jemand anderem sprach. "Ursus", sprach er mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen. Er wartete nicht lange und drückte ihm die Holzkiste mit dem Abschiedsgeschenk förmlich in die Hand. "Dies soll dein Abschiedsgeschenk sein. Gewiss mag es dein Herz mit Trauer füllen, zu gehen. Doch geh', denn dich erwartet Ruhm und Ehre als Legat der Legio Prima. Mach die Kiste erst auf, wenn du ankommst und immer wenn du dich nach deiner Familie sehnst, so soll dir ihr Inhalt Kraft spenden. Ich habe diesen Gegenstand selbst genutzt, und er hat mich in der schwierigsten Situation im Leben gestärkt. Nun soll er dich stärken." Ein Gladius hatte Avianus seinem Vettern schon einmal geschenkt... doch dieses eine Kurzschwert war etwas Besonderes. Avianus hatte es im Gefecht in Germanien damals eingesetzt und das Familienwappen aus Gold zierte die Waffe am Knauf.