Exedra | An einem Frühlingstag

  • Etwas gelangweilt strich Nigrina durch die Gänge der Villa Flavia. Es galt, ihr neues Heim in Augenschein zu nehmen, kennen zu lernen. Auch wenn ihre Zeit hier von vornherein begrenzt war, das war noch lange kein Grund, sich hier erst mal hängen zu lassen. Und sie wusste ja auch nicht, wie lange die Verhandlungen dauern würden. Am Ende vermasselte Piso noch irgendetwas, was den ganzen Prozess in die Länge ziehen würde. Sie strich also durch die Gänge – selbstverständlich in Begleitung von Sklaven – und ließ sich erklären, was wo war, bis sie schließlich die Exedra erreichte und hinaus in den Garten trat. Das Wetter war traumhaft, dennoch beschloss Nigrina nach einem kurzen Rundgang, sich auf einer Liege in der Exedra nieder zu lassen. Hier konnte sie auch die Sonne genießen, und nachdem sie die Villa erkunde hatte, konnte der Garten auch noch etwas warten. Mit einem fast lautlosen Seufzen schloss sie die Augen und winkelte ein Knie leicht an. Sie war bei Vera gewesen am vorigen Tag. Und Piso hatte tatsächlich nicht untertrieben. Nigrina war… nun, sie gestand es sich ungern ein, aber sie war schockiert gewesen über den Anblick, der sich ihr geboten hatte. Vera war tatsächlich nicht ansprechbar gewesen, hatte kein Anzeichen gegeben, dass sie ihre Anwesenheit überhaupt bemerkt hatte. Das gefiel Nigrina naturgemäß überhaupt nicht, und obwohl sie wusste, welch enges Verhältnis Vera und Piso miteinander verband, hatte doch ein winziger Teil in ihr geglaubt, sie, ihre Anwesenheit, könne sicherlich bewirken was sonst keiner geschafft hatte – nämlich dass Vera wieder zurückkehrte aus dem Traumreich, in dem ihr Geist wandeln mochte. Sie hatte es sich sogar ausgemalt, während sie neben Vera gesessen und ihre Hand gehalten hatte, stumm und mit ernstem Gesichtsausdruck. Sollten die Sklaven, die anwesend gewesen waren, nur herumerzählen, wie besorgt sie um ihre ältere Schwester war, wie sie sich kümmerte. Ihre Gedanken lesen konnte keiner, und in eben jenen Gedanken hatte sich die Vorstellung, in der sie wundersamerweise ihre Schwester zu wecken vermochte, abgewechselt mit lautlosen Tiraden, dass sie ihre Zeit wahrhaft besser verbringen konnte als sie hier mit einer Komatösen zu verschwenden, die vermutlich nicht einmal merkte, dass sie hier war, von einer Reaktion ganz zu schweigen.


    Sie musste ihrem Vater schreiben, Nigrina fand, dass er ein Recht darauf hatte das zu wissen, auch wenn Vera sich ähnlich wie Piso seit langer Zeit schon nicht mehr zu Hause hatte blicken lassen, mal abgesehen von diesem kleinen Besuch vor einiger Zeit, den ihr Bruder dem Landgut in Ravenna abgestattet hatte. Dass die zwei ein völlig anderes Verhältnis zu ihrem Vater hatten als sie war für sie kein Grund, ihm nicht zu schreiben. Sie wusste, dass er sich durchaus für das interessierte, was seine Sprösslinge taten – gerade jetzt, wo sie alle erwachsen waren. Nigrina fand daran nichts verwerfliches. Kinder waren in aller Regel einfach unerträgliche Blagen, kein Wunder, dass die meisten Eltern sie zu Ammen und Kindermädchen abschoben, vorausgesetzt sie konnten es sich leisten. Sie würde das nicht anders handhaben mit ihren. Und, mal ehrlich: es hatte keinem geschadet, ihr nicht, Piso nicht, und auch sonst keinem den sie kannte. Sie vergötterte ihren Vater nahezu, aber sie wusste auch, dass er kaum dazu geeignet war, ein kleines Kind groß zu ziehen. Nein, nein, es war besser, wenn zwischen Eltern und Kindern eine gewisse Distanz herrschte, vor allem so lange die Bälger klein waren. Taugten die Kinder etwas, förderte sie das nur. „Herrin?“ drang eine Stimme in ihre Gedanken. Nigrina brummte unwillig. „Verzeih, Herrin. Ich habe dir einen gemischten Saft gebracht.“ Sie zögerte kurz, dann blinzelte sie, öffnete langsam ihre Augen und streckte ihre Hand aus, ohne ein Wort zu sagen, um den Becher entgegen zu nehmen, den der Sklave ihr reichte. Es war keiner, der sie aus Ravenna begleitet hatte – ihre engsten Vertrauten kannte sie dann doch, und die übrigen waren wieder zurückgekehrt, nachdem sie sie sicher in die Villa Flavia in Rom gebracht haben. Es musste also einer von hier sein, und er bewies, dass gutes Material im flavischen Haus vorhanden war. Sie nickte ihm zu und schaffte es, dabei von oben herab zu wirken, obwohl sie lag und er stand, dann entließ sie ihn mit einer leichten Handbewegung und nippte an dem Getränk, das er gebracht hatte.


    Sim-Off:

    Reserviert

  • Flavius Furianus war seit je her kein Senator, welcher beim Diktieren seiner Epistel still herum saß. Der Senator pflegte, in der Art einiger großer Staatsmänner, lieber umher zu wandeln und in diesem Tun den Gedanken und Wörtern freien Raum zu lassen. Er formulierte so besser, stimmiger, prägnanter, wenn er sich von seinem Weg inspirieren ließ und einige schöne Metaphern hinein zu fügen pflegte.
    So war es auch an jenem Tage, an welchem er sich gerade Zeit nahm, um die vielen Glückwünsche postalisch zu beantworten, die ihn seit seiner Wahl zum Consul erreicht hatten. Nicht nur Klienten taten ihre Pflicht, sondern auch enge Freunde, politische wie auch aus der weit verzweigten Verwandtschaft. Ein Dankesbrief gehörte sich als Antwort, um auch niemanden zu vergrämen.
    Als er die Gänge hinunter schritt und zwei Sklaven, mit tabulae und stili bewaffnet jeden Gedanken mitschrieben, nahm der standartisierte Brief an seine Klienten gerade Gestalt an.
    "Und so war ich in den Dienst des Staates eingesetzt. Nein, nicht eingesetzt. Sagen wir lieber mal...eingeführt. Nein, nein, nicht notieren. Erwählt, genau, schreibt erwählt."
    Und so war auch er in die Exedra geschritten, denn diesen Weg nahm er oft, als seine Aufmerksamkeit auf ein gar zusammen gekauertes Mädchen fiel. Da er sie nicht einordnen konnte - so wie sie zurecht gemacht war, konnte es keine Sklavin sein - blieb er kurz stehen. Sie bemerkte ihn nicht und so vergingen einige Augenblicke des Beäugens, ehe er das Wort an sie richtete.
    "Salve.", war von ihm zu hören, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Danach vergingen natürlich Augenblicke, in denen sie hoch schauen und sich erschrecken konnte. Das sah er natürlich nicht voraus. Also sprach er gleich weiter.
    "Consul Flavius Furianus. Und wer sitzt mir gegenüber?", galant und fordernd. Mehr Zugeständnisse machte er nie, auch nicht vor bezaubernden jungen Damen wie jener vor ihm.

  • Nigrina lag ausgestreckt auf der Cline und genoss die Sonnenstrahlen, den Becher mit Saft locker in ihrer Linken, als plötzlich erneut eine Stimme in ihrer Nähe erklang. Ein Salve. Nicht Herrin. Das registrierte sie sehr wohl. Und sollte das ein Sklave sein, der sie so ansprach, würde der etwas erleben. Andererseits klang die Stimme nicht nach einem Sklaven. Höflich, charmant, aber dennoch so, als sei der Besitzer es gewohnt, dass Menschen taten, was er sagte. Dass sie ihm gehorchten. Kein Sklave sprach in diesem Tonfall, wenn ihm seine Gesundheit etwas wert war. Kein Sklave war überhaupt in der Lage, sich einen derartigen Tonfall anzugewöhnen, mit der richtigen Nuance, so dass es nicht etwa übertrieben oder lächerlich wirkte. Nein, so etwas errang sich ein Mensch nur, wenn er das dazugehörige Verhalten tatsächlich gewöhnt war – und es für selbstverständlich hielt. Langsam schlug Nigrina die Augen auf und sah hoch zu dem Mann, der bei ihr stand, und es benötigte nur eines ersten, kurzen Blickes, um ihre Vermutung zu bestätigen, dass er kein Sklave war. Sie setzte sich ein wenig aufrechter hin, brachte ihren Körper in eine Pose, die angemessener war in Gegenwart eines Mannes von ihrem Stand – selbst wenn er ein Verwandter war, und diese Vermutung lag nahe, glaubte sie doch kaum, dass ein Fremder in der Villa Flavia einfach so umher laufen konnte.


    „Salve“, grüßte sie zurück, mit einem verhaltenen Lächeln, das sich ein wenig verstärkte, als er seinen Namen nannte – und, was noch wichtiger war, seinen Titel. Furianus also. Gehört hatte sie bereits von ihm, selbstverständlich, dafür hatten sowohl ihr Vater als auch ihr eigenes Interesse an den mächtigen Männern ihrer Familie gesorgt. Und daher wusste sie auch, dass er noch nicht lange Consul sein konnte. Nigrinas Augen blitzten flüchtig auf. „Flavia Nigrina“, stellte sie sich vor. „Ich bin Aulus’ und Veras jüngere Schwester. Unser Vater Aetius hat mich erst vor kurzem nach Rom geschickt.“ Um hier verheiratet zu werden, aber das ließ Nigrina noch unerwähnt. Das konnte sie immer noch sagen, wenn sich die Gelegenheit dazu bot im Lauf des Gesprächs. „Gehe ich richtig in der Annahme, dass meine Glückwünsche zur Wahl nicht verspätet sind, wenn ich sie jetzt ausspreche?“

  • Der Flavier nickte wohlwollend, als die junge Dame recht prägnant sich selbst sowie die Umstände ihrer jetzigen Anwesenheit beschrieb. Dass der Flavier just in diesem Moment an eine weitere Bürde dachte, verschwieg er natürlich, doch insgeheim überschlug er schon die Unsummen für ihren Unterricht, ihr leibliches Wohl und dem, was da mit Aufmachungen, gesellschaftlichen Veranstaltungen, Garderoben und persönlichen Sklaven noch kommen mochte. Da kam schon leicht eine stolze Summe zusammen und jeder Aetius tat gut daran so die kostspieligen Töchter an die reichen Verwandten in Rom abzuschieben. Die Etikette oder vielmehr der familiäre Zusammenhalt eines jeden Patriziers oder den oberen Ständen angehörenden Römern allgemein würde selbstverständlich eine Ablehnung einer jungen Dame entgegen sprechen. Und der einzige Vorteil, den eine so junge Dame brachte, nämlich etwaige Möglichkeiten in der Heiratspolitik, würde der Flavier ohnehin nutzen können.
    "Gewiss, so lange bin ich nicht im Amt, um mir nicht gratulieren zu lassen.", entgegnete er freundlich. Sie sah dem jungen Piso und seiner oft abwesenden Schwester recht ähnlich, wenn er sie eingehender betrachtete, was er auch nun tat.
    "Wie gefällt dir Rom, Flavia Nigrina?", fing er das Gespräch locker an. Die Antwort wusste er schon, doch der Sinn hinter solchen Fragen war ohnehin ein anderer.

  • Dass Nigrina ihre Familie Geld kostete und noch kosten würde, war ihr durchaus bewusst. Allerdings: in ihrer Weltsicht war sie jeden einzelnen Sesterz davon wert. Davon abgesehen war Geld etwas, das man einfach hatte – oder besser etwas, das ihre Familie einfach hatte. Wie sie dazu kamen, war für sie eher sekundär. Natürlich war ihr bewusst, dass der flavische Reichtum ihnen nicht direkt von den Göttern geschenkt wurde, aber: sie war eine Frau. Es gab ohnehin nichts, was sie dazu beitragen konnte, das war und blieb Aufgabe, Vorrecht und damit auch Pflicht der Männer. Womit Nigrina nicht das geringste Problem hatte, genauso wenig damit, dass sie letztlich herzlich wenig beitragen konnte zur Mehrung des Ansehens ihrer Familie, jedenfalls des politischen – außer sich entsprechend von Stand verheiraten zu lassen, und genau deswegen war sie hier. Und was sie darüber hinaus gesellschaftlich tun konnte, um ihrer Familie würdig zu sein, würde sie tun, schon allein um ihrer selbst willen. Es gab wenig – wenn nicht gar nichts – was Nigrina nicht wenigstens teils um ihrer selbst willen tat.


    „Dann nimm meine Glückwünsche zur erfolgreichen Wahl entgegen“, lächelte Nigrina zurück. „Wer bestreitet das Consulat mit dir, wenn ich fragen darf?“ Nicht dass sie sich sonderlich für Politik interessierte – aber sie interessierte sich durchaus dafür, wer gerade Macht innehatte. Und welche Familie damit im Umkehrschluss gesellschaftlich populär war. Aber detailliert musste sie ja nicht darlegen, was der Grund für ihre Frage war. Und wenn ihr Verwandter diese Frage womöglich als Interesse an seinen Tätigkeiten auslegte, umso besser. „Nun…“, ging sie dann auf seine Frage bezüglich Roms ein. „Bisher habe ich noch recht wenig gesehen, muss ich gestehen. Ich war bereits mit Aulus in der Stadt unterwegs, allerdings gleich an meinem ersten Tag hier, kurz nach meiner Ankunft. Allzu viel haben wir an diesem Tag dann nicht mehr geschafft.“ Sie nippte an ihrem Saft und musterte Furianus. „Mein erster Eindruck ist allerdings… gewaltig. Die Stadt pulsiert vor Leben. Ganz anders als Ravenna, so anders, dass man sich fast nicht traut, die beiden Städte in einem Atemzug zu erwähnen. Kurz, bislang sind meine Erwartungen noch nicht enttäuscht worden – eher übertroffen.“ Das Lächeln auf ihren Lippen verbreiterte sich ein wenig. „Hast du denn den ein oder anderen Tipp für mich? Was darf man auf keinen Fall verpassen?“

  • Ihre Glückwünsche nahm er mit einem freundlichen Nicken entgegen. Sie war auf ihre Art recht reizend, nicht vorlaut und gut erzogen. Sie gefiel ihm und er stellte sich vor, dass sie gut zu einem der älteren Senatoren passen würde. Recht gut verheiraten müsste man sie.
    "Senator Caius Herennius Pulvillus, der ehemalige Proconsul Achaias.", antwortete er knapp auf die Frage nach dem Consul an seiner Seite. Eigentlich sollte sie so etwas wissen. Aber zu ihrer Verteidigung war sie nunmal eine Frau und daher konnte der Senator nicht davon ausgehen, dass man als Frau von solchen Dingen Kunde bekam.
    "Nun, was du auf keinen Fall verpassen darfst?", resümierte er, bevor er mit einem kecken Lächeln erwiderte: "Du solltest auf keinen Fall verpassen diese Stadt zu verlassen, bevor der Sommer losbricht.
    Es ist nämlich ein großes Loch, unser glänzendes Rom, welches recht schnell zu stinken beginnt, wenn die ersten Sonnenstrahlen den Tiber erhitzen. Aber bevor es losgeht, solltest du unser Theatrum besuchen, das Theatrum Flavium, oder die Tempel unserer Ahnen. Auf das Forum zieht es viele römsiche Damen, doch solltest du in angemessener Begleitung gehen - ich denke da an mindestens acht starke Sklaven."

    Mehr konnte er auf der Stelle einer jungen Dame von Anstand und Rang auch nicht empfehlen.

  • Herennius. Nigrina nickte leicht. Herennius… Keine allzu herausragende Familie? Sie grübelte für einen Moment, beschloss sich den Namen zu merken – nur für alle Fälle – und lächelte Furianus erneut an. Politik interessierte sie im Grunde nur insoweit, wie es ihre gesellschaftliche Stellung betraf. Was letztlich hieß, dass sie doch das ein oder andere zwangsläufig in Erfahrung bringen musste, was sie eigentlich nur peripher von Interesse fand. Allerdings, hauptsächlich war es für sie wichtig, zu wissen welche Menschen und Familien wichtig waren und welche nicht. Bei welchen Plebejern es hieß, sich entsprechend zu benehmen und nicht allzu sehr zu zeigen, was sie von ihnen hielt, und bei welchen nicht. So etwas in der Richtung. Und dafür hatte sie ein Gespür. Ob es nun angeboren war oder im Lauf der Jahre entwickelt, wusste sie nicht genau zu sagen, aber in der Regel hatte sie ein Gespür dafür, welche Leute sie vor den Kopf stoßen konnte und welche nicht – was jedoch nicht hieß, dass sie immer danach handelte, oder abwartete, bis sie Bescheid wusste. Vor allem dann nicht, wenn ihr Temperament mit ihr durchging.


    Als Furianus dann seine Empfehlung aussprach, stutzte Nigrina für einen Moment, tatsächlich überrascht – und lachte dann leise. „Ich bin gerade erst angekommen, und du rätst mir, Rom schon wieder zu verlassen?“ Sie zog für einen Moment die Nase kraus, konnte sich das Lächeln dabei aber nicht verkneifen. Sicher gab es irgendwelche flavischen Landgüter in der Nähe Roms, zu denen sie flüchten konnte, wenn der Gestank der Stadt zu schlimm wurde – sie hatte in jedem Fall nicht vor, jetzt schon wieder nach Ravenna zurückzukehren, wo sie doch gerade erst entkommen war. „Wo wirst du den Sommer verbringen? Oder musst du hier bleiben, als Consul?“ Sie schmunzelte leicht. „Hab Dank für deine Empfehlungen, ich werde beides besichtigen. Und das Forum in jedem Fall auch. In angemessener Begleitung.“ Acht starke Sklaven, diese sollten doch aufzutreiben sein in der Villa Flavia. Aber auch ohne Furianus’ Empfehlung hätte sie annähernd so viele mitgenommen. Immerhin wusste man ja nie, was so alles passierte, und damit meinte Nigrina nicht die Möglichkeit eines Überfalls, sondern eher die Möglichkeit, dass sie unerwartet etwas wollte, Träger brauchte, Laufburschen… was auch immer. „Ein Besuch des Theatrums Marcelli habe ich ebenfalls bereits geplant.“

  • "Ich bin wenigstens ehrlich.", antwortete er ihr mit einem milden Lächeln. Rom war wahrlich unausstehlich in den Sommermonaten - zudem konnte die Sonne ein junges Mädchen verleiten recht freizügig nicht nur mit ihrem Körper umzugehen, sondern ebenso mit ihren Gedanken. Wobei es in Misenum um diese Jahreszeit nicht würde anders zugehen.
    Vielleicht sollte er sie auf sein Landgut schaffen, fernab von all den Festivitäten in Rom und Misenum, oder Baiae.
    "Während der Senatsferien ziehe ich mich für einige Zeit auf meine Villa Suburbana vor den Toren Roms zurück - und für ein paar Wochen nach Misenum.", und da dort der schwächelnde Kaiser weilte, konnte er sich demnach auch noch politisch betätigen.
    Er nickte. Vor allem für ihre Einsicht nicht alleine gehen zu wollen. Sie schien, zumindest wirkte sie so für den Consul, eine recht einsichtige junge Frau zu sein und er fragte sich, wie alt sie nun sein mochte. Er konnte aber auch einfach fragen: "Wie lange hat dein Vater dich denn bei sich behalten? Du scheinst noch recht jung."

  • Nigrina musterte ihn einen Augenblick lang mit offener Neugier. „Zu schade, dass Rom in den Sommermonaten tatsächlich so unerträglich ist.“ Dass er tatsächlich ehrlich war, wie er es sagte, stellte sie nicht in Frage. Allerdings wollte sie tatsächlich nicht fort. Nicht allzu weit. Sie wollte nahe genug an Rom sein, dass es keinen großen Aufwand bedeuten würde, in die Stadt zu reisen, wenn irgendetwas los war. Wenn denn etwas los war, denn nach allem was sie bereits gehört hatte – und was Furianus gerade gesagt hatte –, verließ doch ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung im Sommer die Stadt. Der Bevölkerung jedenfalls, die zählte in ihren Augen. Aber falls etwas los war, wollte sie sich das nicht entgehen lassen, und sie wollte auch die Abwechslung haben, die eine Stadt wie Rom bot. „Gibt es denn noch andere flavische Landgüter in der Nähe Roms?“ erkundigte sie sich. „Oder“, das folgte mit einem Lächeln, das sie immer zeigte, wenn sie von ihrem Vater etwas wollte, und das zumindest bei diesem in aller Regel auch Wirkung zeigte in seiner Mischung aus Liebenswürdigkeit und Schalk, „wäre es zu frech von mir dich zu fragen, ob ich dich vielleicht bei Gelegenheit auf deinem Landgut besuchen könnte?“ Sofern besagtes Landgut nicht zu weit weg war von Rom… wäre das die Ideallösung, fand sie.


    Die folgende Frage kommentierte sie mit einem weiteren Lächeln, auch wenn es diesmal undurchsichtiger war. Genau das war einer der Streitpunkte gewesen zwischen ihrem Vater und ihr – sie selbst hielt sich für gar nicht mehr so jung, im Grunde hätte er sie schon vor zwei Jahren nach Rom schicken können. Fand sie. Hatte er nicht gefunden. Und so war es eben auch zwischen ihnen zu diesen kleinen Streitgesprächen gekommen, die zwischen Vätern und ihren heranwachsenden Töchtern wohl üblich waren. „Fast 18 Jahre hat er mich bei sich behalten. Fast zu lange, wenn du mich fragst. Andere sind in meinem Alter bereits verheiratet…“

  • Ob ein in den Sommermonaten unerträgliches Rom so schade war, mochte er nicht kommentieren. Was wäre denn, wenn Rom angenehm in diesen Monaten war? Er wollte sich die Frage nicht stellen, denn er fürchtete, dass der Senat dann keine Sommerpause einlegen würde - und das wäre eine Botschaft sondergleichen!
    Flavius Furianus liebte die Politik, doch nicht so sehr, dass er einige Wochen seiner Freizeit für sie gänzlich opfern würde. Schließlich war es schon pedantisch genug, dass man jede Ausreise aus Rom melden musste - da würde man einem Mann doch einige Wochen Freiheit und Ruhe zugestehen können.
    "Nein, soweit ich weiß gibt es keine Landgüter in der unmittelbaren Nähe zu Rom.", antwortete er, nachdem er einen Moment darüber nachdenken konnte, ob man Ostia als außerhalb Roms oder ihrer Eigenschaft als Hafen Roms doch dazu zählen konnte. Wenn doch, so wären es zwei Landgüter geworden, doch er wählte bewusst die Einschränkung einer unmittelbaren Entfernung und so war seine villa suburbana wohl die einzige.
    Die nächste Aussage von ihr, gefiel ihm im ersten Moment nun gar nicht. Sein Landhaus war wie ein Refugium, in welches er sich in dringenden Momenten zurückziehen konnte - andere Familienmitglieder würde er zwar dulden, doch sie würden stören. Es lag nicht an dem einzelnen Menschen, sondern mehr an seiner Physis, an seiner Anwesenheit, die dem Flavier missfallen würde. Zudem verband er neuerdings mit diesem Anwesen die leidenschaftliche Beziehung zu Tiberia Septima. Zeugen konnten sie in ihrer delikaten Situation nicht gebrauchen und die Sklaven waren auch, das wusste jeder Römer, recht gesprächig. Das Bild seines Lustrefugiums verband sich dann plötzlich mit der Vorstellung dieses junge Mädchen ebenfalls dort zu empfangen - und auch wenn der erste Gedanke, denn sie war nicht schlecht gebaut und sehr ansehnlich, nicht sehr verstörend war, so war es doch die Tatsache der Verwandtschaft, welche seine Fantasie recht schnell zügelte. Für einen Bruchteil überlegte er noch, ob die verwandschaftliche Entfernung zu Nigrina reichte, um so etwas doch realisieren zu können, als er sich selbst schalt. Dies verdrängend, setzte er ein recht gespieltes Lächeln auf und wiegte den Kopf leicht hin und her.
    "Nun, das kommt darauf an.", und auch wenn diese Antwort ihr nicht reichen sollte, so würde er darauf bestehen müssen. Noch wollte er nichts sagen und am liebsten in diesem Moment von dannen ziehen, denn eine Tunika war recht bequem, konnte jedoch auf der anderen Seite viele Dinge, die im Verborgenen mussten verweilen, durch leichte Beulen zu Tageslicht bringen. Und bevor er sich in diese Gefahr begab, legte er kurzerhand ein Bein über das Andere und drehte sich leicht von ihr weg, so dass ihr Blick nichts erhaschen mochte, was verboten war.
    "18 Jahre?", fragte er dann, vielmehr um abzulenken, als aus ehrlichem Interesse heraus.
    Sie war eindeutig zu alt. Wieder einmal konnte er sich über die Verwandtschaft echauffieren. Entweder war dieser Aetius, welchen er bisweilen nie persönlich kennenlernen konnte, unfähig soziale Kontakte zu knüpfen oder er verstand rein gar nichts von römischen Sitten. Hätte man den Flavier gefragt, so wäre Nigrina spätestens an der Schwelle zum 15 Lebensjahr gewinnbringend verheiratet worden.
    Doch, dies waren rationale Überlegungen und Flavius Furianus wusste nichts um die Fehler, vor welchen auch er späterhin, als Vater, nicht würde entrinnen können. Sicherlich wollte der alte Aetius seine Tochter länger bei sich haben.
    "Nun denn, dann wird es höchste Zeit für einen Mann.", stellte er dann fest und lächelte ihr aufmunternd entgegen. So gefiel er sich nun gar nicht. Flavius Furianus war kein Mann, welcher sich mit anderen Vätern traf, um eine Hochzeit zu arrangieren und auch wenn dies zu den ehrbarsten Pflichten eines Familienoberhauptes zählte, so hatte dies für ihn schon immer eine weibliche Nuance gehabt. Frauen mochten diese Dinge und Furianus vertraute in diesem Moment auf die vielen Fähigkeit, so hoffte er schließlich, welche seine Frau in sich verbergen mochte - eine davon war sicherlich die, sich um entsprechende Verbindung für seine Kinder, Nichten oder Sonstwen zu kümmern. Ihm war dies zumindest ein Graus und nur widerwillig oder in schwester Not würde er handeln - so beschloss er es zumindest einige Jahre zuvor.
    Aber Menschen alterten, veränderten sich und der Consul sicherlich auch.

  • Keine weiteren Landgüter. Keine weiteren Möglichkeiten, sich zurückzuziehen, sollte Rom tatsächlich ihr ebenso auf die Nerven gehen im Sommer. Nigrina nippte an ihrem Getränk, während sie zugleich befand, dass sie schon irgendeinen Weg finden würde, es ihr gut gehen zu lassen. Nach Ravenna zurückzureisen hieße in jedem Fall, dort gänzlich die Sommermonate zu verbringen, das gleiche galt beispielsweise für Baiae als mögliches Ziel, wo ebenfalls Verwandte lebten – eine derartige Reise nahm sie nicht einfach so auf sich, nicht um sich dort dann nur wenige Wochen aufzuhalten. Und sie wollte einfach nicht derart lange aus Rom fort sein, wo sie doch gerade erst hierher gekommen war. Furianus’ vage Formulierung bei seiner Antwort fiel ihr in jedem Fall auf – woran diese Vagheit nun lag, wusste sie freilich nicht, aber sie bemerkte sie. „Worauf kommt es denn an?“ Ihr Lächeln blieb so liebenswürdig wie zuvor. „Ich möchte dir ganz sicher nicht zur Last fallen, verzeih mir, wenn ich zu aufdringlich gewesen sein sollte.“ Wenn das Landgut des Furianus’ tatsächlich das einzige flavische in der näheren Umgebung Roms war, war es noch wichtiger, es sich nicht mit ihm zu verscherzen, wollte sie wenigstens irgendwann einmal die Gelegenheit haben, ihn dort zu besuchen – und damit Rom zu entfliehen. Immer vorausgesetzt natürlich, die Hitze und der Gestank waren tatsächlich unerträglich, aber da sie recht verwöhnt war, oder, wie sie selbst es formulieren würde: sehr anspruchsvoll, würde es vermutlich darauf hinauslaufen. Und es hatte ja einen Grund, warum so viele Mitglieder der Nobilitas im Sommer Rom für einen längeren Zeitraum verließen – und auch jeder sonst, der die Gelegenheit und das nötige Kleingeld dazu hatte.


    „Noch bin ich 17“, erlaubte sie sich dann ihn dann zu verbessern. Und dann verzog sie ihre Lippen zu einem leichten… nun, Schmollen konnte man es nicht ganz nennen, aber es war definitiv ein entsprechender Anflug davon. Sie hatte es ja selbst gesagt – aber sie fand es trotzdem nicht sonderlich höflich, dass er das noch einmal so explizit erwähnte. Es war einfach etwas anderes, wenn sie selbst damit kokettierte! Aber im Endeffekt konnte sie dem Consul nur zustimmen, und das war ein weiterer Grund dafür, dass sie schmollte, nicht ihm, sondern ihrem Vater – und dem noch weit mehr. „Meine Rede! Seit zwei Jahren liege ich meinem Vater damit in den Ohren, er möge einen Ehemann für mich aussuchen, oder wenigstens einen passenden Kandidaten…“ Sie seufzte leicht und lächelte dann wieder. „Aber nun hat er sich darum endlich gekümmert. Einer der Gründe, warum ich hier in Rom bin – mein Vater hat sich für den Sohn eines Aureliers entschieden. Mein Bruder Aulus soll in der nächsten Zeit die entscheidenden Verhandlungen aufnehmen.“

  • "Auf dein Benehmen.", antwortete er salopp, ohne sich großartig viele Gedanken gemacht zu haben, ob diese Antwort nicht jeglicher Logik entbehrlich war. Damit befand er aber auch, dass auf diese Thematik nicht weiter einzugehen sei, zumindest von ihm aus. Die unangenehme Vorstellung noch mehr Zeugen in der villa suburbana zu haben, welche über die Liason mit der Tiberia wussten, war sogar sehr unangenehm. Vor allem, wenn die villa an sich für ihn als Hort der Gelüste galt, nachdem er dort so viel hatte ausleben können.
    Mit stoischer Geduld ließ er den Nachdruck, sie sei erst siebzehn, über sich ergehen, ohne sie dafür zu missbilligen. Ebenfalls die Erklärung, ihr Vater habe dabei gänzlich versagt, rannen ihm keine Gefühlsregung ab - bis auf die Erwähnung des Künftigen.
    "Ein Aurelius also. Zumindest wirst du dich dort nicht einsam fühlen, haben wir doch recht enge familiäre Bande zu dieser Gens.", was natürlich für sie ein persönlicher Vorteil sein würde. Für die Gens war eine weitere Verflechtung mit der derzeit im Senat recht stark präsenten Familie ein Zugewinn.
    So nickte er es ab, als hätte man dafür seine Genehmigung nötig. Aber immerhin war er derzeit Consul, Angehöriger der Nobilitas und wenigstens für ein Jahr einer der mächtigsten Römer.
    "Hat dein Vater schon einen genauen Termin für die Zelebrierung ersonnen?", fragte er dann, um das Gespräch nicht abebben zu lassen. Eigentlich interessierte es ihn nicht, nur der Umstand, es könnte in die Wahlphase fallen, hätte ihn da missmutig gestimmt.

  • Ihr Benehmen. So so… Nun, benehmen konnte Nigrina sich – sie konnte es sogar sehr gut. Wenn sie wollte. Und bei Furianus stellte sich augenblicklich nicht die Frage, ob sie wollte oder nicht – er war Consul, bei allen Göttern, mit so jemandem verscherzte man es sich so oder so nicht, erst recht nicht, wenn er zur Familie gehörte! Das Thema mit seinem Landgut und einem eventuellen Besuch ihrerseits dort ließ sie nun vorerst auf sich beruhen. Furianus hatte eher einen zurückhaltenden Eindruck gemacht, und Nigrina sah durchaus sich in der Lage, eine solche Zurückhaltung zu interpretieren.


    Auf ihre weiteren Worte reagierte er kaum, und das war nun etwas, was Nigrina ein wenig… störte. Sie konnte nicht erkennen, nicht abschätzen, wie er über ihre Worte dachte, wie er sie aufnahm, und das störte sie einfach, wurde es dadurch doch umso schwerer, die richtige Reaktion zu finden. „Ja… Celerina ist mit einem Aurelier verheiratet, nicht wahr?“ Celerina… Nigrina grübelte einen Moment. Das war eine Verwandte, die sie auch noch kennen lernen sollte, spätestens wenn die Verhandlungen offiziell waren. Dass Furianus betonte, dass die Bande zwischen der Aurelia und der Flavia bereits eng waren, konnte allerdings wieder als Nachteil interpretiert werden. Immerhin war es besser, politische Verbindungen eher weit zu streuen… Aber ihr Vater hatte sich umgehört und nun einmal die Aurelia auserkoren, und diesen Zweig – sie wusste nicht, ob er den Vater ihres Zukünftigen vielleicht irgendwann einmal kennen gelernt oder was sonst Aetius dazu bewogen haben mochte, ausgerechnet diesen Mann anzuschreiben, ob er einen seiner Söhne mit Nigrina verheiraten würde. War im Grunde auch nicht allzu wichtig, nicht für sie, weil sie ohnehin kein Mitspracherecht war – und solange es ein Patrizier war, der ein Mindestmaß an Ehrgeiz mit brachte, sollte es ihr recht sein. Ein Senator wäre natürlich noch einmal eine ganz andere Liga… andererseits war sie da durchaus zwiegespalten. Würde sie einen Senator heiraten, hätte sie von vornherein einen ganz anderen Stand. Aber sie wollte auch keinen alten Knacker abkriegen, da war es ihr im Grunde fast lieber, einen zu heiraten, der noch ein Niemand war, aber das Zeug hatte sich hochzuarbeiten… und dafür jung war.


    „Nein, hat er noch nicht“, antwortete sie dann wahrheitsgemäß. „So weit ich weiß, jedenfalls. Bevor er mich nach Rom geschickt hat, hat er mir gesagt, er hätte Aulus mit allem Nötigen beauftragt. Demnach steht bisher die Verlobung selbst noch nicht einmal wirklich fest, nur der Wille, entsprechende Verhandlungen zu führen.“ Sie lächelte leicht, aber wertfrei – es gab hier nichts, wofür sie sich entschuldigen müsste, sie hatte mit dieser Sache im Grunde nichts zu tun. „Falls sich inzwischen Änderungen ergeben haben sollten, wäre Aulus der richtige Ansprechpartner.“

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