Atrium | Die Liebesbotin

  • Als man Piso in seinem Cubiculum erzählt hatte, eine junge Aurelia wollte ihn sprechen, war er aufgefahren. Seine Haare waren ihm zu Berge gestanden, seine Augen hatten sich geweitet, seine Arme nach oben gestreckt. Als der sichtlich eingeschüchterte Sklave nachgeschoben hatte, dass es sich um Aurelia Flora handelte, war Piso wie zusammengeknickt. Doch bevor er noch vor lauter Geknicktheit den Boden berühren konnte durch schieres Umfallen, dachte er schnell nach. Eine Aurelia. Eine Aurelia Flora war besser als gar keine Aurelia. Vielleicht kam sie ja von Corvinus, um ihm Schimpfwörter an den hals zu werfen.
    Allerdings hatte sie sich als Freundin von Piso identifiziert. Piso fand diese Klassifikation fraglich, hatte er sie doch nur flüchtig kennen gelernt. Aber gut. Sie sollte hereinkommen.
    Er war aus seinem Cubiculum herausgestolpert, ungelenk, und hatte sich ins Atrium gesetzt, auf eine Kline hin, stocksteif, als ob er einen Besen geschluckt hätte. Seine Finger verkrallten sich in die Kante der Kline, und er spürte, wie der Schweiß ihm über den Rücken rann. Was hatte diese Aurelia ihm zu sagen? Was würde sie ihm sagen?
    Oh, Prisca. Er bekam sie nicht mehr aus seinem Kopf. Vielleicht gab es aber jetzt für ihn eine Erlösung von seinen Höllenqualen?

  • Noch einmal wurde sie gemustert. Was der Sklave aber dachte blieb ihr verborgen. Schließlich drehte er sich um und redete mit jemandem der ihr verborgen blieb. Wieder zupfte sie an ihrer Pala herum. Sie war irgendwie nervös. Das war ja auch alles so aufregend. Sie spielte Schicksal. Wie der Flavier auf ihre Botschaft reagieren würde? Hoffentlich freute er sich. Sie wollte Prisca schließlich nicht schon wieder trösten wollen.
    Nach einer kurzen Wartezeit wurde sie schließlich ins Haus geführt. Kurz nickte sie dem Sklaven zu und ließ ihren Blick neugierig umherschweifen. Flora war an Prunk und Protz gewöhnt. Nur war die Villa Flavia eben in einem anderen Stil eingerichtet wie die Villa Aurelia. Bei jedem Schritt wurde sie nervöser. Ein wenig bereute sie es, Narcissa nicht in ihre Pläne eingeweiht zu haben und eben mit ihrer Zwillingsschwester diesen Botengang zu übernehmen. Hoffentlich würde ihr Ebenbild nicht sauer sein, weil sie Prisca allein diesen Gefallen getan hatte. Auf dem Rückweg werde ich an einem Buchladen vorbei gehen und Narcissa etwas mitbringen, fasste sie den Entschluss. Auf diese Weise würde sie ihre Schwester besänftigen können. Außerdem würde sie ihr dann haargenau erzählen was vorgefallen war.


    Etwas verdutzt sah sie Piso an. Er sah furchtbar aus, anscheinend war Prisca nicht allein vor Liebeskummer vergangen. Da würde der Brief den sie dabei hatte sicherlich die Laune heben. Flora schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Salve Flavius Piso“, grüßte sie ihn und überlegte, ob sie gleich mit der Tür ins Haus fallen sollte. So wie er aussah brauchte er anscheinend dringend eine gute Nachricht. „Prisca schickt mich“, eröffnete sie ihm dann einfach. „Ich weiß was Gestern vorgefallen ist und sie hat mir etwas für dich mitgegeben!“ Flora kramte den Brief hervor und reichte ihm diesen dann einfach. Sie hatte Mitleid mit dem armen Kerl. Corvinus hatte ihn sicherlich durch die Mangel gedreht. So sah er jedenfalls aus.



    Lieber Aulus,


    ich schreibe dir, weil ich dir sagen möchte wie sehr ich mich über unser Wiedersehen gefreut habe und ich tief betrübt bin, über das abrupte und unschöne Ende. Das habe ich nicht gewollt, da ich dich wirklich sehr gern habe. Es tut mir auch leid wegen der Ohrfeige und wenn ich dir Unrecht getan habe. Ich muss immerzu an dich denken, an dein wundervolles Gedicht, an den Kuss und dann wünsche ich mir nichts sehnlicher, als diesen einen Augenblick mit dir zurück.


    Liebe Grüße
    [Blockierte Grafik: http://img61.imageshack.us/img61/6223/aureliapriscair1.jpg]

  • Selbst wer Prunk und Protz übelster Machart gewohnt war, der konnte noch immer überrascht werden von der Villa Flavia, ein gewaltiges Haus, erbaut im Geiste der Großmannssucht und des flavischen Wahns, welches schon Leuten als Schlafstätte gedient hatten, die noch weniger Tassen im Schrank gehabt hatten als Piso.
    Die Aurelia begrüßte ihn, er schaute auf. Sie hatte ein sehr schönes, offenes, ja richtiggehend ästhetisches Lächeln. Das war gut. Piso lächelte seinerseits matt zurück. “Salve, Aurelia Flora.“ Ja, er konnte sich noch erinnern, Flora und Narcissa, die Blümchen, sie waren ihm ein Begriff. Die junge Dame ganz alleine ohne ihre Schwester? Piso wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Die beiden Schwestern nebeneinander waren doch eine sehr interessante Sache gewesen – als ob er zuviel Wein getrunken hätte und sich alles verdoppelte vor seinen Augen. Nun, nicht, als ob er selber jemals schon so was erlebt hätte, vielleicht, aber dann war er schon so betrunken gewesen, dass er es gar nicht mehr wahr genommen hatte.
    Aufmerksam hörte er weiter zu. Am Beginn des Gesprächs war Piso etwas bleich gewesen, nun aber war seine Haut kalkweiß, wie bei einem erbärmlichen Wesen, das sein Leben lang in den Abwässerkanälen Roms gelebt hatte und nie die Sonne gesehen hatte.
    “W... P... G... K... R...”, offenbarte er Flora seine Gedanken. Er starrte sie an, als ob sie ihm gesagt hätte, sie wäre eine Fee, die ihm 3 Wünsche offenbaren würde.
    “Sie hat... aber....“ Aber sie hat mir doch eine Watsche gegeben! Und sie... ach ihr Götter! “Du... dir ist das ernst, oder?“ Piso blickte die Aurelierin an we eine gequälte Seele, die das Licht am Ende des Tunnels sah. Und dann hielt sie ihm schon den Brief hin. Piso ergriff ihn und examinierte ihn, Linie für Linie.
    Lieber Aulus. Schon alleine das brache ihn zum Erschaudern. Es gab nur wenige, die ihn Aulus nannten. Seine engste Familie, das war es auch schon. Sein Praenomen... es war nicht so, dass dieser inflationär rumgeschleudert wurde wie bei anderen Leuten. Die Flavier waren da im Umgang miteinander weniger herzlich als andere Leute. Wer ihn ihm gegenüber aussprach, der hatte immer zumindest einen gewissen Grad von Liebe ihm gegenüber gehegt.
    Ich schreibe dir, weil ich dir sagen möchte wie sehr ich mich über unser Wiedersehen gefreut habe und ich tief betrübt bin, über das abrupte und unschöne Ende. Tief betrübt?! Pisos Augen weiteten sich. Welcher Natur war dieses Bedauern? Floskelhaft oder ehrlich?
    Das habe ich nicht gewollt, da ich dich wirklich sehr gern habe. Piso keuchte wie ein Asthmatiker nach einem Hustenanfall. Sie hatte ihn gern. Gern, das musste man sich vorstellen!
    Es tut mir auch leid wegen der Ohrfeige und wenn ich dir Unrecht getan habe. Ich muss immerzu an dich denken, an dein wundervolles Gedicht, an den Kuss und dann wünsche ich mir nichts sehnlicher, als diesen einen Augenblick mit dir zurück. Wäre Piso nur noch ein kleines bisschen zartbesaiteter gewesen, als er es von Natur aus schon war, er wäre jetzt in Ohnmacht gefallen. Gab es das? War es möglich? Ih musste offenbar einiges an ihm liegen, anders war dies nicht erklärbar! Verwirrt blickte er noch auf das Liebe Grüße, dann blickte er mit einem Blick hoch zu Flora, einem unbeschreiblichen Blick. So einen Blick hatten nur Leute, die etwas unvergleichlich Schönes gesehen hatten und dadurch nicht nur zutiefst berührt, sondern auch schockiert waren. “Krnnchggglllchng...“, brachte er hervor.

  • Floras Lächeln schwand, als er sie ansah, wie eine Erscheinung. Ihr Blick wurde besorgt, denn er sah aus, als würde er jeden Augenblick einen Herzschlag erleiden und Tod umfallen. Es hatte ihn wohl noch schlimmer mit der Liebe erwischt wie Prisca. Zaghaft ließ sie sich neben ihm nieder und hoffte dass er nicht zusammen brechen würde. Die Flavier sind verrückt, schoss es ihr in den Kopf. Wie oft hatte sie Gerüchte über diese Gens gehört, ihnen aber nur wenig Glauben geschenkt. Nun aber sah sie mit eigenen Augen wie es um diese Familie bestellt war. Nun bereute sie es, allein hier zu sein. Narcissa hätte sicherlich die richtigen Worte gefunden um Piso zu beruhigen.
    Ganz schön verunsichert nickte sie, als er fragte ob es ihr ernst war. „Es tut Prisca schrecklich Leid was vorgefallen ist. Sie ist am Boden zerstört und ich soll für sie ein wenig die Wogen glätten. Sie würde dich gern wieder sehen!“ erzählte sie ihm vorsichtig, nicht das ihn diese Nachricht doch noch aus den Sandalen kippen ließ. „Sie war etwas überfordert, als Marcus dazu kam und euch gesehen hatte. Sie hatte nicht vor dich zu verletzen“, erklärte sie und tätschelte ihm den Arm. Die Aurelia war reichlich überfordert mit der Situation. Es war eben etwas anderes Prisca zu trösten. Prisca war ihre Cousine, sie waren gemeinsam aufgewachsen und hatten viele Streiche gemeinsam ausgeheckt, sie waren eben eine Familie und kannten sich sehr gut. Piso war nachwievor ein Fremder für sie und Flora wusste nicht, was sie ihm sagen sollte.
    Schweigend saß sie neben ihm, als er den Brief las. Seine Miene spiegelte dabei Fassungslosigkeit wieder. Damit schien er nicht gerechnet zu haben. Hatte wohl befürchtet, dass Prisca ihn nie wieder sehen wollte. Langsam wandelte sich der Ausdruck, Hoffnung schimmerte in seinen Augen. Nun musste sie wieder Lächeln, es war das Richtige gewesen, diesen Brief ihm zu bringen. Ihr Lächeln wich dann aber einem verwirrten Ausdruck. Piso bekam kein vernünftiges Wort mehr zustande. „Geht’s dir gut?“ fragte sie ihn besorgt.

  • Piso blickte kurz zur Seite, wo sich Flora kollegialerweise neben ihn hingesetzt hatte. Was sagte sie da? Prisca würde Piso gerne wieder sehen? Und sie hatte es nicht so gemeint? Das war zumindest das, was Flora ihm sagte. Er fühlte sich... Himmel nein, er konnte nicht sagen, wie er sich fühlte. Er hatte den unwiderstehlichen Drang, rauszurennen. Zur Villa Aurelia, sich den Weg an diesem riesigen schwarzen Ianitor vorbeizuboxen, und zu ihr zu rennen. Das wollte er, nicht mehr als dies.
    Was ihn zurückhielt, war der Gedanke an Aurelius Corvinus. Der Kerl würde ihn in futzelig kleine Stückchen zerreißen, er war sich da ziemlich sicher.
    Er blickte sie an mit einem frenetischen Blick, in dem sich alle möglichen Gefühle widerspiegelten, von aussichtsloser Liebe bis hin zu Ärger, von Angst bis zu Hoffnung. “Ich... ich...“ Rhetorisch einwandfrei war er wieder einmal. Er räusperte sich.
    “Ich weiß nicht, wie es mir geht. Ich bin erleichtert, so erleichtert. Aber gleichzeitig... wie soll ich sie jemals erreichen?“ Mit heruntergezogenen Mundwinkeln blickte er sie an. Dann wandte er seinen Körper ihr zu und streckte bittend die Hände nach ihr aus.
    “Schau! Ich liebe sie! Ich kann an nichts anderes mehr denken als immer nur an sie! Wie soll ich jemals glücklich werden? Wie soll ich jemals wieder mein Leben genießen können, wenn ich sie nicht habe? Hilf mir! Bitte hilf mir! Ich werde vor Kummer eingehen, wenn ich mich daran halte, was mir Corvinus gesagt hat – dass ich sie nie wieder sehen kann!“ Es war ein Bild des Jammers, welches er abgab. Er spürte, was geschehen war mit ihm. Immer war er auf der Suche nach Äshetik gewesen, sein Leben lang... doch dies war nun zweitrangig.

  • Kurz musste sie sich fragen, was hatte Marcus zu Piso gesagt, dass dieser so sehr in Liebeskummer verfallen war. Sicherlich, dass er Prisca fern bleiben sollte. Hoffentlich klärte ihre Cousine Corvinus recht schnell auf, sonst würde es wohl für die Beiden keine Zukunft geben. Der Flavier war jedenfalls ganz schön durcheinander wegen dem Brief und den Ereignissen. Sein Flehen rührte sie doch sehr und da sie ohnehin Prisca helfen wollte, würde sich schon eine Möglichkeit finden um Beide glücklich zu machen. „Du solltest noch einmal mit Marcus reden“, schlug sie erst einmal vor. „Und wenn du Prisca treffen willst, dann lass ich mir etwas einfallen. Es gibt immer Möglichkeiten sich zufällig zu treffen“, meinte sie mit einem kleinen verschmitzten Lächeln.

  • Gerade noch rechtzeitig, bevor sich Piso vor der Aurelia zu Boden geworfen und ihr die Füße abgeschleckt hätte – was für beide Seiten unangenehm gewesen wäre; für Piso, weil es emaskulierend gewesen wäre, für Flora, weil es fürchterlich gekitzelt hätte – dafür, dass sie ihm diese wundervolle Nachricht überbracht hatte, fiel ihm das strenge Gesicht des Corvinus ein, und eben jenen brachte Flora nun zur Sprache. Marcus, damit musste der Aurelius gemeint sein. Piso zuckte die Achseln und sah noch ein wenig jämmerlicher drein. “Er bringt mich doch um, wenn ich noch einmal zu ihm komme!“ Das glaubte er im Ernst – denn so, wie Corvinus geschaut hatte, hatte er durchaus die Intention, im ein Leid zuzufügen, wenn er noch einmal sich der wunderschönen, faszinierenden, genialen, zuckersüßen Prisca näherte. Hatten die Aurelier auch so was wie das Loch bei den Flaviern? Denn dort sah er sich schon schmoren.
    “Und...“ Er brach ab, als Flora ihm plötzlich ihren Vorschlag unterbreitete. Und alles war wieder gut! Die pinkfarbenen Wolken kehrten zurück vor Pisos Augen, wo sie wie Watteflocken herumschwebten. Auf seinen Lippen musste ein unbeschreiblich dämliches Grinsen sich eingerichtet haben. Aus seinen Augen funkelte die Freude hinaus.
    “Oh... Flora...“ Es war eher unbewusst, dass er die Aurelia beim Cognomen nannte. Und selbst wenn er es bewusst gesagt hätte, hätte er es als unwichtig abgetan, schließlich handelte es sich nun dabei, in Pisos kleiner Welt in seinem Kopf, bereits um die Cousine seiner zukünftigen Frau.
    “Ich kann dir nicht sagen, wie dankbar ich dir bin!“ Dem Flavier schoss ein undurchdringlicher Urwald von Gefühlen aus den Augen, und er lachte kurz auf. “Oh Venus Callipygos...“ Er merkte, dass er zitterte.

  • Flora konnte und wollte gar nicht glauben, dass Marcus den Flavier umbringen würde. Das war doch nicht die Art der Aurelia. Sicherlich war Marcus wütend, aber zu so einer Tat sicherlich nicht fähig. „Er wird vielleicht toben und wütend sein, aber dich doch nicht umbringen!“ meinte sie dann recht empört und nahm ihren Verwandten sogleich in Schutz. „Oder aus dem Haus werfen, aber nicht umbringen!“ meinte sie und schüttelte vehement den Kopf. Dass sie in dieser Hinsicht vielleicht etwas naiv war, war sicherlich für Piso deutlich. Aber so war sie nun einmal, sie unterstellte niemandem etwas Böses und wollte das auch gar nicht hören. Besonders nicht, wenn es um die Familie ging.


    Ihr Vorschlag kam bei dem Flavier sehr gut an. Schlagartig änderte sich seine Miene und er schien wieder der glücklichste Mann auf Erden zu sein. Sicherlich, es machte nicht gerade einen guten Eindruck, wenn sie ein heimliches Treffen zwischen Prisca und Piso arrangierte, aber sie wollte weder ihre Cousine noch den Flavier todunglücklich sehen. Sie würde eben sehr geschickt vor gehen müssen. Außerdem hatte ihr niemand verboten mit Piso eine Freundschaft aufzubauen. „Ich helfe gern“, versicherte sie mit einem Lächeln.

  • ”Nicht?”, fragte er konfus und sah Flora einen Augenblick lang merkwürdig an. Dann zuckte er die Schultern. “Naja. Vermutlich nicht. War ja auch eher nur eine Metapher... also eine Redewendung. Du verstehst schon. Aber er wird mich aus dem Haus werfen, ohne dass ich dazu komme, auch nur ein Wort zu sagen.“ Flora hatte ja keine Ahnung, wie stinkwütend Corvinus gewesen war, als er Piso und Prisca zusammen entdeckt hatte. Nun gut, wenn er ihn damals nicht umgebracht hatte, würde er es jetzt auch nicht tun. Also, wenn er zu ihm hinging und dann, ja... Götter, war er zu keinem zusammenhängenden Gedanken mehr fähig? Der Flavier widerstand dem Drang, sich auf den Schädel zu pochen in der vagen Hoffnung, dadurch würden seine Gedankengänge gerichtet werden.
    Nachdem ihm die Aurelia ihren Vorschlag gemacht hatte, wich der traurige Blick aus seinen Augen einem fiebrigen Glanz. “Aber, aber, wie hast du dir das vorgestellt? Wann soll das geschehen? Wie...?“ Er ließ seine Schultern sacken. “Was, wenn er dahinter kommt?“ Die Art und Weise, wie er das Wort er aussprach, deutete zweifelsohne darauf hin, dass Corvinus gemeint war. In seinem Hirn schwirrten schon ganz abstruse Vorstellungen herum, wie Corvinus ob dessen Flora an die Kandare nehmen könnte. Wie ungut! Wenn er das ganze mit Avianus, einem Mitklienten von Macer, oder dem gutherzigen Ursus aushandeln könnte, hätte er seine Schäfchen schon im Trockenen! Aber gegen diesen sturen Eifersüchtler käme er nicht einmal an, wenn er ein Supermann, ein Halbgott wie Hercules in Reinstform wäre – was er ja leider nicht war.

  • Wie schlecht Marcus auf Piso zu sprechen war, konnte sie nicht wirklich einschätzen. Sie wusste nur dass ihre Cousine Prisca völlig am Boden zerstört war und ihr es gelungen war dieser wieder etwas Mut und Hoffnung zu machen. Wenn Piso Prisca wirklich wollte, dann führte kein Weg an Marcus vorbei, ob er wollte oder nicht. „Du musst es versuchen“, beharrte sie dann. „Wenn du wirklich Prisca liebst, dann findest du einen Weg um mit Marcus zu reden. Du darfst nur nicht davor zurück schrecken, damit würdest du nicht nur dich selbst enttäuschen, sondern auch Prisca!“ Na wenn ihn das nicht anspornte und überzeugte, dann meinte er es nicht wirklich ernst mit Prisca. Und dann war es gut, dass Marcus ihn zum Teufel gejagt hatte. Aber so schätzte sie den Flavier nicht ein. Er schien Prisca aus tiefsten Herzen zu lieben.
    Wann hatte sie sich noch nicht überlegt, aber das wie würde kein Problem darstellen. Ein geheimnisvolles Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen. „Ein Bummel durch die Stadt, ein Besuch im Theater, es gibt viele Möglichkeiten für eine junge Aurelia Kurzweil zu finden und wenn man dabei zufällig jemandem begegnet, den man bereits kennt, dann werden wir sicherlich nicht so unhöflich sein und die unverhoffte Gesellschaft davon zu jagen!“ grinste sie dann. „Daraus könnte uns niemand einen Vorwurf machen. Selbst wenn Marcus von unserer Begegnung dann hört, kann er nicht wütend werden. Er hat mir und meiner Schwester und auch Prisca nicht den Umgang mit dir verboten. Freundschaften müssen schließlich auch gepflegt werden.“ Sicher konnte das Ganze auch nach hinten los gehen und sie würde mit ihrem Verhalten einen Wutausbruch herbeirufen, aber das Risiko war es ihr dann wert. Mehr als zu ihrer Mutter sie zurück schicken konnte er nicht, denn eigentlich lag es bei ihrem Bruder zu entscheiden wo seine Schwestern sich aufhielten und was sie taten. Sie wollte es nicht am Respekt gegenüber Marcus mangeln lassen, aber in diesem Fall ging ihr das wohl von Prisca vor. Schließlich mussten sie zusammen halten. „Meine Sklavin würde dir dann Bescheid geben, wenn wir einen Ausflug in die Stadt planen. Mach dir keine Sorgen deswegen. Du wirst Prisca wieder sehen“, versprach sie ihm dann.

  • Piso blickte Flora an. Er merkte, dass er hochrot im Gesicht geworden war. Es war nicht wegen Flora (wiewohl diese auch eine bemerkenswerte Schönheit war), sondern der reine Gedanke an Prisca. Deren Base sprach wieder auf ihn ein. Es waren keine salbungsvollen, säuselnden Worte des Trostes, die Mitleid und Weichherzigkeit ausdrückten, sondern Worte, die ihm schonungslos die harte Realität vermittelten, ihn abrupt aus der Traumwelt, in der Piso meist herumtänzelte, herausstieß. Sie hat recht, Aulus, flüsterte eine Stimme aus seinem gemarterten Hirn in seinem Kopf. Wenn du nur herumhockst und jammerst, dann wird das nie was. Krieg deinen Arsch hoch und tu was. Wer nichts tut, der nicht... oder nein, das ging anders rum.
    Er blickte sie an, und dann nickte er. “Gut. Gut. Ich... ich... glaube, ich mache Folgendes: Ich werde mit Celerina reden. Sie ist die Frau von Corvinus. Und meine Nichte. Sicherlich kann sie mir in der Sache weiterhelfen. Wenigstens erreichen, dass Corvinus mich zwei Wörter reden lässt, ohne dass er mich niederbrüllt.“ Er presste seine Lippen zusammen und ließ den Kopf hängen. “Ich meine... er selber hat eine flavische Frau... und mir als Flavier verwehrt er, sich seiner Nichte auch nur zu nähern. Was ist das bloß für eine Familienpolitik... sinnlos ist das... das muss er doch erkennen.“ Er schüttelte seinen Kopf und atmete tief aus.
    Schlussendlich hörte er sich ihre Worte an. Was sie sagte, klang alles so grundvernünftig und einfach... es war zu gut und bei weitem zu schön, um wahr zu sein. Aber welchen Grund sollte sie haben, ihn anzulügen? Vielleicht war das Ganze wirklich weniger kompliziert, als er es sich vorgestellt hatte? Ein Lächeln schlich sich wieder auf sein Gedicht hinauf.
    “Ich... ich muss gestehen, ich habe keine Ahnung, wie ich dazu komme, dass du mir hilfst. Aber danke. Unendliche Male danke.“ Mit einem immer größer werdenden Strahlen im Gesicht blickte er sie an. In seinen Augen begann ein Hoffnungsschimmer zu flackern. “Ich meine, wir kennen uns kaum, und schon erweist du mir einen der größten Dienste jemals überhaupt. Schon alleine durch deine Worte. Du hast recht, ich muss mir so was nicht bieten lassen. Ich werde etwas unternehmen. Und zwar so schnell wie möglich. Sag mir, wie ist denn der Name deiner Sklavin?“

  • Für den Moment wirkte Piso völlig geistesabwesend. Kurz befürchtete Flora, er hätte ihr gar nicht zugehört und sie würde ihre Ansprache an ihn noch einmal wiederholen müssen, aber dann reagierte er auf sie und zeigte Einsicht. Der Weg über Celerina würde sicherlich etwas bewirken. Von den Problemen zwischen Marcus und seiner Frau ahnte sie nichts. „Ich glaub kaum, dass er gegen eine weitere Verbindung mit deiner Gens ist. Ich glaube Marcus ist einfach nur wütend darüber, dass er euch küssend im Garten erwischt hat und wohl eigentlich erwartet, dass du nicht schon früher ihn darauf angesprochen hast, was du für Prisca empfindest. Du weißt schon, Familienstolz und so. Du wärst doch sicherlich auch wütend, wenn du deine Schwester in einer solchen Lage erwischt hättest. Im ersten Augenblick glaubt man immer zuerst an das Schlimmste! Ich bin mir sicher, ihr könnt das klären. Prisca wird mit Marcus sicherlich auch noch einmal reden.“ Schließlich bedankte er sich für ihre Hilfe. Eigentlich wollte sie Prisca helfen und war deswegen hier, aber irgendwie schien sie nun auch ihm zu helfen. „Nichts zu danken… eigentlich mach ich das ja für Prisca“, gab sie dann zu. Warum sollte sie ihn anlügen? Sicherlich würde er das verstehen. Er wusste ja wie das mit der Familie so war. Man stand zusammen, immer. Schließlich war die Familie das wichtigste. Auch wenn jeder Einzelne so seine kleinen Geheimnisse hatte. „Sie heißt Lysandra“, beantwortete sie ihm dann die Frage zu ihrer Sklavin. „Soll ich Prisca etwas von dir übermitteln?“ fragte sie dann noch nach. Natürlich würde sie ihrer Cousine alles über dieses Gespräch erzählen, aber sicherlich wollte er ihr auch noch etwas für Prisca mitgeben. Und sei es nur ein kleiner persönlicher Brief, den sie dann übergeben würde.

  • Piso hörte mit halbem Ohr zu, als Flora versuchte, ihren Onkel oder was das auch immer für einer war zu verteidigen. Sie musste ihm da keine langen Reden vorschwafeln! Er hatte in das dunkle Herz des Aureliers gesehen, jawohl! Dieser Mann war ein unbelehrbarer, verstockter Gockel, der Prisca am Liebsten einsperren würde und niemanden an sie ranlassen wollte! Was, wenn er Nigrina so erwischen würde? Nicht sein Bier. Er würde... na ja, er würde schon irgendwie reagieren, wenn auch nur, um sein Ego zu befriedigen. Aber das war was komplett anderes! Hier schwebte echte Liebe im Raum! Da musste doch das härteste Herz Einsehen haben! Nein, bei diesem Corvinus war Hopfen und Malz verloren, das wusste er ganz genau.
    Nicht schon früher darauf angesprochen? Hmm. Er hatte ihn doch darauf angesprochen, zumindest hatte er es angedeutet... aber das Problem war, vorher war da nur Sympathie. Jetzt war da Liebe. Erst nach seinem Opfer an Venus, aber das musste er niemandem sagen. “Corvinus wusste schon vorher, dass ich mich für sie interessiere. Die Liebe ist aber so eine Sache... sie entstand erst im Garten, weißt du?“ Das war eine grobe Übersimplifizierung, aber mochte den Kern der Geschichte erklären. “Könnte ich die Zukunft vorhersagen wie die Parzen, hätte ich es Corvinus sicher schon lange gesagt.“ Aber vermutlich hätte der uneinsichtige Schnösel ihn eh rausgeworfen dann. So ein Gockel aber auch! Also nein! Geh bitte!
    Dass sie das für Prisca machte, wusste er schon, er war wohl nur der inzidentelle Benefizient, so würde es vielleicht Gracchus ausdrücken.
    “Lysandra“, wiederholte er. “Gut.“ Ihre Frage überrumpelte ihn dann aber schon. Er wurde im Gesicht noch ein bisschen weißer. “Äh... äh... sag... ähm...“ Solchermaßen war also die Eloquenz der politischen Zukunft Roms, toll. “Sag ihr, die Ohrfeige war verdient gewesen, und nichts, was auch nur das Geringste an meinen Gefühlen ihr gegenüber ändert...äh, hmm. Klang das vielleicht ein bisschen zu schwülstig?“, sorgte er sich.

  • Hätte Flora geahnt, welche Gedanken Piso gegenüber Marcus hegte, hätte sie sich wohl beleidigt verabschiedet. Anscheinend konnte dieser keinerlei Verständnis für diesen aufbringen. Wie gut, dass sie keine Gedanken lesen konnte und wie gut, dass Piso seine Gedanken nicht aussprach, denn sonst hätte sie wohl Prisca berichtet, dass der Flavier ein dämlicher Schnösel war und keinerlei Respekt für die Aurelia aufbrachte.
    Überrascht machte sie große Augen, als er ihr dann erklärte, dass Marcus also schon gewusst hatte, dass Piso sich für Prisca interessierte. Dennoch blieb sie bei der Meinung das Corvinus nur an das Wohl ihrer Cousine dachte und die Situation im Garten eindeutig verfänglich gewesen war. Deshalb war dieser auch so wütend gewesen. Diesmal aber setzte sie zu keiner weiteren Verteidigung an, irgendwie hatte sie das Gefühl, ein wenig auf verlorenem Posten zu sein und Piso war so verstockt, dass er seine Meinung nicht würde ändern, egal was sie zu ihm sagte. „Ich verstehe“, meinte sie schlicht.
    Mit ihrer Frage nach einer Botschaft für Prisca hatte sie ihn dann direkt überrascht, nickte dann aber nur, als er mitteilte, was sie überbringen sollte. „Nein, überhaupt“, meinte sie. „Das ist sehr romantisch!“

  • Ja, gut, dass Flora Pisos Gedanken nicht lesen konnte. Und genau dies war auch der Grund, warum Piso gelernt hatte, seine Klappe zu halten, wenn es darauf ankam. Damit war er sehr gut gefahren, und würde es auch weiterhin tun. Aber da Piso seine Klappe hielt, und Flora auch nichts von seinen Gedanken wusste (wobei sie sich vermutlich vorstellen konnte), waren diese Gedankenspiele rein akademisch. Ja, Schweigen war Gold.
    Sie schaute groß drein, als Piso weiterlaberte, und schloss schließlich, ohne es auf eine Konfrontation ankommen zu lassen, wofür Piso Flora doch recht dankbar war. Wieso konnten nicht alle Menschen so unverfänglich und verhandlungsbereit sein wie Flora? Im Speziellen, warum nicht alle Aurelier?
    Er war dann aber schon etwas überrascht, als sie seine Worte lobpries. Es klang also gut? Schön, hatte Piso mit einem Griff in den wohlbewährten Topf der Kitschigkeiten doch nciht fehlgeschlagen! Sowas mochten die Mädels, schien es. Was, wenn Prisca da anders war? Na ja, ihre Cousine würde sie sicherlich gut kennen, besser als er, der ja bisher ingesamt, wie ihm jetzt auffiel, weniger als 24 Stunden mit Prisca insgesamt verbracht hatte. Schon skurill, und trotzdem liebte er sie (da hatte sicher Venus ihre Finger wieder mal im Spiel).
    Er lächelte leicht. “Ich danke dir für alles, Aurelia. Ich hoffe, das alles wird sich bald in Wohlgefallen auflösen.“ Ja, das wäre ganz besonders fein. Hachja... träum weiter, Aulus, säuselte eine Stimme in ihm drinnen.

  • Es war alles gesagt, zumindest aus ihrer Sicht. Piso sah nicht so aus, als würde er sich nun noch in Plaudereien verlieren und es wäre wohl besser, wenn sie sich verabschiedete und ihrer Cousine von diesem recht aufschlussreichen Gespräch berichtete. Sicherlich wartete Prisca schon voller Ungeduld auf sie und Narcissa wollte sie auch noch unbedingt das Ganze erzählen.
    „Ich sollte mich dann verabschieden. Nicht dass man mich zu Hause vermisst“, meinte sie dann mit einem leichten Lächeln. Piso hatte sie jedenfalls sehr glücklich gemacht mit ihrem Besuch. Er sah völlig verträumt drein.

  • Piso starrte vor sich hin, und schreckte auf, als ihn die Aurelia ansprach. “Huch? Oh, ja. Klar. Sicher. Immer. Natürlich. Vale bene, verehrteste Aurelia.“ Er lächelte ihr zu. Sie hatte kaum Ähnlichkeit mit Prisca... Abklatsch, um ganz ehrlich zu sein, gegenüber Prisca. Aber trotzdem schien sie eine ganz Nette. Zumindest hatte sie ihm geholfen, ganz mächtig geholfen! Er wusste jetzt, was Prisca von ihm dachte. Mit einem verliebten Seufzen spähte er noch einmal in den Brief hinein. Was er heute Abend sicher noch des Öfteren tun würde.

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