bibliotheca | Wolf und Rabe

  • Wo war sie nur, wo war sie nur... Irgendwo hier musste diese Abhandlung zum cursus iuris doch stehen. Ich fuhr mit dem Finger am Regal entlang, um besser suchen zu können. Allerlei Dokumente und Abschriften fanden sich hier, auch wenn Ursus einen Großteil mitgenommen hatte oder zumindest hatte packen lassen. Die Abhandlung allerdings musste irgendwie dazwischen geraten sein, denn weder ich noch der Bibliothekar selbst waren ihrer fündig geworden. Bis zu dem Moment jedenfalls, da Lupus den Raum betrat. Unter seinen Arm hatte er ein Dokument geklemmt.


    Sowohl ich als auch der Sklave, dem die Bibliothek unterstellt war, wandten uns nach der schnarrenden Tür um - offensichtlich mangelte es an Öl - und entdeckten den jungen Aurelier. Der Blick des Sklaven fiel sogleich auf das Dokument, und er setzte einen missbilligenden Ausdruck auf. "dominus, ich bitte dich inständig, mir beim nächsten Mal bescheid zu geben, wenn du ein Schriftstück entfernst. Wir dachten, es sei in einer der Kisten für Mantua gelandet und..." begann der Sklave, verstummte jedoch, als ich im einen stirnrunzelnden Blick zuwarf. Dass Lupus hier erschien, passte mir gut, da ich ohnehin noch mit ihm sprechen wollte. "Das ist nicht zufällig die Abschrift der Kursunterlagen zum Rechtskurs?" fragte ich ihn und deutete fragend auf das Schriftstück unter seinem Arm, während der Sklave sich einem Stapel Bücher widmete und diese umseitig ins Regal einzusortieren begann.

  • Bereits als Sextus den Raum betrat, verfinsterte sich leicht seine Miene. Gegen dieses Quietschen sollte etwas unternommen werden. Es war nicht repräsentativ, wenn in einem patrizischen Haus die Türen Quietschten. Ein aufmerksamer Sklave sollte das schon längst bemerkt und den Missstand behoben haben. Beispielsweise so einer, wie er ihn auch schon erblickte. Der auch noch den Schneid hatte, ihn zu tadeln. Und hätte Sextus nicht bereits Corvinus im Blickfeld, er hätte den Mann an die Ordnung der Dinge erinnert und daran, dass er sich gefälligst eher um die Tür kümmern sollte als darum, was er wohin mitnahm.
    So aber ignorierte er den Mann einfach, wie er es mit allen Sklaven zu tun pflegte, so sie nicht seiner Aufmerksamkeit dringend bedurften. Stattdessen schenkte er dem Hausherren eher ein leichtes Lächeln. “Ja, ist sie. Entschuldige, ich dachte nicht, dass sie dringend benötigt wird.“ Er händigte sie Corvinus selbstredend sofort aus, den Sklaven weiterhin völlig ignorierend. Er hätte nicht gedacht, dass sein Vetter sich dafür gerade jetzt interessierte. Er selbst hatte es im Grunde nur auf der Suche nach Weiterbildungsmöglichkeiten überhaupt gelesen.

  • Während der Sklave die Bücher einsortierte - überhaupt hatte ich den Eindruck, dass er fortlaufend etwas zu tun hatte, gleich welche Tageszeit es war, und argwöhnte darob, dass er des Öfteren die Bücher einfach umschichtete, was wiederum erklärte, wieso man nie etwas fand - beobachtete er Lupus durch die Buchlücken hindurch. Er persönlich fand, dass zu einer ambientigen Bibliothek eine schnarrende Tür ebenso gehörte wie ein Ohrensessel, der freilich noch nicht erfunden, aber doch im sklavischen Hirne vorhanden war. Ich für meinen Teil registrierte das Quietschen kaum mehr und nahm die Schriftrolle entgegen, um sie danach gedankenverloren in Händen zu drehen. "Naja, dringend kaum. Ich sollte nur allmählich diesen Kurs der Rechtswissenschaften absolvieren, wenn ich politisch nicht auf der Stelle treten will", erzählte ich und seufzte. Das Recht war nie so wirklich mein Ding gewesen, doch führte nun einmal kein Weg daran vorbei. "War es denn wenigstens ein klein wenig interessant oder so zäh wie die Sohle einer caligula?" erkundigte ich mich und hob scherzend einen Mundwinkel. "Ich wollte ohnehin noch zu dir. Hast du einen Moment? Dann könnten wir das gleich erledigen."

  • Also hatte Corvinus Ambitionen. Eine kleine Information, die Sextus wie alle anderen erst einmal sammelte. Er hatte noch nicht genügend Informationen über die Verhältnisse in Rom, um es irgendwie als nützlich oder unnützlich verbuchen zu können, ebensowenig wie er die Chancen von Corvinus' Aufstieg beurteilen mochte. Er war Senator und Pontifex, und seiner Meinung nach war das schon viel erreicht. Aber auch Sextus wusste, dass es immer ein höheres Ziel gab, ja geben musste. Wenn man aufhörte, sich zu verbessern und nach mehr Macht zu streben, wurde man von ambitionierteren Männern überholt.
    “Es ist Rechtslehre“, beantwortete Sextus die Frage mit einem entschuldigenden Lächeln. Er selbst konnte der Paragraphenreiterei nur insofern etwas abgewinnen, dass man sie zum eigenen Wohl einzusetzen vermochte. Man musste immer wissen, welches der effektivste Weg war, seinen Willen durchzubringen, und die Rechtslehre war da manchmal ein Weg, der weniger Blut erforderte als andere. Von daher war dieses Schriftstück nicht mehr oder weniger interessant als so mancher Rhetorikgelehrter oder taktische Abhandlungen über Schlachtzüge. Kam einzig auf den Willen an, es sich anzueignen.
    “Im Moment habe ich Zeit. Worum geht es?“ Sextus konnte sich nicht vorstellen, was Corvinus von ihm wollen könnte. Es gab ein paar Möglichkeiten, die durch seinen Geist huschten, aber bevor er sich Sorgen machte wegen Dingen, die der Hausherr nicht wissen konnte, wollte er erst einmal hören, was denn offenbar so wichtig war.

  • Eine ebenso simple wie ehrliche Antwort. Also war der Stoff so zäh wie altes Leder. Nun, da gab es keinen Weg vorbei, also würde ich mich irgendwann durch diese Abhandlungen durchbeißen müssen, ganz gleich, wie zäh sie waren. Ich machte eine entsprechende Grimasse und seufzte vernehmlich, gestand mir jedoch nicht mehr zu als das, ehe ich das Thema vom Tisch fegte und mich auf das konzentrierte, was ich Lupus später hatte mitteilen wollen. Ich deutete auf die kleine Sitzgruppe, die eigentlich zum Lesen einladen sollte. "Schön. Dann setzen wir uns doch." Ich setzte meinen Vorschlag auch gleich selbst in die Tat um und nahm Platz. Von seinen feierabendlichen Gossenaktivitäten wusste ich schließlich nichts, noch ahnte ich etwas.


    "Ich habe mich schlau gemacht. Die haruspices haben derzeit zwei vakante Plätze. Offenbar gibt es bisher keine oder kaum geeigneten Männer, die diese Lücken wieder auffüllen könnten. Mit deiner Mutter allerdings hast du dich formal bereits qualifiziert, und dank des Umstandes, dass du dich durch sie mit den Handgriffen weitestgehend auskennst, halte ich es für eine sehr gute Idee, wenn du beim haruspex primus vorstellig wirst. Ich werde dir dazu gern eine amtliche Empfehlung ausstellen. Mehr Gewicht allerdings dürfte ein Schreiben von jemandem haben, der nicht deinen nomen gentile trägt. Vielleicht solltest du auch versuchen, dich über Flavius Furianus günstig bei Flavius Gracchus zu platzieren, anderenfalls könntest du auch die Verbindung zum Stellvertreter des pontifex maximus nutzen." Oder eine geeignete Spende erbringen. Vielleicht auch beides, das musste man sehen.

  • Sextus machte es sich auf der angewiesenen Bank bequem und widmete seine volle Aufmerksamkeit seinem Vetter. Noch immer hatte er an seiner rechten Seite einen blauen Fleck in der Größe eines Pferdehufes, was das Sitzen nicht gerade angenehm machte, aber er verzog keine Miene. Sein Vetter hatte keine Ahnung von seinen feierabendlichen Gossenaktivitäten, und die sollte er auch nicht haben.


    Als Corvinus dann aber anfing, hätte Sextus dennoch am liebsten aufgestöhnt. Die Haruspices. Seine Mutter hatte unzählige Stunden darauf verwendet, ihm zu zeigen, welcher Teil der Leber für welche Gottheit stand, wie die Götter da ihren Willen kund taten, wie man Verformungen, Verfärbungen oder gar Geschwülste zu deuten hatte. Sextus hatte nicht sehr viel Begeisterung dafür über gehabt, in Eingeweiden toter Tiere rumzupanschen und darüber dann Aussagen für das morgige Wetter zu treffen. Blitze waren da schon interessanter, aber auch hier schaffte seine Mutter es mit traumwandlerischer Sicherheit, das ganze so wissenschaftlich und sachlich klingen zu lassen, dass es furchtbar öde wurde.
    Auf der anderen Seite jedoch hatte ein Haruspex Macht. Gerade der Pöbel liebte es, wenn ein Haruspex mit salbungsvoller Stimme verkündete, welche Gottheit jemand erzürnt hatte, wenn gerade etwas schlecht lief, und wie man alles wieder in Ordnung bringen konnte. Auch wenn das meiste von der Höhe des Bestechungsgeldes abhing und gerade durch reisende, freischaffende Haruspices viel Schindluder getrieben wurde, der Pöbel liebte seine Zeichendeuter einfach.


    Sextus lehnte sich in seinem Sitz etwas zurück und strich sich einmal salbungsvoll über sein Kinn. Eigentlich fiel die Entscheidung nicht schwer, aber dennoch wollte sie gut durchdacht sein.
    “Flavius Gracchus, sagst du? Ich werde sehen, dass ich einen Termin bei ihm bekomme. Was ist er für ein Mann? Wie könnte ich ihn am ehesten überzeugen, mir ein solches Schreiben zu geben?“ Corvinus war schließlich schon länger in der Stadt und kannte die wichtigen Männer und ihre Marotten daher eher. Warum nicht auf sein Wissen zurückgreifen?

  • Ich stellte mir Gracchus in Gedanken vor, und dabei fiel mir auf, dass ich ihn schon eine ganze Weile nicht mir gesehen hatte. Die Inspektion bei den Vestalinnen war die letzte Begebenheit gewesen, zu der wir uns getroffen hatten. Und da hatte er einen leicht verwirrten Eindruck auf mich gemacht. Nun, was war er für ein Mann? "Du wirst Flavius Gracchus wohl am ehesten von dir überzeugen können, wenn du ihm verdeutlichst, dass du dich sehr engagieren wirst. Seine Schwester war bis zu ihre....Tod die Vorsteherin der Vestalinnen, und in seiner Familie dienen viele den Göttern in Tempeldienst oder Collegium. Ich habe ihn als Menschen kennen gelernt, der auf Geschwätz nicht sonderlich viel gibt. Vielleicht wäre es daher günstig, nicht zu weit auszuholen, sondern nur auf Nachfrage mehr preiszugeben", überlegte ich laut. "Tiberius Durus ist meines Erachtens empfänglicher für Schmeicheleien. Was den cultus aber angeht, führt er das Regiment allerdings mit starker Hand. Wie es eigentlich der pontifex maximus tun sollte..." Ich räusperte mich. "In jedem Falle solltest du ehrlich sein und nicht übertreiben. Mehr brauche ich dir eigentlich nicht mit auf den Weg zu geben, gleich zu wem dein Weg dich da führen mag. Deine Sache mit Furianus hast du schließlich auch gemeistert. Wie geht es da voran?"

  • Ihn ehrlich überzeugen, dass er sich sehr engagieren würde. Sextus stellte sich die Situation gerade vor, wie er erzählte, mit welcher Freude er sich Lebern den ganzen Tag anschauen wollte, und wie sehr ihn der Dienst für die Götter doch inspirieren würde. Es war gar nicht so einfach, eine gleichmütig nachdenkende Mimik beizubehalten und nicht lauthals loszulachen. Im Grunde waren ihm die Götter egal. Er tat, was er tun musste, um den Frieden mit ihnen zu wahren, aber darüber hinaus hatte er kein sonderlich großes Verlangen danach, sich zu engagieren.
    Was ihn aber sehr wohl interessierte, war Macht. Kontrolle über seine Mitmenschen zu erlangen war ein sehr feiner Aspekt, den dieser Posten mit sich brächte. Ganz zu schweigen von Bestechungsgeldern, die wohl fließen würden, wenn ein gutes Omen dringend benötigt wurde. Oder noch besser, wenn ein schlechtes Omen benötigt wurde, diese Gelder waren meist etwas höher noch. Immerhin musste der Auftraggeber dann sichergehen, dass er mehr zahlte als der Opferherr.


    So blieb sein Gesicht weiter neutral und er nickte einmal zu Corvinus' Einschätzung der beiden Männer. “Ich denke, ich werde mein Glück zunächst bei Falvius Gracchus versuchen. Aufgrund der Verwandtschaft zum Consul sollte er wohl eher geneigt sein, mir einen Moment seiner Zeit zu schenken.“ Für die Tiberier war er immerhin nur irgendwer, der ein Ansinnen hatte. Bei den Flaviern war er zumindest der Scriba von Furianus und vielleicht, wenn alles gut ging, bald auch der Verlobte von einem ihrer weiblichen Familienmitgliedern.


    Dann fragte Corvinus direkt nach Furianus, und Sextus blieb nicht viel, als mit den Schultern zu zucken. “Ich lerne, so gut es mir möglich ist. Aber noch ist die Zeit etwas kurz, um etwas Konkreteres schon sagen zu können.“ Der Consul würde sicher noch größere Projekte anstreben, bei denen er seine Tatkraft dann brauchen würde. Im Moment allerdings plätscherte es noch leicht dahin, so dass Sextus sich über zu viel Arbeit nicht beklagen konnte. Und dennoch lernte er, was sich anbot.

  • Was Lupus darüber dachte, vermochte ich nicht zu erahnen. Es lag mir jedoch nahe, ihm deutlich zu machen, dass er Flavius Gracchus nicht für sich gewinnen würde, wenn er unvorbereitet in dieses Gespräch ging und den Dienst eines haruspex als simple Leberschau im Hinterkopf hatte. Lupus war sich wohl genauso im Klaren über die Macht und den Einfluss, den man als haruspex hatte, wie ich selbst, auch wenn dieser Aspekt der Tätigkeit unerwähnt blieb. Es machte zudem wenig Sinn, ihm genauere Hinweise oder Tipps zu geben - oder gar Anweisungen - da der Verlauf eines solchen Gesprächs situationsabhängig und überdies Lupus nicht auf den Kopf gefallen war. Ich nickte demnach sein Vorhaben nur ab, Gracchus aufsuchen zu wollen, obgleich ich auch mit Durus zufrieden gewesen wäre. "Gut. Dann wünsche ich dir viel Erfolg." Eine Empfehlung würde ich ihm auch ausstellen, wenngleich sie wohl weniger wert sein würde als die eines Nicht-Aureliers, doch sicher war nun einmal sicher.


    Bezüglich des Konsuls war Lupus wenig mitteilsam, was wohl allerdings tatsächlich auch an der kurzen Zeit lag, die er nun in Diensten des Flaviers stand. So bleib mir auch hier nicht viel mehr, als nachdenklich zu nicken. "Gut. Willst du in der kommenden Amtszeit denn bereits kandidieren oder erst in der darauffolgenden?"

  • Nur ein kleines Lächeln schenkte Sextus seinem Vetter, als dieser ihm viel Erfolg wünschte. Auch wenn er den Flavier nicht kannte, er hegte doch nur wenig Zweifel, ihn gewinnen zu können. Wenn Sextus eines konnte, dann labern. Auch wenn er von dieser Fähigkeit immer nur sehr maßvoll Gebrauch machte. Nur weil man etwas gut konnte, wäre man ein Narr, wenn man es ständig tat, oder gar umsonst.


    Die zweite Frage hingegen war doch eher in die Richtung, die einer Antwort bedurfte. Sextus dachte kurz darüber nach, als müsse er es erst genau abwägen. “Ich bin mir unschlüssig. Vermutlich noch nicht die nächste, sondern erst die darauf folgende Wahl. Ich will nicht den Cursus Honorum als vollkommener Neuling in Rom beschreiten, ich möchte mir vorher, wenn auch nur in kleinem Rahmen, schon einen Namen gemacht haben. Ich denke, ein Wahlkampf für irgendwen aus Achaia zu führen, dürfte teurer sein als ein solcher für jemanden, der zumindest einen gewissen Bekanntheitsgrad vorweisen kann.“
    Sicher, es wäre wohl das Geld seiner Gens gewesen, das er verpulverte, aber Sextus wollte nur antreten, wenn er sicher sein konnte, er würde gewinnen. Und dafür fehlte ihm noch die Erfahrung, die verschiedenen Lager in der Stadt einschätzen zu können. Mit der Hilfe des Consuls würde sich das hoffentlich rasch ändern, und dann stand einem Durchmarsch durch die Ämter bis zum Senatorenstand nichts mehr im Weg.
    “Natürlich wäre es als Verhandlungsgrundlage der Verlobung besser, es würde schon bei der nächsten Wahl dazu kommen. Allerdings glaube ich, dass der Zeitraum dafür etwas knapp bemessen sein könnte.“

  • Trotz seines Alters und seiner Herkunft - immerhin kam er vom Land - bewies Lupus eine gewisse Weitsicht, die ihm sicherlich von Nutzen sein würde, so er sie denn beibehielt. Mir blieb wieder nur, zu nicken, denn diese Ansicht teilte ich und hätte sie auf Anfrage auch preisgegeben. Doch wie jeder junge Mann - so auch ich in diesem Alter - musste man gewisse Dinge selbst und in Eigenverantwortung entscheiden. "Tja, was soll ich sagen? Gut gebrüllt, Löwe. Es macht durchaus Sinn, dir erst einen Namen zu machen. Was das Verlöbnis angeht, würde ich nicht mehr allzu lange warten damit. Es ist nur eine sponsalia, nichts weiter." Und damit konnte man sie gegebenenfalls jederzeit rückgängig machen, wie im Übrigen auch eine Ehe, sofern man es sich leisten konnte, die Familie der Braut vor den Kopf zu stoßen. Ich dachte an Celerina und verwarf den Gedanken sogleich wieder, ein leises Seufzen unterdrückend.


    "Vielleicht solltest du die Sache sogar recht zügig in Angriff nehmen, Sextus", fuhr ich ein wenig ermüdet fort und merkte darüber gar nicht, wie ich ihn beim vertrautenVornamen nannte. "Immerhin ist sie eine Flavia." Und wenn die Sache ohnehin schon beiderseitig geplant war, dann würde es vermutlich eh keine Rückzieher geben. "Du könntest die Feier zum Anlass nehmen, wichtige Personen einzuladen. Es sei denn, ihr wollt darauf verzichten."

  • Nur eine Sponsalia, vielleicht. Dennoch war Sextus nicht unbedingt erpicht darauf. Natürlich sah er die positiven Seiten des ganzen, das Ansehen, die Verbundenheit mit den Flaviern, den Einflussgewinn und, wenn es einst soweit war, der Wegfall nach einer nötigen Braut, um den Stand eines Senators ohne Gerede einnehmen zu können. Auch wenn das eine sehr langfristige Planung war. Aber dennoch war er nicht erpicht darauf, sein junges Leben jetzt schon durch eine Ehe einzuschränken. Und da die Flavier wohl kaum mit einer Manusehe einverstanden wären, würde er auf sein Weib dann Rücksicht nehmen müssen.


    Allerdings ließ er sich seine Gedanken nicht anmerken, sondern blieb weiterhin ruhig. Dass Corvinus ihn beim Praenomen anredete, registrierte er mit ein wenig Genugtuung. War also die anfängliche Zurückhaltung nun vorüber und er als Teil der Familie akzeptiert. Gut so.
    “Sicher, das wäre eine gute Gelegenheit, ein paar wichtigen Menschen mehr zu begegnen. Nachdem ich die Empfehlung eingeholt und mit dem Haruspex Primus gesprochen habe, werde ich das als nächstes angehen und mich einmal mit Flavius Piso treffen, der hierbei die Verhandlungen führen soll. Kennst du den Mann?“ Sextus wusste bislang nur, dass es der Bruder seiner vielleicht-bald-Verlobten war und bereits politisch tätig war. Allerdings fehlten ihm wie zu den meisten Persönlichkeiten der Stadt nähere Informationen.

  • Sollte er sein Glück bei Flavius Gracchus versuchen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er meine vage Vermutung nicht nur als groben Fahrplan, sondern als unumstößliches Gesetz ausüben und Gracchus regelrecht anschweigen würde, bis er schließlich den Entschluss fasste, mir diesbezüglich zukünftig weniger zu vertrauen als seinen Instinkten. Zudem ich nur deutlich gemacht hatte, dass ich glaubte, es mochte recht günstig sein, eher auf Fragen zu antworten, denn den Flavier mit einem Wortschwall zu überfluten.


    Ich nickte behäbig bei seinen Worten, bis er den Flavier erwähnte. Denn da entstanden drei tiefe Furchen auf einer Stirn und ich dachte an Prisca, an diese unsägliche Situation im Garten, an desen Dreistigkeit und daran, wie Prisca ihn zu allem Überfluss auch noch verteidigt hatte. Und jetzt, da Lupus es aussprach, fiel es auch mir wie Schuppen von den Augen. Lupus sollte die Schwester dieses Mannes heiraten und er würde die Verhandlungen führen. Ich beschloss, mich gänzlich aus dieser Sache herauszuhalten. Lupus war nicht dumm, er würde das auch ohne mich schaffen, und gegenüber seinem Vater konnte man hinterher immer noch hervorheben, wie selbständig und unkompliziert Lupus auch ohne familiären Beistand gehandelt hatte, zumindest, was die persönliche Präsenz anging. Denn Lust, auf Flavius Piso zu treffen, verspürte ich keine. Die Stirnfalten glätteten sich wieder, zugunsten eines leicht verkniffenen Ausdrucks. "Nein", erwiderte ich sachlich. "Den kenne ich nicht näher, sieht man von der Tatsache ab, dass ich ihn dabei erwischt habe, wie er Prisca gegenüber zudringlich geworden ist", fügte ich gefasst hinzu, konnte es jedoch nicht verhindern, dass einer meiner Mundwinkel sich hernach leicht abschätzig verzog. "Er ist ein Epulone" - weil ich ihm dazu verholfen hatte! - "und hat in der letzten Amtszeit sein Vigintivirat abgeleistet." Weil auch ich ihn gewählt hatte!

  • Na, na, na, was war denn das? Wunder Punkt? Sextus beobachtete fasziniert, wie sich Corvinus Miene verfinsterte und dann nur allmählich wieder glättete, wobei ein düsterer Ausdruck zurückblieb. Also konnte Corvinus Sextus' zukünftigen Schwager nicht ausstehen. Das war höchst interessant. Und den Grund zu erfahren, warum er Piso nicht leiden konnte, war noch viel interessanter.
    Wäre Sextus nicht so kontrolliert, er hätte seiner diebischen freute wohl durch ein Grinsen Ausdruck verliehen. Zu Prisca zudringlich geworden. Und Prisca wollte mit ihm dieser Tage ins Theater gehen, um einen Flavier zu treffen. Und ihre Seitenblicke zu Corvinus dabei waren ja fast schon unübersehbar gewesen. Man musste kein Genie sein, um jetzt das Puzzle zusammenzufügen. Prisca also hegte Gefühle für seinen zukünftigen Schwager, und dieser Kerl war der Grund, warum sie ihn hatte so auflaufen lassen an dem Tag der Gladiatorenspiele. Und Sextus hatte nun alle Möglichkeiten, mit dieser Information anzufangen, was er wollte.
    Er könnte Corvinus hier aufklären und sich damit ein wenig mehr Entgegenkommen sichern. Er könnte vielleicht sogar diese vermaledeite Hochzeit dadurch abwenden.
    Auf der anderen Seite, die Flavier erwiesen sich in Zukunft vielleicht als gute Verbündete. Er selbst war momentan Scriba beim Consul, der wohl wenig angetan wäre, wenn sein verwandter bloßgestellt werden würde. Sie füllten mindestens ebensoviele und wichtige Posten aus wie die Aurelier, hatten aber eine 'etwas' längere Familiengeschichte vorzuweisen. Wegen dieser Sache einen Kleinkrieg vom Zaum zu brechen war vielleicht eine unkluge Wahl. Außerdem gab es auch herrlich viele Möglichkeiten, Prisca und ihren Geliebten durch dieses Wissen ein wenig in eine Richtung zu drängen, die ihm zupass kam.


    Sextus setzte also einen leicht bestürzten Gesichtsausdruck direkt auf die Worte hin auf, und lehnte sich dann leicht überlegend zurück.“Nun, dann werden Verhandlungen mit dieser Person sicher sehr interessant.“ Definitiv.
    “Gibt es noch etwas, worüber du mit mir sprechen wolltest?“ Sextus hatte es nicht wirklich eilig, irgendwohin zu kommen. Aber nun gab es wieder einiges zu tun. “Ansonsten wollte ich noch ein Opfer an Ianus vorbereiten.“ Zwar war er nicht besonders religiös. Im Grunde erfüllte er seine Seite des Vertrages, nicht mehr, und nicht weniger. Aber es würde wohl ein gutes Zeichen setzen, gerade, wenn er sich als Haruspex hervortun wollte. Außerdem konnte es nicht schaden.

  • Interessant wohl sicherlich. Im Grunde war ich da ganz froh, dass Lupus sich selbst darum bemühen würde. Vielleicht, überlegte ich mir, kam Celerina ganz gut mit dieser Verwandten aus, sodass sie weniger launisch und dafür ausgeglichener sein würde. Es blieb abzuwarten, wie diese Nigrina überhaupt sein würde, was sie für einen Charakter haben würde. Ich seufzte leise und schüttelte dann den Kopf. "Nein, das ist alles. Mehr gibt es momentan nicht. Ah, du willst Ianus opfern? Dann wünsche ich dir ein gutes Gelingen. Ich werde mich jetzt wohl mit diesen Aufzeichnungen befassen", erwiderte ich und griff nach den Kursunterlagen für den cursus iuris. Anschließend erhob ich mich, und sowohl meine Mimik als auch meine Langsamkeit machten deutlich, wie wenig Lust ich für diese Lektüre derzeit aufzubringen vermochte. Am liebsten hätte ich mir im Garten einen Badezuber aufstellen lassen, um die Sonne ohne diese Hitze genießen zu können, die mit ihr einher ging. Doch daraus würde wohl nichts werden. Die Idee, Lupus meine Hilfe anzubieten, verwarf ich rasch wieder. Er würde das allein schaffen, und wenn nicht, würde er wohl ohnehin fragen kommen - doch so schätzte ich ihn eher weniger ein bisher. "Wir sehen uns dann spätestens zur cena", verabschiedete ich mich. Und dann würde ich gehen, wenn er nichts weiter zu besprechen hatte.

  • Am Gelingen seines Opfers zweifelte Sextus eigentlich nicht. Warum sollte der Gott es ablehnen? Er hatte ein schönes Tier ausgewählt, schöne Voropfer und hatte immer daran gedacht, dem Gott exakt das zuzugestehen, was ihm zustand. Sextus war sicher nicht religiös, aber das war auch nicht nötig. Vorbereitung war alles.
    Da es nichts weiter gab, erhob er sich und machte sich daran, mit seinen jüngst erworbenen erkenntnissen aus der Bibliothek zu verschwinden, als ihm doch noch eine Kleinigkeit einfiel. Nunja, eigentlich eine große Kleinigkeit, aber unter Verwandten doch etwas, was man mal eben so besprechen konnte. Er drehte noch einmal auf dem absatz um, während Corvinus sich seufzend über die Schriften zur Rechtskunde beugte. “Eine Sache noch. Der Consul hat mich gebeten, dich zu einem Concilium einzuladen, ANTE DIEM VI ID IUL DCCCLX A.U.C. (10.7.2010/107 n.Chr.) zur hora decima .** Er möchte noch einmal seine Landreform mit einigen Senatoren besprechen. Er sucht wohl einen Weg, mit dem alle einverstanden sind, um sie durchzubringen.“ Sextus zuckte leicht mit den Schultern, was ihn recht jugendlich wirken ließ. Allerdings war dies Absicht in diesem Moment, da er nicht unbedingt das Verlangen nach politischer Debatte mit seinem Vetter verspürte.


    Sim-Off:

    ** oder genauer gesagt, wenn Furianus den entsprechenden Thread eröffnet, unabhängig von dem fiktiven Datum.

  • Ich hatte bereits die Tür geöffnet und war auf dem Weg hinaus, als Lupus mich noch einmal zurückhielt und eine Einladung überbrachte. "Am späten Nachmittag?" erwiderte ich. Vermutlich wäre ich nicht der Einzige, der da abwägte, ob ein kühles Bad nicht vielleicht angenehmer wäre als ein hitziges Debattieren - im wahrsten Sinne des Wortes. Ich schürzte die Lippen. "Ich werde es meinem scriba sagen, er kann dann den Termin eintragen", sagte ich und beschloss, das gleich zu tun, ehe mir der Termin wieder entfiel. "Ich nehme an, du wirst dann auch zugegen sein." Das war mehr eine Feststellung als eine Frage, denn Lupus arbeitete für Furianus, da war es logisch, wenn er anwesend wäre. "Eine gute Gelegenheit, ein paar Senatoren kennenzulernen." Doch darauf war Lupus gewiss auch selbst schon gekommen. Ich seufzte, wedelte kurz mit den Kursunterlagen und sagte: "Bis später." Und dann setzte ich auch den anderen Fuß über die Schwelle hinaus.

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