Ich entgegnete ihm ein gütiges Lächeln und verwies sofort auf meine Leibsklavin Charis, die bereits dabei war, auch Aedan, dem Gallier, das Lesen und Schreiben beizubringen.
"Nun, dann wirst du es lernen! Meine Sklavin Charis wird es dir beibringen." Die Makedonierin hatte die ganze Zeit im Hintergrund verharrt und hatte ich sie nun nicht erwähnt, wäre sie womöglich übersehen worden.
"Geschichten! Das hört sich interessant an! Ich liebe Geschichten! Auch auf Griechisch!", meinte ich und zwinkerte ihm dabei zu. Und daß er nun selbst den Wunsch äußerte, mit dem Gallier zu trainieren, stellte mich auch zufrieden. Vielleicht konnte man die beiden Sklaven in einem Schaukampf aufeinandertreffen lassen. Ein privater Kampf nur für mich und vielleicht für einige mir nahestehenden Personen. Welch wunderbare Aussicht!
Genau im rechten Moment verrutschte die Tunika des Sklaven so, daß seine Oberarme zum Vorschein kamen.. und auch eine Narbe. Noch interessanter! Woher diese nur stammte?!
"Zieh deine Tunika aus! Ich möchte dich nackt sehen!", kam es überraschend aus meinem Mund, der Ton befehlsgewohnt, wie immer!
atrium | Nach all den Jahren - ein Lichtblick
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Zum ersten Mal war eine allem Anschein nach ungefilterte Gefühlsregung bei Okhaton zu sehen. Hätte sie lingua latina gesprochen, hätte er vermutet, er habe falsch verstanden, aber nein, ihr Befehl war eindeutig gewesen. Nachdem seine Augenbrauen wieder gesunken waren, ging ein kurzes, schwer zu lesendes Zucken über sein Gesicht. Er hätte das Gefühl selbst nicht genau benennen können, das dazu führte. Es war eine Mischung aus Unter- und Überlegenheitsgefühl - aber gut, er hatte anderes zu tun, als über sein Inneres zu grübeln, es half ohnehin nicht. Er stand nach dem langen Sitzen leicht steifbeinig auf, löste den leichten Gürtel, den er trug, und streifte in einer raschen Bewegung seine Tunika ab.
Er stand unbekleidet mitten im Atrium - es machte ihn nicht eben glücklich, aber er war diesen Dingen gegenüber indifferent geworden in den letzten Jahren. Außerdem - auf die Art bekam die Makedonierin im Hintergrund auch einmal etwas Schönes zu sehen.
Okhaton hatte die Gestalt eines Ringers, kaum ein Muskel war nicht trainiert. Seine grundlegende Gestalt war jedoch eher schlank als wuchtig, und so wirkte er nicht sehr martialisch, sondern eher in die Richtung von Hermes tendierend. An den Oberschenkeln, an den Armen und an den Schultern hatte er neben der einen längeren Narbe einige kleinere, die von Unfällen mit Steinblöcken oder unglücklich geflogenen Splittern stammten.
Er war für einen Sklaven gut gepflegt - Graecia hatte ihm viele Mußestunden gelassen, die er zum Teil auf eben die Körperpflege verwendete; es war ihm einfach nichts sonst eingefallen, das er tun konnte.
Nun brachte Okhaton es freilich nicht mehr fertig, Celerina kühl ins Auge zu blicken. Er schaute nun in die Richtung des Peristyls, ohne jedoch wirklich etwas wahrzunehmen.
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Ein zweiter Chimerion, war mein erster Gedanke, nachdem der Stoff seinen Körper frei gab. Ein von Muskeln bepackter Körper, jedoch wohl temperiert. Die leicht getönte Haut rundete den Anblick ab. Ebenso wie seinerzeit der Thraker fiel es dem Ägypter nun schwer, sich vor meinen Augen zu entkleiden. Doch anders wie bei Chimerion verlangte ich nur, er möge sich von der Tunika trennen. Nicht etwa den Lendenschurz. Obwohl, wenn er schon dabei war….
Was nun in Okhaton vorgehen mochte, war mir zu diesem Zeitpunkt einerlei. Schließlich würde er in den Genuß einiger Vergünstigungen in dieser Villa kommen. Dafür hatte er nun einiges zu erbringen.
"Einen herrlichen Körper hast du! Vielleicht sollte ich mir deinen Verwendungszweck noch einmal überdenken." Vielleicht würde er als Leibwächter doch noch eine bessere Figur machen. Nur schade dann, um sein Kitharaspiel! Oder vielleicht konnte man auch beides haben.
Langsam doch unaufhörlich spürte ich, wie wieder die Sonne für mich aufging, die Sonne Ägyptens. War nicht Aton einst ein Sonnengott? In Okhaton lebte er wieder auf.
"Doch was ist das?", bemerkte ich plötzlich mit einem leichten Entsetzen. "Was ist das für eine Narbe, dort am Arm und an deinem Oberschenkel? Tritt näher, ich möchte mir das näher ansehen!" Ohne ihm einen Ausweg lassend, winkte ich ihn energisch her zu mir. Nun ja, die Narben taten dem Rest keinen Abbruch. Sie ließen ihn nur noch verwegener aussehen. -
Okhaton trat näher und beugte sich vor, damit Celerina die Narbe besser sehen konnte; eine Linie aus hellerem Gewebe, etwa zwei Finger lang und so breit wie Zeige- und Mittelfinger nebeinandergelegt, zog sich von seinem rechten Schlüsselbein fast gerade nach hinten über die Schulter. "Da..." Er musste sich räuspern angesichts der wenig gewöhnlichen Situation. "Da ist mir im Steinbruch ein größerer Brocken mit der Kante draufgefallen. Über mir hat irgendein Schwachkopf nicht aufgepasst beim Herauslösen aus dem Berg." Über das Lob seines Körpers freute der Ägypter sich durchaus - nur dass solch ein Körper eben nicht ausblieb, wenn man im Steinbruch schuftete.
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"Vom Steinbruch? Aha! Große Brocken? Meine Güte!" Mein Blick wanderte von den Oberschenkel zum Arm, bis hin zu seiner Schulter. Nachdenklich nickte ich, doch nicht lange!
"Nun damit ist es ja jetzt vorbei!" Mein gütiges Lächeln war wieder zurückgekehrt.
"Und das da unten? An deinem Oberschenkel? Woher stammt das?" fragte ich voller Neugier. schließlich war dieser Teil des männlichen Körpers noch ein wenig mehr attraktiver, ja geheimnisvoller. -
Diese Narben waren klein und weniger auffällig, dafür gab es eine ordentliche Anzahl von ihnen. "Soetwas passiert, wenn man Pech hat und Steinbllöcke abrutschen oder mal ein Splitter schlecht fliegt. Ich hoffe...es...stört dich nicht, Herrin?"
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Für einen kurzen Augenblick war ich sogar gewillt gewesen, ihm zu befehlen, sich ebenfalls von dem Lendenschurz zu befreien, um so auch noch dem letzten Geheimnis auf den Grund zu gehen. Aber dem Sklaven schien das Ganz schon peinlich genug, schließlich befanden wir uns im atrium, sozusagen dem Herzstück des Hauses, wo für gewöhnlich auch ganz plötzlich jemand ungebetenes dazu stoßen konnte. Jenes letzte Geheimnis also, wurde auf später vertagt, an einen Ort, der weniger publik war. Im großen und ganzen konnte ich wahrlich zufrieden mit meinem Geschenk sein, auch wenn es einige Kratzer aufzuweisen hatte, dennoch war dieser Tag auf ganzer Linie ein Lichtblick gewesen. Zuerst die alte Freundin, die ich nach unzähligen Jahren wieder getroffen hatte und dann der Sklave, der mich auf eine seltsam betörende Weise an meinen Geliebten erinnerte, der nun in sicherer aber unbekannter Ferne weilte.
Nachdenklich nickte ich wieder, bei den Erklärungsversuchen des Sklaven.
"So, so, wenn man Pech hat!" Meinem Forscherdrang folgend, berührte ich meinen Fingerkuppen ganz leicht eine Stelle an der die Narbe etwas größer war, seine Reaktion in Kauf nehmend. Oder sollte ich besser sagen, seine Reaktion herausfordernd?
"Nein, nein, ganz und gar nicht stört mich das. Ich bin sehr zufrieden, mit dem, was ich sehe," antwortete ich ihm grinsend.
Ja, ja ein Lichtblick, in dieser dunklen Zeit… -
Was war ich froh, nach Hause zu kommen. Dieser Tag war anstrengend gewesen. Nach dem Klientenempfang am Morgen war eine langwierige Senatssitzung zu meistern gewesen, im Anschluss daran war ich im domus Actae Diurnae gewesen und hatte die Übergabe der laufenden Geschäfte an Seiena weitestgehend vorbereitet, hernach hatte die contio des collegium pontificium stattgefunden, in der über die Aufnahme von Frauen in die stadtröischen Kollegien diskutiert worden war, und nun kam ich eben zur Tür herein und nestelte bereits an meiner toga herum. Es war eine Qual, bei diesem Wetter in Rom zu weilen und die Standesabzeichen tragen zu müssen. Hinter mir ergoss sich ein kleiner Schwall Sklaven und Liktoren ins Haus, und ich machte sagenhafte drei Schritte, ehe ich wie angewurzelt stehen blieb, die Hand an den Togafalten auf meiner Schulter, und die sich mir bietende Szenerie betrachtete.
Celerina, und vor ihr ein halbnackter, mir zumindest rückseitig fremder Sklave - gut, das mochte nichts heißen, immerhin gab es derer viele hier. Und sie berührte ihn an einer Stelle, die ich nicht einsehen konnte und bemerkte soeben, dass sie zufrieden sei mit dem, was sie sah. Ich atmete tief ein, um nicht zu explodieren, denn ich sah nicht, was sie sah.
Ich hatte gewusst, dass ihre Freundin da gewesen war. Und mir nichts weiter dabei gedacht. Und nun dies, hier, im atrium, vor aller Augen! Sie brüskierte mich. Meine Hand sank und ich setzte mich in Bewegung, strebte auf meine Frau und diesen Sklaven zu. Muskulös war er, ansehnlich durchaus. Und doch hatten wir eine Vereinbarung getroffen, Celerina und ich - einen Tag war es her! Und noch bevor Siv hier einzog, stieß sie mich vor den Kopf und strafte ihre eigenen Worte Lügen. Meine Miene war nicht besonders freundlich, als ich näher kam und den beiden damit die Gelegenheit bot, auseinander zu stieben. Gegenteilig, ich musste Pluto wohl sehr ähnlich sehen.
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Als gedrillter Kämpfer fuhr Okhaton herum und schätzte die Situation ab - Männer mit Waffen, Männer mit Schriftrollen, einer mit einer Toga, mit einem Gesichtsausdruck, als... nun...als hätte er seine Frau mit einem halbnackten Sklaven im von allen Göttern verdammten ATRIUM seines eigenen Hauses angetroffen. Das musste er Hausherr sein...
Taktisch war da nichts zu holen, Okhaton hatte von den Liktoren gehört. Es waren nicht eben viele und Soldaten waren das auch nicht, aber mit Äxten in Kombination mit x-facher Unterzahl war... Moment, worüber dachte er da nach? Nein...er konnte hier keine spontane Flucht wagen, wo um alles in der Welt sollte er hin?
So starrte er wohl wenig intelligent dreinblickend den Hausherrn an, wobei er Celerina zufällig fast hinter sich verschwinden ließ. Das hier war ein ernstzunehmendes Problem. Eine Karriere als unbewaffneter Löwenringer war nun nicht Okhatons Idealvorstellung...
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Mein verträumter Blick und das wohlige Gefühl, welches ich dabei empfand, wurde jäh gestört, als mir ein Geräusch zu Ohren kam, welches seinen Ursprung untrüglich am Eingang hatte. Als sei eine Herde Wilder Wasserbüffel direkt aus Campania hierher ins atrium unterwegs. Schnell zog ich meine Hand zurück und ließ von den Narben des Sklaven ab. Dieser wiederum fuhr ganz plötzlich herum, wie ein wilder Löwe, zum Angriff bereit. als er jedoch die Übermacht an Gegnern erkannte, wich sein Mut. Ich hingegen konnte nichts von alledem sehen, denn Okhaton versperrte mir mit seinem entzückenden Rückenansicht die Sicht. Im Übrigen war sein knackiger Po auch nicht zu verachten!
"Marcus!" rief ich und erhob mich von meiner Kline, damit auch ich endlich im Bilde war.
"Sieh nur, was mir Graeceia geschenkt hat! Einen waschechten Ägypter!" fuhr ich, den Tatbestand überspielend fort. Natürlich war mir nicht sein düsterer Blick entgangen und auch seine Begleiter hatte ich bemerkt, jedoch ignorierte ich sie gekonnt.
"Sieh nur was er für einen wohlgestalteten Körper hat! Ich dachte mir, wir könnten mit ihm und dem neuen Gallier einen Schaukampf veranstalten." Dazu lächelte ich natürlich unschuldig, denn ich hatte ja einen Tag zuvor etwas geschworen. Und außerdem gab es nichts, weswegen ich mich schuldig gemacht hatte, auch wenn es vielleicht den Anschein hatte. -
Ich hatte kau die Hälfte des Weges zurückgelegt, da geschahen einige Dinge gleichzeitig. Celerina ließ von ihm ab und der Sklave wandte sich seinerseits um, kampfbereit, wie mir schien. Ich sah ihn an, nicht meine Frau, während ich die zweite Hälfte des Weges überbrückte. Sein Blick glitt über mich, huschte dann zu meinen Begleitern, die am vestibulum stehen geblieben waren, die Szenerie allerdings betrachteten. Mir missfiel außerordentlich, dass dieser Sklave - den ich im Übrigen tatsächlich nicht kannte - sich vor Celerina aufbaute, als galt es, sie vor mir zu beschützen. Einen Moment lang sah es so aus, als würde er tatsächlich erwägen, sich mir in den Weg zu stellen, doch dann veränderte sich sein Blick und die Muskelspannung ließ deutlich nach. Gleichzeitig erhob sich Celerina und flötete ganz ungeniert meinen Namen. Sogleich fuhr sie fort.
"Aha", sagte ich mit mäßiger Begeisterung, nachdem ich zwischen ihr und dem Sklaven angekommen war. Ein Geschenk also. Ich entdeckte einen kleinen Stoffberg zu unseren Füßen. "Zieh dich an", befahl ich dem Sklaven und ignorierte ihn hernach vorerst. Celerina tat indes so, als hätte alles seine Ordnung. Ich hatte sie bisher nicht angesehen, wandte den Blick nun aber ihr zu. Eine steile Falte stand auf meiner Stirn, dennoch beugte ich mich nun vor und setzte meiner Frau einen flüchtigen Willkommenskuss auf die Wange. "Solange es dabei bleibt, soll mir das recht sein. Sie gehören schließlich dir. Wie kam es zu diesem Geschenk?" Das ich am liebsten samt dem Gallier postwendend zu dem Parther nach Sardinien geschickt hätte. Nachdem ich die Situation vorerst entschärft hatte, hielt sich der Groll in Grenzen. Ich betrachtete nun wieder den Sklaven, der sich offensichtlich nicht besonders wohl fühlte in seiner Haut.
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So schnell hatte sich wahrscheinlich in diesem Hause noch niemand angezogen. Das war nochmal gutgegangen - offenbar war der Hausherr, der Marcus hieß, kein besonders jähzorniger Mann. Glück gehabt! Okhaton hatte sich schon halb von den Liktoren abgemurkst gesehen. Man hörte ja so allerlei von den feinen Leuten in Rom...
Oh ihr Götter, jetzt sah er Okhaton auch noch an. Er starrte auf den Boden. Ein langer Kerl - die meisten Leute waren kleiner als er - und wer immer seine Kleidung herstellte, verstand dieses Fach. Der Ägypter murmelte ein kaum hörbares "Salve, dominus." Was sollte er auch tun, von der brandneuen Besitzerin in eine so verdammt peinliche Lage gebracht...
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Der neue Sklave hatte sich schnell in die Beschützerrolle eingefunden, obwohl ich ihm dies gar nicht befohlen hatte. Das imponierte mir außerordentlich. Vielleicht hatte ich ihn doch etwas unterschätzt und ich war gut beraten, seinen Aufgabenbereich noch einmal zu überdenken. Doch vorher mußten die Wogen geglättet werden, damit mein Mann nicht auf dumme Gedanken kam. Am Ende glaubte er nämlich noch, jetzt da Okhaton hier war, sei unser Abkommen hinfällig. Das war es ganz und gar nicht!
Der Ägypter hatte schnell begriffen, daß es für ihn besser war, gegenüber dem Hausherrn seine Abwehrhaltung nicht länger aufrecht zu erhalten. Man sah ihm förmlich an, wie der stolze, kampfbereite Körper in sich zusammenzusacken begann und eine demütige Haltung einnahm, wie ein Hund, der den Schwanz einzog, weil er den Worten seines Meisters gehorchen mußte. Jammerschade, daß sein Körper nun wieder unter der Tunika verschwand. Doch im gleichen Moment nahm ich mir vor, demnächst etwas mehr Zeit mit meinem Geschenk zu verbringen, um dann vielleicht auch noch die letzten Geheimnisse des Ägypters ergründen zu können.
Marcus spielte das Spiel der Unbekümmertheit mit. Als wäre es das Normalste auf der Welt, drückte er mir einen Willkommenskuß auf die Wange. Gestern noch hätte ich alles erdenkliche dafür getan, um eine solche Geste zu vermeiden. Nun aber reihten wir uns ein, in eine Reihe von unzähligen römischen Ehepaaren, die sich zwar nicht liebten, aber ihrer Umgebung vorgaukelten, glücklich zu sein.
"Ja, das tun sie!", antwortete ich bestätigend Marcus´ Feststellung und untermauerte dies indem ich meine Hand ganz besirzanzeigend auf die Schulter des Sklaven legte.
"Nun, Graeceia kennt meine Vorliebe für alles Ägyptische. Wir kennen uns ja bereits seit Kindestagen. Und da er mich mit seinem Kitharaspiel so verzaubert hatte und sie mir eine Freude machen wollte, hat sie ihn mir kurzerhand geschenkt," erklärte ich ganz unbeschwert und deutete auf das Instrument, welches am Boden neben der Kline lag.
"Wenn du möchtest, kann er dir später eine Kostprobe darbieten." -
Der Sklave kam meiner Aufforderung sogleich nach. Zumindest das war beruhigend, so wusste er zumindest, wem er zu gehorchen hatte, auch wenn es zunächst den Anschein gehabt hatte, dass er sich widersetzen wollte. Mein Blick rutschte von Celerinas Gesicht hin zu ihrer Hand, die soeben in einer eindeutigen Geste ihren Weg auf die Schulter des Sklaven gefunden hatte. Meine Mundwinkel zuckten kurz abschätzig, mündeten in einer missbilligenden Geste, die sich nur langsam entschärfte, während ich Celerinas Erklärung folgte. Begabte und treu ergeben Sklaven zu verschenken, schien mir heutzutage an der Tagesordnung zu sein, auch wenn ich die Intention dahinter nicht nachvollziehen konnte. Loyalität war eine Tugend, die die wenigsten Sklaven besaßen. Und wieso sollte man einen treuen Sklaven verschenken, wenn er sonst keine Makel hatte? Erneut musterte ich den Neuen. Mit seinen Muskeln konnte er bequem ein custos sein, und offenbar konnte er recht passabel die Kithara zupfen.
Ich hob die Brauen und trat an beiden vorbei, um Platz zu nehmen. Mit einem Seufzen legte ich die Beine hoch und richtete den Blick wieder auf die beiden. "Er kann mit Sofia üben. Und vielleicht kann er Priscas stummem Mädchen etwas beibringen", erwiderte ich gleichgültig mit entsprechender Geste. "Wie heißt du? Welche Aufgaben hattest du bei deiner vorherigen Besitzerin?" wollte ich hernach auf Latein von dem Sklaven wissen. Sonderlich begeistert war ich noch nicht.
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"Okhaton." erklärte der Angesprochene. possessora... was hieß das noch? Das Wort kannte er...negotii...Arbeit oder so? Wahrscheinlich ging es schon wieder darum, was er konnte. "Ich singe. Spiele kithara. Aufpassen, manchmal. Ich kann mit Stock...ähm...haggen." Irgendwie klang das Wort falsch, aber ihm fiel gerade das richtige nicht ein. Wie war das noch in diesem einen Lied... "Schlagen."
Das Ganze schien jedenfalls nicht auf Ärger hinauszulaufen. Corvinus schien alles andere als ein Hitzkopf zu sein. Besser so, wenn er so eine, ähm, lebenslustige Gattin hatte.
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Mir gefiel es nicht, wie Marcus meinen Sklaven betrachtete, wohl darauf bedacht, einen Mangel an ihm festzustellen. Zu allem Übel nahm er dann auch noch Platz! Hatte dieser Mann nichts zu tun? Keine Arbeit, keine Liktoren, die auf ihn warteten? Mußte er mich jetzt auch noch stören, wo ich doch gerade meinen neuen Sklaven näher kennenlernen wollte? Natürlich steckte hinter diesem gespielten Interesse eine gewisse Absicht, vermutete ich.
Was blieb mir also anderes übrig, als mich ebenfalls wieder zu setzen und zu lächeln…
Sogleich machte er diverse Vorschläge, wie man ihn und seine Fähigkeiten einsetzen konnte und bombardierte den armen Kerl gleichzeitig mit unwichtigen Fragen. Der Ägypter hatte scheinbar große Mühe, die richtigen Worte zu finden.
"Du mußt Griechisch mit ihm sprechen! Er spricht kaum Latein!", ermahnte ich meinen Gemahl. Warum wohl hatte ich mich vorher mit ihm auf Griechisch unterhalten? Daß Männer immer so schwer von Begriff sein mußten
Da der Sklave immer noch vor uns stand, gebot ich ihm, sich wieder neben meine Kline auf den Boden zu setzen.
"Spiel uns etwas vor! Das Lied, mit dem Wanderer! Vielleicht gelingt es dir, auch meinen Mann von deiner Kunst zu überzeugen!", sagte ich ihm mit einem sarkastischen Unterton und auf Griechisch natürlich. -
Die Antwort des Sklaven kam abgehackt und zögerlich, was weniger an seinem Wesen, als vielmehr an seinen mangelnden Sprachkenntnissenzu liegen schien. Erst als Celerina mich aufklärte und ich die Situation Revue passieren ließ, fiel mir auf, dass auch sie zuvor Griechisch gesprochen hatte. Nun, dass ich nicht darauf geachtet hatte, war wohl auch kaum weiter verwunderlich, immerhin waren gewisse andere Dinge mir wichtiger erschienen als die Sprache, in der sich ein Sklave artikulieren konnte. Auf Celerinas Worte hin schürzte ich verstimmt die Lippen. "Dann wird er es lernen", war meine Antwort. Was brachte es schon, wenn der Sklave auch in den kommenden Jahren Latein nur bruchstückhaft verstand und sprechen konnte? Er würde nicht mit den anderen sprechen können, von Niki und die übrigen griechischstämmigen Sklaven einmal abgesehen, und spätestens bei der Erteilung von Anweisungen seitens des maiordomus würde es ein Problem darstellen - obgleich Griechisch sprechende Sklaven durchaus mehr wert waren. Nun, mehrsprachige Sklaven übertrumpften das Ganze.
Celerina hatte sich inzwischen ebenfalls gesetzt und wies auf das Instrument am Boden. Ich winkte ungeduldig nach jemandem, der mir einen Becher Wein anreichen sollte. Heute war kein guter Tag, ich hatte schlechte Laune und diese Farce hier barg im Grunde auch nicht viel mehr als ein Ärgernis. Bisher zumindest. "Meinetwegen." Ich klang nicht unbedingt begeistert, blieb jedoch liegen und nahm den Becher an, der mir eben gereicht wurde.
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Okhaton raffte sich noch einmal auf - seine Stimme war rau, die Finger ermüdet, aber so eine Situation war erst die, wo sich ein richtiger Sänger zeigen konnte. Also den Wanderer noch einmal! Sollten sie kriegen!
Diesmal wurde das Lied ganz anders als beim ersten Mal - weniger das sanfte Erzählen von einem, der wusste, dass seine schlechte Situation irgendwann vorbei sein würde, sondern die raue, aufbegehrende Klage eines Verzweifelten, der sich trotz allem nicht aufgeben wollte. Wer das Lied hörte und den Sänger sah, der konnte das Gefühl bekommen, er wäre dieser Wanderer, und Okhaton konzentrierte sich darauf, den Raum mit Stimme und Person zu füllen bis in den letzten Winkel. Ob es einem gelang, konnte man nie wissen, aber wenn es gelang, dann war einem Zuspruch sicher...
Die Vorstellung war vielleicht weniger exakt, die Harmonien und Einzeltöne nicht ganz so klar, aber dafür war der Ausdruck nicht nur anders, sondern deutlicher geworden. Okhaton verknappte das Nachspiel mit der Kithara, nur ein paar Töne noch, verloren verhallten sie im schallfreien Raum, den seine Stimme hinterlassen hatte.
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"Natürlich wird er das!", gab ich leicht genervt zurück. Daß Marcus sich einfach nicht an diesem wundervollen Geschenk erfreuen konnte! Stets fand er etwas zu beanstanden! Konnte er nicht einfach die Großzügigkeit Graeceias akzeptieren, die durch den Ägypter allgegenwärtig erschien? Natürlich konnte er das nicht! Denn das hätte bedeutet, mir Zugeständnisse zu machen und dies hätte vorausgesetzt, daß er über seinen eigen Schatten hätte springen müssen. Es war wirklich ein Jammer! Doch ich ließ mir mein Geschenk nicht vermiesen. Nicht von ihm!
Wenigstens wollte er sich von Okhatons Künsten überzeugen lassen, wenn auch nur widerwillig. Welch großes Opfer er doch darbrachte, als das meinetwegen über seine Lippen kam.
Ich nickte dem Sklaven zu und sofort begann er. Doch diesmal klang sein Lied ganz anders. Zwar waren es die gleichen Worte, doch ungleich mehr Trauer und Sehnsucht lagen darin. Diese Empfindsamkeit, sie berührte mich. Mein Inneres, mein Herz! Oh, wie lieblich es sich anhörte. In meinen Augen bildeten sich kleine Seen, die beinahe drohten, über die Ufer zu treten. Erst als der allerletzte Ton verhallt war, riß ich mich aus meiner Entzückung heraus und begann kräftig zu applaudieren. "Bravo! Einfach grandios! Findest du nicht?" Den Sklaven hatte ich bewundernd im Visier, doch dann richtete ich mein Augenmerk auf meinen Gemahl, um festzustellen, wie er es empfunden haben mochte. -
Ich sah durchaus das wundervolle Geschenk von Celerinas Freundin. Und doch legte allein der Anblick dessen die Vermutung nahe, dass sie damit den Parther zu ersetzen gedachte. Bereits dies war ein Grund, grimmig zu sein. Ich traute ihr derzeit nicht weiter als ich sie werfen konnte. Während der Sklave spielte, betrachtete ich hinwieder meine Frau, die regelrecht verzückt erschien. Ich täuschte mich ganz sicher - Celerinas Augen schienen sicher nur wässrig ob der Reflexion des Lichtes hier im Raume. Begeistert applaudierte sie, als der Ägypter geendet hatte. Nun gut, sein Spiel war durchaus recht nett gewesen, wenngleich ich auch mit der erzählten Geschichte nicht allzu viel anfangen konnte. Das alles kam mir vor wie eine Parodie auf diese Ehe. Als hätte er dieses Lied eigens für Celerina geschrieben, wegen ihrer gescheiterten Bemühungen und der meinen, als wären sie der Anlass gewesen für den Text. Ihrem fragenden Blick begegnete ich darob nach einem Nicken hin zu dem Sklaven mit Skepsis. "Recht passabel, auch wenn ein alternativer Text sicherlich eine bessere Wirkung erzielt hätte", gab ich zurück, selbstverständlich auf Latein. Ich ließ dabei unerwähnt, welche Wirkung ich meinte - die klangliche oder jene, welche der Sklave auf mich machte. Allerdings, um ehrlich zu sein, wusste ich noch nicht, was ich von ihm halten sollte. "Nun gut, ich denke, ich habe genug gehört. Ich werde dich mit deinem Spielzeug allein lassen, Celerina. Gib acht, dass er dich nur musikalisch erfreut", bemerkte ich, nachdem ich meinen Becher geleert hatte und ehedem ich mich erhob. Die Worte hatte ich absichtlich so gewählt. Wir würden uns später beim Abendessen sehen, deswegen sparte ich mir eine intensivere Verabschiedung und sagte lediglich "Bis dann", ehe ich ging.
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