[Tablinum] Eine Überraschung für ein kleines Mädchen

  • Schon vor längerem hatte Ursus für das kleine Sklavenmädchen ein Geschenk gekauft. Doch in der ganzen Zeit hatte es sich nicht ergeben, sie damit zu beschenken. Nun war sie hier das einzige Kind und langweilte sich gewiß oft. Ein guter Zeitpunkt für ein neues Spielzeug, fand Ursus.


    Er saß im Tablinum und hatte die Schachtel unter den Tisch gestellt, wo das Kind sie nicht gleich sehen würde. Und schickte nun nach ihr mit dem Auftrag, daß sie ihm etwas Obst bringen sollte.

  • Mit missmutiger Miene verliess Marei die Küche, trug die Schale Obst in beiden Händen vor sich her. "So eine blöde Köchin.. die ist sowas von doof.." brummelte sie auf dem Weg zum tablinium in sich hinein. "Der könnte echt mal einfallen, dass ich immer noch am Üben bin. Wie soll ich wissen, wie groß die Stückchen sein sollen, wenn sie es mir nicht zeigt.. oder noch besser vorschneidet? Und dann meckert sie, ich soll zum Schneiden nur eine Hand nehmen.. denn die andere soll das Stückerl Obst festhalten. Mannmannmann... das Messer war überhaupt nicht scharf. Die Frau wollte gar nichts davon wissen..." Immer noch schlecht über die Köchin denkend betrat sie das Ziel. Achnö.. für dominus Ursus war die Schale bestimmt, hoffentlich fand er die Stückerl nicht zu groß. Marei bemühte sich die unsichtbare rennende Maus auf ihrer grantigen Leber zu verscheuchen und setzte dem entgegen gesetzt ein fröhliches Lächeln auf ihre Miene auf. "Hier kommt das Obst.." Mit Schritten näherte sie sich dem Hausherrn, stellte die Schale in Griffnähe auf dem Tischchen ab. ".. dominus Ursus. Das habe ich selbst klein geschnitten." Wollte er über letzteres überhaupt Bescheid wissen? Marei klappte den Mund zu, verstaute die Hände auf dem Rücken..

  • Hätte Ursus gehört, wie sehr die Kleine über die Köchin schimpfte, die doch nur versuchte, sie auszubilden zu einer brauchbaren Hilfe, dann wäre es mit dem Geschenk vielleicht nichts geworden und er hätte ihr eher einen Vortrag darüber gehalten, daß sie lernen sollte. Nicht nur lesen und schreiben, sondern auch Obst oder Gemüse schneiden. Aber er ahnte nichts davon. Er sah nur ein eifriges kleines Mädchen, das strahlend zu ihm hereinkam und stolz verkündete, daß es das Obst selbst hergerichtet hatte.


    "Du warst es selbst? Fleißige kleine Maus. Komm, setz Dich ein bißchen zu mir und erzähl mir, wie Du hier den Tag verbringst. Und nimm Dir etwas von dem Obst." Ursus deutete auf einen Stuhl und schob den Teller so, daß auch Marei sich davon bedienen konnte. Er selbst nahm ein Stück Melone und ließ es sich schmecken.

  • "Ja, das war ich... " Marei zeigte sich überrascht über seine Frage nach ihrem Tagesablauf, nickte fröhlich über sein Lob. "Kleine Maus? Hast du jetzt auch einen Kosenamen für mich erfunden? Oder hast du erfahren, dass Mäuse in die Vorratskammer klettern und spazieren gehen?"


    Sie setzte sich zu ihrem Herm, nahm sich ein Stückerl Apfel. "Ehmm.. also.. was ich den ganzen Tag mache? Früh morgens aufstehen, waschen und anziehen. In die Küche gehen und essen und Geschirr abspülen oder abtrocknen. Nach Cimons Katern schauen, füttern und streicheln und Federspiele spielen. Wieder zurück in die Küche beim Schneiden helfen oder nochmals Geschirr abspülen und abtrocknen. Ganz selten darf ich Vorräte in Amphoren umfüllen und wegräumen. Das finde ich schade, ich möchte schon gerne von allem probieren, aber ich darf nicht, es gehört alles Euch. Meist gibts beim Sonnenkopfstand das gleiche zu essen wie morgens."


    Marei aß das Apfelstückchen zwischen den Sätzen auf, sprach aber immer mit leerem Mund, damit er sie gut verstand. Sie ergriff noch ein Apfelstück. "Nach dem Essen schaue ich noch mal nach den Katern und schlafe eine Runde bei denen, wenn es draußen ganzganz heiss ist. Irgendwie schaffe ich es immer, nicht zu lange zu schlafen, weil ich weiss, dass die Köchin dann wieder mit mir schimpfen wird." Och nö.. bloß nicht an das vorherige Geschimpfe denken, das machte sie nur wieder sauer und traurig.


    "Es gibt um diese Zeit wenig zu tun, hin und wieder einiges auf- oder wegräumen. Wenn ich nicht gebraucht werde, trappel ich in mein Bett und versuche Narcissas Alphabet nachzumalen oder die Buchstaben zu Worten zusammenzufügen und zu lesen. Ich vermisse ihre Stimme und wie sie meine Hand führt." Marei seufzte leise. "Bis zum Abend muss ich das gleiche machen wie morgens. Nach dem kleinen Essen suche ich Cimon. Wenn ich ihn nicht finde, gehe ich alleine zu Bett und denke mir eine Geschichte zum Einschlafen aus."

  • "Gefällt Dir kleine Maus nicht?" Während er gemütlich ein paar Stücke Obst aß, hörte Ursus dem kleinen Mädchen zu, wie es von seinem Tag erzählte. Kein sehr schöner Tag, abgesehen von den Katern. "Und hast Du hin und wieder ein wenig Zeit zum Spielen? Was spielst Du besonders gerne?", fragte er weiter. Die Aussage mit dem Probieren wollen und nicht dürfen überging er schmunzelnd. Sie würde schon noch genug probieren können, die kleine Naschkatze.

  • "Doocch doch, dominus... 'kleine Maus' gefällt mir ziemlich gut!" ereiferte sich Marei nickend. Sicher wusste er nichts vom 'kleinen Wirbelwind'-Namen, aber dieser Kosename gehörte nur ihr und Cimon.


    "Zeit zum Spielen? Hmm.. mit den Katern spiele ich gerne und mit Cimon quassele ich über alles, aber nur wenn er gerade Zeit hat. Ich mag auf Gras mit meinem neuen Federball spielen, weil ich meinen allerersten Ball in Rom zurückgelassen habe. Fangen spielen und andere Kinder treffen und mit denen spielen, aber von denen hab ich bis heute noch nix gehört und gesehen. Schreiben und lesen übe ich alleine in meinem Bett. Und irgendwann bringt mir Baldemar alles bei... was er von seinem Vater gelernt hat."

  • "Dann bleibe ich erst einmal bei "kleine Maus", ich finde es im Moment recht passend für Dich." Ursus lächelte und lehnte sich ein wenig zurück. "Also mit den Katern. Und mit Cimon. Und mit dem Ball. Wenn auf dem Exerzierplatz nicht zuviel los ist, kannst Du dort sicher auch damit spielen. Vielleicht findet sich auch der eine oder andere Mann, der außerhalb seines Dienstes mit Dir Ball spielt. Kinder gibt es hier leider nicht. Die meisten Offiziere sind nicht mal verheiratet. Septima ist deswegen auch schon traurig." So, Baldemar wollte dem Mädchen also beibringen, was sein Vater ihn gelehrt hatte? Hoffentlich nicht wirklich alles. Er mußte daran denken, daß laut Baldemar alle Söhne zu Kriegern erzogen wurden. Bei einem Mädchen kam er doch wohl nicht auf solch eine Idee.


    "Hat Cimon nicht mal eine Puppe für Dich gemacht? Die hast Du doch bestimmt auch noch, oder? Und die kleine Puppenstube von mir?" Fragend blickte er die Kleine an. Sie hatte doch hoffentlich nichts zurücklassen müssen?

  • "Ich danke schön." Das kleine Sklavenmädchen verbiß sich mit Mühe das auf der Zunge liegende Wört 'Bär'. nickte bestätigend bei allem, was Ursus erwähnte. "Auf was für einem Platz? Wie heisst das bitte, dominus? Und was macht man denn da?" fragte Marei verwundert drauflos. "Ich weiss schon, die sind nicht verheiratet, weil sie Soldat geworden sind und unserem Land dienen. Hmja.. ich weiss auch, dass Septima traurig ist, aber wie kann ich sie aufmuntern?"


    Sie musste über die nächsten Fragen einige Momente lang nachdenken, kaute an einem Melonenstückerl. "Puppe Nina muss im Bett bleiben, weil die Köchin ständig gesagt hat, dass sie in der Küche im Weg liegt. Den Katern mag ich meine Nina nicht zum Spielen geben, weil die Kater jetzt Krallen kriegen und fast alles kaputt machen. Das Puppenhaus habe ich selber eingepackt und Frija gegeben. Aber sie hat es mir nicht zurückgegeben. So weiss ich gar nicht, wo es jetzt ist. Ich muss sie unbedingt fragen gehen. Ich bin echt blöd, weil ich es über allem vergessen habe, entschuldigung, dominus Ursus."

  • "Er heißt Exerzierplatz und befindet sich direkt neben dem Lager. Aber Du darfst die Soldaten dort nicht stören, denn sie müssen trainieren. Und auch aufpassen, daß Du von denen wegbleibst, die Bogenschießen üben oder Speerwerfen. Wenn einer der Offiziere sagt, daß Du im Weg bist, dann mußt Du dort auch weggehen. Auch wenn es schwerfällt. In Ordnung?" Er lächelte freundlich, denn natürlich wußte er, daß es schwer für ein Kind war, so viele Regeln zu beachten.


    "Ich denke, Du probierst einfach aus, wie Du Septima aufmuntern kannst. Vielleicht einen Strauß hübscher Blumen pflücken?" Ursus wußte selbst im Moment nicht, wie er seiner Frau das Leben erleichtern konnte. Er hatte noch viel zu tun und hatte wirklich damit gerechnet, daß sie hier auch weibliche Gesellschaft vorfinden würde.


    "Oh, Du mußt Dich deswegen bei mir nicht entschuldigen. Es wäre Dir schon wieder eingefallen, wenn Dir langweilig geworden wäre. Anscheinend ist Dir hier gar nicht oft langweilig, hm?" Er fragte das mit einer sonderbaren Betonung und ein spitzbübisches Schmunzeln umspielte seine Lippen. Er war gespannt, ob die Kleine diese Andeutung verstehen würde. Kinder hatten ja ganz allgemein ein Gespür für so etwas.

  • "Exereier-Platz, also. Wie dumm, jetzt muss ich an gekochte Eier denken. Gibt es ein anderes Wort für diesen Platz?" fragte Marei treuherzig. "Wie wäre es mit 'Nicht-stören-dürfen' Platz, dominus? Pof, Bogenschiessen machen die Soldaten auch?!? Aber ja, ich höre auf die Offiziere... wie erkenne ich die bloß?" plauderte Marei munter Fragen stellend drauflos.


    "Hmm.. das wird schwierig mit Blumen pflücken. Ich darf nicht aus dem Lager gehen. Cimon sagt mir aber bald, wann er in die Stadt geht. Baldemar hat den Rasen noch nicht gefunden, darf dann auch mit meinem Ball spielen." Sie lächelte fröhlich. "Ganz sicher wäre mir die Puppenstube eingefallen. Puppe Nina möchte sicher wieder aus den winzigen Tassen süßen Wein trinken und auf den passenden Stühlen sitzen." Marei betrachtete die Obstschale, nahm sich ein weiteres Stückchen Obst.


    "Och.. ganz oft langweilig ist mir schon, weil die Erwachsenen immer ganz schön schwer mit etwas und allem beschäftigt sind, was ich noch nicht kenne und kann, was noch nicht wichtig zu wissen ist und was ich nicht hören soll. Letzteres hab ich was merkwürdiges aufgeschnappt und Cimon weitererzählt. Ich meine den Satz 'Mit vollem Bauch und heißer Frau im Bett ist gut schlafen'. Dann hab ich Cimon gesagt, die meinen wohl 'warmen Bauch und heiße Steine.' und er meinte, dass ich mir das besser merken soll, weil es nichts für mich wär." Über den noch durchzuführenden Plan, einen 'kitzekleinen Ausflug' zu machen würde sie ihm nichts sagen... ganz sicher nicht.

  • Ursus schmunzelte. "Mit Eiern hat das überhaupt nichts zu tun. Hör noch einmal genau hin: Exerzierplatz. Ein Platz zum Exerzieren, zum Üben und Trainieren." Er betonte das schwere Wort besonders und sprach es langsam und deutlich aus. Sie sollte es ja lernen. Und er wußte, wenn sie es ein wenig übte, würde sie es auch können.


    "Die Offiziere wirst Du sehr leicht erkennen. Das sind die, die den anderen sagen, was sie zu tun haben. Und das tun sie sehr laut, in kurzen, knappen und deutlichen Befehlen. Die Centurionen haben zum Beispiel querstehende Helmbüsche... Ach, ich bin sicher, Du erkennst die Offiziere. Schau Dir die Männer genau an, dann findest Du die Unterschiede." Vielleicht konnte sie so auch ein bißchen was lernen: Wenn sie die Soldaten beobachtete und miteinander verglich. Spannend war das doch ganz sicher. Und welches kleine Mädchen hatte sonst schon dazu Gelegenheit?


    Was die Kleine da aufgeschnappt hatte, hätte Ursus fast zum Lachen gebracht. "Cimon hat schon Recht, dafür bist Du noch ein bißchen jung. Aber es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis Du verstehst, was damit gemeint ist. Frija wird schon dafür sorgen und Dir alles erklären." Er würde sich bestimmt nicht aus dem Fenster lehnen und dem wißbegierigen Kind etwas über die Freuden des Sexuallebens erzählen.


    "Malst Du eigentlich gern? Schaffst Du gern Bilder?", fragte Ursus fast nebenbei, als wäre es einfach nur so eine Frage.

  • "Ex... err.. zier.. plaaatz." probierte Marei und sprach das Wort mehrmals nacheinander aus, versuchte dessen Teile nicht mehr so arg auseinanderzuziehen. "Platz zum Üben und Trainieren... hmm.. vielleicht sollte ich besser da meine neuen Worte üben." scherzte sie und zog eine Grimasse. "Querstehende Helmbüsche? Haben die Centi-dingsa nicht genug Haare auf dem Kopf? Ach mensch.. Centu.. wie heisst das nochmal, bitte?"


    Sie musste so vieles noch angucken und die Menschen, denen sie begegnen würde, am besten mit Fragen löchern.. äh.. ausfragen. Das angesprochene Thema interessierte sie langsam immer mehr. Kein Wunder bei der Neugierde. "Und die Offiziere, die den anderen was zu sagen haben.. die Männer hören auf dich, stimmts, dominus? Was machst du, wenn du ganz schlimm heiser bist? Wer schreit für dich Befehle?"


    Marei nahm sich noch ein weiteres Stück Obst. Bis zur nächsten Mahlzeit würde sie pappsatt sein. Ursus lachte, sie stimmte nickend mit ein. "Genau das hat Cimon mir auch gesagt, ich soll zu Frija gehen und fragen." Sie sah Ursus aus großen grünen Augen an. "Ich? Malen? Würde ich sehr gerne machen.. aber ich habe nichts was ich dazu brauche. Kohlestücke sind zum Malen auf weissen Wänden gut. Genau wie weiße Kreide auf schwarzen Wänden."

  • "Centurio", half Ursus freundlich aus. "Er befehligt achtzig Männer. Kannst Du so weit zählen? Bis achtzig?" Den Optio unterschlug er vorerst, er wollte sie nicht verwirren. Wenn sie die Struktur einer Legion nach und nach lernte, genügte das. "Unter dem Helm haben sie natürlich genug Haare. Das wirst Du sehen, wenn Du sie beobachtest." Als sie weiterfragte, mußte Ursus unwillkürlich grinsen. "Ja, diese Männer hören auf mich. Alle hier müssen auf mich hören. Und das sind ungefähr sechstausend Menschen. Wenn ich mal heiser bin, dann sage ich einem der Tribune, er soll das für mich machen. Davon habe ich sechs. Sie sind die höchsten Offiziere." Die Kleine würde vermutlich schneller den Aufbau einer Legion verstehen als die meisten Probati. So neugierig sie war und so eifrig, wie sie die Informationen in sich aufsaugte.


    "Nun, an die Wände malen, ist aber nicht so gut. Ich denke, wir finden eine Lösung, wie Du malen kannst, ohne die Wände zu nehmen. Bis dahin habe ich etwas, das Du nehmen kannst. Es ist zwar nichts zum Malen, aber man kann trotzdem Bilder damit machen." Er zog die Kiste unter dem Tisch hervor und reichte sie ihr. "Vorsicht, sie ist schwer!" Es waren unzählige Mosaiksteinchen darin. Bunt und glatt poliert.

  • "Oh.. ich hatte es also schon fast richtig.. Centu.. rio..." kommentierte Marei und schüttelte den Kopf. "Nein.. nur bis zwanzig.. zwei mal zehn macht zwanzig. Das sind genauso viel wie zehn Finger und Zehn zehen." erklärte sie altklug. "Wieviele Finger und Zehen sind achtzig? Oder wieviel mal zwanzig macht achtzig??" wollte sie außerdem wissen. "Tribun? Hach, es habs richtig gesagt! Ohmann.. gleich sechs Männer würden für dich schreien. Die Köchin hier hat nur eine einzige Stimme... genau wie Niki zu Hause."


    Der brünette Kopf bewegte sich nickend. "Ich werde keine Wände mehr anmalen bis wir was gefunden haben, dominus. Was soll ich machen? Bilder machen?" Behutsam setzte sie die schwere Truhe auf die Knie und öffnete sie. "Ohh.. die sind klasse." rief Marei freudig aus, wühlte vorsichtig mit einer Hand durch die Steinchen und hielt mit der anderen die Truhe fest. "Hier ist blau.. und gelb.. Guck mal, das ist ja dasselbe Grün... wie die Bäume im Wald es haben. Kann ich hier und gleich was machen? Oder wie sagt man das? Ich lege bunte Steine zusammen zu einem Bild. Machst du mit, lieber Bär?" Hups! Marei lächelte ihn unschuldig an und dachte über die zuletzt gestellte Frage nach. Eigentlich eine ziemlich peinliche Frage, er war ein Mann, der sehr viele Männer befehligte und jetzt fragte sie diesen Mann, ob er auch bunte Steine legen wollte.

  • "Genau. Centurio", wiederholte Ursus noch einmal, damit sie sich das schwere Wort merken konnte. "Achtzig sind vier mal Zwanzig. Also mußt Du vier Menschen nebeneinander stellen und all ihre Finger und Zehen zählen." Ein Kind, das eher rechnete als zählte. Ungewöhnlich. Aber so schien sie Mengen leichter begreifen zu können. "Nun, sie würden nicht alle gleichzeitig brüllen, sondern ich würde mir einen von ihnen aussuchen. Weißt Du, es gibt so viel zu tun, daß ich jedem eine andere Aufgabe geben kann." Die Erwähnung der Köchin ließ Ursus abermals schmunzeln. "Wie kommst Du denn mit der Köchin aus?" Er nahm sich noch von dem Obst, das die Kleine geschnitten hatte.


    "Man nennt es Mosaik, wenn man aus bunten Steinen ein Bild macht. Du kennst so etwas doch? In der Villa Aurelia haben wir viele Mosaike. Und hier gibt es auch ein paar. Warte ab, wenn Du unser neues Haus siehst. Es hat wunderschöne Mosaike." Als sie fragte, ob er mitmachen wollte bei ihrem Bild, lachte er. "Nein, danke, auch wenn es sicher sehr viel Spaß macht. Aber ich muß noch einen wichtigen Brief schreiben. - Und Marei... Dominus Ursus ist die richtige Anrede." Er sprach freundlich, lächelte dabei sogar, aber dennoch hatte seine Stimme beim letzten Satz einen gewissen Nachdruck.

  • "Achtzig sind vier mal Zwanzig.. aha.. so ist das!" wiederholte Marei und versuchte sich vier Menschen mit jeweils zehn Fingern und zehn Zehen vorzustellen. "Das wär auch zu lustig.. gleich sechs durcheinanderbrüllende Tribune. Ist es dann egal, welchen der Trbune du aussuchst? Oder hast du im Kopf, welcher von denen für die und die Aufgabe zugeteilt ist?" Sie kicherte über die Vorstellung, dass sechs Mäner zugleich brüllen würden, denn dann könnte niemand von den Soldaten verstehen, welcher Befehl für welche Einheit galt.


    Das Kichern verschwand nach Ursus Frage so schnell wie es gekommen war. Sie zog ihre Hand von der Obstschüssel zurück und legte sie zur anderen Hand auf den Schoß. "Och.. ich und die Köchin? Mal so und mal so, je nach ihrer täglichen Laune und Aufgaben, die sie zu verteilen hat. Entweder muß man hoppla hopp fertig werden oder man hat noch ein bisschen Zeit oder man darf sich viel Zeit lassen, weil man erst viel später beenden darf und soll." erzählte Marei.


    "Ja, richtig, die Mosaike von zu Hause kenne ich, die sind immer schön anzuschauen. Das Eingangsmosaik ist größer als ich selber.. ich glaube so groß wie Cimon lang ist. " errinnerte sich Marei. "Ja, hier gibts auch welche, aber die hab ich mir noch nicht genauer angesehen. Zu wenig Zeit und zu viel zu tun. Du sagst euer neues Haus? Hier in Italiens Fleckchen oder in Rom?"


    Die Ermahnung kam und saß. Marei klappte beschämt die Truhe zu. Ursus sagte, dass er noch einen Brief schreiben musste. Jetzt fiel Marei auf, wie lange sie schon bei ihm saß und gemeinsam Obst aß. "Ohja.. natürlich, entschuldige, dominus, ich darf eigentlich nicht so lange bleiben. sollte euch nur das Obst bringen.." entschuldigte sie sich mit hochrotem Kopf und versuchte mitsamt der schweren Truhe auf die Beine zu kommen. "Danke nochmal für das Mosaiken. Ich brauche ein Wägelchen."

  • Ursus lachte bei der Vorstellung, daß alle Tribune zugleich durcheinanderbrüllten. "Jeder Tribun hat seine festen Aufgaben. Aber dazu betraue ich sie hin und wieder mit zusäztlichen Aufgaben. Ich habe im Kopf, was ihre festen Aufgaben sind, und auch, was sie besonders gut können. Bei sechs Mann ist das nicht so schwer. Die ganzen Centurionen kenne ich noch nicht. Nur ein paar. Zum Beispiel den höchsten der Centurionen, den Primus Pilus, bei uns ist das Iulius Licinus."


    Was die Köchin betraf, so klang es für Ursus, als ob sie die Kleine gut im Griff hätte und ihr ordentlich was beibrachte. Genau so wollte er es haben. Und das Kind schien sich dabei ja auch nicht unwohl zu fühlen, abgesehen davon, daß der Kleinen die eine oder andere Aufgabe wohl nicht so angenehm war. Aber auch das mußte sie lernen: Ungeliebte Aufgaben zuverlässig erfüllen.


    "Unser neues Haus liegt in Rom, nicht weit von der Villa Aurelia entfernt. Es wird jetzt erst einmal umgebaut und renoviert für uns. Im Moment brauchen wir es ja nicht, dieses Haus ist doch sehr schön." Er lächelte und schüttelte den Kopf. "Bleib ruhig noch ein bißchen bei mir. Nur zum Spielen wird die Zeit nicht reichen. Und ich rufe dann jemanden, der Dir mit der Kiste hilft."

  • Fein... sie hatte ihn wieder zum Lachen gebracht. Er fand das Bild der zeitgleich brüllenden Tribune wohl ebenfalls lustig. "Aha..." erwiderte Marei schmunzelnd. "Pof.. du merkst dir viel viel mehr als ich. Weil ich kenne nur meine Aufgaben, die von Cimon, von Baldemar und ein bisschen die von Frija. Das sind vier Menschen. Von mehr Personen deren Aufgaben kenne ich nicht." Marei riss die Augen auf. "primus pilus? Er hat einen schönen Namen. Mal sehen, ob ich ihn irgendwann mal draußen treffe. So ein Pfeil klingt wichtig!"


    Sie würden irgendwann in ein neues Haus in Rom zurückkehren? "Uiuiuiui.. ich komme unter ganz schön viele Dächer und Häuser hinein. Ich kenne keine umgebauten und renovierten Häuser." lachte Marei aufgeregt und freute sich schon auf das kommende Ereignis. "Moment mal.. das heißt, wir bleiben so lange hier, bis das neue Haus fertig ist.. oder etwa so lange wie du hier arbeiten tust, dominus Ursus? Dann ists ja gut, ich bleibe bei euch. dominus Ursus."


    Das kleine Sklavenmädchen nickte und dachte nach. "Ich mag noch nicht heim.. ich hab hier noch nicht alles gesehen. Darf ich für dich eine kitzekleine Sonne mosaiken??" Marei rutschte in die Knie und auf den Boden, klappte den schweren Truhendeckel auf und fischte ein paar gelbe Mosaiksteinchen.

  • Wieder mußte Ursus lachen. Die Kleine war wirklich herzerwärmend. "Oh, eigentlich solltest Du Dir auch so viel merken wie ich. Kinder können das nämlich viel besser als Erwachsene. Vielleicht solltest Du versuchen, mehr zu beobachten und Dir die Dinge zu merken, die Du siehst. Dabei kann man vieles lernen, das später nützlich ist." Wobei er natürlich nicht meinte, daß sie anderen hinterherspionieren sollte.


    "Ja, der erste Speer ist sehr wichtig. Er ist meine direkte Verbindung zu den Männern. Über ihn erfahre ich, wie sie denken und fühlen. Ja, vielleicht wirst Du ihn draußen sehen. Ich bin gespannt, ob Du ihn erkennst." Ursus sah es als eine Art Spiel für sie an, solche Dinge herauszufinden. So hatte sie etwas, wonach sie Ausschau halten konnte, was sicher viel spannender war, als einfach so durch das Lager zu streunen.


    "Wir bleiben hier, bis ich wieder abberufen werde. Was aber ziemlich lange dauern kann, da es momentan nicht so viele Leute gibt, die diese Aufgabe übernehmen können. Aber wir werden hin und wieder nach Rom reisen. Und da darfst Du natürlich auch mit. Vermißt Du die anderen aus der Villa Aurelia sehr?" Mit einem Nicken und einer auffordernden Geste erlaubte er ihr das kleine Bildchen. Sie redeten ja noch, warum sollte sie dann nicht auch das neue Spielzeug ausprobieren?

  • "Kinder konnen sich vieles besser merken als Erwachsene? Aha.. mhm.. wenn du meinst" Dann versuche ich mich noch mehr umzuschauen." Wobei letzteres eher kaum möglich sein würde, außer wenn sie sich heimlich davon stahl, somit auf eigene Faust loszog und das Lager erkundete. "Er weiss wie die anderen denken und fühlen? verwandelt er sich etwa in einen Pfeil und guckt so in die Soldaten hinein? So wie du ihn eben beschrieben hast.. scheint er nicht zu übersehen sein." Ein komischer Satz! Egal! "dominus Ursus, wie lange dauert lange? Weißst du noch? Ich zähle in Nächten. Du sagtest mir damals, so und soviel mal noch schlafen bis zu den Saturnalien."


    Boah, sie durfte mit dem Herrn und der Herrin zurück mit nach Rom. Aber dann mussten sie wieder durch die Wälder und Schatten ziehen. Brrrr. Marei druckste etwas herum, legte sich spielend gebend einen kleinen Kreis aus gelben Steinchen. "Muss ich mit zurückkommen? Wenn ich ehrlich bin, vermisse kaum einen aus der Villa Aurelia. Ich finde es schade, dass Sabina nicht auch hier ist. Mit der könnte ich dann um Schneckenhäuschen spielen und Kästchen hüpfen. Kennst du die Germanicer? Meine Freundin lebt und wohnt bei denen. Ihr Vater ist Senator und heisst Quintus Germanicus Sedulus." Marei holte tief Luft und lobte sich selbst, dass sie das alles im Kopf behalten hatte. Nun hatte sie ihren allerersten unerlaubten Auflug über die aurelische Mauer verraten. Abwartend sah sie Ursus aufmerksam an, bevor sie die Sonnenstrahlen an den Kreis legte.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!