Nunja, auch unter den Römern gab es durchaus Spinner, die meinten, dass der große Tag des göttlichen Zorns nicht mehr fern sei. Einige der gallischen Peregrini verkündeten auch, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fallen würde. Aber es war viel lustiger, die Christianer zu verspotten, weil deren Glaube so abstrus erschien. Und so schrecklich intolerant war. Für sie existierten die römischen Götter ja nicht einmal, oder die aller anderen Völker. Die Römer veralberten vielleicht die Ägypter mit ihren Tiergöttern, aber sie existierten für sie sehr wohl.Nur diese Leugnung der Christianer machte die ganze Sache furchtbar kompliziert.
“Keine Ahnung, aber die kommen ja auch auf den Gedanken, irgend so ein Aufständischer wär ein Halbgott gewesen. Ich denke, man muss an und für sich schon ziemlich verrückt sein, wenn man zu denen gehören will.“ Axilla zuckte grinsend mit den Schultern.
Dass Nigrina etwas strenger wohl im Umgang mit Sklaven war, merkte Axilla spätestens bei ihrer Bemerkung über den Parther. Dieser kam auch gleich darauf wieder zu ihnen auf die Tribüne und begrüßte sie mit einem Nicken. Axilla lächelte noch immer, als sie kurz zu ihm aufsah, und sah deshalb gleich wieder beiseite. Nicht, dass die Flavia noch auf die Idee kam, Axilla hätte ihren Sklaven angelächelt. Der war zwar durchaus sehr schnuckelig. Und er hatte graue Augen. Aber Axilla würde nicht fremder Leute Eigentum anschmachten oder den Eindruck erwecken, es zu tun.
“Oh, Malachi ist sehr vertrauenswürdig. Der Lanista hat es mir zwar sowieso versichert... hat wohl irgendwas damit zu tun, dass sie auch absoluten Gehorsam und Treue schwören oder so. Auf jeden Fall bin ich in der Hinsicht durchaus zufrieden mit ihm.“ Über mangelndes Vertrauen zwischen ihnen beiden konnte Axilla wirklich nicht klagen. Sie vertraute Malachi. Das hatte sie aber auch von Anfang an, seit sie ihm in seine grauen Augen gesehen hatte, die so streng einfach immer nur geradeaus sahen. Vielleicht sollte sie inzwischen mehr von ihrer Naivität abgelegt haben, aber in diesem Fall sah sie dazu keinen Grund.
Dann kam Nigrina aber darauf zu sprechen, warum sie ihn denn nicht doch mal in der Arena kämpfen lassen wollen würde, und Axilla war ein wenig in Erklärungsnot. Sie konnte ja nicht sagen, dass sie Angst hatte, dass ihm was passierte! Wie klang denn das? Da könnte sie ja gleich selber Gerüchte streuen, sie hätte ihn nicht gekauft, damit er auf sie aufpasste, sondern um sich das Witwendasein ein wenig zu versüßen! Aber sie war nicht um eine kleine Notlüge verlegen. “Nunja, er hat viel Geld gekostet. Wär doch jammerschade, wenn er in der Arena stirbt und das futsch wäre? So viel Geld werfen meine Betriebe nun doch nicht ab, als dass ich mir das allzu oft leisten könnte.“ Dass sie damit offenbarte, dass sie ihr eigenes Geld hatte und nicht etwa ihren Vater, Bruder oder sonstigen männlichen Verwandten angepumpt hatte, merkte Axilla erst, als es zu spät war. Aber egal, sollte die Patrizia ruhig wissen, dass Axilla in der Beziehung etwas freier war als sie selbst und Betriebe führen konnte, die auch noch genug abwarfen, um sich einen Gladiator zu leisten.
Axilla sah sich auch mal nach Malachi um, der auch wenig später am Rand der Tribüne erschien und dort wie immer wartete. “Nein, ich glaube, er ist fertig. Wenn ich mit herkomme und zuschaue, wart ich meistens, bis er fertig ist. Ich find das Training sehr interessant. Und so entkomm ich auch grad den ganzen Kondolenten.“ Hier war Axilla ehrlich, weil sie nichts schändliches dabei fand. Warum auch sollte sie nicht zuschauen, wenn sie schonmal da war? “Aber meistens geht er allein und kommt danach wieder heim. Ich hab mit dem Lanista einen etwas anderen Vertrag als du geschlossen, aber Malachi hatte ja auch schon eine Ausbildung.“ Axilla überlegte, ob sie die Flavia darauf hinweisen sollte, dass sie sich übers Ohr hatte hauen lassen, aber sie ließ es. Der Zeitpunkt schien ihr dafür nicht ideal, und sie beide kannten sich ja auch kaum.
Da fiel ihr ein, dass sie eine Frage gar nicht beantwortet hatte. “Oh, und du hattest nach Alexandria gefragt? Ja, ich hab da bis vor etwa einem dreiviertel Jahr gewohnt, im Haus meiner Familie. Mein Vetter war damals dort Tribunus Augusticlavus bei der Legio, und meine Cousine war in der dortigen Politik. Eine sehr schöne Stadt mit sehr interessanten Leuten. Sollte es dich einmal dahin verschlagen, sag mir vorher Bescheid, dann kann ich dir vielleicht ein paar Tipps geben, was man nicht verpassen sollte.“
Axilla liebte Alexandria nach wie vor, das konnte man ihr auch ansehen und anhören. Auch wenn es wohl unrömisch war, sie fand, Rom konnte da nicht mithalten. Auch wenn sie das so nicht offen sagen würde. Nur gab es in Rom andere Dinge, die sie hier gehalten hatten und weiterhin hielten. Nicht zuletzt, weil sie nicht wusste, wie sicher Ägypten für sie war, solange Terentius Cyprianus an der Macht war. Er hatte Urgulania umgebracht, was würde ihn daran hindern, sie zu töten?