Tablinum| Wohnraum

  • Es war ein Teilerfolg, nicht ganz das was Valerian sich erhofft hatte, aber besser wie nichts. Sie hatte sich ja bemüht, aber mehr wie zwei Kinder hatte sie einfach nicht unterbringen können. Es war ihrem Mann deutlich anzusehen, dass ihm ihr Vorschlag so gar nicht gefiel. Aber eine bessere Lösung hatte er auch nicht bei der Hand. „Hast du eine bessere Idee?“ stellte sie dann die Gegenfrage. „Wir sollten dem Jungen eine Chance geben.“

  • Valerian seufzte. "Eine Chance?" Er schüttelte leicht den Kopf, nicht zur Verneinung, sondern weil er einfach nicht verstand, wie Calvena dem Jungen diese Chance zu geben gedachte. "Hör zu, ich sage ja nicht nein. Ich will nur... wissen, wie das gehen soll. Was soll er Deiner Meinung nach sein? Was soll er tun? Und was sollen wir tun? Adoptieren können wir ihn nicht, am Beispiel von Marhabal haben wir gesehen, daß es nicht erlaubt ist. Und wenn ich ehrlich bin, möchte ich das auch nicht." Vielleicht sollten sie doch versuchen, ihn in einer anderen Familie unterzubringen? Nein. Ein Blick in die Augen seiner Frau zeigte ihm deutlich, daß sie diesen Jungen behalten wollte. Er hatte ihr Herz erobert. Und wenn er ehrlich war, rührte das Kind auch ihn an. Trotzdem fühlte er sich irgendwie hilflos.

  • Ihr Mann war so gar nicht angetan von ihrem Vorschlag, aber er hatte auch keine bessere Lösung parat. Natürlich war sie sich bewusst, dass sie den Jungen nicht einfach so adoptieren konnten. Daran hatte sie ehrlich gesagt gar nicht gedacht. Sie hatte den Jungen erst einmal nur aufnehmen wollen… Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, würde er diesen Gedanken, den er ihr nun in den Kopf gepflanzt hatte, aber gar nicht zu lassen. Nicht nach der ganzen unglückseligen Geschichte um Marhabal. Macer hatte ja am Rande erwähnt, dass er ein Verfahren gegen Decimus Livianus einleiten sollte, hatte aber nicht geahnt und gewusst worum es ging. Sie hatte auch völlig vergessen nachzufragen. Wütend war sie nicht auf den Octavier, er kam auch nur seinen Aufgaben nach, aber sie war ein wenig enttäuscht, dass er sie nicht aufgeklärt hatte. Geändert hätte es wohl nichts, aber sie wären zumindest darauf vorbereitet gewesen. Noch ahnte sie nicht, dass Romana ihr einen recht entrüsteten Brief schreiben würde. „Er kann sich im Haushalt nützlich machen. Wir brauchen eh noch ein paar helfende Hände. Wir hatten doch ohnehin noch vor ein zwei Sklaven zu kaufen…“, schlug sie vor.

  • Valerian seufzte. Er hatte es geahnt. "Als Sklave also. Naja, er ist ja auch ein Sklave und im Grunde habe ich ihn, genau wie die beiden anderen, von diesem Varius gekauft." Wenn auch die Bezahlung nicht in Geld erfolgt war. Er seufzte abermals. "Also gut, behalte ihn. Aber... wenn er auch nur im Geringsten lange Finger macht, dann werden wir ihn abgeben, ja?" Auch wenn der Junge mächtig treuherzig dreinschaute und er ihm gerne glauben wollte, daß er kein Gewohnheitsdieb, sondern nur ein Opfer der Umstände war, wollte er doch lieber abwarten, ob der Junge wirklich im Grunde seines Herzens ehrlich war. "Wir sollten ihn rufen und es ihm sagen."

  • Kurz zeigte sich ein erleichtertes Lächeln auf ihren Zügen. Es war ihm zwar anzusehen, dass er nicht wirklich glücklich war mit dieser Entscheidung, aber sie waren sich einig. Und groß überreden hatte sie ihn nicht müssen. Anscheinend hatte er wohl auch schon mit diesem Gedanken gespielt. „Ich werde ein Auge auf ihn haben“, versprach sie ihm. Hoffentlich täuschte sie sich in dem Jungen nicht. Aber der Junge hatte nun einmal eine Chance verdient sich zu beweisen. Sie mussten ihm nur klar machen, was man von ihm erwartete. „Ich wird ihn holen“, kurz küsste sie ihren Mann um dann auf die Suche nach dem Jungen zu gehen. In der Küche durfte er sich nützlich machen.

  • Romaeus hatte sich, auf Calvenas Bitte hin, gleich nach dem Essen in der Küche nützlich gemacht. So ein voller Bauch fühlte sich toll an und auch die Aussicht darauf, nie wieder zu dem gemeinen Varius zurück zu müssen, hob die Laune des kleinen Jungen beträchtlich.
    So war es nicht allzu verwunderlich, daß er sich ehrlich Mühe darin gab, den anderen Sklaven des Haushalts zur Hand zu gehen. Die Zeit verging wie im Fluge zwischen Fegen, Regale einräumen und Abwaschen. Als schließlich Calvena in der Tür erschien und nach ihm rief, drehte Romaeus sich verwundert nach ihr um. Im ersten Moment sah er sie ein wenig beklommen an, dann aber sprang er von der Waschschüssel runter, die ihm als Unterstand diente. Dank seiner langen Beine konnte brauchte er keine besonders große Erhöhung mehr, um bequem bis zur Anrichte hinaufzureichen. Jetzt aber huschte der Junge, kaum zu hören auf seinen bloßen Füßen, zu Calvena hinüber.
    "Ich bin fast fertig, Herrin", mußte er gleich bei der Begrüßung loswerden, ehe er sie, sichtlich aufgeregt, anlächelte. Wie immer, wenn er nervös war, gruben sich seine Hände in die Taschen seiner Lumpenhose und er kippelte unruhig mit den Fußsolen auf dem Boden herum.

  • Romaues hatte sich nützlich gemacht, das Geschirr war gespült und auch sonst machte die Küche irgendwie einen ordentlichen Eindruck. Calvena hatte das Gefühl, dass der Junge tatsächlich eine Chance verdient hatte. Er war ja kein schlechter Mensch und man hatte ihm keine Wahl gelassen. Mit Sicherheit würde Romaeus die Aussicht auf ein besseres Leben nicht einfach verschwenden und sich bemühen. Der Knabe sprang von dem umgedrehten Zuber und sah sie strahlend an. Aus dem verdreckten ängstlichen Einbrecher war ein aufgeweckter Junge geworden. Die Veränderung war verblüffend. Dabei lagen nur wenige Stunden dazwischen.
    „Komm mit“, sagte sie und machte eine kleine Handbewegung zum Tablinum hin.

  • Gespannt folgte der Junge Germanica Calvena ins Tablinum. Zuerst warf er einen neugierigen Rundblick durchs Zimmer, da er die meisten römischen Behausungen bisher nur heimlich im Dunkeln hatte betrachten können. Dann aber fiel sein Bick auf Valerian, und sofort wurde er wieder etwas nervöser.
    Wie zuvor, versteckte er seine Hände wieder in den Taschen und drehte verlegen den rechten Fuß hin und her, während er fragend von Valerian zu dessen Frau und wieder zurück sah.

  • Ernst blickte Valerian dem Jungen entgegen. "Salve, Romaeus. Setz Dich dort bitte hin, wir haben ein paar Dinge zu besprechen." Er deutete auf einen Stuhl und hoffte, daß Calvena sich zu ihm setzen würde. "Nun, ich war bei Varius. Und nun gehörst Du ihm nicht mehr. Deine beiden Freunde auch nicht. Für Deine beiden Freunde haben wir eine Familie beim fahrenden Volk gefunden. Ich bin sicher, sie werden dort ein gutes Leben haben." Diese Informationen ließ er erst einmal sacken. Und den Rest der guten Nachrichten überließ er lieber seiner Frau. Sicherlich würde sie sich freuen, dem Jungen ein neues Heim anzubieten.

  • Zu ihr schien Romaeus bereits vertrauen gefasst, er wirkte neugierig und gelöst in ihrer Nähe, aber kaum entdeckte er ihren Mann, wurde der Junge etwas unruhig. Die ganze Körperhaltung änderte sich minimal. Er wirkte mit einem Mal wieder wachsam. Wer konnte es ihm auch verdenken, bisher hatte er wohl nur schlechte Erfahrungen mit Soldaten gemacht und ihr Mann war durch und durch Soldat. Meistens jedenfalls, sie kannte Valerian ja auch ganz anders.
    Verlegen und mit einem kleinen schlechten Gewissen stand er vor ihnen. Es tat ihm wohl noch immer Leid, dass er eingebrochen war. Oder aber das man ihn erwischt hatte. So genau sagen konnte sie es nicht sagen, aber sie wollte das Beste von ihm glauben. Einfach weil sie den Jungen irgendwie gern hatte.


    Calvena setzte sich zu Valerian, dort wie hingehörte. Sie liebte ihn und war glücklich. Kurz ließ sie den Jungen die Worte ihres Mannes verarbeiten. Das waren Neuigkeiten womit er sicherlich nicht gerechnet hatte. „Deine Freunde werden gut untergebracht sein“, meinte sie mit einem kleinen Lächeln. „Und du willst jetzt sicherlich wissen, was mit dir ist. Nun, wir haben beschlossen, dass du bei uns bleiben wirst!“

  • Gehorsam nickte der Junge Valerian zu und nahm gleich darauf auf dem dagewiesenen Stuhl Platz. Vor lauter Spannung vergaß er sogar, mit den Füßen herumzuhibbeln. Nur seine linke Hand bohrte sich nun auf den Knauf der Rückenlehne, während er sich mit der rechten quasi an dem Seitenstück der Lehne festhielt.


    Schon das erste, was Valerian sagte, ließ ihn leicht verwirrt aufhorchen. Hieß das jetzt, daß er frei war, oder gehörte er jetzt vorübergehend Valerian, bis er ihn weiterverkaufen konnte?
    Lysandra und Neco waren also untergebracht - und was war mit ihm?! Würde er jetzt etwa doch noch bestraft werden ...? Immerhin war der Mann ein Soldat, und -
    Schlagartig kam wieder die Angst zurück und mit ihr die Erkenntnis, daß er so oder so seine Freunde wohl nie wieder sehen würde. Seine blauen Augen huschten unsicher zu Calvena. Obwohl er froh darüber war, nie wieder zu Varius zurück zu müssen, spürte er einen kleinen Stich im Herzen. Nicht ganz so schlimm wie in den Nächten, an denen er an Ingolf zurückdachte, aber doch ähnlich.
    Als Calvena dann weitersprach, stellte Romaeus mit wachsender Erleichterung fest, daß sie weiterhin freundlich blieb und sich lediglich den Worten ihres Mannes anschloß. Und dann sagte sie etwas, was ihn erstmal vollkommen sprachlos machte.


    Er sollte, er durfte wirklich hier bleiben, bei der Familie eines Centurios?!
    Einfach nur baff, starrte Romaeus die Hausherrin an.
    "I-ich? Hier?!" Von einer seltsamen Mischung aus purer Freude und größtem Respekt ergriffen, drehte er den Kopf wieder zu Valerian. Der Junge war so überwältigt, daß er gar nicht so recht wußte, was er fühlen sollte, geschweige denn sagen.
    "Danke Herr ...in", sprach er Valerian und seine Frau beide zugleich an. "Und Varius ... ist der weg?" setzte er kleinlaut hinterher. Er konnte sich vorstellen, daß sein alter Herr jetzt erst recht wütend auf ihn sein würde, weil er ja irgendwie dafür gesorgt hatte, daß er Ärger mit dem Gesetz bekam und sie alle drei auf einmal verlor.

  • Die Mimik des Jungen zu beobachten, war ziemlich interressant. Die ganze Palette an möglichen Gefühlen spielte sich nacheinander darauf ab. Valerian wartete, bis Romaeus das Gehörte in sich aufgenommen hatte. Der Junge schien sich zu freuen, auch wenn er vor allem überwältigt war. Ob ihm wirklich bewußt war, daß er nun auch seinen Teil beitragen mußte, damit sein Leben sich besserte?


    "Nein, er ist nicht fort, er ist immer noch da. Und sicher dauert es nicht lange, bis er andere Kinder hat, die er für sich stehlen läßt. Aber Du brauchst ihn nicht mehr zu fürchten. Und an Einbrüche wird er sich auch nicht mehr wagen." Valerian war ziemlich nachdrücklich gewesen, was diese Frage betraf. "Du bist jetzt hier zuhause. Rechtlich gesehen habe ich Dich Varius abgekauft. Du gehörst nun meiner Frau, Romaeus. Und ich erwarte von Dir, daß Du gehorchst und fleißig lernst und arbeitest. Meinst Du, daß Du das hinbekommst?"

  • Sein Blick ruhte wach und noch ein wenig skeptisch auf Valerian, während dieser ihm erklärte, daß Varius zwar noch da war, aber er nun ganz offiziell hierher gehörte. Die wirklich erlösenden Worte aber waren die, daß er, genau genommen, Calvena gehörte.


    Das war wieder etwas, mit dem er nicht gerechnet hatte, ganz einfach, weil er in dieser Hinsicht den Centurio falsch eingeschätzt hatte. Romaeus wäre nicht im Traum darauf gekommen, daß dieser Mann ihn tatsächlich für seine Frau kaufen würde!
    Schnell wechselte seine befangene Miene nun einem offenen, immer breiter werdenden Lächeln.
    "Klar!" erklärte Romaeus im Brustton der Überzeugung, daß er die drei Punkte, die Valerian ihm aufzählte, erfüllen würde. Schließlich hatte er jahrelang die Regeln von Varius einhalten können, also war er sich sicher, sich hier auch bald zurechtzufinden!

  • Romaeus brauchte einen Moment um das Gehörte zu verarbeiten. Im ersten Moment schien er nicht wirklich begreifen zu können, dass sich sein Leben nun änderte. Auf den Zügen des Jungen war zunächst Unsicherheit, dann Verwirrung und schließlich Überraschung zu sehen. Zum Schluss zeigte sich nur noch Freude und Erleichterung auf dem Gesicht des Kindes.
    Ein Schmunzeln zeigte sich auf ihren Zügen, als Romaeus recht enthusiastisch bereit erklärte, sich an alle Regeln zu halten, die es gab. Die Zukunft würde zeigen, ob er sich auch wirklich daran halten würde.

  • Valerian nickte ernst. "Sehr gut, Romaeus. Und gestohlen wird auch nicht mehr, verstanden? Wenn Du etwas brauchst, dann fragst Du danach. Wir lassen unsere Leute nicht hungern oder frieren, also scheue Dich nicht, zu fragen." Einen Dieb konnte er nicht in seinem Haushalt gebrauchen. Immerhin würde es auf ihn zurückfallen, sollte Romaeus bei derartigen Untaten erwischt werden. "Nun sollten wir wohl schauen, wo Du schlafen und Dich einrichten kannst. Calvena? Wo können wir ihn einquartieren?" Außerdem mußten sie natürlich auch mit Valentina über den Jungen sprechen.

  • Nachdenklich wickelte sie sich eine Haarsträhne um den Finger. Romaeus war seine Begeisterung anzusehen. Seine begeisterte Zustimmung kam wie von der Bogensehne los gelassen. Sie war zuversichtlich, dass sich der Junge an die Regeln halten würde. Doch war er in dem Alter wo er vielleicht hin und wieder einfach vergessen würde, dass es Regeln gab. Kinder hatten eben einen gewissen Drang sich auszuleben. Solange er es nicht übertrieb und niemand damit schadete, würde sie dies wohl auch dulden.
    Hätte Valerian es nicht erwähnt, hätte sie glatt vergessen, dass man es nochmal eindrücklich erwähnen sollte, dass sie stehlen nicht dulden würden. Überhaupt nicht. Das würde nicht nur Ärger für den kleinen Kerl geben, sondern auch dafür sorgen, dass es auf sie zurück fallen würde. Dann würden sie nicht mehr so nett sein und wohl gezwungen sein, Romaeus zu verkaufen. Das wollte sie nach Möglichkeit vermeiden, aber der Junge sollte sich durchaus bewusst sein, dass diese Regeln nicht nur zum Spaß da waren.
    „Wir bringen ihn bei Simplex und Elissa unter. Die Beiden können dann ein Auge auf dich haben.“ Außerdem war er dann nicht ganz so allein Nachts, sollte er sich in der ungewöhnlichen Umgebung fürchten.

  • Nicht zum ersten Mal überflog Calvena den Brief den sie von ihrem Mann bekommen hatte. Sie war erleichtert gewesen, als sie den Brief bekommen hatte, aber ihre Sorgen waren nicht zerstreut, schließlich wartete noch ein gefährlicher Rückweg bei Eis und Schnee auf ihn.
    Lang war der Brief nicht, aber zumindest so etwas wie eine Beruhigung, dass es ihm gut ging und er nicht von einer Lawine verschluckt worden war. Sie vermisste ihn auch und hätte ihm das am Liebsten geschrieben, aber den Brief würde er wohl nicht erhalten.
    Es grenzte ja auch schon an ein Wunder, dass sein Brief überhaupt den Weg über die Alpen gefunden hatte. Der arme Kerl, der die Briefe austrug, der dürfte einige kalte Nächte hinter sich haben. Und der Rückweg dürfte wohl erst einmal dem Boten des Cursus Publicus verwehrt bleiben, denn die Pässe waren zu. Sie hatte gehört, wie einige Händler sich darüber beschwerten, dass sie wohl bis Frühling in der Stadt bleiben müssten. Den längeren Weg über Galia wollten nur wenige auf sich nehmen. Bei diesem Wetter war jede Reise gefährlich und beschwerlich.
    Sie war sich ziemlich sicher, dass Valerian diesen Weg auf sich nehmen würde, einfach nur um wieder bei ihr zu sein, aber sie hätte auch Verständnis dafür gehabt, wenn er einfach wartete bis es wieder milder geworden war. Nur dass er dann die Geburt seines Kindes verpassen würde. Leise seufzte sie, sie war hin und hergerissen, zwischen vermissen und Sorge.


    Calvena zog sich die Decke über die Schultern und legte den Brief erst einmal bei Seite, im Augenblick konnte sie nur warten. Warten, dass ihr Mann nach Hause kam, darauf warten, dass das Kind zur Welt kam und darauf warten, dass die Langeweile verschwand. Sie hatte es ja bereits geahnt, der Winter würde eine Geduldsprobe für sie sein. Im Haus eingesperrt zu sein, weil der Schnee sich vor dem Haus türmte, war furchtbar. Vor allem furchtbar langweilig, auch weil Elissa und die anderen guten Hausgeister ihr jegliche Arbeit abnahmen. Es ließ sich auch niemand mehr von ihrer schlechten Laune beeindrucken, es wurde einfach weiter gemacht, als wäre hätte sie sich nicht beschwert.
    Ihre Finger schlossen sich um einen Becher mit heißem Gewürzwein und die Kohlebecken sorgten für eine angenehme Wärme. Alles in allem war es ja schön gemütlich im Haus, aber eben total langweilig. Vielleicht sollte sie einfach einmal Cara einen Besuch abstatten. Mit Catiena war leider nicht viel anzufangen, diese hatte sich erkältet und ihrem Zimmer eingesperrt und Melina, die war mal wieder nur mit sich selbst beschäftigt.


    Vielleicht sollte sie einmal Bassus näher kennen lernen. Der Quintilier hatte aus heiterem Himmel plötzlich vor der Casa gestanden, völlig mittellos. Calvena war sich gar nicht mal so sicher, ob der junge Mann überhaupt ein Verwandter ihres Mannes war. Es konnte sich auch gut um einen Hochstapler handeln. Ein Blick in den Stammbaum hatte zumindest ein paar Zweifel zerstreut, aber sie war sich immer noch nicht sicher ober Bassus wirklich der war, für den er sich ausgab. Melina kannte ihn jedenfalls nicht und Valerian konnte sie im Augenblick nicht fragen. Mit einem unguten Gefühl, hatte sie ihn erst einmal aufgenommen. Simplex behielt ihn aber im Auge, nicht dass sich der Verwandte als verrückter Massenmörder herausstellte. Eines stand jedenfalls fest, wirklich nützlich machte er sich nicht oder bemühte sich um Arbeit. Ambitionen oder Ehrgeiz schien er auch nicht zu besitzen.
    Es war schon merkwürdig.

  • Es ist mühselig, ein schon großes Haus durchlaufen zu müssen, um eine einzige Person zu suchen. Ich besitze natürlich so viel Anstand, dass ich nicht extra nach Calvena rufe und gehe somit in einem schon etwas schnellerem Tempo durch das ganze Haus, nur um sie zu finden.


    Hätte ich gleich zu erst an das Tablinum gedacht, so hätte ich nicht viel laufen müssen, aber ich bin ja ein Tollpatsch und suche somit zuerst überall wo anders, als direkt im Tablinum.


    Calvena, Calvena. Da bist du ja. sage ich ein wenig außer Atem. Daher bleibe ich vor ihr für einen Moment schweigend stehen, um kurz mehrere Male tief ein und aus zu atmen.


    Salve Calvena. Ich hätte eine Bitte an dich. Natürlich kommt jetzt der schwierige Teil des Ganzen, was ich wusste und muss daher dieses Mal besonders überzeugend herüberkommen. Denn ich wollte unbedingt diese tollen Schuhe und den Olivgrünen Mantel.


    Ich weiß, dass dir das nicht gefallen wird, aber ich möchte dich bitten, mir ein paar sesterzen zu leihen. Ich möchte mir ein Stück im Theater ansehen.

  • Kaum dachte sie an ihn, da tauchte er schon auf. Leicht außer Atem und ziemlich verlegen stand er dann vor ihr. Reichlich verdutzt sah sie den Quintilier an. Hatte sie irgendwie magische Kräfte oder laut seinen Namen gesagt, oder warum stand der junge Mann plötzlich vor ihr? Jedenfalls ging dies nicht mit rechten Dingen zu. Vielleicht sollte sie einmal ganz intensiv an Valerian denken, vielleicht würde er dann auch direkt vor der Haustür stehen. Ein Versuch war es sicherlich wert.
    Doch erst einmal verlangte Valerians Verwandter ihre Aufmerksamkeit. Sie hatte so eine leise Ahnung, dass es ihr nicht gefallen würde, dass er sie gesucht hatte. „Ja, hier bin ich“, meinte sie und wartete gespannt darauf, was nun folgen würde.


    „Was für eine Bitte?“ fragte sie und verschränkte die Hände auf ihrem kugelrunden Bauch. Und wie sie es bereits geahnt hatte, es ging um Geld. Leise seufzte sie. Seine Bitte verstärkte ihr Misstrauen. Doch dann horchte die gelangweilte Schwangere in ihr auf. Theater?!? Zwar hatte sie keine Ankündigung gesehen, aber sie hatte die letzten Tage das Haus auch nicht verlassen. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass es nur eine fadenscheinige Ausrede war um sich Geld zu ergaunern, aber wenn es tatsächlich ein Theaterstück gab, dann wäre das die Gelegenheit der Langeweile zu entkommen. „Theater? Bei diesem Wetter? Also im Theatrum kann es nicht stattfinden, das hat kein Dach und dort dürfte der Schnee genauso hoch liegen, wie überall. Wo genau soll das Stück denn aufgeführt werden? Und welches Stück überhaupt?“ fragte sie nach. Die Theater im Imperium waren nach demselben Prinzip gebaut: Ein Rundtheater ohne Dach, mit Sitzreihen die sich halbmondförmig um die Bühne reihten und in die Höhe stiegen. „Du nimmst mich doch sicherlich mit?“ fragte sie dann noch nach. Sehr direkt, aber um der Langeweile zu entgehen, tat sie fast alles. Solange es in ihrem Zustand möglich war.

  • Mist. Wie bin ich auf den Gedanken gekommen, dass es ein Theaterstück im Winter gibt. Winter!!! Ich mache meiner Dummheit alle Ehre.
    Ich muss mir schnell was gescheites einfallen, dass sie nicht dahinter kommt, dass ich das Geld für etwas anderes haben möchte.



    Habe ich gerade gesagt, dass ich mir ein Stück im Theater anschauen möchte? Dann habe ich das falsch ausgedrückt. Ich möchte mit ein paar Freunden für den kommenden Frühjahr ein kleines privates Theaterstück einstudieren. Und dafür benötigen wir einige Sesterzen für das Equipment. Wir sind erst bei den ersten Vorbereitungen und bei der Planung, was wir überhaupt für ein Theaterstück vorführen möchten und wo wir dieses dann auch später zeigen. Natürlich wird das nicht in einem Theater sein, denn wir möchten eher im privatem Kreise bleiben.


    Kaum kam mir das über den Lippen, habe ich meine Worte auch sofort wieder bereut. Aber irgendetwas musste mir auf die Schnelle einfallen. Und da ich gerade vorher etwas über ein Theater gesprochen habe...

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