• Melina merklich aufgekratzt wandte sich um. Sie vernahm ein stöhnendes, fast grunzendes Geräusch hinter sich. Dass es sich um Schmerzensgeräusche handelte, konnte sie in diesem Moment nicht wahrnehmen. Sie war zu sehr mit ihrer eigenen Unzufriedenheit beschäftigt. "Ehm," knauserte sie. Es war diese komische Sklavin, die ihr Bruder angeschleppt hatte. Sie war fett, nein, sie war schwanger. Melina verdrehte die Augen. Ihr Bruder war sicherlich der Vater oder hatten sich die Sklaven untereinander vermehrt? Melina stand auf und ging zur Sklavin, deren Namen sie nicht kannte. Sollte sie ihr helfen? Momentan war sie nicht in Stimmung und so beschränkte sie es darauf die Sklavin bei ihrer Sturzakrobatik zu beobachten. Sie lächelte bitterböse. "Brauchst du Hilfe?" Ein diabolischer Blitz huschte durch ihre Augen. In diesem Moment schlugen wohl die Gene ihres Bruders durch, der ähnliche Grausamkeiten in sich vereinte. Melina wollte zwar nie so sein aber in diesem Moment war sie es. Später würde sie es bereuen. Die Sklavin fing sich von selbst, schien sich aber den Fuß verknackst zu haben. Melina verschränkte die Arme vor ihrer Brust. "Warum tänzelst du auch so geheimnisvoll hinter meinem Rücken entlang? Du musst doch wissen, dass du das momentan nicht kannst als rollende Kugel." - klärte sie die Sklavin auf und konnte ihre süßliche Häme nicht verbergen.

  • Verdammt, tat das weh! Zusammengekauert hockte ich am Boden und hielt noch mein Fußgelenk, als ob das was nützte. Die kleine Kröte hatte natürlich mitgekriegt, dass ich beinahe den Abgang gedreht hätte. Sie kam näher, als sie mich gesehen hatte. Ich sah zu ihr auf, als sie vor mir auftauchte und irgendwas daher säuselte, von wegen helfen und so. Das hatte sie natürlich nicht ernst gemeint. Melina war kein Deut besser als ihr blöder Bruder. Zu dieser Erkenntnis war ich jetzt schon gekommen, obwohl wir eigentlich noch keine drei Worte miteinander geredet hatten.
    Dann laberte sie was von hinter ihrem Rücken rumtänzeln und nannte mich ´ne rollende Kugel. Blöde Kuh! Das sagte ich ihr natürlich nicht, ich dachte es nur für mich. Stattdessen erhob ich mich und baute mich in voller Größe vor ihr auf. Wir waren ungefähr gleich groß. Aber das war auch das einzige, was wir gemeinsam hatten.
    [COLOR=[COLOR=seagreen]]"Danke, domina. Ich wollte nicht stören."[/COLOR] Und das war noch nett ausgedrückt. Auf die Schnepfe und ihre dämlichen Sprüche hätte ich locker verzichten können. Aber sie nun mal da gewesen, was ja ihr gutes Recht war. Schon blöd, wenn man dann auch noch unbedingt durchs Atrium musste, wenn man von A nach B wollte. Warum mussten die Römer auch ihre Häuser so bauen!

  • Nicht stören? Störte sie? Melina überlegte kurz. Nein, die Sklavin störte nicht. Sie war eine freudige Ablenkung von Melinas Eintönigkeit. In diesem Moment wandelte sich das Bild der jungen Melina. Die Bösartigkeit schwand allmählich und es blieb ein freundliches Ding zurück, was sicherlich nichts mit ihrem Bruder gemein hatte. Melina befand sich in einem ständigen Konflikt mit sich selbst. "Du störst nicht," sagte sie also und lächelte vorsichtig. Sie ging zur Seite und holte Caelyn einen Sedes. "Setz' dich. Du solltest dich ausruhen," versuchte sie die Sklavin zum Bleiben zu bewegen. Alles war besser als allein zu sein. Ihr Bruder kümmerte sich kaum um sie und ihre Familie war abgereist. Was ihr blieb, war nur Melina. "Möchtest du etwas trinken?" Sie blickte auf den Fuß, der deutlich angeschwollen war. Sie zog beide Brauen hoch und seufzte. Melina begriff, dass sie falsch gehandelt hatte und in dieser Situation, wie ihr Bruder war. Sie schüttelte sich marginal; nur ein geübter Blick sollte dies vernehmen. "Du solltest dich wirklich setzen. Dein Fuß sieht nicht gut aus." Melina nickte ihr freundlich zu und ihre Augen wurden deutlich freundlicher. "Du bist schwanger?" - fragte Melina freundlich, um ein Gespräch zu beginnen, wie es eigentlich unter Freundinnen üblich war.

  • Nanu, was war das denn für ´ne miese Tour. Erst zickte sie mich an und dann wurde sie scheißfreundlich und meinte, ich würde nicht stören. Aber da ich es ja nicht erst seit heute mit den Quintiliern zu tun hatte, insbesondere mit einem ganz bestimmten, beschloss ich, erst mal ´ne ruhige Kugel zu schieben und ja nicht auf ihr freundliches Getue hereinzufallen. Ich hatte ja schon oft zu spüren gekriegt, wie so was endete.
    Aber der Hammer kam noch! Sie holte mir noch einen Stuhl und sagte, ich solle mich ausruhen! Wie krass war die denn drauf? Das machte mich ganz konfus. Ich konnte mich doch nicht einfach setzen, auch wenn der Fuß immer noch wehtat. Aber das war noch nicht alles, sie fragte mich allen ernstes, ob ich was zu trinken wollte. Hallo, war´n wir hier beim Nachmittagskränzchen und ich hatte es nicht mitgekriegt?
    Ich denke mal, sie konnte mir mein Misstrauen ansehen. Aber sie meinte es wohl tatsächlich ernst.
    "Der Fuß, ja... Dumm gelaufen!" Das konnte man wohl sagen! Na schön, ich setzte mich, wenn auch nur sehr zögerlich und ohne sie dabei aus den Augen zu verlieren.
    Ob ich schwanger war? Na klar war ich das! Und wie! Angefressen hatte ich mir den Wanst jedenfalls nicht. "Ja...", antwortete ich knapp, weil es mir unangenehm war. Irgendwie rechnete ich damit, dass gleich was blödes passierte. Zum Beispiel, dass Melina ´nen Schreikrampf kriegte und mich bestrafen wollte, weil ich mich "einfach so" hingesetzt hatte. Schließlich war sie ja die Schwester ihres Bruders. Und das sollte was heißen!

  • [Blockierte Grafik: http://i687.photobucket.com/albums/vv232/Aine_photos/gaia.jpgGaia


    Der Hausherr Quintilius Sermo war tagsüber bei der Arbeit, das verstand sich von selbst. Insofern musste Caelyn auch keine Furcht haben, dass der jähzornige Irre um die Ecke gebraust kam und sie hier und jetzt wegen Faulheit auspeitschen ließ. Viel schlimmer jedoch waren die Augen und Ohren, die im Verborgenen der Casa lauerten.


    Gaia nämlich, die immer noch ein äußerst kritisches Auge auf die immer schwangerer werdende Keltin warf, hatte während ihrer Arbeit im Haushalt oft die Gelegenheit, Caelyn in ihrem Tun genauestens zu beobachten. Gerade kam sie mit dem Inhalt der verschiedenen Pisspötte des Hauses in einer bauchigen Amphore unter dem Arm dahergelaufen. Sie war dafür zuständig, das Urin, das beim morgendlichen Toilettengang der Herrschaften anfiel, in einen großen Tonbottich zu füllen, der alle paar Tage vom Sklaven einer hiesigen Färberei geleert wurde. Die Färber kauften quasi das Urin der Haushalte auf, das sie für ihre Arbeit brauchten. Kein Wunder, dass so wenige Häuser überhaupt einen Wasseranschluss hatten, geschweige denn Latrinen. Wer musste, der nahm sich eine Schüssel. Wer groß musste, der ging quer über die Straße zur nächsten öffentlichen Latrine, die mit der Kloake verbunden war. Nur Togaträger gingen erst nach Hause, um die Stoffberg abzulegen, mit dem es sich nämlich überhaupt nicht vernünftig auf Toilette gehen ließ.


    Zurück zum Thema: Gaia durchquerte mit schnellen Schritten das Atrium auf dem Weg von den verschiedenen Cubiculi mit Pisspötten zum hinteren Teil des Hauses, wo der große Bottich stand. Und sie sah etwas unglaubliches. Quintilia Melina - ihre Herrin! - bot Caelyn - dieser miesen, verwöhnten, schwangeren Sklavin! - einen Stuhl an! Verkehrte Welt? Was war denn hier los? War dieses blonde Miststück etwa so verwöhnt und wurde sie so sehr vom Hausherrn bevorzugt, dass sie sich jetzt sogar bedienen lassen konnte? Verdammte Schnäpfe. So einfach war das also, wenn man sich vom Dominus vögeln ließ und seine Brut mit sich herumtrug. Verächtlich spuckte Gaia aus und verschwand schnell im hinteren Teil des Hauses, wo sie leise fluchend ihrer Arbeit nachging. Mieses Stück. Die konnte was erleben...





    SKLAVE - GENS QUINTILIA

  • Melina nickte lächelnd und begab sich zum Tisch in der Nähe, um sich sowie der Sklavin eine Kleinigkeit zu trinken zu holen. Nachdem sie zwei Becher mit verdünntem Wein gefüllt hatte, setzte Melina sich neben Caelyn. Sie reichte ihr schwungvoll den Becher. "Wer ist der Vater?" Melina trank einen Schluck, um sie andächtig über den Becherrand zu betrachten. Diese Sklavin war in diesem Moment der Ersatz für ihre Freunde und Freundinnen. Melina war es sogar egal, dass sie eine Sklavin war, denn Melina brauchte jetzt Ablenkung und der Nutzen dieser Sklavin überwog ihren Malus.

  • ´Nen Schreikrampf kriegte sie nicht. Eigentlich verhielt sie sich ziemlich freundlich. Viel zu freundlich für meinen Geschmack. Aber was anderes dummes passierte. Nämlich Gaia, meine spezielle Freundin, sah ich im Augenwinkel vorbeiflitzen. Schnell drehte ich mich zu ihr um und sah nur noch, wie sie wieder verschwand .Na klasse! Diese dämliche Kuh! Jetzt hatte sie mich mit Melina gesehen und spann sich garantiert wieder irgendwelches dumme Zeug zusammen. Ich hatte sowieso die Vermutung, sie bespitzelte mich, um mich bei gegebener Zeit bei Sermo anzuschwärzen. Wenn sie das machte, konnte sie was erleben!
    Etwas irritiert wandte ich mich wieder zu Melina, die mir etwas zu trinken eingeschenkt hatte und mir den Becher hinhielt. Zum trinken kam ich nicht, weil sie gleich anfing, mich auszufragen.
    "Ein anderer Sklave aus Rom, domina", antwortete ich wahrheitsgemäß. Wahrscheinlich hatte sie gedacht, ihr Bruder wäre es gewesen, was ja nicht so ungewöhnlich gewesen wäre. In Rom aber hatte er seinen Trieb bei irgendwelchen Lupae befriedigt. Erst auf der Reise nach Germanien hatte er auf mich zurückgegriffen.

  • Nun wurde Melina neugierig. Sie schlug die Beine übereinander und wandte sich der Sklavin mit all ihrer Aufmerksamkeit zu. "Interessant," murmelte sie. Wenigstens hatte sich ihr Bruder nicht an ihr vergangenen. In letzter Zeit benahm er sich ein wenig rollig, was Melina säuerlich aufstieß. "Liebst du ihn? Diesen Sklaven?" Melina wollte eine ehrliche Antwort, da sie selbst noch keine echte Liebe kannte. Nur ein Gefühl von Verliebtheit kannte sie aber nicht mehr. Das Gespräch entwickelte sich in eine Richtung, die ganz und gar unüblich für die Stände war: Sklavin und Herrin sprachen offen miteinander.

  • Interessant? Wenn sie glaubte, sie könne diese Info mal so ganz nebenbei ihrem Bruder stecken, dann kam sie reichlich spät damit! Oder fand sie das aus einem anderen Grund interessant? Melina war für mich ein Schloss mit sieben Siegeln. Aus ihr wurde ich einfach nicht schlau. Und auch ihre nächste Frage irritierte mich mehr, als dass ich kapierte, worauf sie wirklich hinaus wollte.
    "Ja, das tue ich. Und ich vermisse ihn so sehr!" Ach Mist, was redete ich denn da! So was persönliches vor einer wie der da ausbreiten? Dann hätt´ich´s ja gleich laut rausbrüllen können, damit es jeder hört. Und dann verdrückte ich auch noch ´ne Träne! Das lag einfach nur an den blöden Hormonen! Sobald ich an was trauriges dachte, begann ich zu flennen.

  • Melina seufzte kaum hörbar. Sanft presste sie Luft über ihre weichen Lippen und schmollte dann mit diesen. "Liebe," erklärte sie im Bezug auf den Satz von Caelyn. "Liebe, kenne ich nicht. Ich vermisse niemanden wirklich, außer meine Freunde und Familie aber das ist keine Liebe, die Liebe, die einen das Bett teilen lässt. Wie fühlt sich Liebe an?" Melina blickte Caelyn mit einem ernsten Nicken an und riss ihre glätzenden Augen weit auf. "Du bist eine Sklavin, warum kennst du Liebe und ich nicht?"

  • Vielleicht war ich ja zu sehr mit mir selbst beschäftigt, so dass ich Melinas Stimmungswandel nicht wirklich bemerkt hatte. Und dabei hätte man es doch an ihrem Schmollmund sehen können, dass sie mit etwas unzufrieden war. Ich aber wischte mir noch die letzte Träne von der Wange und versuchte meinen Schwermut runterzuschlucken.
    Melina hatte so was noch nie erlebt – Liebe. Aber sie war ja auch noch ziemlich jung. Ein bisschen erinnerte sie mich an mich selbst, als ich so alt war, wie sie. Gerade noch suchte ich nach einer Erklärung, wie man das Gefühl von Liebe am besten beschreiben konnte, da riss sie die Augen weit auf und herrschte mich an. Ich war ganz schon erschrocken und starrte sie nur an. Verdammt noch mal, ich hatte es doch gewusst! Lass dich nicht mit Sermos Schwester ein! Jetzt hatte ich den Salat.
    "Ich…öhm… du bist noch jung. Die … die Liebe wird auch zu dir kommen… irgendwann."

  • Irgendwann? Melina schlürfte ein wenig von ihrem Getränk und zog eine Braue hoch, bevor sie das Gefäß abstellte. Sie seufzte erneut, um dann mit ihren Haaren zu spielen. "Vielleicht hast du Recht," murmelte Melina. Dann warf sie ihre Haare zurück und nickte der Sklavin zu. "Wie hast du sie gefunden? Hast du irgendwas dazu getan?"

  • Zum Glück kriegte sich Melina wieder ein. Das, was ich gesagt hatte, besänftigte sie - fürs erste jedenfalls. Ich atmete leise, aber erleichtert auf. Auf den Schreck musste ich einen Schluck trinken. Meine Hand griff nach dem Becher und führte ihn zu meinem Mund.
    Dann setzte Melina zu ihrer nächsten Frage an. Diesmal weitaus weniger impulsiv. "Ja also öhm", begann ich. Ich überlegte, ob ich ihr wirklich alles erzählen sollte, wie ich Aretas kennengelernt hatte.
    "Es war irgend so ein Feiertag. Auf jeden Fall hatte ich frei. Als ich abends so durch die Straßen der suburba lief, war er plötzlich da." Dass Aretas mich damals beinahe abgemurkst hätte, erzählte ich ihr natürlich nicht. "Aber damals hatte ich auch noch nicht gleich gewusst, dass es Liebe ist. Das kam erst später. Naja, die Liebe fällt eben nicht einfach so vom Himmel und dann ist sie da. Liebe braucht Zeit!" Das hatte ich auch erst lernen müssen.

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