Nachrichten verbreiteten sich manchmal mit erschreckender Geschwindigkeit. Und je schneller sie sich verbreiteten, desto schneller veränderten sie sich, was nicht immer etwas Gutes bedeutete. Heute zum Beispiel tat es das nicht, ganz und garnicht.
"DER HAIN DER DIANA WURDE ENTWEIHT!!!", brüllte jemand mit schriller Stimme in dem für Rom typischen Straßentreiben, und sorgte damit augenblicklich für einen Verkehrsstopp. Sofort war ihm die Aufmerksamkeit mehrere Leute sicher, die sich teilweise auf's Mark erschrocken, teilweise einfach nur neugierig und teilweise einfach nur schwerhörig an ihn herandrängten.
"Was sagst du da?", fragte eine ältliche Frau ungläubig, ihren Ohren nicht trauend.
Der Mann, der keuchend die Worte in das Getümmel geschrien hatte ächzte, holte noch einmal tief Luft, und brüllte noch einmal einfach die Worte über die Köpfe seiner Zuhörer hinweg: "DER HAIN DER DIANA WURDE ENTWEIHT!! DER GÖTTERFRIEDEN IST GESTÖRT WORDEN!! UNS ALLEN DROHT UNHEIL!!!
Diese Worte ließen einem einfach keine andere Wahl als sie zu verstehen, und die erste Reaktion war erst einmal stilles Entsetzen. Erst als eine Frau, selbst auf dem Weg zu einem Schrein der Diana, aufheulte weil sie ihren Plan der Bitte um Fruchtbarkeit durchkreuzt sah, erst dann breitete sich eine allumfassende Verzweiflung aus, Münder wurden aufgerissen, hilflose Rufe ausgestoßen und fassungslose Blicke ausgetauscht. Der Götterfrieden... der Pax Deorum... gestört? Das konnte nicht sein. Das DURFTE nicht sein!
"Aber es sind doch Nemoralia!", rief einer, "Der Göttin sollten doch Opfer gebracht werden! Und nicht ihr Heiligtum geschändet!"
Zustimmendes Raunen allerortens, das Fest der Diana für die Sklaven und die Frauen war natürlich im Bewusstsein aller, genau aus diesem Grund waren die Straßen noch voller als sonst vor Frauen, die ihren freien Tag genossen und in die verschiedenen Heiligtümer wanderten, wenn sie nicht den langen Weg zum Hain der Diana auf sich nehmen wollten. Und jetzt das! Viele sahen sich um ihre Gebete und Opfer betrogen..
"WIE KONNTE DAS PASSIEREN?", schrie jemand mit besorgniserregender Lautstärke, und sofort wandte sich wieder zigfache Aufmerksamkeit auf den Verkünder der unheilvollen Nachricht.
"Ein Weib... ein Weib hat den Hain geschändet! Man sagt, sie habe zuerst es zuerst mit einen Mann bestiegen, um ihn dann zu ermorden!", Hilflosigkeit wie Entsetzen sprachen aus dem Mann als er wiederholte was er selbst nur gehört hatte, und eben das breitete sich jetzt in Wogen auf den Straßen aus, hunderte Gespräche begannen auf einmal und immer wieder konnte man verzweifelte Schreie hören... aber auch immer öfter wütende.
"IM HAIN DER JUNGFRÄULICHEN GÖTTIN! WAS FÜR EIN FREVEL!! UND DAS BEI DEN NEMORALIA? WELCH GRÖßTER FREVEL IST DIESEM WEIB EINGEFALLEN!!!"
Zustimmendes Raunen verkündete von der Tendenz der Menschen, Empörung wurde laut, hier konnte man doch nurnoch von Absicht sprechen!
"Sie wird sich dafür rächen... Diana wird das nicht ungestraft lassen... sie wird sich an uns allen rächen!"
Gerade die Frauen, die in diesen Tagen um Fruchtbarkeit und eine leichte Geburt bitten wollten, erschreckte dies. Wütendes Gekeife wurde laut, Verwünschungen, Flüche, Beleidigungen. Und vor allem: allumfassende Hilflosigkeit und Angst. Und die brauchte ein Ventil..
"WER BEI HEPHAISTOS ARSCH WAR DAS???", brüllte eine alte Matrona mit der Stimme der Authorität über die Straße, und augenblicklich verstummten das meiste Gerede um den Namen der Schuldigen zu erfahren.
"Man weiß es nicht genau... man sagt, es wäre eine Fulvia. Fulvia Clerina, sagt man.", riet der Mann lauthals ins blaue hinein.
"STERBEN SOLL SIE FÜR DIESEN FREVEL!!!", brüllte jemand, und andere fielen damit ein. "BEZAHLEN!!", "LEIDEN!!", "SÜHNEN!", "BÜßEN!!", "TOD DER FULVIA!"
"BILDET EINEN WÜTENDEN MOB! FORMATION PRÜGELNDE WOLKE!"Die Menge steigerte sich immer mehr in ihre Wut hinein, denn es war niemand da um sie zu beruhigen, und ihnen ihre Angst zu nehmen. Alles was sie wussten war, dass jemand den größtmöglichen Frevel an ihrer Sicherheit begangen hatte: jemand hatte die Götter erzürnt. Auf's größtmögliche. Den heiligen Hain der jungfräulichen Göttin zu schänden, das war, als würde man sich an den Vestalinnen vergreifen. Schlimmer ging es kaum..
"WAS SOLLEN WIR BLOß TUN?", war die meißtgeäusserte Frage in der aufgeheizten Straße, und hunderte Antworten von Lynchmord über den tarpejischen Felsen bis hin zum Massenopfer wurden laut.
Letztlich entschied sich die kollektive Intelligenz für einen gemeinsamen Marsch zum Diana-Tempel um dort die Priester um Hilfe zu bitten.. während die Masse, die stetig wuchs und bald tausend erboste und ängstliche Menschen umfasste.
Auf dem Weg dorthin wurden immer neue Informationen in die Masse getragen, die einem Katalysator gleich die Stimmung der Menge immer weiter aufheizte. Irgendwann war es nicht ein Mann gewesen, den die Frau bestiegen hatte um den Hain zu entweihen, nein, es waren ZEHN, und sie alle hätten sich im folgenden Blutrausch getötet. Und es war auch keine Fulvia mehr, nein, es war eine Flaminia, die das getan hatte. Und dann war da auch der ehemals unfreie Priester im Spiel, der die unselige Frau begattet hatte, und schließlich von ihr getötet wurde, um ihn Pluto zu opfern. Immer fantastischer wurde die Geschichte, bis sie kaum mehr Wirklichkeit besaß. Und so war die Geschichte, dass der Hain der Diana von einer Frau patrizischen Geblüts geschändet worden war, die auch noch mit einem Pontifex verheiratet war, nur eine von vielen Gerüchten die umgingen, den Mob aber nicht daran hindern konnte sich immer tiefer in seine Wut hinein zu steigern.
Man wollte Blut für das Verbrechen sehen, das schließlich an ihnen allen begangen worden war, in dem man sie dem Zorn der Götter aussetzte.