Atrium | Künstlerherzen

  • Im Atrium schwebte noch der ferne Nachgeruch des Weihrauchs durch die Luft. Fast konnte man noch das Echo der Schreie der Klageweiber hören. Eine düstere Aura, dumpfes Licht fiel von oben her ein, das Impluvium war duster, als ob Ruß darin schwämme.
    In dieses Atrium wurde der griechische Bote hineingesetzt, direkt vor eine Kline, wo ein Mann saß, dunkel gekleidet, mit dem Rücken zu Patraios gewandt. Es dauerte einige Momente, bis der Kerl, der sich als Piso entpuppte, sich zu Patraios umdrehte.
    Pisos Bart war vor kurzem wieder geschoren worden, trotzdem trug er weiterhin seine Trauerkleidung, wie schon bisher. Müde blinzelte er den Sklaven an. Nein, Piso machte nicht den Eindruck eines Künstlers oder eines mit Glück Beschenkten. Viel eher bot er ein Bild des Jammers.
    “Salve. Ich bin Aulus Flavius Piso. Du hast eine Nachricht für mich, Sklave?“, fragte er und streckte fordernd seine Hand aus.

  • Patraios war etwas überrascht ob der hiesigen Umstände. Ganz in Weiß gekleidet, glaubte er sich als der Überbringer schmachtend-romantischer Liebesbotschaften, stattdessen wurde er nun unmittelbar mit Trauer und Tod konfrontiert. Welch merkwürdigen Eindruck musste der unbändige Lebensfreude und Vitalität ausstrahlende Sklave auf den niedergeschmettert dasitzenden, vor Kummer und Gram gebeugten Hausherren machen. "Salve Quaestor!" sprach Patraios mit weicher, freundlicher Stimme, nachdem er sich respektvoll vor dem Hausherren verneigt hatte. "Mögen die Götter dich schützen, besonders Asklepios und Kypris." "Meine Herrin Aurelia Prisca übermittelt dir ihre innigsten Grüße und wies mich an dir diese Botschaft von ihr auszuhändigen." Mit diesen militärisch knappen Worten übergab er dem unglücklichen jungen Patrizier die versiegelte Papyrusrolle, verneigte sich nochmals und trat dann ehrfürchtig ein paar Schritte zurück.


    ...

  • Piso registrierte die freundlichen und sanft gesprochenen Worte ebenso wie die respektvolle Verbeugung, aber wirklich eingehen darauf tat er nicht. Der Segen des Aesculapius war vielleicht brauchbar, aber der der Venus! Oh wie sie ihn betrogen hatte! Übers Ohr gehaut, ihn, die Göttin mit dem schönen Popo. Er brauchte das nicht. Er brauchte nur die Botschaft, die er mit ungewohnt stechenden Augen fixierte, bevor er sie an sich riss und durchlas.
    Als er den Brief las, würde der Sklave sehen, wie sich der Gesichtsausdruck des Flaviers veränderte. Von tief betrübt und sorgenvoll zu etwas total anderem. Seine Falten im Gesicht, die ihn älter gemacht hatten, als er war, schwanden und verzupften sich. Seine Mundwinkeln stiegen gen Höhen. Sein Blick wurde milde, weich, hatte etwas Zerrinnendes an sich. Seine Lippen, vormals ein harter Strich, wurden weich und glückselig. Sogar das Haar schien dunkler und fester zu werden. Der Druck an den Wangen, welcher von den Kiefern ausging, löste sich – und als Piso aufblickte, erschien ein total verwandelter Flavier dem Sklaven.
    “Ich... sie... ich...“, stotterte er, und ein verliebtes, introvertiertes, schüchternes Grinsen erschien auf seinen Lippen. “Sie liebt mich... sie liebt mich... sie will mich heiraten... es muss mir nichts leid tun... ohne mich will sie nicht weiter leben... er hat mich nicht verpetzt, er nicht... sie fühlt mit mir... oh süßeste Prisca...“, stammelte er heraus, und plötzlich strahlte er den Sklaven an wie einen persönlichen Erlöser.
    Dann rann ihm eine Träne über seine rechte Wange. Erstmals seit langer Zeit keine Träne der Trauer, denn derer hatte er viele vergossen, nein, eine Träne der Freude. Er stand auf und blickte den Sklaven an, der in etwa gleich groß war wie er, vielleicht etwas jünger. “Danke. Danke für diese Botschaft!“, rief er aus, als hätte der Sklave sie wirklich freiwillig überbracht, und es wäre ihm nicht befohlen worden. “Ich... es...“ Er knetete seine Hände herum, es hatte ihm die Sprache scheinends total verschlagen.

  • Patraios stand da und beobachtete genau wie die verführerisch, liebenden Worte seiner Herrin ihre wohltuende und belebende Wirkung entfalteten, gleich einer Heilkräutertinktur auf schmerzender Wunde. Nach einer Zeit der Düsterniss und Verzweiflung, erreichten nun wieder die hoffnungsvoll wärmenden Strahlen der liebenden Sonne das von Trauer und Gram gebeutelte Herz und Gemüt des empfindsamen jungen Herren. Patraios hatte keine Ahnung was genau in dem Brief stand, aber dem breiten Lächeln und den gleich darauf folgenden Freudentränen des durch jene Worte so beglückten Empfängers zu urteilen, musste dessen Inhalt ganz einfach wunderbar sein. Der junge Piso erschien sprachlos und etwas verwirrt, seine Gefühle, noch zwischen Trauer und neu aufkeimender Hoffnung schwebend, schlugen in diesem Moment wohl heftigste Purzelbäume. Der Quaestor erhob sich von seiner Kline um dem Sklaven zu danken, aber Patraios wiegelte äußerst höflich und mit verführerisch-charmanten Lächeln ab. "Aber hoher Herr ich bitte dich, du schuldest mir Elenden doch keinen Dank, denn dieser gebührt einzig und allein meiner Herrin, die dich auf das innigste liebt und dir über alles andere in der Welt zugetan ist." Stattdessen nahm der einfühlsame Grieche den aufgeregt und verwirrt scheinenden Römer freundschaftlich und voller Mitgefühl in seine Arme und barg dessen Kopf an seiner Schulter. Dabei klopfte er ihm beruhigend auf den Rücken und konnte erfühlen wie der hochgewachsene Mann am ganzen Körper bebte und zitterte, denn der Schock über den plötzlichen Tod seiner geliebten Schwester, sowie der damit verbundene Stress und die Anspannung der letzten Tage und Stunden saßen noch immer tief und waren noch lange nicht verarbeitet. Patraios kannte diese Situation aus eigener Anschauung und wusste genau wie dreckig und beschissen sich der junge Flavier zu diesem Zeitpunkt trotz Aurelia Priscas liebender Worte noch immer fühlte. Er brachte den Piso wieder zurück zu seiner Kline und bat ihn sich hinzulegen. "Götter!" "Du bist ja vollkommen erschöpft, du brauchst unbedingt Ruhe und Schlaf damit du gesund und bei Kräften bleibst." Der Sklave blickte sich um und entdeckte zufällig eine kostbare gläserne Karaffe halbvoll gefüllt mit Wein. "Ähhh ... ich denke ein kräftiger Schluck Traubensaft würde dir jetzt sicher guttun, möchtest du das ich dir ein Glas von dem Wein dort bringe?"

  • Oh Götter, sehet den armen Piso, einen Menschen, der hin- und hergerissen war. Hinter ihm lag der Tod nicht nur seiner Schwester, sondern auch seines besten Freundes, Archias, aber vor ihm die Aussicht auf eine Heirat mit der Schönsten aller Schönen, der Edelsten aller, der wundervollsten Frau, die Piso jemals begegnet war – die sogar seine höchsten ästhetischen Gefühle befriedigte. Piso zitterte aber gar nicht heftig. Eigentlich zitterte er gar nicht. Viel eher war er in die Steife der Personen verfallen, die gar keine Ahnung hatten, was sie nun tun sollten. Eigentlich hätte Piso vor Freude nun ja einen Purzelbaum machen können. Andererseits – der Gedanke an Vera und Archias war lähmend. Der Grieche tat seine Taten beschwichtigend ab, und Piso nickte.
    “Stimmt, Sklave. Du hast Recht.“ Natürlich gebührte ihm kein Dank, er war nur Botschafter! Hatte irgendjemand, dem Piso, als er noch in der Kanzlei war, ein Beförderungsschreiben ausgestellt hatte, sich bei ihm bedankt? Keine Sau. Von daher, ja. Patraios hatte Recht. Er räusperte sich also gewichtig.
    Piso, der nicht wissen konnte, dass der Sklave wohl irgendwie vom Tode seiner Schwester erfahren hatte, hustete im Anschluss auf sein Räuspern und setzte sich wieder hernieder, was er auch ohne die Gesten des Sklaven getan hätte, bevor er noch einmal den Brief studierte. Dann sah er zu Patraios auf. Die Ratschläge des Sklaven waren sicherlich gut gemeint, aber sie klangen ein wenig schulmeisterisch. Piso, selber ein unbelehrlicher Besserwisser, runzelte die Stirn. “Ruhe und viel Schlaf kann ich mir nicht leisten. Ich bin Quaestor. Und ich habe ein Antwortschreiben zu schicken.“ Der Flavier nickte aber anschließend.
    “Ja, das wäre gut. Einen Schluck Wein könnte ich vertragen.“ Piso war nciht so paranoid und hatte soviel Angst vor Gift, dass er es nicht einem fremden Sklaven anvertrauen würde, dass erihm den Wein einschenkte. Denn wer sollte ihn schon umbringen wollen?
    Glas, dachte er sich dabei. Ja, Luxus war schon eine schöne Sache. Glas war teuer, aber für Patrizier erschwinglich. So nickte er affirmativ abermals.

  • Wortlos, aber mit einem Lächeln auf den Lippen begab sich Patraios zum Tisch mit der Karaffe, nahm eines der dabeistehenden Gläser und positionierte sich beim Einschenken so das der Hausherr alles genau mitverfolgen konnte. Noch während er damit beschäftigt war das Glas zu füllen, richtete er das Wort an Piso. "Dominus bitte gestatte das ich dir eine Frage stelle, aber meine Herrin, deine vergötterte Aurelia Prisca, schilderte mir des öffteren in gradezu überschwenglichen Worten, das du ein ausgesprochener Liebhaber der Musik und der schönen Künste sein sollst." Die geübten Augen des junge Künstlers hatte schon beim Betreten des Hauses die für herrschaftlich römische Häuser obligatorischen Wandmalereien und Stuckverziehrungen gemustert, welche in der Feinheit der Details wesentlich sorgfältiger und mit größerer Rafinesse ausgeführt waren als in der Villa Aurelia. Hier in der Villa Flavia wohnte ganz offenbar jemand der ein hochsensibles Auge für gut gezeichnete Figuren und feinfühlige Pinselstriche besaß. Patraios hatte das Glas nun gefüllt und brachte es dem Patrizier. "Dein Wein Herr."

  • Als Piso noch immer auf seiner Liege saß und nachdachte, warf der junge Sklave etwas in den Raum, was den Flavier aufhorchen ließ. “Oh. Kunst. Ja.“ Ein Thema, über das er gerne sprach. Kunst! Sie war so schön, dass es fast seinen Sorgen Flügel verleihen könnte – Flügel insoweit, als dass sie davonflattern konnten. Er hustete kurz, bevor er weitersprach. “Tatsächlich bin ich Künstler von nicht geringer Reputation. Flavius Piso sollte durchaus ein Begriff sein in der römsichen Avantgarde.“ Sicher war er das („Flavius Piso? Der Spinner?“ war eine familiäre Reaktion, wenn er sich ankündigen ließ). “Es ist schön, dass die Botschaft von meinen Künsten auch meine Geliebte erreicht hat!“ Ach, alleine der Gedanke an sie ließ ihm seine Knie wackelig werden – naja, würde es machen, säße er nicht schon.Was das Wackeln schwierig amchte. “Nun ja, ich habe ihr auch ein Gedicht geschrieben. Weißt du, das wäre gut. Eine Nachricht als Gedicht. Ein Sonnet, weißt du, Sonnette sind meine Spezialität. Oder auch nicht. Ein Musikstück? Es stand sogar einmal ein Artikel über meine Künste in der Acta Diurna – sehr positiv!“
    Er ergriff den Wein. “Danke“, grummelte er und schüttete ihn herunter. “Ja, ich werde Prisca eine Nachricht schicken. Du wirst es ihr ja übergeben.“ Sonst hieß es schnell mal Rübe ab, aber das aurelische Sklaven verweichlicht und schoßhündchenhaft behandelt wurden, das hatten wir ja schon durch.
    “Wachstafel“, befahl er einem rumstehenden Sklaven, der sich verneigte und aus einem klandestinen Ort eine solche hervorzog und sie Piso samt einem Griffel reichte. Dieser drehte den Griffel angestrengt herum. “Was sollte ich nun schreiben, Sklave?“, ertappte er sich dabei, wie er den Sklaven um Rat fragte.

  • Über Patraios Gesicht huschte ein breites Lächeln. "Ganz einfach, schreibe genau das was dir dein verliebtes Herz befielt und was dir in den Sinn kommt, wenn du an Aurelia Prisca denkst." "Ich für meinen Teil vergleiche sie immer mit einer Statue der Göttin Aphrodite, gefertigt aus kostbaren Marmor, Elfenbein oder Alabaster, weil es genau das war woran sie mich erinnerte, als ich mich deiner Angebeteten zum erstenmal vorstellen musste."
    An dieser Stelle räusperte er sich und fur dann ungeniert fort.
    "Also Dominus dieser Vergleich mit einer Statue sollte dich nicht allzusehr verwundern, denn du solltest wissen das ich dem Handwerk eines Bildhauers und Malers nachgehe und daher neige ich von Geburt an dazu, schöne Menschen mit Kunstwerken zu verwechseln." "Da gibt es zum Beispiel auch einen jungen blonden Barbaren, der zum Besitz der Flavia Celerina gehört, der Bursche ist ungebildet und hat auch nicht sonderlich viel im Kopf, aber er besitzt einen schönen, durchtrainierten Körper und ein wohlproportioniertes Gesicht." "Als Modell für eine Monumentalstatue des Achill oder Herakles wäre dieser Gallier oder Germane unschlagbar, wenn er auch sonst zu nichts zu gebrauchen ist." Patraios musste plötzlich spitzbübisch kichern, aber nicht wegen des gutmütig, naiven Galliers, sondern weil sich grade ein herrlich dramatisches Kunstwerk vor seinem inneren Auge zu manifestieren begann. Flavia Celerina als schlangenhäuptige Gorgone im blutigen Kampfe mit dem schwertschwingenden Perseus, welcher unzweifelhaft die Züge des Marcus Aurelius Corvinus trug. Natürlich vermied der Sklave es wohlwissend dem Piso über seine momentanen Gedanken bezüglich Perseus und der Medusa in Kenntniss zu setzen, zumal es auch irgendwie unangebracht und geschmacklos wäre. Manche boshaften Gedanken behielt man besser für sich, aber dennoch zumindest ein kurzes Kichern war diese Sache schon wert.

  • Sim-Off:

    Tschuldigung, dass das so lange gedauert hat. ;)


    Piso horchte sich an, was Patraios ihm vorschlug. Beim letzten Teil aber wurde Piso misstrauisch. Von seiner sitzenden Position auf blickte er nach oben, Patraios scheel anschauend. “Soso. Mit Aphrodite vergleichst DU sie also.“ Dieser Satz sagte ihm eindeutig etwas – und zwar, dass Patraios Prisca nicht uninteressant fand. Natürlich nicht! Aber das einem Römer, der in Prisca so grenzenlos verschossen war, so unverblümt angedeihen zu lassen, war schon ein starkes Stück. Der Flavier kniff die Augen zusammen, bevor Patraios, offenbar sehend, dass seine Worte leicht unglücklich gewählt waren, einen Erklärung hinten nach setzte. Nur der Vergleich zu einer Statue also... und wovon Patraios nun sprach, brachte Piso ganz abrupt auf einen anderen Gedanken.
    “Du betreibst Bildhauerei? Das ist ja interessant! Und du malst auch? Das sind sehr schöne Kunstformen!“ Was der Kerl zu einem Sklaven zu sagen hatte, der noch in der Villa Aurelia rumsaß, interessierte Piso plötzlich nicht mehr. Sein Kichern registrierte er, dachte sich aber nichts dabei, denn nun war sein Interesse geweckt. “Malst und bildhauerst du schon lange? Es würde mich sehr interessieren, einmal eines deiner Werke zu sehen, Sklave. Ich male natürlich auch, aber nicht so gut, wie ich singe. Singst du? Kannst du ein Musikinstrument spielen?“ Die Neugier flimmerte in seinen Augen, durchbrach die Düsterheit, die sich über die Spiegel der Seele gelegt hatten, begierig, nach einer Ablenkung von seinen Sorgen zu suchen.
    “Ich bin sicher, wenn du einmal mit Prisca zu uns Flaviern kommst – ich habe keinen Zweifel daran – werde ich dich sicherlich auch noch einsetzen können. Wie würdest du deinen Stil beschreiben? Ist er eher von der alten Schule, a la Phidias und Polyklet? Oder ist deine Bildhauerei eher avantgardistisch? Du musst wissen, ich liebe zeitgenössische Kunst!“ Ein Lächeln schien an seinen Mundwinkeln auf.

  • Patraios notierte den misstrauisch verkniffenen Blick des jungen Flaviers als er die knackige Aurelia Prisca mit der Göttin Aphrodite (alias Venus) verglich, dachte sich aber nicht viel dabei, zumal ihm die römischen Vorstellungen von Sitte und Moral sowieso hinlänglich fremd waren. Schamgefühle in Bezug auf Nacktheit oder Sexualität kannte der griechische Sklave ohnehin nicht und er hätte dem Piso auch ohne wenn und aber wohl alles über sein intimes Verhältniss zu dessen Angebeteter erzählt, wenn dieser ihn denn nur danach gefragt hätte. Aber die Erwähnung seiner beruflichen Tätigkeit als Maler und Bildhauer lenkte das Gespräch sofort in andere Bahnen. "Phidias und Polyklet waren ohne Zweifel alles überragende Meister, aber Ihr Stil ist mir dennoch zu streng und zu statisch, obwohl gute Kopien Ihrer Werke grade bei römischen Sammlern sehr beliebt sind." "Mein persönlicher Stil hingegen orientiert sich eher an den Meistern der jüngeren Zeit." "Ich liebe die Arbeiten des Lysippos sowie die kraftvollen, dynamischen Werke der pergamenischen Bildhauer, Künstlern wie Epigonos, Menekrates, Dionysiades oder Boethos." "Wenn du mal die Provinz Asia besuchst, solltest du unbedingt für ein paar Tage in Pergamon verweilen, ich verspreche dir, die Skulpturen und Friese dort suchen Ihresgleichen." Zu seiner eigenen Person und Künstlerkarriere befragt entgegnete er, "Ich bin der uneheliche Sohn von Alkibiades von Patraios, dem Hofmaler von Sauromates I. dem Basileios des Bosporanischen Reiches." "Ich habe keine Ahnung ob der Name meines Vaters bis hierher nach Rom gedrungen ist, aber in Attika und den Städten an der Küste von Asia sind seine Gemälde bei Sammlern und Kunstliebhabern sehr gefragt." "Alles was ich kann habe ich in seinen Ateliers gelernt." "Später hat mich mein Vater dann an einen befreundeten Bildhauer nach Athen verkauft, der mir in fünfjähriger Lehrzeit beibrachte mit Hammer und Meißel umzugehen und aus unförmigen Klumpen Ton schöne Köpfe und Figuren zu formen." "Ich bin erst zwei Monate in Rom und hatte noch nicht viel Gelegenheit mein Können unter Beweis zu stellen." "Von meiner Domina Aurelia Prisca habe ich einige Portraitzeichnungen gemacht, während wir die heißen Sommermonate über in Ihrer Strandvilla nahe Antium zubrachten."
    Beim Gedanken an Antium huschte ein kleines verstohlenes Lächeln über Patraios Gesichtszüge und seine Bernsteinbraunen Augen bekamen für einen kurzen Moment wieder diesen burschenhaft frech, lüsternen Ausdruck. Das der Sklave schon eine komplette Marmorskulptur von seiner Herrin in Arbeit hatte verschwieg er wohlwissend, da diese Bildsäule ja als Hochzeitsgeschenk für ihren vergötterten Aulus Flavius gedacht war. Zu einem Thema allerdings musste der Sklave leider passen, denn weder hatte er Gesangsunterricht erhalten, noch war ihm der Umgang mit Instrumenten vertraut, obwohl auch er gute Musik überaus zu schätzen wusste.

  • Der Grieche ließ sich durch Pisos misstrauischen Blick nicht verunsichern. Wenn er natürlich Patraios‘ Gedanken gelesen hätte, hätte er den Griechen nach Hause geschickt. Seine Haut jedoch hätte Patraios hier lassen müssen. Doch so konzentrierten sich seine Sinne auf die schöngeistige Rede des Mannes. Durchaus wohlwollend horchte er zu. Die Namen, die der Sklave auflistete, waren dem Flavier nur wenig bis gar nicht vertraut, was er sich aber nciht anmerken ließ. Bildhauerei war ja auch nicht sein Spezialgebiet!
    “Ah, nett, nett. Ich war ja schon in Asia, in Miletus und in Ephesus.“ Er dachte kurz nach. “Und ja, dort waren viele bemerkenswerte Statuen und Kunstwerke zu sehen.“ Nicht, dass sich Piso groß damit aufgehalten hatte, die Namen der Skulptoren zu lernen. Denn, wie gesagt, Bildhauerei war nicht seine Stärke. Und für ihn, den eher schwächlichen Patrizier, unrealistisch. Wie lange könnte er meißeln, bis ihm die Puste ausging? 5 Minuten? Allerhöchstens.
    Was der junge Kerl anschließend sagte, machte Piso stutzig. “Äh...“ Alkibiades? Der Name sagte ihm nichts. Nicht das Geringste. Sauromates? Nur beim namen bosporanisches Reich klingelte es entfernt. Das war doch auf der Halbinsel Tauris, am schwarzen Meer, am Rande der Zivilisation oder schon darüber hinaus, dort, wo die Sarmaten hausten! Eine grässliche Vorstellung. Doch das Komischste war, dass der junge Mann behauptete, von seinem Vater verkauft worden zu sein. Gut, das kam vor. Aber doch nur bei armen Leuten! Doch wer wusste, was sie für Bräuche und Gesetze in diesem halbbarbarischen Land hatten?
    So enthielt sich Piso eines Kommentars und blickte ernst drein, zuhorchend. Die Sprache kam auf Prisca. Schon der Name alleine zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht, bevor er ein Wort hörte. Wir. Wir? Hatte der Sklave wir gesagt? Als ob die beiden in einer Beziehung stünden! Pah! Dabei wusste der Sklave doch ganz genau, dass Prisca nur ihn liebte – und auch sonst niemanden an sich ranlassen würde! Niemals!
    Sein Gesichtsausdruck gefror wieder ein bisschen. Scheel den Burschen anschauend, verlautbarte er ein “Nun denn.“ Er räusperte sich.
    “Eine Botschaft sollst du an deine Herrin ausrichten. Eine Botschaft. Präge sie dir gut ein. Sag ihr, ich liebe sie und verzehre mich nach ihr.“ Sein Blick wurde wieder weich. “Und vielen, vielen Dank. Das ist nicht an dich adressiert, sondern auch an Prisca! Danke für den Brief und danke für das Beileid. Und sage ihr, Fortuna wird es gewiss einrichten, dass wir uns bald wieder sehen. Ich denke mir schon was aus.“ Manchmal musste eben das Glück selber geschmiedet werden.
    “Hast du das, Sklave? In deinem Hirn?“

  • Patraios hörte sehr aufmerksam zu was der junge Flavier ihm zu sagen hatte und lächelte dann freundlich. "Ja Dominus ich habe mir alles gemerkt Wort für Wort." Der Sklave verneigte sich artig vor seinem zukünftigen Herren und wartete noch bis dieser ihn ganz offiziell entließ. Seine Augen streiften kurz über ein prächtiges Wandgemälde, welches einen der römischen Imperatoren zeigte. Patraios konnte nicht anders und bemerkte beinahe erfürchtig: "Das ist doch der große Titus, der Bezwinger von Judäa, du musst sehr stolz sein einen so bedeutenden Feldherren und Herrscher zu deiner Familie zählen zu dürfen." "Das Bild ist übrigens sehr schön geworden, wenn du mit meiner Herrin verheiratet bist, gib mir nur den Befehl und ich male dir noch ein großes Schlachtengemälde von der Eroberung Jerusalems." Patraios blickte den Piso mit großen glänzenden Augen an und wartete gespannt wie ein kleiner Schuljunge auf dessen Reaktion.

  • Piso blickte nicht nur zufrieden, sondern auch selbstzufrieden auf den Sklaven. “Fein.“ Der Sklave würde es sicher niemanden weiterverraten, wenn ihm sein Leben lieb war!
    Bevor Piso den Sklaven wegschicken konnte, fiel ihm auf, dass der Sklave das Wandgemälde hinter ihm bemerkte. Er drehte sich um. Ah, Titus. Ja, Piso war ein Verehrer von Titus, der Gute stand auch in seinem Zimmer. Ein wahrer Ästhet, leider verstarb er viel zu früh, doch regierte er zwei glorreiche Jahre lang.
    “Stimmt, das ist mein Ahn, der Gott Titus“, erklärte er großspurig, auch wenn Ahn nicht ganz einwandfrei zutraf, war das Familiengeflecht der Flavier doch viel vielschichtiger. Und verzweigter. Doch man musste den Sklaven nicht mit komplexen Familienbeziehungen zuplappern. Die würde er ohnehin nicht verstehen. Er musste ohnehin kurz schmunzeln. Das Bild, das der Sklave gab, war zu köstlich. Aber zu „wir“ würde er einfach nie gehören. Einmal nicht bei den Flaviern – es konnte aber gut sein, dass man in der Gens Aurelia jedoch die Zügel zu locker ließ. Weichspüler.
    “Oh ja, das bin ich auch“, trompetete er, bevor er aufmerkte. “Ah, das ist einmal eine sehr gute Idee. Ja, darüber würde ich mich freuen.“ So würde sich zu seiner Büste noch ein Bild hinzugesellen. Titus in Iudaea, ja, die Vorstellung gefiel Piso, obwohl selber hoffnungslos zivilistisch veranlagt.
    “Jaja. Jaja. Nun denn. Wenn es sonst nichts weiter gibt, bist du hiermit entlassen, Sklave.“ Er wedelte affektiert mit der Hand.

  • Der Hausherr schien wieder etwas zufriedener mit sich und der Welt zu sein. Huldvoll lächelnd gab er dem Sklaven die Erlaubniss sich zu entfernen. Patraios verneigte sich noch einmal und verabschiedete sich dann wie immer mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen. Auf dem Weg zur Porta begutachtete der junge Grieche wieder die qualitätvoll ausgeführten Stuckarbeiten und Wandmalereien, bevor er dann entgültig das flavische Anwesen verließ, um sich gleich darauf mit den beiden germanischen Leibwächtern auf denkbar schnellstem Wege wieder nach Hause zu begeben, denn die Sonne begann zu sinken und in der Villa Aurelia wartete schon die Herrin.

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