Kandidatur zum Curus Honorum [11/10] - Sextus Aurelius Lupus

  • Die Liste der Kandidaten zur nächsten Wahl war lang wie jedesmal und die einzelnen Männer aufzurufen war alles andere als eine erbauliche Aufgabe. Trotzdem stellte sich der Consul ihr tapfer und ohne größere Schwankungen in der Stimme.


    "Als nächsten Kandidaten rufe ich nach vorne: Sextus Aurelius Lupus, um seine Kandidatur zum Vigintivirat zu erklären."

  • Dann stell' mal bei deiner Vorstellung im Senat nichts dummes an, sonst kann ich dich nicht wählen.
    Von allen Sätzen von all den Leuten, mit denen er vor der Wahl gesprochen hatte, von all den unzähligen Dingen, die er gesagt hatte und zu hören bekommen hatte, war es dieser Satz des Purgitius Macer, der ihm in diesen Momenten durch den Geist hallte. Und das war doch reichlich verstörend für jemanden wie Sextus. Sein ganzes Leben hatte sich eigentlich in dem stetigen Wissen abgespielt, dass er besser war. Besser als seine unzähligen Geschwister, besser als diejenigen, die sich als seine Freunde wähnten. Besser als sein Vater. Mit unendlichem Selbstvertrauen war er bis hierher gelangt, stets der Vernunft und seiner Taktik folgend, und nun, einen Schritt davon entfernt, seinen Plänen endlich Werke folgen zu lassen, dachte er daran 'nichts dummes anzustellen'. Wie ein blutiger Anfänger. Wie ein gefühlsduseliges Weib! Und das war, mit Verlaub, sehr verstörend für jemanden, der die Ratio stets der Imagination vorgezogen hatte.


    Die wenigen Schritte nach vorne, nachdem sein Name aufgerufen worden war, nutzte Sextus dazu, die Punkte seiner Rede noch einmal durchzugehen. Er wollte schließlich nichts dummes anstellen. Und er würde nichts dummes anstellen, nicht so knapp vor dem Ziel! Ein letzter, tiefer Atemzug, und er begann.
    “Patres conscripti! Ehrenwerte Senatoren, ich danke euch für die Gelegenheit, in diesen Hallen das Wort an Euch zu richten.
    Ich bin Sextus Aurelius Lupus, ein Enkel des Claudius Aurelius Crassus, der einst die Reihen mit euch teilte. Viele Jahre hat er dem römischen Reich und dem Kaiser gedient, und stets hat er davon gesprochen, welch Ehre ihm dies war. Ich trete nun vor euch, mit der bescheidenen Bitte, mich seines großen Namens als würdig zu erweisen, indem auch ich den Weg des Cursus Honorum beschreite.“


    Eine kurze Pause, ein kleiner Atemzug. Nicht zu blumig werden, nicht zu sehr ausschweifen. Die Senatoren mussten den ganzen Tag schon Reden über sich ergehen lassen, er sollte nicht übertreiben. Nur nichts dummes anstellen.


    “Mein Vater ist Numerius Aurelius Fulvus. Meine Mutter ist Antonia Iavolena. Sie entstammt dem etruskischen Zweig der Familie, wodurch es mir erlaubt war, die Haruspizien zu studieren. Ich erhoffe mir, einen Platz im hiesigen Collegium einnehmen zu können, um so den Magistraten und den Göttern mit meinem Wissen dienen zu können.“
    Gut, die Haruspices waren nicht unbedingt die angesehensten Mitglieder der verschiedenen Collegia, aber sie waren ganz sicher mit die Nützlichsten. Für jede zweite Kleinigkeit brauchte man einen Haruspex, um sie gemäß den Regeln durchführen zu können. Sextus konnte nur hoffen, dass die Senatoren diese Nützlichkeit sehen würden. Oder aber, dass der Rest an Worten diesen Punkt unwichtiger werden ließ.


    “Den Großteil meiner Ausbildung in den artes liberales und der Philosophie erhielt ich in Athen, später schloss ich meine Studien in Alexandria ab. Nach Rom und damit zum Stammsitz meiner Gens kam ich während der Amtszeit des Consular Flavius Furianus. Ich hatte das große Glück, ein Tirocinium fori bei eben jenem zu absolvieren und so schon erste Einblicke in die römische Politik zu gewinnen, während ich ihm zur Hand ging.“ Da dieser mit seiner umstrittenen Reform nicht allzu weit kam, vielleicht nicht die beste Referenz, aber er hatte erste Eindrücke für die Politik sammeln können und machte so nicht den Eindruck, unvorbereitet hier zu erscheinen. Hoffte er zumindest.


    “Ebenso hatte ich das Glück, den ehrenwerten Senator Tiberius Durus als Patron zu gewinnen, auf dessen Rat ich sowohl in politischen wie auch in religiösen Fragen bauen kann.“ Immerhin war dieser der Pontifex pro magistro.
    “Daneben absolvierte ich den Cursus Res Vulgares mit Auszeichnung und vertiefte meine Kenntnisse religiöser Themen.“


    Nichts dummes anstellen. Es war beinahe geschafft. Seine Haltung war ruhig und gerade, seine Stimme laut und klar.
    “Wenn es mir gestattet ist, einen Amtswunsch auszusprechen, so fiele meine Wahl auf das Amt eines Decemvir litibus iucandis.“ Zu dem wieso sagte er nichts. Er wusste, dass es viel Arbeit war und viel Zeit beanspruchte, aber er wollte sich seinen weiteren Werdegang verdienen. Nur klang das doch ZU pathetisch, selbst für diese Hallen. Und es klang so gar nicht nach dem kalten Analytiker, der er eigentlich war und der Dinge aus kalter Berechnung tat. Es klang mehr nach jemandem, der etwas dummes tat.


    “Ich danke euch, dass ihr mir Gehör geschenkt habt, ehrenwerte Senatoren.“

  • Als Patron des jungen Mannes war es Aufgabe von Tiberius Durus, als erster seine Relatio abzugeben und Lupus' Wahlrede zu bekräftigen. Zwar hatte er sich ein wenig mehr Vorlaufzeit gewünscht, doch war es kaum möglich gewesen, den Aurelier zu bremsen. Also machte Durus gute Miene zum bösen Spiel und hoffte, dass der Plan aufging.


    "Ich kann die Qualitäten dieses Mannes unbedingt bestätigen. Als Enkel eines Senators verfügt er darüber hinaus über den ausreichenden Hintergrund, um unabhängig und frei Entscheidungen zugunsten Roms und seines Volkes zu treffen.


    Ich möchte Euch daher bitten, ihm diese Bewährungsprobe zu gewähren, die er zweifelsohne mit Bravur bestehen wird!"


    Möglicherweise waren diese Worte ein wenig dick aufgetragen, denn im Grunde kannte Durus den jungen Mann kaum. Doch das musste ja nicht jeder wissen - und es wäre doch eine Niederlage, wenn der Klient des alten Tiberiers in der Wahl unterlag!

  • "Ich stimme dem Consular Tiberius Durus zu. Ich sehe keinen Grund, warum man Sextus Aurelius Lupus die Chance sich als Vigintivir zu beweisen, verweigern sollte."


    meldete sich Modestus zu Wort, nachdem sich Tiberius Durus bereits für den Aurelier zu verwendet hatte. Irgendwie hatte er das Gefühl es den Aureliern nach dem Tod des Corvinus schuldig zu sein. Außerdem würde Durus diese Unterstützung seines Klienten zu schätzen wissen.

  • Potitus hatte zwar festgestellt, dass diesmal nicht ganz so viele Patrizier in den Cursus Honorum strömten, doch waren es immer noch genügend. Ein guter Grund, den jungen Schnöseln etwas auf den Zahn zu fühlen! "Und wann genau hast du die Etrusca Disciplina so fleißig studiert, wenn du den bisheriges Leben scheinbar durch das halbe Imperium gereist bist?" fragte er daher.

  • Mit einer gewissen Beruhigung nahm Sextus die Worte seines Patrons und des Senatoren Aenneus auf. Positive Stimmen gleich zu beginn verhießen eine gute Grundstimmung. Wenn diese so blieb, konnte er die Zweifler hoffentlich leichter überzeugen.
    Doch dann meldete sich die erste kritische Stimme, und diese gehörte niemand weniger als dem Praefectus Urbi. Sextus wusste schon, dass dieser in dem Ruf stand, Patrizier nicht unbedingt zu mögen. Allerdings sollte das für ihn kein Hindernis sein, ihn sich dennoch gewogen zu machen. Oder zumindest, seine Abneigung nicht zu verschlimmern.


    “Eine gute und berechtigte Frage, Praefectus Urbi, und ich danke dir, dass du sie stellst.“ So konnte er wenigstens noch etwas mehr sagen, als nur mit seinen Referenzen um sich zu werfen, wenngleich ihm ein paar vorzeigbare Taten noch immer lieber wären.
    “Ich hatte das große Glück und die Ehre, seit frühester Jugend einen Lehrer dieser Disziplinen zu haben. Sowohl der Vater meiner Mutter, als auch später ein Haruspex namens Marcus Clinius Lanatus, lehrten mich das Wissen der libri fulgurales, rituales und insbesondere haruspicini. Und auch, wenn die Griechen mit ihren Lehren nicht an die römischen Tugenden herankommen, sind sie doch ganz brauchbare Kosmologen. Gleiches gilt für das Wissen, das ich mir in Alexandria aneignen konnte in der großen Bibliothek, insbesondere in den Bereichen der Astronomie, Metereologie und Botanik.“ Und dass diese Bibliothek sehr umfangreich war, war wohl weltweit unstrittig. “Allerdings, da gebe ich dir recht, konnte ich nicht in Tarquinii oder Caere studieren. Allerdings, um der Form genüge zu tun, legte ich im Alter von Zwanzig in Velutonia eine Prüfung an der dortigen Schule ab. So es der Wunsch des Collegium Haruspicium ist, kann ich diese gerne in Tarquinii oder einer der anderen zwölf Städte wiederholen und so mein Wissen erneut unter Beweis stellen.
    Ich weiß, es sind lange Reisen für ein junges Leben. Doch haben sie mich sicher nicht vergessen lassen, dass ich Römer bin und Rom dienen möchte.“

    Eigentlich war Sextus über die Frage an sich nicht unglücklich. Diesem Bereich seiner Ausbildung hatte er notgedrungen sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet, da ihm hierbei nie eine Wahl gelassen worden war. Und so war er sich auch sehr sicher, einer solchen Prüfung mühelos standhalten zu können. Damit konnte der Präfekt ihn nicht aus dem Gleichgewicht bringen, und im Grunde musste er ihm dankbar sein, so nochmal Gelegenheit zu haben, seine Kenntnisse darzulegen.
    “Ich hoffe, damit sind deine Bedenken ausgeräumt, ehrenwerter Preafectus Vescularius.“ Er blieb höflich und ruhig. Fragen hatte er erwartet und sich darauf vorbereitet. Wenngleich nicht diese zu seiner Vergangenheit, vor allem, da er über die Einzelheiten der Ausbildung zum Haruspex ohnehin nichts sagen durfte. Und selbst wenn er dies dürfte, von den Senatoren hier auch höchstens der ein oder andere, der selbst einem etruskischen Geblüt entstammte, wissen würde, wovon er da eigentlich überhaupt redete.

  • Potitus nickte mit versteinerter Miene. Er hatte diesem Burschen keine Gelegenheit geben wollen, sein Strebertum zur Schau zu stellen! "Und womit genau hast du vor, deinen Lebensunterhalt zu bestreiten? Hast du genügend Land, um auch unabhängig zu sein, wie man es als Magistrat sein muss?"

  • Die ehrliche Antwort wäre gewesen: Durch Bestechung, indem ich meinen Verwandten auf der Tasche liege und die Mitgift meiner Frau. Die politisch korrekte Antwort fiel etwas hervorzeigbarer aus.
    “Natürlich, andernfalls würde ich eure Zeit nicht in Anspruch nehmen. Ich denke, der Senat hat besseres mit seiner Zeit anzustellen, als jeden Mann Roms anzuhören. Ich kann auf genügend monetäre Rücklagen, nicht zuletzt durch die Unterstützung meiner Verwandtschaft, zurückgreifen, um mich den mir gestellten Aufgaben mit der vollen Aufmerksamkeit zu widmen. Sofern der Senat geneigt ist, meinem Ansinnen zuzustimmen.“

  • Die Fragen Salinators waren wohl darauf gemünzt, seinen Klienten bloßzustellen, doch Lupus parrierte so geschickt, dass dies wohl eher zu einer Probe seiner Schlagfertigkeit und guten Vorbereitung wurden. Durus sah wohlwollend zu dem Aurelier und dann etwas hönisch zu dem Vescularier.

  • Avianus saß auch in den Reihen der Senatoren und hörte Lupus zu, begierig darauf zu erfahren, wie sich sein Verwandter schlagen würde. Er hatte nicht viele Sorgen in dieser Sache, denn er wusste, dass Lupus fähig und eifrig war. Er machte eine gute Figur in seiner ersten Rede zu seiner ersten Kandidatur. Es machte Avianus stolz, dass Lupus sich zu etablieren wusste und auch dass er positive Stimmen aus dem Senat erhielt. Auch von ihm würde er Unterstützung erhalten. Gerne hätte er sich als Erster geäußert, doch als Jungsenator stand ihm dies nicht zu, so musste er eben warten, bis die älteren Senatoren fertig waren.


    Der Einzige, der seinem Verwandten etwas auf den Zahn fühlte, war zugleich der unangenehmste Mann, der zurzeit bei ihnen im Senat saß: Der Praefectus Urbi, ein Mann, dem Avianus nicht unbedingt mit Symphatie entgegen sah und umgekehrt. Doch es zauberte Avianus ein Lächeln auf den Lippen, wie gekonnt und gut vorbereitet Lupus den stechenden, penetranten Fragen von Salinator entgegen kam. Ja, spätestens jetzt hatte Lupus seine Fähigkeiten gezeigt.
    "Auch ich kann für die Qualitäten des Kandidaten sprechen", unterstützte Avianus, "Er hat sich mir gegenüber als fähig und klug erwiesen und ich denke, dass er im Cursus Honorum - auch in Zukunft - gut aufgehoben wäre. Aurelius Lupus hat sich seine erste Chance in der Tat verdient."

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