Schon bei meiner Ankunft hatte ich die Größe des Anwesens als einschüchternd empfunden, doch das war nun von außen gewesen. Im Inneren jedoch merkte ich immer mehr, dass ich mich fühlte wie eine winzig kleine Made, wobei mein neuer Stand, mit dem ich mich bei Weitem noch nicht abgefunden hatte, noch einiges dazu beitrug. Doch hier neben mir, stand dieses kleine Mädchen, welches sich so viel Mühe gab erwachsen zu wirken und das mich nun ins Balneum geleitet hatte.
In der Tat hatte sie sich mir noch nicht vorgestellt und hatte auch ansonsten keinen Namen aufgeschnappt. Doch dieses Manko sollte sich ändern. Sisenna hieß sie also und sie war eine Claudia. Anscheinend war sie hier so etwas wie ein Mündel, denn sie sprach von ihrem Onkel, der sich um sie kümmerte. Das merkte ich mir gut, auch wenn ich keinerlei Schlüsse ziehen wollte. Mein Denken war nicht so beständig wie noch vor zwei Tagen und mir schwirrte alles im Kopf herum wie ein Schwarm Insekten. Noch in diesem Moment glaubte ich, ich würde nie wieder klar denken können. Doch dann erwähnte sie ihre Freundin. Und die war niemand anderes als die Kaiserin? Meine Augen weiteten sich vor Überraschung. War ich wirklich in derartig einflussreichen Kreisen gelandet? Ich konnte es kaum glauben. Alles was wir jemals erträumt hatten war, für solche Menschen zu arbeiten. Doch nicht als Sklaven, sondern als Künstler und Handwerker, die damit gutes Geld verdienten. Allein der Gedanke daran trieb mir einen Stich in den Magen. Während Sisenna noch sprach, blickte ich ihr nun ungläubig entgegen. Ein kleines Mädchen war allein beim Aedil? Sie hatte Bienen, einen Ponyhof und sie züchtete Zierfische? Alles in allem gab ich meiner Sprachlosigkeit Raum, denn das was sie offenbar in ihren jungen Jahren hatte war mehr, als ich mir für mein ganzes Leben jemals hätte erträumen können.
“Ponys und Zierfische! Sie zu sehen wäre wirklich wunderbar!“, entkam es mir trotz meiner Sprachlosigkeit. Ich nickte dazu verstehend. Doch dann erwähnte sie meine Familie. Allein bei dieser Erwähnung schwoll in mir wieder die Verzweiflung empor. Ich blickte Sisenna an und war versucht, ihr mein ganzes Herz auszuschütten. Am liebsten hätte ich ihr alles erzählt, von dem Überfall, den Schlägen, den Rohheiten und den Dingen, die man Thierza angetan hatte. Aber ich musste mich zügeln. Sie war nur ein Kind. Das musste ich mir ins Gedächtnis rufen. Ich überlegte kurz und ging dann vor Sisenna in die Hocke, da es mich dränge, mit ihr ungefähr auf einer Augenhöhe zu sein, während ich sprach. “Sie sind verschleppt worden. Von brutalen Männern, die uns vor zwei Tagen überfallen haben,“ versuchte ich so nüchtern wie möglich zu erklären. “Ich weiß nicht wo sie sind und mache mir große Sorgen, denn...“ Nun suchte ich wieder nach Worten, die ein Kind nicht allzu sehr erschreckten. “...die Männer waren wirklich sehr böse zu uns.“ Erwartungsvoll schaute ich ihr nun entgegen und hoffte, dass ich sie mit dem Gesagten nicht doch irgendwie überforderte. Ich hatte nicht viel Erfahrung mit Menschen dieses Alters.