Atrium | Die guten alten Zeiten

  • Aus dem Vestibulum heraus trat ein kleiner Sklave namens Phoebus, schweigsam und gebückt. Er kam vor einer Kline zu stehen, wo er mit einer tiefen Verbeugung und einer Handbewegung Verus anbot, sich niederzulassen. Ein weiterer Sklave brachte ebenso schweigsam etwas Wein und füllte in einen Becher ein, ohne dass Verus erst dazu kommen könnte, nach Wein zu fragen.

  • Verus kam mit einem freudigen Satz herein und blickte sich um. Ein Sklave deutete ihm einen Sitzplatz auf einer Kline an. "Du kannst ruhig mit mir sprechen," sprach Verus väterlich. Irgendwie tat ihm dieser Sklave leid. Verus war nicht der typische Sklavenschinder oder Sklavennutzer. In dieser Hinsicht war er eine Orchidee in der römischen Welt. Er lehnte Sklaven zwar nicht direkt ab aber erkannte ihre Würde an. Er setzte sich auf die Kline, um auf Piso zu warten. Den Wein ließ er noch kurz stehen, da es ihm im Moment nicht dürstete.

  • Eine Orchidee? Wer spricht da von einer Orchidee? In ganz Rom gibt es nur eine Orchidee, und die tänzelte gerade ins Atrium hinein.
    Aulus Flavius Piso, Quaestor Principis, Septemvir Epulonum, Arvalbruder – was für eine orchideenhaftere Erscheidnung konnte es geben? Vor allem, wenn er wieder endlich mal eine gute Laune hatte. Diese kam nicht von ungefähr. Sein leben lief wieder in geregelteren Bahnen. Die Tode von Vera und Archias, obwohl sie tiefe Narben in der Seele hinterlassen haben, lagen schon länger wieder zurück und heilten. Piso stand kurz davor, Senator zu werden. Vielleicht würde er sogar Pontifex. Und ganz, ganz sicher würde er Prisca heiraten. Die holde Prisca, der Traum des nach Glanz und Glamour strebenden Piso!
    Piso grinste und breitete seine Arme einladend aus, als er auf den Decimer zuging. Als man ihm in seinem Officium gesagt hatte, dass Verus da sei, hatte Piso ganz blöd aus der Wäsche geschaut. Nachdem er einen Moment kontempliert hatte, was jetzt sein könnte, hatte er sich entschlossen, sich darüber zu freuen.
    Und so schritt er eilends auf ihn zu. “Titus!“, rief er. Ja, Verus und Piso nannten sich bei Praenomen... noch aus der Zeit, unendlich lange her, da Piso fast der Schwiegersohn des Verus geworden wäre. Ahh, Serrana. Decima Serrana, du Stern von Rom... ganz tief drinnen tat es noch immer weh. Aber der Gedanke an Prisca wischte die unangenehmen Erinnerungen weg.
    “Du hier? Ich habe dich ja ewig nicht mehr gesehen!“ Seinen Bart hatte er rasiert, fiel Piso auf. Dabei war Verus immer ziemlich stolz auf den gewesen.

  • "Aulus!" - rief Verus freudig und war doch recht überrascht darüber, dass aus dem jungen Mann von damals, ein stattlicher, ambitionierter Mann geworden war. Sein Auftreten sprach von Würde, Wissen und Anstand. Er war ein echter Römer, sein Gang und seine gesamte Erscheinung, schrien förmlich: Römer! Verus schmunzelte. "Das selbe kann ich von dir behaupten. Ich habe dich ebenso lange nicht gesehen. Es ist viel geschehen über das wir sprechen sollten," begann der alte Verus, die Erinnerung an seine Tochter verdrängend, die einmal mit Piso verlobt war. "Wie geht es dir? Ich habe viel von dir gehört. Ein Mann auf dem Weg in den Senat, sagt man auf der Straße." Er nickte zustimmend.

  • Hui. Sprachen aus Piso die hochlöblichen Eigenschaften, die Verus ihm unterstellte? Gut möglich. Er selber war sich ziemlich sicher. Oh ja, er hielt sich wahrlich für das makellose Abbild des besten römischen Typus.
    “So, sagt man das auf den Straßen?“, grinste Piso und legte seine rechte Hand vorsichtig die linke Schulter des Decimers. “Es könnte stimmen, ja... es könnte stimmen. Denn schließlich bringe ich jetzt die Quaestur zu Ende, und danach könnte ich wirklich, sofern die Gunst des Kaisers – beziehungsweise seines Stellvertreters – mir hold ist, Senator werden.“ Er lachte. “Aber reden wir nicht so viel von mir. Sondern von dir! Wo hast du so lange gesteckt? Warum habe ich so lange nichts gehört von dir? Nicht einmal dein Patron und dein Verwandter Matiacus konnten mir sagen, wo du steckst!“ Denn es war schon seltsam - wieso tauchte Verus jetzt so einfach auf? Aus welchen Loch kam er gekrochen?

  • Piso machte in der Tat Karriere. Die Welt schien Piso zu lieben oder zumindest die Götter. Verus konnte nur staunen, wie schnell Piso in die höchsten Würden aufgestiegen war. Ihm selbst würde es auf Ewig verwehrt werden, Senator zu werden. Er musste sich mit dem Geringeren zufrieden geben, sofern er dieses noch erhielt. Verus war ein Mann, der für Rom alles geopfert hatte aber nichts aus diesem Opfer gewann, außer dem Gefühl, Rom gedient zu haben. Verus war ein Römer, ohne Zweifel aber er hatte nie ein Händchen für Machtspiele oder eigene Machtvermehrung. Viel mehr scheiterte Verus daran, denn er war zu gutherzig, zu ehrlich und tugendhaft, um in die Politik zu gehen. Dies erkannte er zu spät und scheiterte. Piso im Kontrast zu Verus schaffte den Tanz zwischen Tugendhaftigkeit und Heuchelei des Senats. Suum cuique. Verus würde ritterlicher Beamter bleiben und Piso würde Senator.


    "Du wirst Senator werden, denn du bist ein echter Römer. Warum sollte man dich abweisen? Du hast altrömisches Blut in deinen Adern und du stehst für Rom ein. Rom ist das Licht, dass durch unsere Taten befeuert wird. Auch dem Stellvertreter des Kaisers wird dies auffallen, der wohl mehr herrscht als unser, die Götter mögen ihn schützen, Kaiser. Ich bin ein Mann der ehrlichen Worte. - Eben diese ehrlichen Worte kosteten mich damals vieles," sprach Verus leicht selbstkritisch und versuchte Piso damit mental zu unterstützen, dass er schon Senator werden würde. "Ich war im Exil. Nach dem Debakel bei der Wahl. Meine Kriegsverletzung ließ mich ohnmächtig werden und so entschieden die Götter in den heiligen Hallen des Senats, dass Verus nicht dafür bestimmt war. Eine Verletzung, die ich für Rom davongetragen habe, kostet mich das politische Amt in Rom, welch' eine Ironie, Aulus. Nach dieser Schmach musste ich mich selbst erneut finden und begab mich ins Exil zu ausgewogenen Studien. Ich lebte, wie ein Einsiedler, in einer Waldhütte und entsagte für ein einige Jahre dem Weltlichen. Nach diesen Jahren wusste ich, was Rom für ein Licht in der Welt war. Als ich nach Rom zurückkehrte, musste ich erfahren, dass meine Tochter, du magst sie kennen, Serrana mit einem Kerl durchgebrannt ist und meine Söhne verstarben. Einer im Krieg, der andere an einer Krankheit. Ich habe meine gesamte Familie verloren und frage mich bis heute, warum die Götter mich derart prüfen? Ein Vater sollte nicht seine Söhne überleben. Nach diesem Schlag suchte ich Halt in der Philosophie und schimpfte mich nun wohl Stoiker. Ich kann dieser Richtung am meisten abgewinnen und richte mein Leben nach den Idealen der Stoa aus. Ich habe die Hoffnung bald in der Kanzlei arbeiten zu dürfen als a Memoria, sofern alles gut verläuft. Jedoch musste ich meine großen Träume begraben, wie damals, das Gefühl, heroisch in den Krieg zu ziehen. Ich fühle mich nicht mehr heroisch." Ein wenig Trauer legte sich auf seine Stimme.

  • Piso konnte es sich nicht verkneifen, Verus noch einmal ganz kurz zu mustern. Ja, der Decimer war älter geworden. Er, Piso, ja auch. Die erste Blüte der Jugend war schon vorbei, so Leid es ihm selber auch tat, sich dies einzugestehen. Er schmunzelte auf Verus‘ erste Ansage hin. “Wenn die Götter es so wollen“, entgegnete er. Natürlich wollten es die Götter so, vor allem seine Ahnen! Die vergöttlichten flavischen Kaiser grinsten auf ihn herab, da gab es keinen Zweifel. Altrömisches Blut, ja, das stimmte wohl. Die Decimer waren noch nicht lange Römer. Zwar hatten sie sich viel Ruhm erarbeitet, aber doch waren sie Homines Novi. Die Flavier waren das nicht. Die Flavier waren etabliert. Nobilitas. Rom war das Licht, das durch die Taten der Römer befeuert wurde? Herrje, das klang ja fast wie eine Zeile aus einem besonders kitschigen Gedicht aus der Hand des Piso. Ja, er schrieb Gedichte, auch wenn die meisten nie sein Cubiculum verließen und den Platz unter seinem Bett zumüllten. Piso lächelte, als Verus über den Kaiser redete und über Salinator.
    “Titus, das mag wohl stimmen. Kürzlich habe ich den Kaiser kennen gelernt... ach...“ Sein Lächeln schwand. “Es geht ihm nicht gut. Wer verlangt, dass der Kaiser regiert, der denkt unrealistisch. Es geht nicht.“ Er schüttelte leise den Kopf.
    Ehrliche Worte, ja, Piso hatte davon gehört, was Verus in den Hallen des Senats damals gemacht hatte. Die Botschaft dessen hatte ihm Angst eingeflösst, Angst, als er damals zum ersten Mal vor den Patri Conscripti stand. Ist aber alles gut gelaufen. Er war auch das zweite Mal gewählt worden, als er zur Quaestur kandidierte. Ob es aber wirklich die ehrlichen Worte waren, warum er verloren hatte, oder viel eher die Tatsache, dass Verus vorm Senat aus seinen Sandalen gekippt war? Das sprach er dann auch an, als Piso nur weise nickte.
    Exil also. In einer Waldhütte. Abgeschieden von der Welt. Irgendwie war es ganz dumm, so etwas zu tun. Aber nicht dämlich dumm, sondern dumm in einer glorreichen Art und Weise. Es passte zu Verus wie die Faust aufs Auge, solch eine Aktion zu setzen. Piso hätte es sich eigentlich denken müssen. “Hättest mir was sagen können. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht“, musste er dann aber doch einwerfen. Oder war es Verus‘ Plan gewesen, dass niemand, aber auch niemand, je draufkommen würde, wo er war? Konnte gut sein.
    Ausgewogene Studien... Psio fragte sich, was Verus denn so in seiner Waldhütte, wo immer die auch war, studiert hatte, da kam Verus mit der Neuigkeit über Serrana.
    Serrana. Und wie er sie kennen mochte. Serrana. Sie war... “...mit einem Kerl durchgeb...“, stotterte er hervor und blickte Verus ungläubig an. Er keuchte nach Luft. Setzte sich. Ballte seine Hände zu Fäusten. “Aber... wie... Serrana durchgebrannt...“ Seine Fäuste verkrampften sich. “Aber ich habe sie doch...“ Sein Blick schweifte ab, zum Impluvium hin, wo sich der Himmel im Wasser spiegelte. “Und hat sie denn nicht auch...?“, fragte er stumpfsinnig vor sich hin. Er atmete tief aus und ein und ließ Verus‘ Worte wieder an sein Bewusstsein dringen.
    “Es tut mir Leid. Das mit deinen Söhnen.“ Er meinte es ehrlich. Es musste schlimm sein, als Vater seine Söhne zu verlieren. Nicht, dass Piso sie gekannt hatte. Trotzdem. Sie mussten noch sehr jung gewesen sein.
    Verus redete von der Stoa, Piso war bemüht, sein Hirn nicht auszuschlaten. Stoa. Nicht unbedingt seine Philosophie. Am Ehesten war er noch Pythagoreer... wobei, nciht einmal das. Er war Pisoniker. Genau das. Er lebte nach seiner eigenen Philosophie, die zu vertrackt war, um Schüler zu gewinnen. Nicht aber, dass er jene disrespektierte, die einer philosophischen Schule anhingen!
    “Procurator a Memoria. Das ist ein guter Posten. Damit wärst du Nachfolger von Caius Aelius Archias...“ Er blickte Verus ernst an. “Hast du ihn kennen gelernt? Er war mein bester Freund. Der beste, den ich je gehabt hatte. Er hat sich umgebracht, ich weiß nicht, wieso. Depressionen, glaube ich“, machte er leise. “Meine geliebte Schwester Vera habe ich auch verloren. Eine lange Krankheit“, fügte er hinzu. Er schwieg kurz.
    “Procurator a Memoria ist ein guter Posten, und du wärst sicher ein würdiger Nachfolger für Archias. Und ich bin mir sicher, du kannst dem Kaiser und dem Reich so gut dienen.“ Er schluckte und atmete aus.
    “Aber Serrana... ich verstehe es nicht, Titus. Ich verstehe es nicht. Ich habe sie doch geliebt...“, wiederholte er leise.

  • Dass es dem Kaiser nicht erging, das war jedem in Rom bekannt oder zumindest den Leuten, die Ohren aufgesperrt hatten. Einige Kreise sprechen sogar schon von Usurpation und Machtübernahme durch Salinator. Es heißt sogar, ein neuer Kaiser wäre in Rom und man sollte sich an diesen halten, wenn man Karriere machen wollte. Verus gab zwar nicht viel auf Gerüchte aber die Masse an Gerüchten um Salinator und den Kaiser ließen ihn irgendwo im Kern dieser Gerüche eine Wahrheit vermuten. Salinator war ein Mann, der, sofern er noch eine Legion unter Kontrolle bekäme, nach der Macht greifen könnte. "Dann sind wir in Gefahr, an einen Tyrannen zu fallen. An einen Mann, der herrschen will," antwortete Verus die Aussage und die Gerüchte deutend, die ihm gerade wieder bewusst wurden. "Der Kaiser muss Rom wieder betreten, sonst vergisst Rom, einen Kaiser namense Valerianus zu haben und ersetzt diesen durch einen Salinator. Rom greift immer nach dem Stärksten und Mächtigsten Mann. Leider ist es ein politisches Gesetz, dass der Stärkste herrschen muss," seufzte Verus. "Hoffen wir, dass unser geliebter Kaiser gesundet und wieder regieren kann. Ich hoffe persönlich, dass er bald gesundet." Er nickte nachdenklich. Serrana schien Piso immer noch nicht ganz loszulassen. Verus laß in Pisos Gesicht, wie in einem Buch, dass er Serrana immer noch irgendwo liebte. Pisos Worte unterstrichen dies nur. "Ich weiß, dass es schwer ist, eine Liebe zu verlieren. Das Leben geht jedoch weiter und wir alle finden den richtigen Partner, der uns unterstützt und durch die Jahre des Lebens trägt. Leider ist Serrana mit einem Mann durchgebrannt, der nichts für sie ist und mich ablehnt. Sie liebt ihn und hat sich seit ihrer Flucht nicht mehr bei mir gemeldet. Ich vermute, dass sie mit mir abgeschlossen hat. Ein schreckliches Gefühl für einen Vater," erklärte Verus. "Meine Söhne waren Römer. Der eine Soldat, der andere Politiker. Beide hatten Ambitionen, die früh zerschlagen wurden." Eine Träne rann Verus aus dem linken Auge. "Ich habe sie geliebt, meine Söhne und nun sind sie nicht mehr aber ich muss für sie weitermachen. Ich kann Rom nicht schutzlos lassen." Er seufzte erneut.


    "Es geht mir nicht um das Gehalt, Aulus. Viel wichtiger ist, dass ich dem Reich diene und wichtige Verwaltungsaufgaben erfülle, wie den Kaiser über wichtige informieren oder die Akten anlegen über die Entscheidungen des Kaisers, damit unsere Kindes Kinder diese nachvollziehen können," sagte Verus leicht stolz aber dennoch mit einer belegten Stimme. "Das mit deinem Freund, Archais, tut mir ebenso leid. Irgendwie lieben es die Götter uns zu prüfen und ob wir fähig sind, ein Reich, wie unseres, zu führen. Deine Schwester war doch noch jung? Vera, ein trauriges Epos," versuchte er an Anteil zu nehmen.

  • Piso nickte mit heruntergezogenen Mundwinkeln, als Verus pessimistisch wurde. “Fehlt nur noch, dass er beginnt, reihenweise die Leute umzubringen. Er ist noch nicht mächtig genug, sich sowas zu erlauben. Aber warte nur, bald schon werden die ersten Köpfe rollen. Möglicherweise ist es Salinator, der daran Schuld ist, dass der Prätorianerpräfekt untergetaucht ist, denn man sieht und hört nichts mehr von jenem.“ Ja, Piso begann schon, sich um Balbus Sorgen zu machen. Wo steckte der Mensch denn?
    Er seufzte. “Titus, das ist Wunschdenken. Als ich den Kaiser gesehen habe, habe ich gesehen, wie schlecht es ihm ging. Stell dir vor, der Typ ist eingeschlafen, als ich mit ihm redete, so fertig ist er.“ Er grübelte. “Wobei er auch vielleicht nur einen üblen Kater hatte. Kann ja auch sein, oder?“ Er konnte nicht dem Drang widerstehen, sich am Kopf zu kratzen. “Aber ehrlich, als ich ihn gesehen habe, habe ich sofort geglaubt, dass er nicht nach Rom kommen kann. Dabei hat er einen Sohn, macht ihn aber nicht offiziell zum Caesar. Ich habe ihn ja danach gefragt, aber er ist der Frage einfach ausgewichen. Stell dir vor. Wenn der Kaiser mit seiner Krankheit morgen stirbt, dann ist die Frage, wer der nächste Kaiser wird, total offen.“ Er zuckte mit den Schultern. “Dann könnte Salinator sich wirklich zum Augustus aufschwingen. Kaiser Salinator, mir wird schlecht, wenn ich daran denke.“ Er seufzte leise. “Ich hoffe es ja auch. Aber ich weiß nicht... naja.“
    Die Sprache kam auf Serrana, und über sie zu reden, fiel Piso um Einiges schwerer, als zu Politisieren. Er nickte nur schwerfällig, als Verus auf ihn einredete wegen Serrana. Sie hatte mit ihrem Vater abgeschlossen. Sie war durchgebrannt, und weg. Der Flavier begann nervös auf seiner Unterlippe zu nagen. Natürlich sollte es ihn nicht mehr bekümmern... aber trotzdem, tief drinnen in seinem Herzen stach es gehässig.
    “Nun... ich...“ Er rang nach Worten. Hoffentlich war Verus ihm nicht böse, wenn er es ihm anvertraute. “Deine Worte bestätigen mich darin, dass ich den richtigen Entschluss gefällt habe.“ Er blickte Verus kurz bedeutungsvoll an, bevor er erklärte. “Ich werde mich bald verloben, und, wenn die Götter es wollen, verheiraten.“ Er begann zu lächeln. “Sie heißt Aurelia Prisca. Also eine Patrizierin. Du musst wissen, ich liebe sie wirklich. Sie ist ganz wunderbar. Schön, gebildet, geistvoll, liebenswert, und eine wahre Ästhetin.“ Vielleicht wäre es noch einen Zacken schöner, an sie zu denken, wenn nicht Verus Serrana erwähnt hätte.
    Was Verus‘ Söhne anging, konnte Piso nicht viel sagen. Er kannte keinen der beiden. So legte er also nur sachte seine Hand auf Verus‘ Schulter. “Das ist ganz furchtbar“, versicherte er ihm, bemüht, mit gesammelten Ernst daherzuschauen, während seine wahren Gedanken aber bei zwei Frauen weilte... einer, die nah, und einer, die fern war. Einer der beiden würde er für immer für sich haben, die andere war aber für immer verloren für ihn.
    Verus erklärte das Aufnehmen seiner neuen Arbeit mit einem gewaltigen Pflichtbewusstsein, wozu Piso nur milde nickte. Seine Gedanken hatten sich noch immer nicht recht zu diesem Gespräch hier hergefunden. “Ich bin mir sicher, du wirst die Kanzlei und das Imperium bereichern können. Lass dich nicht einschüchtern, wenn die Notarii in Ohnmacht fallen, wenn sie dich zum ersten Mal sehen. Es sind relativ schwierige Leute. Lass dir das von einem ehemaligen Primicerius gesagt sein.“, machte Piso ernsthaft.
    Er nickte wieder einmal, als Verus über die beiden Toten sprach. “Ja, sehr traurig“, machte er knapp. “Und ja, Vera war noch sehr jung. Sie hat es nicht verdient, weißt du? Sie hat es nicht verdient, so jung zu sterben. Sie... sie war die einzige, die mich jemals wirklich verstanden hatte.“ Nervös faltete und entfaltete er seine Hände.

  • "Das wird er nicht tun. Nicht die Dinge machen uns Angst, sondern die Vorstellung der Dinge. Er kann deutlich leichter herrschen, wenn er das Gefühl der Angst aufrecht erhält. Wenn wir denken, dass er uns umbringen kann, dann kontrolliert er uns. Menschen zu töten, zerstört diese Angst, da es willkürlich wirkt und im Endeffekt seine Macht untergräbt, weil einige Kreise dann aufbegehren und es wie folgt kommentieren: Es reicht. Aufstände wären die Folge. Insofern braucht er uns, um das Klima der Angst zu erhalten," folgerte Verus. "Wenn der Kaiser nicht zurückkehren kann, dann ist es so. Dann muss der herrschen, der herrschen kann. Leider ist dies nun Salinator. Wir müssen uns damit abfinden, dass es vielleicht bald Salinator ist, der uns anführt. Als Römer ist es unsere Pflicht den Purpur zu akzeptieren, auch wenn uns die Person nicht gefällt, die ihn trägt. Rom braucht einen Herrschen, der herrscht und eine Figur des Alltags ist. Sein Exil schadet Rom und schau dir nur die Zwietracht an, die nun erwächst. Diese Zwietracht zerfrisst Rom. Die Einheit Roms ist das Wichtigste. Wir sind eine Nation und der Kaiser ist das Symbol dieser Einheit. Dieses Symbol ist jedoch krank. Ich bezweifel, dass es ein normaler Kater war," äußerte Verus seine Gedanken zu dem Thema. "Um es trocken zu sagen: Wir brauchen einen gesunden, starken Kaiser, damit Rom nicht in den Schrecken eines Bürgerkriegs versinkt." Verus nickte nüchtern. "Aurelia Prisca? Tut mir leid aber diese Person sagt mir nichts. Wenn du sie aber liebst und sie doch auch, dann spricht nichts gegen eine Heirat," sagte Verus mit einem leichten Schmunzeln. Der alte Piso war mal wieder verliebt. Dann wurde er wieder ernster. "Meine Söhne waren Römer und taten das, was man von ihnen erwartete. Ich bin stolz auf sie. Sie starben als Römer." Verus musste sich erneut eine Träne verdrücken. "Vera...," seufzte Verus. "Immer sterben die Guten zuerst, das junge Leben." Er schüttelte sich leicht, um die traurigen Gedanken loszuwerden. "Ach', Aulus. Die Kanzlei ist auch nur ein weiterer Ort, an dem man Rom dient. Ich werde damit schon zu recht kommen."

  • Piso runzelte die Stirn. Verus überwältigte ihn fast mit einem enormen Schwall an Worten. Doch Piso ließ den Mann ausreden. Nichts gegen Monologe, jedem seine Volksrede. Verus liebte es sowieso, solche zu schwingen und dabei deprimierende Philosophie einzustreuseln. Er schilderte auch gleich einmal ein Bild davon, wieso Salinator die Politik verfolgte, die er verfolgte. Piso dachte nach.
    “Ich kann mir vorstellen, dass es jetzt schon Kriese gibt, die ihn absetzen wollen. Aber ja, vielleicht hast du recht. Vielleicht will er wirklich so viel Macht wie möglich, ohne dass der Mob dann gleich einmal nach seinem Blut lechzt. Ja, kann mir schon vorstellen, dass Salinator das will. Schließlich sind die großen Tyrannen auch gefallen. Obwohl sie auch große Künstler waren, das wirst du zugeben müssen“, machte er zu Verus mit suggerierendem Nicken. “Nero und sein ästhetisches Empfinden war astrein. Und man sagt sich, Caligula konnte interessant tanzen. Sein Nicken wurde ausgeprägter.
    “Ach, es gibt viele, die herrschen können. Salinator aber ist der, der sich auf die Cohortes Urbanae stützen kann. Und den Kaiser. Der Kaiser segnet alles ab, was Salinator tut.“ Piso schüttelte seinen Kopf. Er horchte aber weiter zu und nickte dann wieder. “Natürlich braucht Rom einen starken, gesunden Kaiser. Den haben wir aber nicht. Wir müssen schauen, was wir daraus machen, dass wir keinen gesunden, starken Kaiser haben.“ Er wackelte leicht effeminiert mit seinem Kopf. “Es wäre nur zu schön, wenn man einen Vorteil aus der Krankheit des Kaisers schlagen könnte. Das kann man aber nicht! Pech für uns.“ Er zuckte die Schultern. “Römer sind wir, und so müssen wir wissen, solche Zeiten mit erhobenem Haupt zu tragen!“, machte er wie ein Echo auf Verus‘ patriotischem Reden.
    Seine Augen glühten auf. “Aurelia Prisca, ach, sie ist wundervoll. Ganz und gar wundervoll.“ Er hatte das zwar schon gesagt, aber er wurde nicht müde, dies zu wiederholen. “Wundervoll...“ Seine Augen bekamen etwas Entrücktes, fast, als ob er träumte von einem göttlichen Zauberwesen. Nun, Prisca war das für ihn. Für ihn war sie perfekt, und es machte ihn irre glücklich, von solch einer Frau geliebt zu werden.
    “Welch Glück, dass es passt“, machte er, und er meinte es. Schließlich war Piso Patrizier und Prisca Patrizierin. Die Heirat würde also standesgemäß sein. Ein Traum!
    Zu den Todeslamentierungen nickte er nur grave. Eigentlich wollte er nicht mehr viel dazu sagen. Er hatte viel zu sehr unter dem Tod seiner Schwester gelitten, als dass er das jetzt noch einmal auswalzen wollte. Denn dies wäre unschön. Piso wollte sein Leben wieder aufnehmen. Vielleicht würde es gelingen. Es wäre wünschenswert, würde es gelingen.
    “Ach, die Kanzlei ist ganz lässig. Du wirst es dort sicher mögen. Es gibt dort keinen übertriebenen Stress... die Leute sind lustig... die Arbeit ist ganz lax. Wirklich entspannender als der Cursus Honorum. Du musst nur genau das tun, was dir gesagt wird, und schon hast du ein schönes Leben.“

  • Verus schwieg kurz. Es waren viele Worte, fast schon zu viele Worte. Beide plapperten wild darauf los und schnitten viele Themen an. Er musste schmunzeln. "Wir reden uns ja die Münder fuselig," scherzte er. "Zu viele Themen für einen trägen Geist," sagte er und deutete Piso damit an, dass man wohl einen Gang herunterschalten sollte, damit das Gespräch nicht zu einem wirren Sprachklumpen wurde. Ein Gespräch sollte Ordnung haben. "Wo waren wir?" - stellte er eine rhetorische Frage, um wieder ins Gespräch zu finden. "Salinator wird kein Tyrann. Er giert nur nach Macht und wer Macht will, wird alles tun, um sie zu erhalten. Tyrannen vernichten ihre eigene Macht durch Grausamkeit. Sie bringen das Volk gegen sich auf. Herrscher hingegen wahren ein Gleichgewicht aus Gesetz und Machtfülle. Sie achten auf den Willen des Volkes, setzen diesen um und halten die Welt in der Waage. Wir Römer sind die Waage der Welt. Nur wir haben ein Recht geschaffen, dass uns alle schützt, eint und uns die Chance auf eine Zukunft gibt, eine Chance auf Gesellschaft sowie Entwicklung. Nur weiß ich nicht, ob Salinator ein guter Herrscher ist oder doch nur ein Irrlicht mit zu viel Gier. Momentan scheint er aber eher ein Herrscher sein zu wollen. Er handelt zumindest dahingehend planvoll und nicht nur gierig. Es soll kein Lob sein. Es ist nur eine Situationsanalyse." Verus nickte seufzend. "Ich werde Rom dienen und nur Rom. Rom ist das Volk, das Recht und die Einheit des Staates. Der Kaiser ist nur ein Symbol, ein göttliches Symbol für Rom," meinte er nebenbei auf seine neue Tätigkeit bezogen. "Ein Staatsdiener fragt nicht nach dem Kaiser, er dient." Das Liebes-Thema hielt er für beendet und schnitt es auch nicht wieder an.

  • “Hah“, machte Piso und winkte ab. “Hast wohl recht.“ Aber warum sollte man einen so lange verloren geglaubten Freund nicht überschütten mit diversen Geschichten und Ansichten, die ihm aus seinem Kopf schier herauszusprudeln schienen. Verus bezeichnete sich als trägen Geist? Nun gut, wenn Verus sich als solchen sah, konnte Piso das ja auch verstehen. Denn hie und da war ein wenig Trägheit schon gut. Ein winziges bisschen Faulheit. Ein kleines Stück Entspanntheit. Ja, das mochte Piso auch, auch wenn er gerne einen aufgeregt-energetischen Auftritt machte, der zuweilen quirlig schien, und überdreht wohl oft. Doch zuhause im Zimmer zu liegen und an der Lyra zu klimpern war auch unbeschreiblich schön... auch wenn dies die Töne nicht waren, wiewohl Piso sie wundersam ästhetisch fand.
    Das Gespräch fand wieder in alte Bahnen zurück. “Herrscher, hmm...“ Er verzog sein Gesicht. “Als Nächstes bezeichnest du ihn wohl als Staatsmann.“ Er zuckte die Schultern. “Nun ja, wenn er mich zum Senator ernennt, so wie er dich, Titus, zum Procurator a memoria ernannt hat, dann will ich nichts über ihn gesagt hatten. Dann war er wenigstens ein für mich nützlicher Herrscher.“ Er blickte kurz nach oben, als ob dort was zu sehen wäre, bevor er Verus wieder anschaute. “Weißt du... er hat mich einmal abgelehnt für einen ritterlichen Posten. Um ehrlich zu sein, den, den du gerade bekleidest. Aber nun ja. Wenn ich ihn erhalten hätte, hätte Archias ihn vielleicht nicht erhalten... und du vielleicht auch nicht. Vielleicht war es gut so.“ Seinen eigenen Faden verloren habend, starrte er kurz ins Leere, bevor er sich fing.
    “Nun ja, sicherlich. Ein Staatsdiener muss Rom dienen. Ja. Klar. Und Salinator ist noch immer besser als manches Gewürm, welches in Rom umherkriecht... und sogar politische Karriere macht...“ Das Bild des Duccius Vala erschien in seinem Hirn, ein kurzer bitterer Glanz schlich sich in seine Augen. “Ja, dem Reich dienen. Habe ich ja auch gemacht. Stell dir vor, der Typ, Vescularius, hat mir aufgetragen, einen Census zu machen. Vom ganzen Reich. Unglaublich. Naja, ich bin fast damit fertig.“ Er zuckte die Achseln. Dass Verus die Sache mit der Liebe nicht mehr anschnitt, dafür war Piso dem Decimer eigentlich dankbar.

  • Verus schmunzelte zynisch. "Man kann ihm nicht abstreiten, die Politik zu verstehen, die Politik der Macht. Wenn man so will, ist er ein Staatsmann," forcierte der alte Ritter Verus. "Ob er mich bereitwillig ernannt hat oder auch nicht, das weiß ich nicht. Ich vermute schlicht, dass ein guter Freund von mir, Einfluss darauf nahm. Ich hoffe nur nicht, dass er sich an Salinator verkauft hat." Sedulus war ein echter Freund aber Verus hoffte inständig, dass er Salinator für seinen Posten nicht allzu viel versprochen hatte. Sedulus war ein guter Senator und sollte nicht in solche Kreise geraten, in das Poker um Macht sowie Geld. "Du wolltest Procurator a Memoria werden?" Nun war Verus stutzig und neugierig. Er beließ es bei dieser Frage, da Piso dieses Thema scheinbar belastete und ging zum nächsten über. "Es gibt genug Gewürm im Reich." Durch einen Zufall fiel Verus Gedanke auch auf Vala, diesen Germanen, der ihm damals die Tür vor der Nase zuschlug. Ein Germane ohne jeden Respekt vor Rom, der nun tatsächlich Karriere machte. Eine Schande! Verus kochte innerlich bei dem Gedanken daran und seine Augen begannen leicht zornig zu funkeln. "Vala...", murmelte er still aber gerade so, dass Piso es noch hören konnte. Es war auch mehr ein zorniges Fauchen, während Verus seine Hand zur Faust ballte. Dann fiel das Thema auf den Census. Verus atmete tief durch, um die Wut zu verdrängen. "Das ist eine gute Sache, sobald ich im Amt bin, würde ich diesen Census gerne in die Archive aufnehmen. Kannst du ihn mir zukommen lassen?" - begann er indirekt mit seiner neuen Tätigkeit, die er alsbald antreten würde.

  • “Hmm...“, wandte Piso unsicher ein. “Bist du dir sicher? Denn, ich meine, es besteht ein Unterschied zwischen Politiker und Staatsmann. Vescularius ist ein Politiker. Aber kein Staatsmann. Weißt du, was ich meine?“ Sein Blick an Verus signalisierte wohl, dass er sich nicht recht sicher war, ob dieser ihm folgen könnte. Man konnte Piso wohl ansehen, dass er jemanden schätzte, wenn er sich Mühe gab, dass jener ihn verstand. Auch wenn dies dann und wann scheiterte, denn Piso setzte bei seinen Mitmenschen oft jenes ästhetische Empfinden voraus, welches einfach nicht da war. Weil die Welt voller Banausen war.
    “So? Ein guter Freund? Wer ist denn das?“, fragte Piso nach. Es würde ihn durchaus interessieren. Wenn es ein Mann war, der Salinator Diverses abringen konnte, dann war er vielleicht nützlich. Vielleicht. Dann nickte er langsam.
    “Wollte ich... naja. Ist jetzt hinfällig.“ Damit ließ er es auch bewenden. Viel mehr hatte er dazu nicht zu sagen. Es war mittlerweile doch schon ein altes Thema. Und wer wusste, ob er mit einem ritterlichen Posten so weit gekommen war wie jetzt. Er hatte die Kanzleiwachstafeln mit der Opferschale vertauscht, den Griffel mit dem Opfermesser, die Begrüßungsformeln auf Bekanntmachungen mit Betformeln bei Voropfern. Und das sollte auch gut so sein.
    Er nickte traurig, als Verus ihm ebenfalls bestätigte, dass es Gewürm im Reich gab. Und dann hörte er etwas, was ihn von vorne bis hinten elektrisierte. Es machte, dass seine Zehen wackelten und sein lockiges Haar sich in die Höhe stellte. Er hob gleich beide Augenbrauen hoch und seine Augen weiteten sich.
    “V... V... V...“ Tief Luft holen. ”Titus Duccius Vala?” Als er den Namen sprach, funkelte der Zorn in seinen Augen. Der ungefilterte Ärger. Ja, Hass. Ein Gefühl, dass auch Verus zu hegen schien. Hatte Vala auch einen guten Freund von Verus in den Tod getrieben? Auf jeden Fall sah er plötzlich Verus aus anderen Augen. Nicht mehr als einen ehemaligen fast-Schwiegervater. Nein, die Situation hatte sich geändert. Verus war nun ein potentieller Verbündeter. Gegen den niederträchtigsten Schuft, den das Imperium je gekannt hatte. “Du kennst ihn?”, brachte er hervor.
    Nur mit Mühe und Not nickte er, seinen Zorn unterdrückend. “Ich kann mir gut vorstellen, dass Salinator mir die Anweisung geben wird, den Census zur Kanzlei zu übermitteln... weißt du was, ich schicke eine Version des Census zum Procurator a libellis und einen anderen zu dir. Annaeus Verus kann ihn dann durchgehen und du kannst ihn archivieren... das erscheint mir nicht einmal unintelligent. Machen wir es so? Weißt du, dabei könnte ich dir ja auch gleich einen Besuch in deinem Officium abstatten." Er zuckte die Schultern.

  • Verus lachte erneut. "Aulus, das sind ästhetische Feinheiten, Details, die nicht von großer Bedeutung sind. Salinator ist ein Politiker; gut, einigen wir uns darauf." Verus streckte seinen Arm aus und klopfte Piso auf die Schulter. "Ich wusste immer, dass du ein großer Wortkünstler bist und die Worte auf eine besondere Weise analysierst, um ihren Kern zu erfassen. Ja, Salinator ist wohl kein Staatsmann." Er nickte, denn nun begriff Verus, was Piso meinte. Ein Staatsmann diente dem Staat und ordnete diesem alles unter, hingegen diente ein Politiker seiner eigenen Karriere. Verus legte die Arme wieder vor sich in den Schoß. Piso wollte tatsächlich Verus Freunde kennenlernen. Verus überlegte kurz, ob er diesen Namen Piso offenbaren dürfte. Er kam zu dem Schluss, dass es nicht schaden konnte, schließlich war Piso ein ehrbarer und wahrer Römer, der nach den alten Tugenden lebte. "Senator Germanicus Sedulus," antwortete er knapp. Alsbald fiel das Thema aber wieder auf Duccius Vala, so dass er nichts weiter zu Sedulus erwähnen konnte. "Vala," knautschte Verus. "Du kennst ihn? Diesen Barbar in römischer Robe? Die Götter sollen ihn abstrafen. Er hat nichts in Rom zu suchen," wütete der alternde Verus mit Worten und klopfte leicht gereizt auf die Stuhllehne. Er konnte in Pisos Augen ablesen, dass auch Piso diesen Mann verabscheute. Verus musste tief durchatmen, um bei der Frage nach dem Census ruhig zu bleiben. "Das wäre wunderbar. Mir missfällt es nämlich, von sämtlichen Belangen, eine Abschrift machen zu müssen." Er nickte erneut und lehnte sich wieder entspannt zurück, Vala verdrängend. "Der Besuch ist ebenfalls eine wunderbare Idee. Du würdest meinen langweiligen Alltag wohlig bereichern." Er lächelte.

  • Piso lächelte verständnisvoll, als Verus ihm implizit zu verstehen gab, dass er mehr von Ästhetik wusste als Verus. Jaja, das hatte der Decimer richtig erkannt. Und er gab ihm auch recht.
    Bei dem Namen jedoch, den Verus Piso gab, runzelte er seine Stirn. Ja, den Namen hatte er sehr wohl schon gehört. Ja, er wusste, wer Sedulus war. Wie hatte Furianus ihn noch einmal genannt? Ein frivoles, vulgäres und die Traditionen verachtendes Subjekt, ein Speichellecker des Germanicus Avarus? Piso blinzelte. Sedulus schien ein Mann zu sein, der sich Feinde in Rom gemacht hatte. Nicht unter dem üblichen Haufen der Banausen, sondern unter Flaviern! Piso hatte keine Ahnung, was er davon halten sollte. “Aha... Germanicus Sedulus...“ Piso grinste ungeschickt. “Soso.“ Mehr sagte er nichts mehr dazu, denn das Gespräch glitt in eine Richtung, mit der Piso eher etwas anfangen konnte.
    Versu schien Vala ja mordsmäßig zu hassen. “Genau, Barbar. Ein Barbar in römischer Robe. Genau das ist es. Dieser Gemeingefährliche. Dieser Mörder.“ Er verzog die Lippen vor Abscheu. “Er hat meinen besten Freund in den Tod getrieben.. und zwar nachdem er einen Attentatsversuch auf seine Frau gemacht hatte. Was hat er dir angetan?“ Voller Erwartung blickte er auf Verus. Hatte Vala ihn hintergangen? Hatte er jemanden aus seiner Familie umgebracht? Hatte er ihn ausgeraubt, hatte er sonst noch unaussprechliche Taten gegen ihn begannen? Denn wenn man Verus‘ Zorn richtig deutete, musste es ja enormer Schrecken und Verdruss gewesen sein, den Vala bei Verus verbreitet hatte.
    Bei der guten Aufnahme seiner Idee nickte Piso fleißig. “Gut, dann komme ich beizeiten vorbei. Ich habe Abschriften herumliegen, und es wäre sinnlos, würdet ihr in der Kanzlei das kopieren müssen, was ich schon lagern habe.“ So unterstützte man die Kanzlei, haha! War Piso nicht ein loyaler und guter Römer? "Die Kanzlei ist langweilig? Naja... stimmt schon. Ich werde dir ein paar Tricks zeigen, wie man sie aufregender machen kann", versprach er verschwörerisch.

  • Verus nickte still. Es war schön, dass Piso ihm die Arbeit abnahm, Abschriften anzufertigen. Zumal er ohnehin Abschriften herumliegen hatte. "Ich freue mich auf deine Tricks," schloss er auch dieses Thema ab, denn nun gab es dunklere Themen zu besprechen: Vala. Ein Name der Verus erschaudern ließ. Vala, ein Germane in römischer Robe, nach der Macht trachtend und die Götter erzürnend. Er untergrub alles, woran Verus glaubte. Vala, ein dunkler Schatten, dunkler Zeiten. Verus seufzte abermals. Piso fragte ihn nach der Schandtat, die Vala ihm angetan hatte. "Ehm...", begann Verus vorsichtig. "Er hat mir in meinem eigenen Haus die Tür vor der Nase zugeschlagen. Er hat mich beleidigt, obwohl ich damals Curator Kalendarii war. Er hat mein Amt beleidigt und als ich ihn belauschte, hörte ich ihn Witze über die römischen Ämter machen. Nicht nur das. Er sprang auch den ehrbaren Frauen der Familie hinterher und versuchte diese für sich zu gewinnen. Er ist wahrlich ein Barbar und konnte dies nicht lange verschleiern." Er - die nette Umschreibung für Vala. Er würde diesen Namen nun nicht mehr erwähnen. Verus reduzierte Vala nun mehr auf ein "Er". Vala schien wahrlich ein Monster zu sein. Denn Verus dachte tatsächlich, dass es schon schlimm wäre, was Vala ihm angetan hätte, nein, er tat in der Tat noch andere schlimme, nein bösartige, Dinge. Verus blickte Piso ernst an. "Wir müssen ihn aufhalten, Aulus." - sprach' er kämpferisch, fast schon auffordernd.

  • Piso grinste schief, bevor das ganze Gesprächsthema hier um vieles ernster wurde als die alten Blödeleien in der Kanzlei, die vor allem darin bestanden, die Notarii zu erschrecken und die Vorgesetzten durch lautes Singen im Gang zu verstören. Nein, es ging nun um diese Zumutung auf zwei Beinen und mit zwei Drecksgriffeln, die nichts lieber taten, als Menschen das Leben zu versauern.
    Dann horchte er zu, und ein Stirnrunzeln konnte er sich nicht verkneifen. Dass Vala Verus so unhöflich behandelt hatte, war nicht freundlich. War es aber ein Grund, soviel Zorn in sich hineinzufressen wie Piso, der sich ganz, ganz sicher war, dass Vala Archias in den Tod getrieben hat, auch wenn er nichts in der Hand hatte? Denn diese unselige Abschiedsnachricht hatte er damals verloren, er könnte sich jetzt noch dafür schlagen.
    Nun, wie dem auch sei. Verus war halt ein empfindlicher Typ. Piso hatte ja schon damit gerechnet, dass er so lange weg gewesen war, weil er aus Trauer über das Böse in der Welt sich umgebracht hatte, nachdem er gesehen hatte, wie eine Katze ein unschuldiges Vögelchen umgebracht hatte. Aber nun gut. Warum machte er sich solche stupiden Gedanken? Verus war ein Feind von Vala! Für so ein Geschenk von den Göttern, den Procurator a memoria als Verbündeten zu haben, hatte Piso sich doch schon total freundlos gewähnt, musste man den Göttern danken und ihnen blutig opfern!
    Er versuchte seine hämische Freude zu unterdrücken und setzte ein entsetztes Gesicht auf. “Oh Titus! Dieser Vala schreckt vor nichts zurück! Er spuckt auf Rom!“ Dann legte er seine Stirn in Runzeln.
    “Das Problem ist, kann man Vala aufhalten? Sein Patron ist, man höre und staune, niemand anderer als Vinicius Hungaricus. Und er hat Freunde... unter anderem meinen baldigen Schwager.“ Die Hochzeit war zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht gewesen. “Aurelius Lupus. Wobei, ich habe noch nicht alle Hoffnung aufgegeben. Lupus ist verwandt mit Prisca, und wenn sie auch nur eine geringste Ähnlichkeit haben, ist er vielleicht erziehbar.“ Piso sah sich gegenüber jedem Antiästheten und Banausen durchaus auch in einer erzieherischen Position, und wenn er damit nicht ankam, dann bestätigte sich das in seiner Absicht, er habe es mit Banausen zu tun. “Aber Vala? Vala ist eine schwarze Seele. Seine reine Existenz beleidigt Rom. Sie beleidigt die Götter. Sie stört den Pax Deorum. Ich sehe es schon kommen, die Blitze, den Hagel, all jene Prodigien, die die Götter uns schicken werden, weil sie es als Frechheit empfinden, dass wir solch ein Subjekt nicht nur unbehelligt wandern lassen, sondern sogar zum Vigintivir wählen! Nein, Verus... dieser Schandfleck muss weg.“ Piso fixierte den Decimer mit seinen Augen. “Er soll im Tartarus landen... und wir, als aufrechte Römer, müssen dafür sorgen.“ Was er laberte, glaubte Piso selber nicht recht (obwohl, wenn er es sich selbst gegenüber dreimal wiederholte, würde das sicher auch noch werden), aber was für eine großartige Ausrede für den intendierten Mord des Ducciers!

  • Verus kratze sich am Kinn. Vala - irgendwie musste man diesen Namen einer Damnatio Memoriae unterziehen aber wie? Verus wollte nicht, dass man diesen Namen weiterhin in öffentlichen sowie politischen Diskussionen erwähnte. Es war an der Zeit diesen Namen vergessen zu machen, sofern er überhaupt in Wahrheit Vala hieß. In Wahrheit hatte er wohl einen germanischen, einen wahren Barbarben-Namen. Verus fürchtete in der Tat um Rom, da er wusste, dass solche Barbaren immer nach der Königskrone trachteten; als Sinnbild für Macht und Gier. Ein Germane als Senator! Verus erschauderte bei der Vorstellung aber bei seinen Freunden und seinem Patron wäre die Tür zum Senat das kleinste Hindernis. "Wenn Vala es tatsächlich schafft, werden die Götter uns zürnen und die Mauern Roms werden zu Gunsten der Barbaren fallen," äußerte sich Verus ein wenig pamphletisch überzogen. Verus haderte mit sich. "Wir müssen ihn nicht physisch beseitigen. Ich bin kein Mörder, Aulus. Er soll dort glücklich sein, wo er hingehört. Er gehört nach Germanien, weit weg von Rom," kam der gutmütige Philosoph in Verus durch, der jedem ein Lebensrecht zugestandt, außer er bedrohte andere in ihrem Leben. Vala machte nur Karriere, zwar zur Schande Roms aber er bedrohte nicht die Existenz von Bürgern. "Es reicht, wenn wir seinen Ruf zerschmettern, denn der Ruf eines Mannes ist, wie Glas. - Einmal zerstört, lässt er sich nie wieder im alten Glanz zusammensetzen. Darüber hinaus müssen wir ihn des Barbarismus überführen. Wir müssen seinen Namen vernichten, bevor wir ihn wirklich vernichten können. Blindlinks zu morden führt uns an kein Ziel, zumal wir selbst vor einem Gericht enden würden. Erst muss Vala, dieses Subjekt, seinen Ruf, seine Ehre und sein Ansehen verlieren."

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