Aviana hob lächelnd die Nase in den Wind. Es war einer dieser Tage, an denen sie mehr als froh war, mit einem doch verhältnismäßig einfachen Leben gesegnet worden zu sein. Sie hatte es zwar nie leicht gehabt, sie hatte durchaus Sitte gelernt, aber sie musste sich trotz alledem nicht mit unnötigen Großfamilientreffen, politischen Ehen und Neid und Habgier auseinandersetzen. Sie brauchte nicht viel zum Leben, war von sehr bescheidener Natur und sie wusste, dass dies nicht selbstverständlich war. Sie betrachtete ihre einfache Herkunft aus einer gewöhnlichen Familie eher als einen Segen, denn auch Armut hatte sie nicht kennengelernt. Zu erklären wusste sie allerdings nicht, warum ihr solche Gedanken dann in den Kopf schossen, wenn sie an der frischen Luft war und sinnierend und ohne Pflicht dahinflanierte. Auch kamen ihr in diesen Situationen nahezu musische Erkenntnisse, die sie aber niemals erhält, wenn sie danach sucht.
Auf jeden Fall war es nun einfach so, dass ihr solcherlei Gedanken in den Kopf schossen, jetzt, hier und ohnehin meistens, wenn sie völlig frei von allem war. Zwar war es nicht gerade ein warmer Tag und dichtere Stoffbahnen schützten ihren zierlichen Körper vor Kälte, aber die Sonne schien freundlich vom hellen Himmel herab und ließ die Menschen allgemein friedlicher, freundlicher und wohlwollender wirken. Vielleicht war es die eigene positive Einstellung, die diesen Eindruck entstehen ließ, vielleicht teilten aber die andren Menschen auch diese herbstlichen Gefühle. Das braune Haar hatte sie sorgfältig hochgesteckt und insgesamt hatte sie sich heut ein wenig zurechtmachen lassen. Noch immer dezent, aber deutlich intensiver als an vollkommen normalen Tagen.
Sie war noch nicht oft in Misenum gewesen, eher auf der Durchreise oder wenn wirklich etwas hier angefallen war, aber das ist eher selten der Fall gewesen. Sie hatte es bevorzugt, bei ihrem Vater auf der Villa zu bleiben und sich mit ihm und mit sich zu beschäftigen. Aber langsam sehnte sie sich doch nach etwas mehr Gesellschaft, Austauschmöglichkeiten. Sie war einfach ein zu geselliger Typ Mensch als dass sie es in der Isolation länger aushielt. Mochte an ihrem Alter liegen, vielleicht auch nur an ihrem Wesen. Sie sprach gerne, manchmal zuviel. Beileibe fing sie nicht bei Fremden an, ihnen ihre halbe Lebensgeschichte aufzutischen und auf dies und jenes zu zeigen, aber wenn sie eine Bekanntschaft oder Freundschaft bereits über einen längeren Zeitpunkt hatte und hegte, dann plauderte sie zum Ohrenerweichen.
In weiß-blauer Gewandung jedenfalls trieb es sie nun eine Straße entlang, eher ziellos und neugierig auf die Umgebung achtend, fand sie immer wieder eine bemerkenswerte Kleinigkeit. Hier ein besonders hübsches Ornament, dort ein fröhlich lachendes Kind. Auch sie sehnte sich sehr nach einer völlig unbeschwerten Zeit. Und da kam es ihr, warum sie bei besonders freiem Gefühl viele Ideen bekam – weil dieses freie Gefühl ihr ein wenig der kindlichen Unschuld und Unbefangenheit zurückgab. Als ihr Blick in diesem Moment einen anderen Blick streifte, war sie noch immer am lächeln, als ihr auffiel, dass sie einer Person ein Lächeln gab, die sie gar nicht kannte und nun möglicherweise irritiert sein könnte… Sie biss sich dezent auf die Lippen und wandte den Blick verlegen ab.
Jeder der will, kann!