Ein Kolloquium zum Examen Tertium

  • Valerian nickte an einigen Stellen bei den Vorträgen seiner Mitstreiter. Ja, das waren wichtige Punkte, das sah er ähnlich. Es war schwer, da noch etwas hinzuzufügen, doch er räusperte sich trotzdem und ergriff das Wort. "Eigentlich ist das eine ziemlich persönliche Frage. Ich kann ich nur sagen, was mir negativ auffallen würde oder was mir positiv auffallen würde. Wie meine Vorredner schon sagten: Ich würde mir wie sie auch die Menschen ansehen, mit denen er sich umgibt. Wen bezeichnet er als Freund? Wem schenkt er sein Vertrauen? Auf wen hört er? Wie geht er mit seinen Untergebenen um? Interessiert er sich für sie als Menschen oder sind sie für ihn nur Mittel zum Zweck, das weggeworfen wird, ist dieser Zweck erfüllt? Was sagt er, was verspricht er? Und vor allem, was für Taten folgen diesen Worten? Die Legionen sind immer zu Höchstleistungen aufgelaufen, führte sie ein Mann, der ehrlich zu den Soldaten war, der sie ernst nahm - und sich nicht zu schade war, ihr Leben zumindest für eine Weile mit ihnen zu teilen. Ausstrahlung, ja die ist wichtig und macht es einem Mann leichter, anzuführen. Caesar soll eine unglaubliche Ausstrahlung gehabt haben, doch nicht allein sie war es, die ihm die Erfolge einbrachte. Sondern die Tatsache, daß er mitten unter den Soldaten war und selbst all das auf sich nahm, was er ihnen abforderte. Gut, er war kein Kaiser. Aber er besaß am Ende eine Macht und eine Verantwortungsfülle, die der eines Kaisers kaum nachstand. Auch Tiberius war ein großartiger Feldherr und von ihm heißt es, daß er gar keine Ausstrahlung gehabt habe. Nein, es geht auch ohne, wenn auch schwerer. Wichtiger ist, daß er sich für alles interessiert. Daß er die Menschen ernst nimmt, ihnen zuhört, sich Wissen verschafft, das ihm erlaubt, einen guten Rat von einem schlechten zu unterscheiden. Seht euch Claudius an. Er hatte nicht einmal die Chance einer militärischen Ausbildung. Trotzdem war er in militärischer Hinsicht kein Versager. Die Eroberung Britannias sehe ich dabei noch nicht mal als so wichtig an wie beispielsweise die gründliche Organisatin der Hilfstruppen. Ich frage mich, was hätte dieser Mann erreicht, wäre er in seiner Jugend mehr gefördert worden? Er brachte selbst das notwendige Interesse auf und das ist es, wovon ich mein persönliches Urteil, sofern es mir überhaupt zusteht, abhängig machen würde: Interessiert er sich für die Soldaten, für die Zusammenhänge, für die auftauchenden Probleme? Oder ist der Dienst für ihn nur eine lästige Pflichtübung, die er schnell hinter sich bringen möchte?"

  • Erneut hörte sich Macer die ausführlichen Antworten konzentriert an und stellte fest, mit welchem Engagement die Kandidaten bei der Sache waren. Es wurden durchaus persönliche Ansichten vertreten, aber mit solider Geschichtskenntnis gemischt und sachlich vorgetragen. Aus Nuegier hätte Macer gerne gefragt, welchen Eindruck der jetzige Kaiser auf die Männer machte, aber als Prüfungsfrage verbot sich das leider. "Sehr ausführliche Antworten und sehr wohlüberlegte Einsichten", lobte er stattdessen und blickte kurz in Richtung des Protokollführers, der schon etliche Tafeln mit Notizen gefüllt hatte. "Ich denke, wir sollten langsam zum Ende kommen. Gestatten wir uns als Abschluss ein etwas wagemutiges Gedankenspiel und nehmen an, dass unser jetziger Kaiser oder sein Sohn nicht unumstritten wäre. Was würdet ihr als das größere Risiko ansehen - dass das Militär aktiv wird, ihm das Vertrauen entzieht und einen anderen zum Kaiser ausruft oder dass ein anderer außerhalb des Militärs offen gegen ihn antritt und das Militär passiv zu seiner Seite übertritt?" Die Rolle des Militärs, insbesondere der Prätorianer, als Kaisermacher war schließlich bekannt, aber längst nicht jeder Kaiserwechsel war auf Initiative des Militärs vonstatten gegangen.

  • "Herr, die Frage kann ich so nicht beantworten," beschied Licinus nach längerem Nachdenken.
    "Die entscheidende Frage dabei ist doch, welche Einheiten schon wie lange unter angesehenen Kommandanten stehen. Und wie stehen diese Kommandanten zueinander und zu dem Kaiser.
    Eine Truppe, die lange unter einem Kommandanten steht, den sie verehrt, der noch dazu gute Kontakte zu anderen Kommandanten hat, bei denen das Verhältnis zu ihren Einheiten ähnlich gut ist, ist sicherlich rebellionsgefährdeter als eine isolierte Einheit mit einem unbeliebten Kommandanten."


    "Was ich sagen kann ist, dass ich davon ausgehe, dass es im Moment in keiner Truppe gärt, da niemand unbotmäßig lange im Krieg steht und der Sold pünktlich bezahlt wird."

  • Die Frage war nicht ohne Brisanz. Es brodelte unter der Oberfläche, das konnte niemandem entgehen, der in Rom unterwegs war. Sicher war das seit seiner Abberufung nach Germanien nicht besser geworden. Natürlich war er nicht mehr auf dem Laufenden, was diese Dinge anging, aber Valerian hielt immer die Ohren offen und machte sich so seine eigenen Gedanken.


    Die Worte des Primus Pilus der Prima waren klug gewählt und Valerian nickte dazu. Er zögerte noch, etwas zu sagen. Blickte von einem zum anderen. Doch dann ergriff er doch das Wort. "Die Frage ist wahrhaftig nicht leicht zu beantworten. Die Gründe sind wichtig. Warum sollte der Kaiser umstritten sein? Bei wem wäre er umstritten? Iulius hat Recht: Wir haben keine größeren Feldzüge, die Soldaten werden gut versorgt. Warum sollten sie sich also erheben? Doch sollten sich die Mächtigen hier in Rom gegen den Kaiser stellen und ihre Verbindungen zu den Kommandanten der Truppen spielen lassen, dann könnte dies zu einem ernsthaften Risiko werden, da die meisten Truppen ausgesprochen loyal zu ihrem Kommandanten stehen. Viele Kommandanten sind Angehörige der mächtigsten Familien Roms. Und Blut war schon immer dicker als Wasser. Ich denke also, daß das Risiko eher bei der zweiten Variante liegen würde."


    Er fühlte sich unwohl. Die lange Krankheit und die damit verbundene Zurückgezogenheit des Kaiser machte ihn durchaus umstritten, auch wenn das von niemandem ausgesprochen wurde. Sein Stellvertreter war unbeliebt und dies würde früher oder später auch auf den Kaiser zurückfallen. Dazu war der Sohn des Kaisers so abgeschottet, niemand kannte ihn, er konnte also auch keine Sypmathien gewinnen. Nein, das alles war nicht gut.

  • "Ich muss meinem Vorredner zustimmen, dass die zweite Variante wohl wahrscheinlicher ist, wenn es überhaupt zu so einer schändlichen Tat kommt. Das Heer hat derzeit keinen Grund unzufrieden zu sein. Der Sold wird bezahlt und der Princeps hat ihnen gegenüber auch keine Versprechen gebrochen, wie etwa Galba es tat, oder einen aufreibenden Feldzug geführt. Da sehe ich die Praetorianer zum Beispiel eher als Gefahr und nicht das Exercitus. Es ist ja bekannt, welche Rolle die Praetorianer bei vorangegangenen Kaisern gespielt haben. Sollten dann also schon vollendete Tatsachen geschaffen worden sein, kann ich mirvorstellen, dass das Heer dann passiv bleibt. Zumindest solange nicht eine besondere Sache ihren Unmut erregt."


    erklärte Modestus nach langem zögern, denn das Thema war doch schon sehr delikat. Vorallem weil er wohl genauere Prognosen als es wohl den Anwesenden lieb war. Dabei wollte er aber keinem der Anwesenden vorführen, was er als Statthalter oder auch diverse Männer in Rom tun konnten. Von daher blieben eigentlich nur noch die Praetorianer. Die waren immer für einen Putschversuch gut.

  • Macer hatte diese brisante Frage bewusst gestellt und sich auch bewusst für das Ende der Prüfung aufgehoben. "Ja, die Frage ist in der Tat brisant, aber man kommt nicht umhin sie zu stellen, wenn man über die Kasiser und das Militär spricht. Die geschichte hat gezeigt, dass nicht wenige Kaiser durch das Militär zu dem geworden sin, der sie waren und der eine oder andere Kaiser wurde auch durch das Militär abgesetzt. Aber ihr habt dies gut erläutert und auch gut die aktuelle SItuation mit in Betracht gezogen." Dass sie vorsichtig geantwortet hatten war verständlich, zumal ein offizieller Protokollführer im Raum saß. Da sagte man lieber nichts falsches und auch Macer hätte sich gehütet, sich zu weit aus dem Fesnter zu lehnen. "Nun, ich denke, insgesamt war das ein schönes Prüfungsgespräch und wir konnten einen regen und fundierten Gedankenaustausch erleben. Ich denke, euch geht es genauso wie mir, wenn ich sage, dass ich bei keinem von euch mangelnde Kenntnisse feststellen konnte und ihr alle den guten EIndruck bestätigt habt, den ihr mit dem schriftlichen Teil der Prüfung vorgelegt hattet. Ich darf euch dreien also hiermit zum bestandenen Examen Tertium gratulieren."

  • Licinus hätte nicht gedacht, dass ihm das Prüfungsgespräch so kurz vorkommen würde, aber als der Kommandeur verkündete, dass sie alle bestanden hätten, dachte er, dass er gerne mehr gehört hätte.


    "Danke, Kommandeur!" sagte er zu dem Kommandeur und nickte anschließend seinen Mitprüflingen zu. "Es war eine interessante Diskussion," sagte er dabei.

  • Valerian war erleichtert, das zu hören. Sie hatten alle bestanden! "Danke, Kommandeur", sagte er auch er und wandte sich dann an seine Mitprüflinge, um ihnen zu gratulieren. Dabei lag ihm natürlich ein Gespräch seines Kollegen von der Prima besonders am Herzen*, so daß er sich nach wenigen Worten an Senator Annaeus an Licinus wandte. "Glückwunsch, Iulius. Hast Du vielleicht noch Zeit und Lust, einen Becher Wein mit mir zu trinken? Für ein Gespräch, so von Primus Pilus zu Primus Pilus?" Sein Grinsen verriet, daß es kein gar so trockenes Gespräch werden mußte, wie diese Worte zunächst vermuten ließen.



    Sim-Off:

    *Modestus übergehe ich nur, weil er schon nach Germanien umgemeldet ist. Wir haben ja auf der Reise nach Germanien noch reichlich Gelegenheit, uns auszutauschen :)

  • Auch Licinus verabschiedete sich schnell von dem Aennaeer
    "Danke, gleichfalls Quintilius." erwiderte er freundlich.
    "Ausgezeichnete Idee, collega. Kennst du eine brauchbare taberna in der Nähe? Am besten eine, bei der man auch was Essen kann? Ich habe Hunger." Jetzt, wo die Prüfungsanspannung nachließ, meldeten sich die anderen Bedürfnisse wieder.
    Und einen schönen Becher Wein, den konnte er nun sicherlich auch gebrauchen.
    Mit Freude sah er dem Abend mit seinem Kollegen entgegen.

  • "Und ob ich die kenne. Genaugenommen hunderte, die Auswahl ist groß." Valerian grinste von einem Ohr zum anderen. Immerhin fragte Licinus jemanden, der jeden Stein in dieser Stadt beim Praenomen nannte. "Ich denke, die Taverna Apicia ist für unsere Zwecke bestens geeignet. Gemischtes Publikum, zivile Preise und die Gegend nicht so schlecht, daß man ständig auf der Hut sein muß. Hunger habe ich jetzt auch. Heute morgen habe ich nicht viel herunter bekommen. Da ich wegen der weiten Reise kaum Zeit für die Vorbereitung hatte, war ich doch ziemlich nervös." Valerian ging einfach voran und zeigte den Weg.

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