Probatus Iullus Octavius Ofella

  • Dichten gehörte offenbar nicht zu den besonderen Begabungen der jungen Soldaten. Valerian hörte sich das Lied mit mühsam aufrecht erhaltener ernster Miene an. Andere Gesichter sah er zucken. Er konnte sich schon denken, weswegen. "Nunja, ich vermute, Vergil rotiert gerade kräftig in seinem Grab. Aber für den ersten Versuch war das doch gar nicht so übel." Zu gerne würde er wissen, was sie gestern Abend noch so gedichtet hatten. Es mußte gut sein, sie hatten lange herzlich gelacht.


    "Zwei Runden, am Ende jeder Runde dreißig Liegestützen und dann wieder antreten. Und ihr werdet singen beim Laufen! Pergite!"

  • Gut war ihr Gesang wirklich nicht, jeder von ihnen gestand sich dies wohl selber ein. Der Centurio war bestimmt Ausnahmsweise mit seinem Lob einmal freizügig.
    Zwei Runden laufen hieß es dann und mit singen. Ofella fand, dies wäre eine gute Gelegenheit, das Original in ausreichendem Abstand zum Centurio zu singen. „Und nun das richtige Lied“, forderte er die anderen auf.“ So ertönte es fröhlich aus der Ferne, bei jeder Runde.


    Früh am Morgen tönt es venite!
    Der Centurio ist ja keine Niete.
    Ad sinistram! Cursim!
    Schon ist unsere Laune hin.


    Er denkt, grübelt und bemüht sich sehr,
    überlegt sich wie er uns das Leben erschwert.
    Jeden Tag kann er es kaum erwarten,
    zu sehen wie er uns zum Schwitzen brachte.


    Strafen verteilt er ach so gerne
    Da gerät er regelrecht ins schwärmen.
    Zu Männern will er uns machen
    Darum erfindet er tausend Sachen.


    Eine Runde um das Intervallum.
    Das findet er gar nicht so dumm.
    Sein liebstes Spielzeug ist der Rebstock,
    damit hat er uns schon oft geschockt.


    Wer vernahm noch nicht die Kunde?
    Dass er ist in unser aller Munde.
    Drum Tirones hört aller her,
    vernehmt wie er uns das Leben erschwert.

  • Sie sangen. Sogar unüberhörbar fröhlich. Worte waren nur selten zu verstehen, doch was so zu Valerian herüberwehte, klang so ganz anderes als das, was sie vorhin vorgetragen hatten. Valerian konnte nicht anders, er mußte lachen. Doch natürlich hatte er sich gleich wieder unter Kontrolle, als die Männer ihm wieder näherkamen. Sie absolvierten ihre Übung vorbildlich, trotz des ihnen durch das Singen fehlenden Atems. Schließlich traten sie wieder bei ihm an.


    "Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für euch: Wir haben den letzten Ausbildungsabschnitt erreicht, eure Grundausbildung wird bald beendet sein. Und nun die schlechte: Es handelt sich beim letzten Ausbildungsabschnitt um Schwimmübungen. Wer von euch kann NICHT schwimmen? Progredere*!"



    Sim-Off:

    *vortreten

  • Ofellas gute Stimmung war plötzlich wie weggeblasen. Die Frage des Centurio hatte ihn in die raue Wirklichkeit zurückgeholt. Es war das eingetreten, was schon lange seine Befürchtung war. Unsicher schaute Ofella nach links und rechts zu seinen Kameraden. Schließlich seufzte er und meldete mit gesenktem Kopf, nach dem er vorgetreten war: „Ich Centurio.“ Dabei hätte er immer gerne schwimmen gelernt, nur gab es in seiner Umgebung, dort wo er aufwuchs, kein geeignetes Gewässer zum schwimmen. Außerdem hatte niemand die Zeit mit ihm dorthin zu wandern und ihn das schwimmen zu lehren. Jetzt erwartete er nur Gelächter und Spott, bestimmt waren alle vortreffliche Schwimmer.

  • Erstaunlich. Der Octavier war der einzige, der nicht schwimmen konnte. Die anderen behaupteten zumindest, daß sie es konnten. Bei dem einen oder anderen sah Valerian, daß er losprusten wollte, doch ein eisiger Blick genügte, um das zu unterbinden. Einen Kameraden auszulachen, nur weil ihm ein Teil Vorbildung fehlte, war höchst unkameradschaftlich und würde von Valerian niemals geduldet werden.


    "Wenn einer von euch gelogen hat, wird er sich gleich wünschen, nie geboren worden zu sein! Octavius, Du wirst jetzt in die Unterkunft gehen und schon mal Deine Ausrüstung in Ordnung bringen, denn wenn ich mit der Ausbildungsgruppe vom Fluß zurück bin, werden wir zwei in die Thermen gehen. Der Tiber gehört zwar nicht gerade zu den wirklich erstrebenswerten Badegewässern, aber im Dienst könnt ihr immer in die Lage kommen, schwimmen zu müssen. Deshalb lege ich Wert darauf, daß jeder von euch zumindest eine kurze Strecke selbständig schwimmen kann. Octavius, Du kannst jetzt wegtreten. Alle anderen: In agmen venite! Cursim! Pergite!"

  • Wunderbar genau wie ich es mir vorgestellt habe, dachte Ofella. Übelgelaunt ging er zur Unterkunft und begann damit Schienepanzer, Gürtel und Stiefel eine besonders gründliche Pfleg zu spüren zu lassen. Dabei hatte der Tag doch so gut angefangen und nun durfte er mit dem Centurio allein die Thermen besuchen. Was würde erst für ein Gejohle und Gegacker geben wenn er dann zurückkam.Verflucht noch mal“, kam es wütend aus ihm raus, als er einen Stiefel an die Wand pfefferte. Gerade in dem Moment kam einer vorbei und meldete ihm er solle sofort zur Therme kommen.

  • Ein schöner Morgen. Genau das richtige Wetter für diesen feierlichen Tag. Die Männer hatten sich hoffentlich an seine Worte gehalten und sich mit ihrer Ausrüstung besondere Mühe gegeben. Valerian war schon früh auf dem Platz, selbst in blitzender, makelloser Rüstung, um die Männer noch schnell zu inspizieren, bevor der Praefect, der hoffentlich tatsächlich kam, die Ernennung vornahm.

  • An diesem Morgen verließen alle die Unterkunft mit einem besonderen Hochgefühl. Am Tag vorher war Ofellas nicht schwimmen können, bei den Neuigkeiten die der Centurio ihnen unterbreitet hatte, völlig untergegangen. Jeder von ihnen war voll damit beschäftigt gewesen seine Uniform in Ordnung zu bringen. Vor Freude strahlend traten sie in Linie an.

  • Ein wenig nervös war Valerian schon. Er wußte nicht, was der Praefect tun würde, ob eine Art Prüfung der Männer folgen würde. Hatte er sie wirklich auf alles vorbereitet? Gab es das überhaupt? Eine wirklich lückenlose Vorbereitung? Er konnte nur hoffen, daß die Männer sich heute besonders bemühten, denn nicht sie, sondern er würde jeden noch so kleinen Makel ausbaden müssen. Langsam schritt er die Reihe ab. Sie standen wirklich vorbildlich. Und ihre Ausrüstung war in makellosem Zustand. Hier rückte er ein Halstuch ein wenig zurecht, dort korrigierte er Winkel, in dem das Scutum gehalten wurde. Winzigkeiten, die keineswegs fehlerhaft gewesen waren. Er mußte nur etwas tun, um die Nervosität zu überspielen. Schließlich nickte er zufrieden. "Sehr gut, Männer!" Nun blieb nur eines: Warten.

  • Potitus kam zu spät. Die Männer standen eine ganze Weile in der Frühlingssonne Roms, ehe zuerst die skythischen Leibwachen des Vesculariers auftauchten und dann die breite Gestalt Salinators selbst, gehüllt in einen goldenen Feldherrenpanzer, zu sehen war. Außerdem hatte er auch wieder seine 24 Liktoren mitgebracht, um seine Autorität zu unterstreichen.


    Ohne den Centurio eines Blickes zu würdigen baute er sich vor den Rekruten auf und betrachtete sie mit einem vergnügten Grinsen.

  • Ihre Freude hier endlich stehen zu dürfen, verging mit der der Zunahme der Wärme.
    Sicher sie waren Urbane, sie mussten dies aushalten können, es war ja nicht einmal Sommer. Doch bildeten sich Schweißperlen auf den Oberlippen des ein oder anderen Tiro. Die nervliche Anspannung tat ihr übriges, Ofella spürte wie sich an seinem Rücken unangenehme Feuchtigkeit bildete und langsam runter rann.


    Endlich war es soweit der Praefect erschien in Begleitung seiner Leibwachen und der Liktoren. Ofella wie alle anderen bemühten sich ihre Verwunderung zu verbergen, Solch einen großen Auftritt, extra für sie, hatten sie nicht erwartet. Genauso wenig hatten sie erwartet, dass ihr Centurio nicht beachtet wurde. Der goldene Feldherrenpanzer unterstrich die ganze Szenerie und den Auftritt des Salinators.


    Dies hier sollte für sie alle ein besonderer Tag sein, trotzdem hatte Ofella das merkwürdige Gefühl, sie waren nur der Vorwand um etwas anderes zu demonstrieren. So als ginge es in Wirklichkeit gar nicht um sie.

  • Es war zum Glück am Morgen noch nicht so warm, wie es im Laufe des Tages noch werden würde. Aber unerträglich war es allemals. Für die Jungen sicher noch mehr als für ihren Centurio. Es dauerte. Es dauerte lange. Ob der Dicke glaubte, er könnte sich die Männer so verpflichten? Merkte er nicht, daß die Qualen sie von ihm abstoßen würden?


    Valerian salutierte zackig, als der Praefect schließlich doch noch den Campus betrat. Der Aufmarsch der 24 Liktoren war überwältigend. Und in Valerians Augen völlig überzogen. Doch die Rekruten waren sicher mächtig beeindruckt.


    "TIRONES STATE! ACIEM DIRIGITE! OCULOS PROSAM! NUNTIO! OCULOS AD SINISTRAM!" So hallten die Befehle über den Platz. Dann wandte sich Valerian an den Praefectus, ob der ihn nun ignorierte oder nicht. "Centurio Lucius Quintilius Valerian, ich melde die Ausbildungsgruppe wie befohlen angetreten." Das Weitere lag nun bei Salinator.

  • Potitus nahm die Meldung fast regungslos entgegen und seine Mimik verdunkelte sich nur kurz. Dann kehrte aber das strahlende Lächeln zurück und er sah von einem Rekruten zum nächsten. "Männer!


    Ihr habt die besondere Ehre, dem Kaiser hier im Herzen des Imperiums zu dienen! Die Legionen draußen wehren grausame Barbaren ab, die nur darauf warten, den Limes zu übertreten und rechtschaffene Römer und ihre Frauen niederzumetzeln!


    Hier in Rom aber lauert ein mindestens genauso gefährlicher Feind: das Chaos! Ihr alle wisst, dass Banditen in den Straßen und Gassen der Stadt lauern, dass es selbst für uns gefährlich ist, uns in bestimmte Bezirke zu wagen!


    Doch viel gefährlicher als alle Banditen, Straßenräuber und Diebe zusammen sind jene Elemente, die versuchen, unseren geliebten Staat in Unordnung zu bringen! Männer, die den Pöbel gegen unseren geliebten Kaiser aufhetzen und im Verborgenen Umstürze planen bedrohen unsere geliebte Ordnung und den Frieden des gesamten Imperiums! Deshalb seid ihr hier im Herzen des Imperiums stationiert als die besten Männer, die Rom aufzubieten hat!


    Ich ermahne euch also am Beginn eurer Dienstzeit, treu zu Rom und zum Kaiser zu stehen! Als Soldaten des Kaisers seid ihr zugleich seine Klienten und somit niemals außer Dienst! Haltet also eure Ohren offen und seid jederzeit bereit, diesen Staat mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, sei es gegen einen aufrührerischen Bettler oder gegen einen mächtigen Senator!"


    Die Stimme Salinators war bis zum Ende immer dramatischer geworden. Nun aber erwartete er den Jubel der Soldaten, ehe es weiterging: Einer der Liktoren trat vor und begann, die Namen der einzelnen Rekruten zu verlesen. Darunter auch den des Iullus Octavius Ofella.
    Dann ergriff wieder der Praefectus Urbi das Wort. "Hiermit ernenne ich euch alle zu Milites der Cohortes Urbanae. Bekräftigt dies mit dem heiligen Eid auf den Imperator Caesar Augustus, unseren immer siegreichen Feldherrn!"

  • Die Ausbildungsgruppe stand wie eine eins und hörte der Ansprache des Präfekten gebannt zu.
    Für viele von ihnen, war die Aufgabenbeschreibung, welche der Salinator ihnen dramatisch darlegte,
    der Grund gewesen der Cohortes Urbanae beizutreten.
    Der ein oder andere war bestimmt in Versuchung gewesen, bei der Ermahnung beipflichtend zu nicken.
    Natürlich brachen alle in Jubel am Ende der mitreißenden Ansprache aus.


    Ein feierliches Gefühl überkam sie als ein Liktor die Namen der Rekruten vorlas.


    Bevor sie der Aufforderung den Eid zu sprechen nachkamen, ging abermals ein Ruck durch die Gruppe.
    Laut erschallte es über den Exerzierplatz


    “IURANT AUTEM MILITES OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT
    PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS, NUMQUAM DESERTUROS
    MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA."

  • Die Begeisterung der Jungen war echt. Sie jubelten dem Praefectus Urbi zu. Wie sollten sie auch anders? Er traf ja mit seiner Rede genau den Nerv dieser jungen Männer. Von ganzem Herzen jubelten sie. Valerian tat es in der Seele weh. Dieser Vescularier war reines Gift. Hoffentlich vergiftete er nicht diese vielversprechenden Soldaten.


    Den Eid sprach er mit. Genauso feierlich wie die frischgebackenen Milites. Ja, er schwor ein weiteres Mal. Jedoch nicht auf diesen vermaledeiten Praefecten, sondern auf Rom! Auf den Kaiser!


    Die Worte verklangen. Die Aufmerksamkeit lag wieder auf Salinator.

  • Potitus grinste beim Anblick des Jubels. Er hatte es wieder einmal geschafft! "So, zur Feier des Tages erhaltet ihr für heute dienstfrei! Geht in die Stadt und feiert euch und euren Imperator!" Er legte den Kopf schief und sah dann zu Valerian. "Wegtreten!"


    Dann gab er seinen Liktoren ein Zeichen, sie formierten sich und in einer kleinen Prozession zog der Praefectus Urbi wieder ab. Es gab schließlich noch wichtigeres zu tun als ein paar Rekruten zu beglücken!

  • Valerian wartete noch den Moment, bis der Praefectus Urbi mit seiner Prozession von dannen gezogen war. "Milites! Ich beglückwünsche euch zu Eurer Ernennung! Ich bin stolz darauf, euch ausgebildet zu haben, ihr ward schneller als die meisten anderen Ausbildungsgruppen! Meldet euch nun bei eurem Centurio, damit ihr in den normalen Dienstplan aufgenommen werdet! Abite!" Zwei der Männer gehörten ja eh in seine Centuria, einer davon war der Octavier. Valerian war gespannt darauf, wie er sich im normalen Dienstablauf machen würde.

  • Die Zeremonie war vorbei, der Praefectus Urbi war abgezogen und der Centurio hatte sie gelobt und ihnen gratuliert bevor sie abtreten durften. Erleichtert atmeten sie alle durch und klopften sich gegenseitig auf die Schulter. Einen schönen Nebeneffekt hatte das ganze sie hatten dienstfrei und durften endlich los ziehen und einen draufmachen.

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