Iunia Axilla schien ein klein wenig rot anzulaufen, fand Macer, aber vielleicht täuschte da sein Eindruck auch. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass sich eine tüchtige Geschäftsfrau sich dadurch aus der Ruhe bringen ließ, dass ein Consul sich beeindruckt zeigte. Dann sprach sie auch gleich wieder weiter und berichtete mehr über die Duccier, was Macer Zeit gab darüber nachzudenken, was er selber mit diesem Namen verband. Viel war es erwartungsgemäß nicht. "In der Tat, ein Praebitor Caesaris wird nicht zu den ganz unbekannten und unwichtigen Händlern gehören", flüchtete er sich daher in wiederverwendbare Allgemeinplätze. "Aber ich wusste gar nicht, dass man in Germania inzwischen auch bunt bemalte Keramik herstellt. War man dort nicht auch so stolz auf diese gallische, glänzend rot gebrannte Keramik? Ich meine mich zu erinnern, als Statthalter dort auf meinen Reisen häufiger solche Produktionsstätten gesehen zu haben. Aber wer will den Menschen dort schon verbieten, auch mal etwas anderes auszuprobieren, wenn es ihnen gefällt", wischte er seine eigenen Überlegungen zu typisch germanischer Keramik dann auch gleich schon wieder zur Seite.
[Tablinum] Geschäfte
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Er war Statthalter von Germania gewesen? Hatte Axilla gar nicht gewusst. Hätte sie aber eigentlich wissen sollen, schalt sie sich kurz. Ein wenig mehr Vorbereitung für dieses Gespräch wäre vielleicht nicht schlecht gewesen. Sie war einfach recht blauäugig hierher marschiert und hatte darauf vertraut, dass schon alles irgendwie gut gehen würde. Tat es ja meistens auch, irgendwie zumindest.
“Keine Ahnung, ich war nie dort. Ich hab die Keramiken nie gesehen.“ Axilla zuckte die Achseln und sah den Consul unschuldig an. Sie war zwar schon sehr viel in ihrem jungen Leben gereist: Von Tarraco nach Alexandria und jetzt nach Rom, was in etwa 2 Mal um die ganze Welt – zumindest das ganze Imperium – war. Nur nach Germania hatte es sie nie verschlagen, und das würde wohl auch so bleiben. Warum auch sollte sie dorthin reisen?
“Aber vielleicht kann ich Duccius Rufus ja in einem Brief bitten, mir solche Keramik zuzuschicken. Wenn sie dort oben so stolz darauf sind, muss sie ja hübsch anzusehen sein, nicht?“ Vom praktischen Nutzen her sollten alle Amphoren und Vasen ja gleich sein, egal wie bunt oder unbunt sie waren.
“Warst du lange in Germania?“ fragte Axilla dann völlig unbedarft, als würde sie sich mit dem Consul nebenbei auf einem Fest unterhalten und nicht im erweiterten Rahmen eines Verkaufsgespräches. Das war schon seit dem Händedruck so ziemlich vergessen. -
Macer nickte zustimmend, auch wenn es ihm eigentlich ziemlich egal sein konnte, ob sich Iunia Axilla Keramik aus Germania bestellte oder nicht. Wahrscheinlich bekam man sie sowieso irgendwo auf den Märkten in Rom, aber da Macer selten Einköufe höchstpersönlich erledigt und wenn, dann keine Keramik kaufte, konnte er das nicht beurteilen. "Zwei Jahre", antwortete er daher auf die Frage nach seiner Statthalterschaft, denn damit kannte er sich zwangsläufig besser aus. "Also eine vergleichsweise kurze Zeit. Die meisten Statthalter sind wohl eher länger in einer Provinz."
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Zwei Jahre, das war wohl vermutlich wirklich nicht lange. Zwar hatte Axilla keine Ahnung, wie lange so ein Statthalter normalerweise blieb, aber zwei Jahre erschien ihr wirklich kurz. Das war ja grademal so lange, wie sie in Alexandria gelebt hatte. Und so rückwirkend war das eine sehr kurze Zeit.
“Das ist wirklich nicht so lange. Ich hoffe, es hat sich wenigstens gelohnt und dir gefallen.“ eigentlich ein etwas widersinniger Wunsch, denn es wäre ja besser gewesen, es hätte ihm dort nicht gefallen, so dass er froh war, so schnell nach Rom zurück zu können. Aber Axilla fand irgendwie, wenn man schon so weit reiste, sollte man wenigstens auch die schönen Seiten davon kennen lernen. Und in Germania gab es sicher auch Dinge, die schön waren. Konnte ja nicht alles so wild und ungastlich sein wie in den Geschichten. Sie hätte ja Vala danach gefragt, wie es dort war, aber... es hatte sich irgendwie nie ergeben.
Ein bisschen wurde Axilla schwermütig, ob nun wegen dem Gedanken an Alexandria oder anderem wollte sie selbst nicht einmal so genau wissen. Sie wusste nur, sie sollte etwas dagegen tun, denn so dachte sie zu viel nach. Zum Beispiel darüber, was sie in diesem Tablinum noch machte und warum sie den Consul von Amtsgeschäften abhielt. “Ich hoffe, ich halte dich grade nicht von etwas wichtigem ab, wenn ich so mit dir plaudere?“ schoss es auch schon gleich aus ihr heraus. “Ich will ja nicht am Ende über mich selbst in der Acta schreiben müssen, wie ich einen Consul Roms vom … öhm... consulieren... abgehalten habe.“ -
"Ja, doch, es war schon eine gute Zeit", kommentierte Macer seinen Aufenthalt in Germania. "Sicher hätte ich wesentlich mehr über diese Provinz erfahren, wenn ich länger dort gewesen wäre, aber ich habe schon einige interessante Erfahrungen dort gemacht." Einige Reisen eben, die er schon erwähnte oder auch lange Gespräche, die er in Mogontiacum geführt hatte. Da waren einige dabei, die waren so lange, dass er sie bis heute nicht vergessen konnte, was bei seinem Gedächtnis schon etwas heißen wollte. Verglichen damit war das bisherige Gespräch mit Iunia Axilla nicht mehr als ein knapper Wortwechsel gewesen. Trotzdem musste er Gespräche eher an seinem aktuellen Terminkalender messen und der war vergleichweise voll. Er wollte daher ihre Worte daher schon zum Anlass nehmen, das Gespräch zu beenden, als sie ihre Tätigkeit bei der Acta Diurna erwähnte. "Nun, das wäre dann immerhin mal wieder eine Erwähnung der aktuellen Tagespolitik seitens der Acta Diurna", konnte er sich eine kleine Spitze nicht verkneifen. "Der eine oder andere Kollege im Senat oder anderswo ist sicher nicht der aktivste, aber wenn man nach den Meldungen der Acta Diurna geht, scheint das halbe politische Rom und drei Viertel der Verwaltung ihre Zeit im Tiefschlaf zu verbringen."
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War das eine Kritik? Axilla brauchte eine halbe Sekunde, ehe sie befunden hatte, dass das wohl eine war. Und bis sie etwas taktisch nicht ganz so kluges sagte. “Naja, die Leute warten alle gespannt darauf, was denn wegen der Sache in Nemi nun endlich unternommen wird und was der Senat dazu zu sagen hat. Das wär berichtenswerter als die komische Stadtreform von Mogontiacum.“ Über die noch ein Artikel geschrieben werden müsste, wie Axilla da grade auffiel. Verdammt, der Consul hatte recht, sie berichteten vielleicht wirklich etwas wenig über Politik derzeit. Aber nichts desto trotz schaffte Axilla es, ein wenig herausfordernd dreinzublicken, denn die Sache mit Nemi war unbestreitbar etwas, das zu wichtig war, als dass man es so lange unaufgeklärt und offiziell unkommentiert lassen sollte. Und das war etwas, womit sie die Acta ein ganz kleines bisschen verteidigen konnte. Minimal.
Aber bevor das hier aus dem Ruder lief – wie es das gerne tat, sobald Axilla den Mund aufmachte – verwandelte sich ihr Gesichtsausdruck in dasselbe unschuldige Lächeln wie eben noch. Hauptsächlich, weil ihr etwas spontan in den Sinn gekommen war. Und wie das meiste, das ihr so spontan in den Sinn kam, fand es auch gleich den Weg zu ihrer Zunge, praktisch ohne Umweg durch die Hirnwindungen, die für einen Hauch von Logik verantwortlich wären.
“Aber ich hab eine Idee! Wenn du noch Zeit hast, könnte ich dich ja ein wenig befragen, und dann schreib ich darüber einen Artikel? Es gibt doch sicher ein paar Dinge, die ein so wichtiger und stattlicher Mann wie du dem römischen Volk gern mitteilen will?“ Ein wenig flirten konnte nicht schaden, und ein wenig Honig ums Maul schmieren wohl auch nicht. -
"Auf die Ergebnisse der Beratungen der Pontifices und anderer Collegien zu den Vorgängen von Nemi warte ich auch sehr gespannt", antwortete Macer. "Aber der Senat kann dazu eben erst etwas sagen, wenn er informiert wurde. Ich erkundigte mich bereits bei Tiberius Durus nach dem derzeitigen Stand, aber noch müssen wir uns wohl gedulden." Was Macer nicht allzu gut gefiel, aber er konnte die Sache durch Unmut auch nicht beschleunigen.
Die weiteren Antworten von Iunia Axilla hielt er dagegen eher für schwache Ausreden. Eine Stadtreform in einer Provinz war zwar sicher wirklich nicht spannend, aber es war in seinen Augen nicht so, dass es außer dieser nichts anderes gegeben hätte. "Wenn du Fragen hast, dann frage!", stimmte er einer spontanen Befragung zu. Das würde ihn zwar weitere Zeit kosten, die es ihm in diesem Fall aber devinitiv Wert war. "Ich bin zwar nicht gerade ein Ankündigungskünstler, der nun gleich seitenweise große Mitteilungen an das Volk zu verbringen hat, aber für konkrete Fragen zur aktuellen Politik bin ich gerne zu haben." Überlicherweise maß man Politiker ja auch an ihren Versprechungen und Macer war sich sicher, sich diesbezüglich nicht allzuviel vorwerfen lassen zu müssen.
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Er sagte ja.
Das dumme an spontanen Schnapsideen war, dass man sich nie darüber Gedanken machte, was passieren würde, wenn es klappte. Fiel etwas ins Wasser, dann war das nicht weiter kompliziert. Hatte es eben nicht geklappt, setzte man es eben zu einem anderen Zeitpunkt mit gründlicher Planung um. Aber niemand auf der ganzen Welt machte sich bei so spontanen Ideen darum Gedanken, was passierte, wenn es denn klappte. Und so erging es jetzt auch Axilla, die sich in einer geradezu lächerlichen Situation wiederfand. Sie, die sie wohl von der gesamten Redaktion, ja wahrscheinlich von der gesamten Bevölkerung Roms wenn nicht gar des gesamten Imperiums am wenigsten Ahnung von Politik hatte, befragte einen Consul über eben jene. Da sollte nochmal einer sagen, die Götter hätten keinen Sinn für Humor.
“Gut“, war da das erste, was Axilla einfiel und was als erste Äußerung ihre unvorbereitete Art wohl offenkundig darlegte. Aber nun hatte sie schon gefragt, nun zog sie das auch durch. Von den Fluren der Acta hatte sie einiges aufgeschnappt, was sie fragen konnte. Die Hälfte davon kapierte sie zwar nicht (nichtmal, was die Frage bedeutete), aber vielleicht konnte der Consul ja einiges erklären. Oder auch nicht.“Gut.“ Das hatte sie schonmal gesagt. Aber jetzt hatte sie sich einigermaßen gesammelt. “Also...deine Amtszeit ist ja schon beinahe vorbei. Denkst du, dass du alles umgesetzt hast, was du machen wolltest? Oder gibt es etwas, dass du eigentlich noch gern machen würdest, wofür aber zu wenig Zeit bleibt? Bist du zufrieden mit dir selbst?“ Gut, das waren jetzt gleich drei fragen auf einmal. Aber irgendwie hing das ja alles zusammen. “Und kannst du mir vielleicht eine Wachstafel leihen?“ fragte sie noch mit dem verlegendsten Lächeln auf der ganzen Welt total aus dem Zusammenhang gerissen. Aber irgendwo sollte sie sich auch ein paar Notizen machen.
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Macer wollte gerade schon auf die erste Frage antworten, als die nachgeschobene Frage nach der Wachstafel kam. Eine Frage von entwaffnender Einfachheit. Hätte Macer nicht gewusst, dass hier eine erfahrene Mitarbeiterin der Acta Diurna und erfolgreiche Geschäftsfrau vor ihm saß, hätte er die Frage sogar für ein Anzeichen von Naivität halten können. So aber kam sie ihm einfach nur ziemlich sympathisch vor. "Selbstverständlich", antwortete er und fischte nach zwei Fehlversuchen im dritten Anlauf eine ausradierte Tafel von seinem Tisch und reichte sie herüber. Zwei Augenblicke später folgte auch ein Stylus.
Dann konnte er zur ersten Frage zurück kommen, die sich mit dem baldigen Ende seiner Amtszeit befasste. Irgendwo hatte er das kürzlich schonmal gehört. "Beinahe vorbei würde ich nicht sagen. Ein gutes Drittel habe ich ja noch vor mir", machte er wieder seine Rechnung auf. "Ich habe ja nicht vor, pünktlich zu den Wahlen schon die Arbeit einzustellen, sondern werde mein Amt ausfüllen, bis mein Nachfolger ernannt und vereidigt ist. Denn tatsächlich ist noch nicht alles umgesetzt." Er dachte einen Augenblick nach, welche Punkte er nun nennen sollte und in welcher Reihenfolge. "Aber so manche Sache ist auf dem Weg. Die von mir angeregte Serie von Berichten verschiedener senatorischer Amtsträger im Senat hat inzwischen begonnen und wird sicher in den nächsten Wochen und Monaten noch fortgesetzt. Wenn das Interesse einmal geweckt ist, sollte das recht flüssig laufen", hoffte Macer zumindest. "Mit einer entsprechenden Berichterstattung kann die Acta Diurna sicher dazu beitragen, dass von diesen Berichten viele etwas mitbekommen, denn genau das ist ihr Sinn", nutzte er die Chance, das erklärte Ziel der Maßnahme noch einmal mit seiner Kritik an der Acta Diurna zu verknüpfen. "Andere Dinge laufen auch weniger öffentlich ab. Zum Beispiel leistet Flavius Flaccus derzeit sein Tirocinium Fori bei mir ab und informiert sich derzeit darüber, welche Senatoren das Patronat über welche Städte ausüben. Erst mit dieser Bestandsaufnahme werde ich das Thema auch öffentlich aufgreifen können und die Lage der Städte thematisieren." Ähnlich sah es mit anderen Themen aus, die er aber nicht über die Acta Diurna verbreiten wollte. "Andere Dinge sind dagegen schon wesentlich weiter vorangeschritten. Zum Beispiel konnte ich kürzlich im Senat ja über die Vorschläge zur Größenänderung bei den Provinzen sprechen. Sozusagen eine Altlast, die noch aus meiner Zeit vor dem Consulat stammte, die ich aber nun weitgehend abschließen konnte."
Bevor er eine Zwischenbilanz zog, dachte er nochmal kurz nach. "Ich denke, ich stehe mit meinem bisherigen Ergebnissen im Vergleich zu meinen Versprechen nicht ganz schlecht da und bin soweit zufrieden. Aber es gibt noch keinen Grund, mich zurück zu lehnen."
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So lange war das wirklich noch? Axilla nahm die Tafel und den Stylus und setzte ihn schon auf das Wachs, ohne allerdings irgendwas aufzuschreiben. Sie fühlte sich ein wenig verlegen, aber wer hätte auch wissen sollen, dass sie den Consul heute so befragen durfte. Einfach so, ohne besonderen Grund, nur, weil sie da war? Und Wachstafeln schleppte man ja nicht zum Spaß mit sich rum. Nun, Schreiber schon, oder Beamte. Aber Axilla halt nicht.
Stattdessen hörte sie lieber zu, was Macer so erzählte. Was er alles gemacht hatte. Die Berichte über die Amtstätigkeiten der verschiedenen Magistrate klangen ihr eher langweilig, aber sie interessierte sich auch nicht wirklich dafür, welche Tempel nun renoviert wurden und wo Wasserleitungen ausgebessert wurden. Sie hatte sowieso keine Ahnung, wie das alles funktionierte, und solange es funktionierte, war es gut. Wahrscheinlich fände sie es interessanter, wenn sie sich damit beschäftigt hätte. War ja in Alexandria auch so gewesen. Am meisten hatte sie über die Stadtverwaltung dort von Nikolaos und Urgulania gelernt, und nicht, weil Politik sie interessierte, sondern weil sie die beiden gern gehabt hatte. Aber Macer fand das wohl wichtig, weil er es extra ausführte und betonte. Also machte sie eine kleine Notiz, mehr für die Acta allgemein als für den Artikel. Amtsberichte veröffentlichen. Ganz klein in die Ecke der Wachstafel.
“Flavius Flaccus kenne ich, ich hab ihn auf der Sponsalia von Aurelius Lupus und Flavia Nigrina getroffen und mich gut unterhalten“, erzählte sie freimütig, während ihr Stylus durch das Wachs kratzte. “Wird er sicher gut machen.“ Eine ebenso unnötige, kleine Bemerkung, ehe ihre Gedanken ganz im Hier und Jetzt angekommen waren.
Und damit einige Fragen aufwarfen. Von den Provinzreformen hatte sie ja auch absolut keine Ahnung, genausowenig wie von dem ganzen anderen Rest. Nur konnte sie das ja so nicht sagen, oder? Vielleicht ein bisschen gut verpacken.
“Was meinst du mit 'die Lage der Städte'? In welcher Lage sind denn die Städte? Und was willst du da dann daran ändern?
Und die Provinzreform... was genau bringt die dem Volk von Rom eigentlich? Ich meine, da sind die wenigsten ja so... versiert in Politik, um das zu verstehen.“ So wie sie. “Und wieso war diese Reform denn notwendig? War es nicht gut, wie es war?“ Naiv gefragt, sicher, aber Axilla wusste es ja wirklich nicht. Sie wusste ja noch nicht einmal so genau, was in der Reform drin stand, nur, dass Mogontiacum deswegen sich selbst eine neue Stadtordnung gegeben hatte. -
"In welcher Lage die Städte sind, kann ich erst sagen, wenn ich weiß, wer sie um sich kümmert", gab Macer offen zu. "Zumindest über die italischen Städte hatte ich schon mit dem Curator Rei Publicae gesprochen und es gibt keine akuten Anlässe zur Klage." Aber ein Consul war ja auch nicht die Feuerwehr, die erst dann zum Einsatz kam, wenn das Haus schon in Flammen stand. "Aber zweifellos wird es so sein, dass es einige aktive Senatoren gibt, die mehrere Städte unter ihrer Patronage haben und einige umtriebige Städte, die sich viele Patrone gesichert haben, genauso wie es Städte ohne Patrone geben wird und Senatoren, die sich nicht engagieren. Das ist kein Zustand, den man mit Gewalt ändern muss, aber es könnte einer sein, auf den es sich hinzuweisen lohnt. Als Consul habe ich ja auch eine gewisse Aufsichtsfunktion und ich lege diese so aus, dass ich auch auf Handlungsmöglichkeiten hinzuweisen habe."
Was die Provinzreform dem Volk brachte, war in der Tat nicht einfach zu erklären. Vor allem, wenn man das Volk in Rom betrachtete, dem die Provinzen im Detail eher egal sein konnten. "Eine berechtigte Frage. Genau die Frage, ob es nicht gut so ist, wie es ist, galt es ja damals in der Inquisitio Senatus zu beantworten. Mehrere Statthalter hatten sich beklagt und wir wollten und sollten herausfinden, ob sie dies zu Recht taten. Tatsächlich hat sich nun herausgestellt, dass einige dieser Klagen berechtigt sind und zu große Provinzen nicht gut sind. Das merkt dann letztlich auch das Volk. Das Volk in den Provinzen hat wenig davon, wenn sich der Statthalter kaum um die ganze Provinz kümmern kann und das Volk von Rom hat wenig davon, wenn aus den Provinzen nicht so viel Nutzen gezogen werden kann, wie es bei einem besseren Zuschnitt passieren könnte."
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Gut der erste Punkt leuchtete ein. So hatten einige Städte einen Vorteil und andere einen Nachteil, wenn es im Senat zu Abstimmungen kam, die einzelne Städte betrafen. Wenn sich alle Senatoren um ungefähr gleich viele Städte kümmern würden, und die sich nicht überschnitten, dann schob das etwaiger Klüngelei einen Riegel vor. Aber im Senat wurde so oder so miteinander geklüngelt. Das wusste sogar Axilla, die von der Tagespolitik null Ahnung hatte. Aber es klang zumindest gerecht.
Bei der zweiten Antwort kam sie aber nicht so ganz mit. Die Statthalter hatten sich beschwert, dass ihre Provinzen zu groß seien? Zu klein, das könnte sie verstehen, aber zu groß? Dass es auf die Größe nicht ankam, konnte auch nur einem Mann einfallen.
“Aber wenn die Provinzen verkleinert werden, dann entstehen ja viele neue Provinzen, die alle wieder eine neue Verwaltung brauchen und neue Magistrate, und wird das ganze dann nicht furchtbar unübersichtlich? Und ich meine, das Imperium vergrößert sich doch sicher noch weiter? Muss es ja, denn die treuen Soldaten der Legion wollen doch später auch einmal irgendwo ein Stück Land ihr eigen nennen? Vielleicht nicht alle, aber... du weiß schon. Wenn das alles nicht mehr zu verwalten ist, was... was machen wir dann?“ Das war nun schon beinahe eine existentielle Frage. Das Imperium konnte doch gar nicht aufhören, zu wachsen, oder es zumindest zu versuchen. In dem Moment, in dem man die Truppen von der Grenze abzog, würden sicher genug Barbaren (im griechischen Sinne) bereitstehen, die das Land überfallen und in Besitz nehmen würden. Und wenn man lange genug an der Grenze war, machte Rom die Nachbarn entweder zu freunden und verleibte sich ihre Gebiete so ein, oder aber unterwarf sie mit dem Schwert. Eine Stagnation im Wachstum war nach Axillas Verständnis in diesem Plan irgendwie nicht vorgesehen. Da war es ein geradezu abstruser Gedanke, dass das zu groß zum Verwalten sein könnte. Das musste einfach verwaltbar sein. Ansonsten hieße das ja, dass die Römer in ihrer 861jährigen Geschichte nur Blödsinn gemacht hätten. Bestimmt hatte sie ihn nur falsch verstanden. -
"Es wird nicht viel anders werden als vor der Provinzreform des Iulianus", konnte Macer die Skepsis bezüglich der Provinzgröße nicht ganz teilen. "An der einen oder anderen Stelle vielleicht nicht, aber im Prinzip wird das Ergebnis schon ähnlich sein. Zumindest ist dies meine Empfehlung. Entscheiden kann der Senat ohnehin nur über die Provinzen unter seiner Kontrolle. Was mit den anderen Provinzen geschieht muss der Kaiser entscheiden und wenn er die Schwierigkeiten großer Provinzen als nicht so gravirrend einschätzt, wird er sicher nichts ändern. Was die Übersichtlichkeit betrifft sehe ich auch bei großen Provinzen Nachteile. Ein großes Gebiet ist viel schwerer zu überschauen für einen einzelnen Mann als mehrere kleinere Gebiete für mehrere Männer. Von daher mache ich mir gerade dann keine Sorgen um die Verwaltbarkeit, wenn jeder ein überschaubares Stück zu verwalten hat."
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Von der Provinzreform des Iulianus hatte Axilla allerdings auch nicht die geringste Ahnung. Und so blieb sie weiterhin etwas skeptisch. Sicher war kleiner übersichtlicher, aber konnte man nicht einfach fähigere Leute dann in die Provinzen schicken? Irgendwie war ihr das doch suspekt. Und der Consul hatte eine ihrer Fragen nicht beantwortet.
“Und woher kommen dann die Männer? Werden die als Legaten von Rom entsandt, oder wie funktioniert das?“ Ja, Axilla kam sich schon ein wenig blöd bei der Frage vor, aber wenn es mehr Provinzen so nun gäbe, brauchten die ja auch mehr Magistrate. -
Macer lächelte angesichts der Frage. Vielleicht war seine Gesprächspartnerin doch ein wenig naiver, als er vermutet hatte. "Nun, woher sollen sie sonst kommen?", lautete daher auch seine Gegenfrage. "Natürlich wird man mehr Statthalter brauchen, aber im Senat sitzen hunderte Männer und nach jeder Amtszeit gibt es Dutzende ehemalige Magistrate, die die Zeit bis zu ihrer nächsten Wahl sinnvoll verbringen wollen. Und so viele Männer mehr sind es ja auch gar nicht. Lass' es vielleicht 20 zusätzliche Provinzen sein, wenn wir auf die Aufteilung vor der Iulianischen Reform zurückfallen, dann sind es 20 zusätzliche Statthalter. Bei den Steuerprocuratoren braucht man vielleicht gar nicht mehr als jetzt, denn schon jetzt sollten ja alle Gebiete abgedeckt sein und es werden nicht mehr, dadurch dass die Provinzen kleiner werden", begann er vorzurechnen. "Und bei den juristischen Beratern und ähnlichen können wir vielleicht sogar sparen, wenn ein Statthalter seine Provinz jetzt wieder überschauen kann und nicht diverse Helfer braucht, um sein Gebiet überhaupt zu überblicken. Natürlich können wir nicht erwarten, auf diese Weise etwas zu sparen und sicher werden wir in Summe mehr Männer in die Provinzen schicken müssen, aber wir stellen uns damit keinesfalls schlechter als bisher oder machen uns unlösbare Probleme", fasste er seine positive Einstellung zu der Sache zusammen. "Aber entschieden ist ja ohnehin noch nichts und wie ich schon sagte, entscheidet über die kaiserlichen Provinzen ohnehin der Kaiser, und diese Provinzen bilden nunmal die Mehrzahl. Falls sich dort nichts tut, würden die Unterschiede ohnehin gering ausfallen, falls der Senat an seinen Provinzen etwas ändert."
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Na, dass die ganzen Senatoren unbedingt danach lechzten, irgendwo LAPP zu werden, konnte sich Axilla einerseits schon vorstellen (immerhin bekam man so gutes Geld), andererseits wieder nicht (immerhin saß man da irgendwo weit weg von Rom). Aber sie glaubte dem Consul einfach mal und ließ diese Erklärung gelten.
“Naja, aber es gibt ja noch mehr, außer die Legaten. So eine Provinz braucht ja auch eine eigene Verwaltung mit Comes und... ähm... du weißt schon, die ganzen Officii.“ Der Einwand war nur halblaut, und Axilla wollte auch gar nicht wirklich widersprechen, mehr erklären, was sie gemeint hatte. “Aber wo du gerade die kaiserlichen Provinzen ansprichst....“
Axilla zögerte kurz, ehe sie die nächste Frage stellte. Immerhin war die doch recht heikel, und sie wollte ja nicht zu direkt fragen. Andererseits war sie ja bei der Acta und musste auch mal etwas direkter nachfragen, selbst wenn sie das nicht so wollte. Ihre Unterlippe wurde kurzerhand von ihren Zähnen mal wieder malträtiert, als sie nach einer diplomatischen Formulierung suchte.
“Ich meine, er ist ja schon sehr lange nicht mehr in Rom gewesen. Und die meisten Verkündigungen, was er wünscht, erfährt man durch den Praefectus Urbi, der ja auch schon sehr lange in seinem Amt ist....“ Das war jetzt keine Frage im eigentlichen Sinne, dafür aber so diplomatisch, wie Axilla nur konnte. Aber irgendeine direkte Frage musste sie stellen. Nur was? Sie konnte ja kaum fragen, was er von Vescularius Salinator denn so hielt, oder ob er dachte, dass der Kaiser je wieder zurückkam. Oder ob er dachte, dass der Kaiser wirklich das alles wollte, was Salinator da so von sich gab. Das könnte er... nunja, RICHTIG auffassen. Denn das meinte Axilla ja. Aber sie traute sich nicht, das so auch auszusprechen. Und das nicht nur wegen dem Honig, den sie weiterhin an ihn verkaufen wollte.
“Ähm, also, zwei Bekannte von mir haben sich neulich darüber unterhalten, dass es schwierig für einen Consular sei, angesichts des absenten Kaisers.“ Die zwei Bekannte waren zwei Subauctores bei der Acta, die sich mit Politik weit mehr befassten als sie. Und Axilla hatte nicht einmal den Hauch einer Ahnung, worüber sie da eigentlich geredet hatten. Aber für eine Frage hier und jetzt, um abzulenken, reichte es allemal. “Wo siehst du die Schwierigkeiten eines Consulars in der Zusammenarbeit mit einem absenten Kaiser?“ Das klang richtig gut. Und sie hoffte, dass die Antwort so wäre, dass sie sie verstand. -
Die Frage, die nach der etwas stockenden Einleitung und Überleitung stehen blieb, wear durchaus eine, über die Macer einen kurzen Augenblick nachdenken wollte. Während er während der Einleitung eher mit leicht angespannter Miene versucht hatte, die Richtung der nächsten Frage zu erahnen, blickte er nun eine Weile in Leere. "Nun, die Zusammenarbeit zwischen dem Kaiser und den Consuln kann man sicher unterschiedlich eng gestalten", begann er dann. "Ich sehe mich als Consul mit meinen Pflichten nicht allzu eng an eine Zusammenarbeit oder die direkte Zustimmung des Kaisers gebunden. In den Belangen meines Amtes, die es nötig machen, mit ihm zu kommunizieren, ist der Kaiserhof oder der Praefectus Urbi in der Regel der schneller erreichbare Ansprechpartner. Von den Dingen, die ich bisher als Consul umsetzen wollte, ist zumindest keines an der Abwesenheit des Kaisers aus Rom gescheitert oder dadurch maßgeblich beeinträchtigt worden", schilderte er dann die Zusammenarbeit. "Ob dies allgemeingültig ist, kann ich nicht beurteilen. Soweit mir bekannt ist, hatte beispielsweise Flavius Furianus Wert darauf gelegt, den Kaiser persönlich aufzusuchen, als er Consul war."
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Eigentlich war Axilla sich sicher, dass ihre Bekannten von Consularen gesprochen hatten. Aber vielleicht hatte sie sich auch einfach verhört – das Thema Politik war ja auch so, dass sie da gern mal weghörte. Gut, hatte sie sich ein wenig lächerlich gemacht, aber das war ja nichts neues. Und immerhin hatte sie den Consul zum nachdenken gebracht, das war ja auch schon was. Sofern er über die frage nachgedacht hatte und nicht über seine Gesprächspartnerin, was Axilla mal nicht hoffte.
“Ja, aber der Praefectus Urbi ist ja trotzdem nicht der Kaiser. Und letztendlich muss die Politik ja versuchen, den Willen des Kaisers zu unterstützen, oder? Findest du es da nicht schwierig, wenn außer dem Praefectus Urbi niemand diesen Willen zu kennen scheint?“ Jetzt hakte sie doch nochmal nach. Vielleicht war das gefährlich dünnes Eis, auf dem Axilla sich da bewegte, aber es stimmte ja. Salinator war ja dennoch nicht der Kaiser selber, sondern nur sein Stellvertreter. “Ist es da nicht für den gesamten Senat schwieriger, Politik im Sinne der Res Publica zu machen, wenn deren wichtigster Mann so lange schon fern von Rom ist?“ Axilla trug ihr Herz einfach auf der Zunge und dachte nicht weiter darüber nach, was sie da fragte. Für sie war der Kaiser gleichbedeutend mit dem staat, und wenn der Kaiser so weit weg war und wohl auch nicht nach Rom zurückkehrte, dann war das etwas, das sie durchaus beschäftigte, und was sie nicht verstand.
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"Es ist zweifellos für alle, die um Rom bemüht sind, schwieriger, wenn der Kaiser abwesend ist", antwortete Macer prompt. "Selbstverständlich wäre es einfacher, wenn man direkter Kontakt mit dem Kaiser aufnehmen könnte oder noch viel mehr, der Kaiser von sich aus Kontakt beispielsweise mit dem Senat aufnehmen würde. Jeder Mittelsmann, egal ob es der Praefectus Urbi oder ein einfacher Beamter oder Bote ist, ist immer ein Umweg, der Verzögerungen und Mühen bringt." Allerdings konnte Macer es durchaus verstehen, wenn der Kaiser nicht immer für jeden ansprechbar sein wollte, egal ob er krank war oder nicht. Wobei ihm ein gesunder Kaiser in Rom zweifellos lieber war als ein kranker Kaiser in Misenum.
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Ähä.
Fasziniert beobachtete Axilla, wie Macer es hinbekam, auf die Frage und nur auf die Frage zu antworten, ohne auch nur ein klitzekleines Bisschen mehr preiszugeben. Nichts, woran sie wirklich anknüpfen hätte können, wo sie hätte nachhaken oder skeptisch etwas anbringen hätte können. Nur Frage – Antwort. Und so diplomatisch, dass Axilla sich kurz fragte, wie die Frage gelautet hatte.
“Ähm, ja. Und das beunruhigt dich gar nicht? Oder... nein, nicht beunruhigt, das ist das falsche Wort. Es... hmmm...“ Sie tippte mit ihrem Stylus auf der Wachstafel, die sie bis auf den kleinen Hinweis vorhin noch jungfräulich belassen hatte. “Das Volk würde den Kaiser sicher gern einmal wieder sehen. Manche fragen sich, ob er überhaupt noch lebt, so lang ist er schon nicht mehr in der Öffentlichkeit gewesen. Ich meine, natürlich geht das nicht, er ist ja krank.“ Zur Not zäumte man das Pferd eben von Hinten auf. “Aber seinen Sohn kennt ja auch niemand, und man könnte auf die Idee kommen, dass Vescularius selbst ... naja, ich sag ja nicht, dass du oder ich auf diese Idee kommen. Aber... verstehst du die... Besorgnis?“
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