Kaum war Vinicius Hungaricus nach Rom zurück gekehrt, hatte er sich auf die Rednerliste des Senats setzen lassen und Macer kam nur allzu gerne diesem Redewunsch nach. Schließlich interessierte es ihn sehr, aus der Provinz zu hören, in der er selber auch einmal Statthalter war. Und da Vinicius Hungaricus zu den Consularen zählte, musste er in dieser Sitzung nicht einmal lange warten, bis ihm das Wort erteilt wurde. "Im Namen des ganzes Senates darf ich nun Marcus Vinicius Hungaricus zurück in Rom Willkommen heißen, nachdem er die letzten Jahre als Statthalter in Germania verbracht hat. Wir sind gespannt auf deine Rede."
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Bericht des ehemaligen Statthalters von Germania
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Lange, sehr lange war es her, da er nun wieder in diesen Hallen schritt. Er traf viele Bekannte, etliche Feinde, vermisste mittlerweile Verstorbene und wunderte sich über manche Neuzugänge. In den letzten Tagen hatte er sich rudimentär auf den neuesten Stand der Politik bringen lassen, leider nur rudimentär "dank" seines "außerordentlich guten" Personengedächtnisses. Bis er alle verworrenen Linien übernosert hätte, würde es noch eine gute Zeit lang dauern. An diesem Tag saß er auf dem Platz, den ihm als Consular gebührte und wartete geduldig, bis er vom Consul das Wort erteilt bekam.
Patres conscripti! erhob er seine Stimme, als er gleichsam seinen Körper erhob. All die Geschichten über ein wildes Germania, dunkel, ständig verregnet, voller Barbaren und mit ständigen Übergriffen über den Limes sind absoluter Nonsens. Das wird jeder bestätigen, der schon einmal in der Provinz war. Ich wußte, daß diese Geschichten nicht wahr waren, aber ich muß ehrlich sein, ich wußte nicht, daß meine Zeit so ruhig werden sollte. Was sich schon zu Beginn seiner Amtszeit abzeichnete. Jeder erklärte ihm damals, daß eh alles passt und alles super läuft.
Lasst mich mit dem militärischen Part beginnen. Mein vorrangiges Ziel war die Sicherung des Limes. Es gab während meiner Amtszeit keine größeren Übergriffe von irgendwelchen germanischen Stämmen, lediglich kleinere Gruppen überschritten ab und an die Grenze, die meisten kriminelle Subjekte, die nur auf Goldstücke und Waren aus waren. Sicher gibt es Gerüchte, daß es Fürsten geben soll, die irgendwann einmal einen größeren Angriff planen, aber die gibt es immer und meine Informanten konnten nichts wirklich greifbares auftun. Es erschien mir daher viel wichtiger, die Beziehungen zu den romtreuen Stämmen zu vertiefen, vornehmlich auf wirtschaftlicher Ebene. Er machte keine kurze Pause, um seine Gedanken zu sortieren.
Dies führt mich zu meinem nächsten Punkt: die Prosperität. Mir ist aufgefallen, daß in Landstrichen, deren Bewohner weitestgehend der germanischen Lebensweise anhängen, der überregionale Handel bei weitem nicht so stark entwickelt ist wie in jenen Gegenden, in denen die Einwohner wie gestandene Römer leben. Mir wurde erklärt, daß die Einheimischen jene Waren, die sie benötigen, vor allem selbst herstellen oder sie innerhalb der Familie oder Sippe tauschen. Nur wenige Waren wie Felle, Met oder Keramiken erlangen dort überregionale Bedeutung. Ich würde nicht pauschal sagen, daß solche Menschen arm sind, aber die Steuerleistung ist dort natürlich bedeutend niedriger. Dazu kamen noch andere Probleme: der Rhenus stieg während meiner Amtszeit mehrmals über die Ufern und brachte dabei Krankheiten mit sich. In anderen Landstrichen grassierte das Fieber. Wenn mir diese Bemerkung erlaubt sein darf: nicht gerade die besten Voraussetzungen für umfangreiche Handelsbeziehungen.
Dann möchte ich jetzt zum letzten Punkt kommen. Wie die werten Kollegen wissen, wurde hier vor einiger Zeit die Provinzreform beschlossen. Eine durchaus sinnige Angelegenheit, die ich persönlich gutgeheißen habe. Die Umstellung wurde in der Provinz eingeleitet und sollte unter meinem Nachfolger Annaeus Modestus abgeschlossen werden. Der Beamtenapparat war durchaus gut organisiert, ich denke, mein Nachfolger wird diesbezüglich ebenso wenig Probleme haben, wie ich sie hatte.
Ich stehe nun für Fragen zur Verfügung.
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Potitus saß entspannt an seinem Platz, während Hungaricus sprach. Er konnte sich noch sehr gut an dieses aufmüpfige kleine Statthalterlein erinnern! Und er hatte natürlich auch schon eine Frage vorbereitet, als der Vinicier geendet hatte!
Mit gespielter Vorsicht meldete er sich und begann dann zu sprechen. "Vinicius, in meiner Funktion als Stellvertreter des Kaisers hätte ich eine klitzekleine Frage." Er erhob sich vorsichtig und fuhr den Consular dann wütend an. "Warum beim Orcus unterlässt du es, deinem direkten Vorgesetzten, der die Verantwortung für diese Provinz trägt, zu informieren, bevor du dich an den Senat wendest, der strenggenommen mit Germania so viel zu tun hat wie ich mit den Vestalinnen?" Salinator konnte sich nicht erinnern, dass Germania zu einer senatorischen Provinz geworden war! -
Es gab Stimmen, die hatte er schon weitaus öfter gehört als diese. Und wenn er auch nur einen Funken Zweifel hatte vom Urheber dieser Frage, diese wurden nach nur einem Moment ausgeräumt, da er den Vescularier erblickt hatte. Natürlich hatte Hungi gewußt, daß der Praefectus Urbi hier war. Und als dieser Salinator seine Frage, die eigentlich viel mehr ein Vorwurf war, gestellt hatte, ahnte Hungi, daß die Beziehungen zwischen ihm und dem direkten Stellvertreter des Kaisers in diesem Leben wohl nicht mehr zu retten waren. Er hätte vielleicht wirklich vorher zu Salinator gehen sollen. Aber er hatte nicht daran gedacht. Jetzt musste er mit seinem Versäumnis leben.
Kapitulieren brauchte er hingegen auf keinen Fall. Doch wie formulieren, ohne daß gleich ein Tumult entstünde? Ich hatte ohnehin vor, demnächst nach Misenum zu reisen. antwortete er mit fester Stimme. Und wie er diesen Satz ausgesprochen hatte, wusste er, daß das nicht die beste Idee seines Lebens war. Es raste in seinem Kopf, es kam ihm endlos lang vor, und doch waren es nur zwei oder drei kurze Momente. Dann hatte er die Ausrede, die er benötigte.
Doch wollte ich zuerst dir und dem Senat berichten, wie die Lage in Germania aussieht. Ich dachte, auf die Art könnte ich etwas Zeit sparen. Na, ob er diese Kurve gekratzt hatte?
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Der Bericht seines Patrons war überaus interessant, da er die Perspektive eines befriedeten und eines Tages möglicherweise wirtschaftlich prosperierenden Germaniens in Aussicht stellte. Doch ehe der Tiberier oder sonst ein Senator Fragen stellen konnte, meldete sich der Vescularier zu Wort. Dass er nichts Gutes im Schilde führte, lag auf der Hand - dass er aber die Rechtmäßigkeit des Berichts an sich in Frage stellte und Hungaricus vor dem gesamten Senat bloßstellte, hatte er nicht erwartet!
Und zu allem Überfluss schien sein Patron nicht gewillt, Salinator Widerstand zu leisten, sondern versuchte sich demütig herauszureden - eine überaus interessante Offenbarung, wenn auch bedenklich...
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Tatsächlich war der Bericht so interessant, wie Macer erwartet hatte und er konnte einige Punkte wiedererkennen, die ihm aus seiner Zeit in Germania bekannt vorkamen. Die anschließende massive Rüge durch den Praefectus Urbi überraschte ihn dagegen. Er hätte angenommen, dass dem Kaiser und mithin auch dem Praefectus Urbi ohnehin regelmäßige Berichte des Statthalters vorgelegen hätten. Entweder war dies nicht der Fall oder der Praefectus Urbi suchte nur einen Grund, sich gegen den ehemaligen Statthalter zu positionieren. Mit einem leicht angespannten Gesichtsausdruck folgte er der Erwiderung von Vinicius Hungaricus und wartete auf die Antwort des Praefectus Urbi. Die Diskussion hatte nicht allzu viel mit dem Senat ansich zu tun, so dass er ihr auch nicht allzu viel Raum einräumen wollte, und stattdessen lieber zum Inhalt kommen wollte.
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Potitus verschränkte die Arme vor der Brust. Ausreden, nichts als Ausreden! "Dann kann ich dir und allen, die jemals Statthalter werden wollen verraten, dass der Kaiser und sein Stellvertreter ihre Berichte gern in einer etwas intimeren Atmosphäre in Empfang nehmen als in der Curia Iulia!" antwortete er tadelnd. Dann machte er eine wegwerfende Handbewegung. "Aber wenn du jetzt schon erzählt hast, könnt ihr meinetwegen fragen!" Er setzte sich wieder. Aber Hungaricus konnte sich noch auf Ärger gefasst machen!
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Wie es schien, war Germania ruhiger geworden als es noch zu Zeiten seines Vateres war. Oder waren die Germanen einfach nur fauler geworden oder hatten gar zu einen hohen Blutzoll zahlen müssen und waren es einfach nur leid gegen das starke Rom anzurennen. Wie dem auch sei, auf alle Fälle war diese Situation gut für den Handel mit der Provinz Germanien. So sah Sedulus doch recht zufrieden aus.
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"Kürzlich wurde durch den Kaiserhof ein neues Stadtgesetz für Mogontiacum ratifiziert", griff Macer die Diskussion auf, nachdem sie durch die harschen Worte des Praefectus Urbi ins Stocken geraten waren. "War dies eher ein punktuelles Ereignis, oder finden in Germania größere Umbrüche statt, was den rechtlichen Status der Städte angeht?", erkundigte er sich. Das war schließlich auch für die Nachbarprovinzen relevant und auch für den Senat, selbst wenn Germania unter kaiserlicher Verwaltung stand.
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Der angesprochene ehemalige LAPP war etwas verwundert über die Frage.
Aber selbstverständlich überdenken die Städte ihren Status und ihre Gesetzgebung. entgegnete er.
Vor einiger Zeit wurde doch die Provinzreform beschlossen und infolge dessen überlegen natürlich die Decurionen, wie sie ihren Städten sozusagen nebenbei einen besseren Status angedeihen lassen können. Sicher, ich weiß natürlich nicht, ob das alle Städte machen. Aber schon alleine des Prestiges wegen werden sicher einige Anfragen kommen.
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Die Antwort fiel nicht ganz so ausführlich aus, wie Macer erwartet hatte. Deshalb fragte er einfach noch einmal nach, da ihn die Entwicklung "seiner" ehemaligen Provinz besonders interessierte. "Des Prestiges wegen ist einleuchtend. Aber aus der Ferne hier von Rom aus fällt es etwas schwer, solche Anfragen einzuschätzen. Als Senat kann uns das zwar egal sein, da wir nicht in der Verantwortung für diese Provinz sind, aber prinzipiell sollten uns solche Entwicklungen ja schon am Herzen liegen. Ist es also so, dass man den Städten in Germania mehr Eigenverantwortung zutrauen kann? Die Hauptstadt Mogontiacum ist ja meines Wissens nach noch immer nur im Status eines Vicus, was für eine Hauptstadt sicher ungewöhnlich ist. In anderen Provinzen haben sie zumindest den Status eines Municipiums, wenn nicht sogar einer Colonia." Dass dies mit der vor 100 Jahren abgebrochenen weiteren Eroberung Germanias zusammen hin, war Macer durchaus klar. Aber 100 Jahre waren eine sehr lange Zeit.
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Jetzt kam eine ebensolch ausführliche Antwort wie gerade zuvor. Meiner bescheidenen Meinung zufolge kann man den Städten durchaus mehr Eigenverantwortung zutrauen. Das gilt natürlich auch für Mogontiacum.
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Macer wunderte sich ein wenig, dass der ehemalige Statthalter so einsilbig antwortete. Entweder schien ihm Germania schon nicht mehr wichtig zu sein, oder der Praefectus Urbi hatte ihn mit seinem Einwurf doch mehr eingeschüchtert, als es zuerst den Eindruck hatte. Macer jedenfalls sah unter diesen Umständen keinen Sinn in weiteren Nachfragen. Er würde stattdessen vielleicht in einem persönlichen Gespräch versuchen, mehr über seine ehemalige Wirkungsstätte zu erfahren.
"Gibt es weitere Fragen zum Bericht aus Germania?", fragte er daher in die Runde, um das Thema bei einer negativen Antwort gegebenenfalls beenden zu können.
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