Ein abendliches Gespräch unter vier Augen

  • Rechtzeitig zum Abendessen traf Hungi im kleinen Triclinium ein. Stunden zuvor hatte er seine Frau zu seinem Schwiegervater begleitet, der äußerst erfreut über den Zustand seiner Tochter war. Weniger erfreut war dieser über die Tatsache, daß sein Schwiegersohn nicht zum Abendessen bleiben wollte, doch wurde er damit versöhnt, daß seine Tochter dafür über Nacht bliebe.


    Etwas müde ließ er sich auf eine der Klinen nieder, richtete seine Tunika und steckte sich eine der dargebotenen Oliven in den Mund. Und wartete auf seinen Bruder.

  • Der etwas auf sich warten liess, die neue Sklavin musste noch eingewiesen werden, aber dann doch erschien.
    Und mit seinem Eintreffen wurde das große Fressen und Saufen gestartet. Nicht aber ohne dabei viele viele Worte zu wechseln.


    "Verzeih die Verspätung Bruder, wir können schon anfangen, ich hoffe zu bist einigermaßen ausgeruht!"

  • Einigermaßen, ja. antwortete der Angesprochene und genehmigte sich wieder eine Olive. Dann griff er zu einem gefüllten Ei und hernach zu seinem Spritzer.


    Also Brüderlein... was hat sich so getan während meiner langen Abwesenheit? Bring mich mal auf den neuesten Stand.

  • "Nunja, was hat sich getan, man könnte sagen, es ist alles beim Alten, in Rom läuft es wie immer, bis auf eine Ausnahme...... der Praefectus Urbi mutiert immer mehr zu einer Belastung als zu einer Hilfe. Er nimmt sich immer mehr heraus, pfeift auf Traditionen und alteingesessene Vorgänge und weist den Senat zu jeder sich bietenden Gelegenheit in seine Schranken und alles unter dem Deckmantel der Vertreter des Kaisers zu sein. Zu diesem selbst kann aber niemand vordringen und keiner weiß, ob das alles wirklich sein Wille ist. Es scheint mir es werden immer mehr Dinge von Vescularius Willkür abhängig,."

  • Ich habe schon davon gehört. Der Vescularius war auch in Mogontiacum mehrmals Gesprächsthema. Immer verbunden mit dem Beklagen, daß der Kaiser sich nicht mehr zeigte. Er griff nach einer Olive. Wie sieht die Stimmung gegen ihn aus?

  • Ich sah mich kurz um, was aber eher unnötig war, hatte ich doch Phaeneas angewiesen, dafür zu sorgen, dass wir ungestört blieben und nur er selbst uns bedienen durfte, denn ihm vertraute ich. So konnte nichts von dem was an diesem Abend gesprochen wurde, nach aussen dringen


    "Nunja, auf der einen Seite hat er sicher seine Fürsprecher, all die, die er nun auf Posten setzt, die sie ohne ihn nicht erreicht hätten. Und auf der anderen Seite gibt es eine Front gegen ihn, wobei sich diese schon soweit verhärtet hat, dass man an eine diplomatische Lösung nicht mehr glaubt!"

  • Daß man an eine diplomatische Lösung nicht mehr glaubt? Hungis Stirn legte sich in Falten. Er konnte sich überdeutlich vorstellen, was Lucianus damit sagen wollte. Und er hatte bereits in Mogontiacum mitbekommen, daß der Vescularius ziemlich kaisergleich agierte.


    So weit ist es also schon gekommen? Vom ruhigen Mogontiacum auf das glatteste politische Parkett auf dieser Erde: Rom. Irgendwie hatte er sich diesen Übergang sanfter vorgestellt. Wie sind die Kräfteverhältnisse? Wer steht auf welcher Seite und wieviel hat wer hinter sich?

  • "Nunja, ich denke momentan noch ausgeglichen bzw. schon eher mehr auf Salinators Seite, es wird deutlich, dass er seine Getreuen wo es nur geht einsetzt und seine, sagen wir nicht so wohlgesonnenen, absägt.... siehe deine Abberufung. Ich habe noch Klienten in wichtigen Positionen, z.B. die Kommandanten der Legio Prima und der Classis in Misenum.... die Frage ist nur wie lange noch.


    Bei den Senatoren sind die Meinungen geteilt...... Tiberius Durus und Quarto kann ich zu den unseren zählen, Decimus Livianus und Agrippa stehen sicher auch zu uns, bei den Germanici bin ich mir nicht so sicher, die Aurelier würde ich zu uns zählen, schon alleine weil Ursus ein Klient von mir ist...... aber die Kräfte verschieben sich zu schnell!"

  • Och, über meine Abberufung bin ich gar nicht mal so unglücklich. versicherte er seinem Bruder. Die Umstände könnten natürlich glücklicher sein, das ist klar. Der Brief netter formuliert und mit ein bissl mehr Danke und sowas. Aber angesichts der Querelen mit dem Kaiserhof war er schon froh, daß er von seiner Abberufung überhaupt erfahren hatte.


    Und was genau stellt ihr euch so vor? Einfach zack und dann schaun was so kommt? Ein leicht skeptischer Unterton war herauszuhören.

  • "Das mag sein, doch deine Abberufung kam sicher nicht dir zu Liebe..... wie wir uns das vorstellen? Nicht ganz so einfach, doch im Prinzip Ja..... eigentlich schon. Doch dass wir vorher zusehen müssen, was danach passiert...... wer die Macht übernimmt!"

  • Irgendwie wollte Hungi nicht so ganz glauben, was er da hörte. Entweder sagte sein Bruder nichts, weil er nichts sagen wollte oder die Planungen standen noch gewaltigst am Anfang.


    Das wäre tatsächlich sehr günstig. spöttelte er ein bißchen. Und? Habt ihr euch schon Gedanken gemacht, wer sich stattdessen all das antun sollte?

  • Sehr deutlich waren die Anweisungen für das Abendessen mit dem eben angekommenen Bruder gewesen. Keine Sklaven außer Phaeneas – das waren schon Vorsichtsmaßnahmen. Vor allem bedeutete so etwas Verzicht auf jeglichen Komfort, der einem üblicherweise durch die Hände aufmerksamer Diener zuteil wurde.
    Ein solcher Vertrauensbeweis bedeutete Phaeneas viel. Besagte es doch, dass er nicht irgendein x-beliebiger Unfreier war, dem man nur etwas befehlen konnte. Sondern jemand, der Lucianus nahestand. In seinem Vertrauen. Ein Vertrauter. Dieses Wissen bedeutete ihm unheimlich viel.
    Auch wenn er es natürlich eigentlich längst wusste, von der Art her, wie sein Herr tagtäglich mit ihm umging, mit ihm sprach. Trotzdem liebte der Bithynier es, das noch einmal so deutlich und ausdrücklich demonstriert zu bekommen. Liebte Lucianus dafür sozusagen noch ein Stück mehr. Davon abgesehen, dass er den eh schon so sehr verehrte, dass es im Prinzip nicht mehr steigerbar war.


    Die Brüder besprachen – natürlich – die Sache Salinator. Inzwischen war Phaeneas sich sicher, die Sachlage vergleichbar detailiert schildern zu können wie sein Herr, so oft hatte er es gehört und sich Lucianus‘ wegen damit beschäftigt.
    Dem Sklaven selber war es herzlich gleichgültig, wer hier was zu sagen hatte, ob der Senat oder Salinator (kam vom Namen her sowieso fast aufs Gleiche raus). An Phaeneas‘ Situation oder seiner Gefährdung für Leib und Leben änderte das nichts.
    Aber Lucianus war es natürlich nicht gleichgültig. Und das, was er da sagte, hörte sich verdammt gefährlich an. Zu gefährlich für Phaeneas‘ Geschmack.

  • Wos? gestattete Hungi sich einen kleinen Ausflug in den Dialekt seiner... ihrer Heimat. Na wirkli net.


    Aber das wars auch schon mit dem besagten Ausflug. Warum sollte ich das wollen? Du weißt ganz genau, daß ich schon mal Praefectus Urbi war. Nein danke, kein Bedarf. Er schüttelte den Kopf und griff nach seinem Becher Wein. Ich brauch eine Pause. murmelte er halblaut.

  • "nun...." fing ich etwas leiser an "..... es ging bei besagten Gespräch auch nicht um den Posten des Praefectus Urbi...... diesen zu besetzen wäre sicher leicht......." aber ich musste wohl weiter ausholen "..... aber um es dir verständlicher zu machen werde ich versuchen, alles zusammenzufassen...." ich holte tief Luft.


    "Angefangen hat alles mit Quarto und mir..... wir beide verstehen uns recht gut, es gab Gespräche über dies und das und dann natürlich auch über den Kaiser, den man nie zu Gesicht bekommt, nicht einmal er, sein Bruder..... und den Praefectus Urbi, der sich immer mehr herausnahm und nimmt und alles immer unter dem Deckmantel der Vertreter des Kaisers zu sein.
    Quarto und ich waren sich einig, dass der Senat zusammenhalten musste und aufpassen, was hier in Rom geschieht.
    Dazu wollten wir Patrizier und Plebeiier vereinigen, sprich Tiberer und Germanici, doch dies schlug fehl.
    Wir beschlossen dennoch wachsam zu sein doch für den Moment die Sache ruhen zu lassen.
    Bis Tiberius Durus vor einiger Zeit auf mich zukam und um ein Gespräch unter ein paar Senatoren bat. Anscheinend wurde es dem Consular in letzter Zeit selbst zu viel und wir trafen uns in seinem Haus. Eine Rige der Senatoren war anwesend und Durus sprach ohne Umschweife aus, was er dachte. Ein gefährliches Unterfangen, doch auch die Senatoren, die seine Worte nicht gut hiessen schworen stillschweigen zu bewahren und es scheint, als würde das bis zum heutigen Tage auch eingehalten.
    Durus und ich sponnen die Sache aber unter vier Augen weiter und auch wenn wir uns einig sind, dass er Praefectus Urbi weichen muss, so war uns nicht klar, welche Rolle der Kaiser dabei spielen würde.
    Wir wissen eben nicht, ob der Vescularius blind vertraut, ob der Kaiser einfach nur zu schwach ist, um sich selbst darum zu kümmern, oder ob Vescularius dem Kaiser irgendwelche Geschichten auftischt nur um seine Macht aufzubauen.


    Wie dem auch sei, es wurde auch die Option angesprochen, der Kaiser könnte irgendwie von uns gehen und dann müsste man sich auch um seine Nachfolge kümmern."


    Hungi würde wohl nun verstehen, in welchem Zusammenhang sein Name gefallen war.....

  • Ohja, er verstand. Aber er mochte nicht glauben, was er da hörte. Mehr noch, fast war ihm der Bissen im Halse steckengeblieben.


    Wie bitte? fragte er zu laut, was er auch sogleich bemerkte, denn er senkte sofort seine Stimme. Was soll das heißen, eine Option? Ihr wollt dem aber jetzt nicht wirklich nachhelfen? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Politische Feinde verschwinden lassen war eine Sache, auch er hatte schon damit zu tun gehabt. Aber beim Kaiser... das war eine ganz andere Liga. Doch spinnte er weiter, was sein Bruder ihm gerade offeriert hatte. Nur ganz kurz, nur ein paar Gedanken. Was er da alles anstellen könnte... und wieviel Arbeit alles wäre.


    Nein. sagte er und ließ einmal offen, was genau er damit meinte.

  • "Wir haben nur die Möglichkeiten in Betracht gezogen, was alles passieren könnte....... ich denke, es ist wichtig auf alles vorbereitet zu sein..... was wären die Alternativen aus deiner Sicht, Bruder? Du wirst sehen, mit dem Vescularier ist kein Auskommen...... schaffst du es, mit dem Kaiser zu sprechen, so hast du sicher den Senat hinter dir? Oder willst du zum Consulat kandidieren um dem Praefectus Urbi die Stirn zu bieten? Was würde es helfen, er ist doch der Vertreter des Kaisers und als solcher unfehlbar!"


    Theatralisch war die Stimme im letzten Satz, sodass man genau wusste, wie ich es meinte.

  • Mit Mühe konnte er ein Stöhnen unterdrücken. Du überforderst mich gerade, Bruderherz. Ich bin noch keinen Tag zurück... Und der Spritzer war irgendwie sehr schwach gemischt. Viel zu sommerlich für diese Jahreszeit. Oder viel zu sanft für dieses heftige Gespräch.


    Nach einigen überlegenden Augenblicken sprach er weiter. Wenn ihr das volle Programm durchziehen wollt, dann wird das unweigerlich einen Bürgerkrieg bedeuten. Wenn er wirklich soviele Leute auf seiner Seite hat, werden die ja nicht tatenlos zusehen, die werden zurückschlagen wollen. Und was dann?

  • "Ich verstehe dich Bruder, doch das Thema darf nicht länger aufgeschoben werden und ich brauche deine Ratschläge und deine Hilfe...... und nein, wir WOLLEN gar nichts endgültig und ohne nachzudenken durchziehen, doch meinst du nicht auch, dass die momentane Situation Taten erfordert?
    Und ich denke, sobald Salinator keine Macht mehr besitzt, wie auch immer, wird niemand mehr zu ihm stehen!"

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