Tablinum | Menschenskinder

  • Wie sollte Sedulus seiner Tochter erklären was hier in Mantua vorging ohne sie zu verschrecken? Und anlügen wollte Sedulus seine Tochter ja auch nicht.

    In der Stadt gibt es einige kranke Leute. Sie haben eine ansteckende Krankheit und da wir uns ja nicht anstecken möchten schon gar nicht Septima und Serrana wegen der Kinder, reisen wir also heute noch ab.


    Erklärte Sedulus seiner Tochter in knappen Worten. Dass man bei auch sterben konnte, oder vielmehr es auch tat wenn man diese Krankheit bekommen hat, verschwieg Sedulus vorsichtshalber.

  • Verwirrt sah Baldemar sich um. Flora kam hinzu. Ein kleines Mädchen. Sedulus. Langsam wurde es voll. Grimmig sah er den Wunsch von Septima. Er ging zu ihr. Zu viele Römer anwesend. Sich jetzt aufregen bedeutete nur Ärger. Der Marser half Septima auf. Frija wäre in der Tat nicht unbedingt geeignet gewesen. Er schenkte seiner Frau ein Lächeln.
    Seine Augen folgten Septima. Ein leises Schnalzen. Der Germane war noch immer sauer auf die Römerin. Aber es war wirklich besser, würde sie gehen. Das war allerdings nicht seine Sache.
    Das Mädchen. Eine Römerin. Baldemar grinste breit. Was für ein Sonnenschein. Blieb abzuwarten, wann die Kleine anfangen würde Sklaven auspeitschen zu lassen. Ein Grummeln.
    Der nubische Sklave ging. Baldemar sah ihm nach. Der Glückliche. Er selbst wartete ab. Frija schenkte er dabei einen liebevollen Blick. Kaum sah er in den Raum, war er wieder wie versteinert.

  • Es interessierte die Tiberia nicht, ob ihr Sklave ihr gern oder nicht so gern aufhalf, solange er tat, worum sie ihn bat. Das Baldemar noch immer wegen dieses Testkampfes mit dem Optio beleidigt war, interessierte die Römerin auch nicht. Ihr germanischer custos corporis war schon immer schweigsam gewesen, was die junge Frau sehr begrüsste.


    Septima lies sich von Ursus in eine sichere Umarmung ziehen, die ihr erst recht das Gefühl gab, dass ihr hier, in seiner Nähe, rein gar nichts geschehen konnte. Um so weniger verstand sie, warum er sie fort schicken wollte. Schmollend schob sich ihre Unterlippe vor und sie hörte sich die Meinungen von allen Seiten her an. Serrana wollte unbedingt und sofort weg von hier, Sedulus, ihr Mann, stimmte ihr darin sogleich zu und Ursus wollte sie, seine Ehefrau und hoffentlich seinen bald erstgeborenen Sohn, auch fort schicken. Es war zum verrückt werden.
    „Ich verstehe wirklich nicht wieso ihr euch alle so aufregt. Noch ist hier gar nichts geschehen, aber wenn ihr unbedingt wollt...“ entnervt schaute sie zu Ursus hoch. „Wie lange glaubst du, müssen wir dem Castellum fern bleiben?“ erkundigte sie sich bei ihrem Gemahl und hoffte, dass sie in zwei, spätestens drei Wochen schon wieder hier her zurück kehren konnten.
    Mit den Augen gab sie derweil Frija zu verstehen, dass diese das Packen ihrer Sachen beaufsichtigen sollte, was Ursus wohl schon bei seiner Ankunft im Praetorum angeordnet hatte.
    Dann brauchten sie auch nur noch auf die Sänften zu warten, denn das Gepäck konnte später mit dem Wagen folgen.

  • Liebevoll drückte Ursus seine Frau an sich. Nein, er wollte sie nicht gehen lassen. Schon gar nicht so kurz vor der Niederkunft. Es war schwer, so furchtbar schwer, sie fortzuschicken. Diesem flehenden Blick zu widerstehen, dem süßen Schmollmund. "Wir wissen noch nicht genau, womit wir es zu tun haben. Aber es sind die Schwachen, die zuerst sterben und die auch schon gestorben sind. Die Alten, die Kranken, - die Neugeborenen... Verstehst Du? Ich will Dich und unser Kind in Sicherheit wissen. Es würde mir das Herz brechen, wenn einer von euch sterben müßte, - weil ich es nicht fertigbrachte, euch wegzuschicken. Das würde ich mir niemals verzeihen." Natürlich. Kinder starben. Neugeborene starben. Es gab einen Grund, warum ein Kind nicht gleich nach der Geburt seinen Namen erhielt. Doch man mußte es auch nicht wissentlich einer großen Gefahr aussetzen.


    "Sprecht mit niemandem. Laßt euch von niemandem berühren. Ich hoffe, daß diese Sache schnell ausgestanden ist. Zwei Wochen vielleicht. Oder drei. Wenn ich Dir einen Boten schicke, dann weißt Du, daß alles gut ist. Denn den schicke ich nur, wenn ich sicher sein kann, daß er Dir die Krankheit nicht mitbringt. - Ach, Septima, ich möchte Dich nicht fortschicken. Aber ich muß!" Wenn sie das doch endlich verstehen würde.

  • Kurz lies sich sich von Ursus drücken, doch dann wurde ihr die Rüstung einfach zu unbequem. Er sah zwar schick aus in dem Ding, aber zum kuscheln war die Rüstung nun wirklich nicht geeignet. Mit seinen nächsten Worten erfasste auch Septima den Ernst der Lage. Sie nickte und ließ sich schweren Herzens davon überzeugen, dass sie wirklich gleich abreisen sollten. Sie würde ihr erstes gemeinsames Kind also alleine bekommen und es würde erst Tage, wenn nicht sogar Wochen später dem Vater vor die Füsse gelegt werden. Wenn die Seuche unglücklich verlief, dann würde ihr Kind noch nicht einmal einen Namen haben, wenn es neun Tage alt wurde. Bei diesen Gedanken kamen ihr die Tränen. „Aber... aber...“ Septima wußte nicht was sie sagen sollte. Traurig schaute sie ihren Mann an. „Kannst du nicht wenigstens zu uns kommen, wenn das Kind da ist?“

  • Tränen schwammen in ihren Augen. Verdammt! Was sollte er nun tun? Seine Septima so traurig zu sehen, zerriß ihm schier das Herz. Tränen, damit konnte er ja gar nicht umgehen! "Ich befürchte, das kann ich Dir nicht versprechen, mein Herz. Es kommt darauf an, wie sich die Lage hier entwickelt. Es tut mir so leid..." Was sollte er sonst sagen? Er konnte nichts versprechen, er wollte auch nichts versprechen, was er nicht sicher halten konnte. Belügen wollte er sie noch weniger. Jeden anderen, aber nicht seine Frau! Die anderen Anwesenden waren für das kurze Gespräch zwischen den Eheleuten völlig vergessen.

  • Ganz undamenhaft mußte Septima nun schniefen, denn die Tränen brachten ebenfalls ihre Nase zum laufen. Unwillig wischte sie die Tränen fort. Sie hatte schon so vieles alleine geschafft, da würde sie doch auch ein Kind zur Welt bringen können. Und wie könnte ihr Ursus überhaupt dabei helfen? Wenn es so weit war, dürfte eh kein Mann anwesend sein. Die Kinder wurden nur in Anwesenheit von Frauen und Hebammen geboren, womit genau das zusammen hing, wußte Septima auch nicht mehr. Sie löste sich vollständig von Ursus und schaute die anderen an. „Dann lasst uns aufbrechen.“
    Ein letzter Blick zu Titus, ein kurzer Kuss und sie verließ, wieder leicht watschelnd, den Raum. Frija hatte derweil das Packen ihrer Sachen beaufsichtigt. Viele ihrer Kleider konnten hier bleiben, denn öffentliche Anlässe oder gar eine Cena würden wohl kaum in ihrer Villa Rustica stattfinden.
    Kurz darauf verließ sie zusammen mit Sedulus' Familie das Praetorium. Die Frauen reisten jeweils in einer eigenen Sänfte, während sich Sedulus seine mit der kleinen Sabina teilen musste. Die Kleidung würde wenig später in einem separaten Wagen folgen.

  • Verstehend nickte Sabina, denn so klein, wie die Erwachsenen wohl dachten, war sie ja gar nicht mehr. Dennoch konnte sie die ganze Aufregung nicht verstehen. Die umherhuschenden Sklaven mit den gehetzten Gesichtsausdrücken machten sie ein wenig nervös. Bia würde ihre Sachen sicherlich auch zusammen packen. Da es auch nicht sofort los ging, setzte sie sich auf eine der Klinen und wackelte dabei mit den Beinen. Während sie darauf wartete, dass die Erwachsenen ihre Entscheidungen gefällt hatten.
    Als es dann soweit war und sie abreisen würden, klebte sie sich an ihren Vater heran. Er hatte gesagt, sie solle bei ihm bleiben und das tat sie auch. Sie wich ihm nicht von der Seite und lief sogar das ein oder andere Mal in ihn hinein, wenn er einfach überraschend stehen blieb. Wenig später saßen sie auch schon in den Sänften und es ging los. Nur schnell weg von dem Seuchenherd.

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