Landgut der Tiberia Septima


  • Ursprünglich hatte dieses Gut dem Ehemann der Tiberia, Aurelius Ursus gehört. Doch er hatte es ihr überschrieben mit dem Hinweis, daß es sich dabei um ihre Dos handele. Das Grundstück, daß ihm damals von Tiberius Durus überschrieben worden war, es lag in Hispania, hatte Ursus zum Ausgleich behalten. Tiberia Septima errichtete hier eine Pferdezucht und auch eine Trainingsbahn, um die Rennpferde der Aurata hier, fern der spionierenden römischen Rennställe, in aller Ruhe trainieren lassen zu können.


    Das Gutshaus war zwar nicht klein, aber auch nicht gerade luxuriös. Es war nicht unbedingt darauf eingerichtet, hohe Gäste über längere Zeit zu beherbergen. Aber irgendwie würden die Sklaven es schon schaffen, für die hochschwangeren Frauen und ihre Angehörigen angemessene Unterkünfte zu schaffen.

  • Es dauerte zwei Tage, bis das sie endlich das Landgut der Tiberia, nahe Roma, erreicht hatten. Für Septima war es eine Qual, denn immer mal wieder verspürte sie ein Ziehen im Unterleib, welches am letzten Tag ihrer Reise von Stunde zu Stunde heftiger wurde. Die Hebamme wurde bei einem kurzen Aufenthalt zur Sänfte gebeten, während die Tragesklaven ausgetauscht wurden und es bald darauf weiter ging.
    So gut es beim Ruckeln der Sänfte ging, untersuchte Alba die Schwangere Frau und legte ihr prüfend eine Hand auf den gewölbten Bauch. „Nun Septima, ich denke es wird nicht mehr lange bis zu deiner Niederkunft dauern. Das Kind macht sich bereit das Licht der Welt zu erblicken. Solltest du plötzlich merken, dass es unter dir ganz nass wird, so sag mir bitte sofort Bescheid. Dann kann es nur noch Stunden dauern, bis das dein Kind da ist.“ Lächelnd blickte die älntere Frau die Schwangere an. Zur Not würde sie es sogar schaffen, dass Kind in einer Sänfte sicher auf diese Welt zu bringen, da war sich Pacaria Alba absolut sicher. Hauptsache sie waren weit genug weg von den bösen Winden in Mantua.


    Septima schaute die ältere Frau verunsichert an. „Aber... das kann doch noch gar nicht sein! Ich will mein Kind nicht ohne meinen Mann bekommen!“ Schützend hielt sie mit beiden Händen ihren Bauch, so als ob sie alleine durch ihren Willen das Baby im Bauch halten könnte. Titus sollte dabei sein, oder zumindest vor der Tür ihres cubiculums warten, während sie sein erstes Kind gebar. Doch das war ein Wunschtraum, der zumindest bei dieser Geburt nicht in Erfüllung gehen würde, denn der Legat musste bei seiner Legio bleiben, ganz egal ob seine Frau ein, zwei, oder fünf Kinder bekommen würde. Seufzend lies sich die junge Mutter wieder in die Kissen fallen. „Hauptsache ich bekomme unser Kind nicht hier.“ teilte sie im Brustton der Überzeugung ihre Entscheidung mit.


    Ein Soldat war voraus geschickt worden, um die Ankunft der Herrin, so wie die sder ie begleitenden Besucher anzukündigen. Alba hatte zuvor den Leibwächter von Septima herbei gewunken und ihm Anweisungen erteilt, dass alles für eine bevorstehende Geburt vorbereitet sein sollte. Sie verließ sich darauf, dass der Germane die Information an den Reiter der Soldaten weiter geben würde.


    Über Baldemar wurde Septima auf dem Laufenden gehalten, wann sie endlich bei ihrer Villa Rustica eintreffen würden. Erleichtert atmete die Tiberia auf, als Baldemar verkündete, dass sie gleich da seien und er bereits die Umfriedung ihres Landes sehen könne. Vorsichtig zog Septima den Vorhang ihrer Sänfte ein Stück zurück und tatsächlich, da lag es. Ihr Land. Doch schon im nächsten Moment zog wieder eine dieser leichten Wehen – so hatte es Alba bezeichnet, wußte Septima doch noch nicht wie heftig es werden würde, wenn das Kind wirklich hinaus wollte – durch ihren Körper und Septima stöhnte leise auf. 'Bei Iuno, wie lange soll das denn noch gehen!' schimpfte sie in Gedanken und entschuldigte sich sogleich wieder bei der Göttin, war sie doch froh um jeden Digitus, den sie ihrem Landgut näher kamen.


    Dann endlich spürte Septima, wie die Sänfte abgesetzt wurde und Alba zog bereits den Vorhang der Sänfte ein Stück bei Seite. Sie standen direkt vor dem Eingang des Gutsgebäudes und ein Strahlen ging über das Gesicht der Tiberia. Zwar war das Wetter längst nicht so schön wie wenn sie hier im Sommer war, aber der vertraute Anblick gab ihr ein Gefühl von zu Hause sein. Immerhin regnete es nicht.

  • Zwei Tage. Zwei bescheidene Tage. Er hasste sie. Septima war Römerin. Und überhaupt. Zwei Tage. Ging es ihr gut in dieser zeit? Immer wieder war er besorgt gewesen. Er hatte Frija gefragt. Es ging Septima gut war die Antwort gewesen. Er konnte sie nicht leiden. Diese schwangere Römerin. Aber er erkundigte sich ständig nach ihrem Befinden. Wie gut das Frija da war. Dann würde sich eine richtige Frau drumm kümmern. Eine Germanin. Die Hebamme vergaß er dabei immer wieder. Obwohl er oft lauschte, was sie sagte. Aber er mochte Septima nicht. Nein. Sie hatte ihn verraten. Sie war. Sie war. Schwanger. Vielleicht würde er ihr vergeben können. Nur für den Augenblick natürlich. Ein Soldat sollte sie ankündigen. Baldemar grinste. ja. Reite, Römer, reite.
    Entspannt saß er auf seinem Pferd. Diese Alba wollte etwas. Bevorstehende Geburt? Was?Wie?Wo?Wer? Er sah sie mit großen Augen an. Nickte schließlich. Wo war der Römer? Jetzt hieß es lauf Pferd,lauf. Der Germane holte ihn ein. Es sollte alles für die Geburt bereit sein. Es war ein Befehlston. Er mochte Septima nicht besonders. Aber es sollte ihr nichts passieren. So schnell es ging kam er wieder. Sagte Septima, wo sie waren. Er grummelte dabei kaum mehr.
    Der Germane hörte ein leises Stöhnen. Sofort war er bei Septima. Er sagte nichts. Sah sie nur an. Fragend. Besorgt. Er mochte sie doch ein wenig. Ihr Gesicht strahlte. Verdammte Römerin. Konnte sie nicht einfach das Kind bekommen? Baldemar half ihr aufstehen. Wenn nötig würde er sie tragen.

  • Für Serrana hatten sich die beiden vergangenen Tage, die sie fast ausschließlich in der Sänfte verbracht angefühlt wie eine ganz Woche. Endloses Geschaukel, das ihr auch noch die letzte Energie aus den Knochen zu ziehen schien, und das, obwohl sich die Sklaven alle erdenkliche Mühe gaben, den beiden schwangeren Frauen jede unnötige Erschütterung zu ersparen. Hatte sie die Reise von Rom nach Mantua noch dazu genutzt, sich pausenlos und mit großer Begeisterung mit den anderen Mitreisenden zu unterhalten, war Serrana dieses Mal von Stunde zu Stunde stiller geworden, hatte sich so gut wie möglich auf ihren Kissen zusammengerollt und auf eine baldige Ankunft gehofft.
    Und dann, endlich, endlich, stoppte die Sänfte, und Septimas Leibwächter verkündete, dass sie nun doch das Landgut der jungen Tiberia erreicht hatten.
    Serrana stieß einen ziemlich ächzenden Seufzer aus, rappelte sich dann aus ihrer Liegeposition hoch, und stieg mit einiger Hilfe und alles andere als schnell aus der Sänfte. Mit wackligen Knien aber dennoch mehr als erleichtert, presste sie beide Hände in den Rücken, streckte sich so gut es ging und spürte dann plötzlich, wie die Innenseite ihrer Schenkel und ihre Füße plötzlich nass wurden. Serrana erstarrte mitten in der Bewegung und starrte nach unten, wo sie wie immer seit etlichen Wochen nichts anderes zu sehen bekam, als ihren riesigen Bauch und etwas Flüssigkeit, die von der Stelle ihren Ausgang nahm, an der sich vermutlich gerade ihre Füße befanden.


    "Ooooh" sagte sie fast tonlos und blieb stocksteif und unbeweglich stehen. "Was mach ich denn jetzt? Was mach ich denn jetzt nur?"

  • Sie waren angekommen, endlich angekommen! Erleichtert griff Septima nach der kräftigen Hand ihres custos corporis und lies sich, mit der zweiten Hand von Baldemar unter den Arm gestützt, aus der Sänfte helfen. „Danke Bal... ahhhhh!“ Hatte da jemand ihre innere Sanduhr auf Ankunft und Kind kriegen gemeinsam gestellt? Der Schmerz, welcher Septima in diesem Moment überkam, zog sich vom unteren Bereich ihres Rückens, über beide Seiten, nach vorne in ihren Bauch, oder war es ein Stückchen tiefer? Sie klammerte sich förmlich an Baldemars Hand und zerquetschte – zumindest glaubte sie dies – seine Hand. Stossweise kam ihr Atem und Alba stürzte sofort herbei. Ein wissender Blick in die Augen der Schwangeren und sie forderte Baldemar auf: „Bring sie sofort in ihr Cubiculum und erkundige dich, ob alles gemäß meinen Anweisungen vorbereitete ist!“
    Frija trat ebenfalls hinzu und nickte ihrem Mann kurz zu. Sie würde voraus gehen und den Weg frei machen.



    Dann wand sie sich an Serrana, die völlig perplex vor der Sänfte stehen geblieben war, wo sich soeben ein dunkler, nasser Fleck auf dem Boden ausbreitet. „Auch das noch!“ schimpfte die Hebamme leise vor sich her und eilte an die Seite der zweiten Schwangeren. Sanft fasste sie nach deren Arm, um ihr Beistand und Halt zu geben. „Es ist wohl auch bei dir so weit, Iunias. Komm!“ Auffordernd blickte sie zum Ehemann von Serrana, damit dieser seine Frau auf der anderen Seite stützten, und sie sie gemeinsam ins Haus bringen konnten. 'Zwei Schwangere und beide scheinen gleichzeitig ihre Kinder zu bekommen! Iuno Sospita steh uns bei!'

  • Er stand ruhig neben ihr. Ganz ruhig. Sein Kopf ruckte. Was war los? Wollte sie Handdrücken machen? Verwundert sah er sie an. Sie schien Schmerzen zu haben. Baldemar stand einfach nur da. Regungslos. Diese Römerin. Was dachte die sich? Sofort ins Cubiculum? Frija nickte. Alle schienen zu wissen worum es ging. Plötzlich erkannte er es. Ja natürlich. Er sah nichts mehr. Wollte sie nur stützen. Aber das ging zu langsam. Das Kind. Das Kind. Es kam. Römer! Konnten nicht einmal auf einen besseren Moment warten. Er griff sie. Und hob sie hoch. Selbstsicher. UFF. Sie hatte zugenommen. Natürlich. Wie dumm! Er würde sie nicht loslassen. Nicht runter lasse. Und schon gar nicht fallen lassen. Seine starken Arme hielten sie sicher. Der Germane folgte seiner Frau. Rasch. Versuchte im Tritt zu bleiben. Ab und an stämmte er sich gegen eine Wand. Um ja nicht zu fallen. Ja nicht jetzt! Hörst du Septima? Er grummelte. Die ärmste Frau. Er fing an sich Sorgen zu machen. Sie war Römerin. Aber sie war eine Frau. Zwischen zwei knurrenden Lauten kam etwas Sprache hervor. Wir sind gleich da. Gleich. Er griff fester um sie. Jeder Befehl der Hebamme war vergessen. Ja. Baldemar würde sogar auf sie hören. Er würde auf jeden hören. Wenn doch nur Septima und dem Kind nichts passieren würde.

  • Die Schmerzen waren schlimm. Sehr schlimm sogar. Sie waren so schlimm, dass sie alles andere verdrängten, so schlimm, dass sogar die seit Monaten allgegenwärtige Angst verschwand, weil schlichtweg kein Raum für sie da war.
    Als die Wehen vor etlichen Stunden eingesetzt hatten, war Serrana noch optimistisch gewesen, das Ganze recht schnell und unproblematisch hinter sich bringen zu können, obwohl Pacaria Alba zur selben Zeit in einem der benachbarten Räume mit Septima beschäftigt und deshalb auf die schnelle noch eine zweite Hebamme von einem benachbarten Gehöft zu Hilfe geholt worden war.

    Besagte Praxilla, eine drahtige und bereits etwas ältere Frau, hatte forsch das Cubiculum betreten, die ziemlich verschreckte Serrana mit ein paar kundigen Handgriffen untersucht und schließlich nachdenklich die Stirn gerunzelt.
    „Nun, ich denke, das wird eine lange Nacht werden. Beim ersten Mal dauert es ohnehin länger und dann gleich zwei Kinder auf einmal…“ Praxilla hielt inne, als sie Serranas entgeisterten Gesichtsausdruck bemerkte und schüttelte dann mit einem Seufzer den Kopf. „Hat dir das etwa noch keiner gesagt? Ein Wunder, dass ihr feinen Leute überhaupt gesunde Kinder zur Welt bringt, so wenig Ahnung wie ihr alle von den einfachsten Dingen des Lebens habt…“ Sie seufzte erneut und tätschelte Serrana dann kurz den Arm, während sie die anwesenden Sklavinnen mit den unterschiedlichsten Anweisungen überschüttete. „Nun mach dir mal keine Sorgen, Kleines, wir werden das schon hinkriegen, du wirst sehen.“ Serrana nickte eher überrumpelt als überzeugt und begann dann, mit den Händen in der Luft herum zu wedeln, wie immer, wenn sie besonders nervös oder aufgeregt war. „Ich kann gar nicht glauben, dass ich nie auf die Idee gekommen bin. Dabei hat es sogar einen Artikel darüber in der Acta gegeben. Dass in der letzten Zeit so viele Zwillinge geboren worden sind und dass das eventuell ein Zeichen der Götter sein kön……uuuuuuhhhhh….“ Diese Wehe war schon ungleich heftiger gewesen als die davor, und Praxilla griff resolut nach Serranas wedelnden Armen, um sie ein wenig zur Ruhe zur bringen. „Diese Schreiberlinge schreiben ne ganze Menge, wenn der Tag lang ist. Jetzt lassen wir mal die Götter Götter sein und kümmern uns erstmal um dich und deine Kinder, das ist wichtiger." Serrana nickte ein wenig zögerlich, doch mit jeder weiteren Wehe wurde der Gedanke an die Unsterblichen immer weiter an den Rand ihres Bewusstseins verbannt und durch viel unmittelbarere Sorgen ersetzt.
    Immer kürzer wurden die Abstände, und Serrana war schließlich schweiß überströmt, auch wenn die Sklavinnen ihr Bestes taten, um ihr mit feuchten Tüchern ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Immer wieder schrie sie auf, sehr verhalten noch zu Beginn, doch als die Schmerzen sie nach und nach wie riesige Wellen überrollten, schrie sie ihre Pein einfach nur noch heraus, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an die übrigen Menschen im und ausserhalb des Cubiculums zu verschwenden. „Du machst das gut, Kleines, weiter so.“ Die Hebamme war der zunehmenden Lautstärke und Hektik im Raum zum Trotz nach wie vor genauso unaufgeregt und ruhig wie zu Beginn der Geburt, und vermutlich war es das, was Serrana immer wieder aufs Neue die Zähne zusammen beißen ließ, obwohl sie bei jeder neuen Wehe sicher war, dass sie eine weitere nicht würde überstehen können. „Dein Körper stellt sich jetzt darauf ein, die Kinder hinaus zu schieben, hörst du?.“ Praxilla strich Serrana eine verklebte Haarsträhne aus der Stirn und half ihr gemeinsam mit einer der Sklavinnen in eine mehr oder weniger hockende Position. „Auch wenn du das Gefühl hast, jetzt nur noch pressen zu müssen, ist es wichtig ganz sachte vorzugehen. Stell dir einfach vor, dass du die Babys mit jedem Atemzug hinaus trägst.“ "Ich will mir aber nichts vorstellen, ich will nur, dass es endlich vorbei ist.“ heulte Serrana, die inzwischen am Ende ihrer Kräfte angekommen war, verzweifelt auf. „Und wenn es vorbei ist, dann will ich nie, nie, nie mehr ein Kind bekommen! Oh gütige Minerva, warum bin ich nicht Vestalin geworden wie Romana….“ „Unsinn, das sagen die meisten, und am Tag nach der Geburt können sie sich kaum noch daran erinnern.“ entgegnete die Hebamme und nahm wieder ihren Platz zwischen Serranas Schenkeln ein. "Ich kann schon den Kopf sehen, du hast es also fast geschafft.“ Beflügelt durch die Aussicht auf ein baldiges Ende, nahm Serrana noch einmal alle Kraft zusammen und presste, obwohl sie das Gefühl hatte, ihr Körper würde zunehmend auseinander gerissen. Und dann war es tatsächlich wirklich soweit: erst erschien der Kopf, dann die Schultern und schließlich glitt Serranas erstgeborenes Kind in einem Schwall Fruchtwasser aus ihr heraus und begann wenige Augenblicke später zu schreien. „Eine Tochter hast du schon mal, Kleines, jetzt kümmern wir uns noch um das Andere.“ verkündete Praxilla nachdem sie sich vergewissert hatte, dass das Neugeborene alle Gliedmaßen besaß und auch sonst einen gesunden und munteren Eindruck machte und hielt es so in die Höhe, dass Serrana es sehen konnte. Serrana starrte das kleine blutverschmierte und schreiende Bündel an, und mit einem Mal war die Aussicht, auch noch ein weiteres Kind auf die Welt zu bringen, nicht einmal mehr halb so schlimm. „Eine Tochter, ich habe eine Tochter.“ murmelte sie in ungläubigem Staunen mehr zu sich selbst, bevor erneute Wehen sie zurückrissen. Wieder versank sie in einer Welle aus Schmerzen, aber diesmal ging es schneller und nur wenige Minuten später hatte auch das zweite Kind den Geburtskanal passiert und ihren Körper verlassen, auch diesmal begleitet von noch recht zittrigem aber dennoch lautstarkem Protestgeschrei. „Ein strammer kleiner Kerl, das wird deinen Gatten sicher freuen.“ ]Mit einem übersehbar erleichterten Gesichtsausdruck, dass die Geburt zwar lang und schmerzhaft aber dennoch komplikationslos verlaufen war, hielt die Hebamme auch das zweite Kind in die Höhe und reichte es nach dem Abnabeln dann an eine ihrer Gehilfinnen weiter, damit diese es, wie schon das kleine Mädchen zuvor, waschen konnte. Praxilla selbst kümmerte sich jetzt um die Nachgeburt, von der Serrana kaum noch etwas mitbekam, da sie viel zu sehr damit beschäftigt war, Ausschau nach ihren Kindern zu halten. Die wenigen Minuten, die vergingen, zerrannen in ihren Augen zäh wie Stunden, doch dann kam die Sklavin endlich zurück und legte Serrana sanft je ein in frisches Leinen gewickeltes Kind in die Arme. Es war ein unglaubliches Gefühl, das sie in diesem Moment durchflutete, als sie auf die winzigen Gesichter ihrer Kinder hinab sah und jedes noch so kleine Detail in sich aufzusaugen versuchte. Der dunkle Haarflaum ihrer Tochter zum Beispiel und das etwas hellere und auch kürzere Haar ihres Sohnes…Alles andere war für den Augenblick verschwunden, die Angst vor der Niederkunft, die sie monatelang verfolgt hatte, die überstürzte Flucht aus dem seuchengeplagten Mantua und nicht zuletzt der vor wenigen Stunden noch so geheimnisvolle Artikel in der Acta. Serrana stieß einen kleinen Seufzer aus, legte sich mit einigen Mühen bequemer hin, ohne die friedlich schlafenden Babys zu wecken, und glitt dann selbst in einen tiefen und erholsamen Schlaf.


  • „BIA!“ kreischte Sbaina während sie kopfüber in der kleinen Truhe verschwand, welche die Sklavin in aller Eile gepackt hatte. Viel Zeit hatte sie ja nicht gehabt um zumindest die nötigsten Dinge der Germanica zu packen. Die Angst vor der Seuche, welche Mantua fest im Griff hatte, hatte sie zur Eile angetrieben und vermutlich etwas Wichtiges übersehen lassen. Denn es war genau dieser Tonfall, den die Sklavin in Alarmbereitschaft versetzte. Sabina war kurz vor einem Tobsuchtsanfall. Je älter sie wurde, desto seltener kam es vor, aber umso schlimmer wütete ihr Schützling dann. Woher das Mädchen diesen Charakterzug hatte? Bia konnte sich nicht erinnern, dass die Mutter Sabinas auch zu solchen Ausbrüchen geneigt hatte. „Bin ja schon da“, schnaufte sie außer Atem. Sie wurde älter, das spürte sie in allen Knochen. Gerade hatte sie noch der Iunia dabei geholfen sich ein wenig einzurichten. „Was ist denn?“ fragte sie behutsam, in der Hoffnung, einen Wutausbruch vermeiden zu können. Ein Stöhnen entfloh ihren Lippen, als sie sah, dass das Mädchen ihre Truhe einmal scheinbar auf den Kopf gestellt hatte. Kleider, Schuhe und ein paar Bücher lagen verstreut herum und immer noch warf Sabina mit Schwung alles raus. Es war offensichtlich, dass sie etwas suchte. „Was suchst du?“ fragte sie nach und kniete neben der Truhe nieder. „Wo ist Madara?“ fragte diese und kam mit giftigem Blick zum Vorschein, völlig zerzaust. Madara war ihre Lieblingspuppe, ohne diese konnte sie nicht einschlafen. Das gute Stück war nicht unbedingt ihre schönste Puppe, doch das was ihren Wert ausmachte, war die Tatsache, dass sie von ihrer verstorbenen Mutter stammte.
    Ein ganz klein wenig wurde Bia blass um die Nase. Hatte sie das Spielzeug nicht eingepackt? Nach dem Chaos zu schließen, anscheinend nicht. „Schatz… ich fürchte, ich hab sie vergessen!“ sagte sie vorsichtig und ahnte bereits, dass dies nicht das war, was Sabina hören wollte. Was folgte war ein Wutschrei und eine Schriftrolle flog quer durch das Zimmer. Beschwichtigend hob das überforderte Kindermädchen die Hände. „Ich werde jemanden bitten sie zu holen“, versuchte sie mit ruhiger Stimme auf das Mädchen einzureden. Bia fuhr sich durch die Haare und seufzte tief. Ausgerechnet jetzt. Das kleine Landgut stand Kopf, in diesem Augenblick lagen zwei Frauen in den Wehen und Sabina zuckte bei jedem Schrei der durch das Haus gellte sichtbar zusammen. Die Geburt der Kinder verunsicherte die kleine Germanica und machte sie gereizt. Und gerade wo sie ein wenig Trost in vertrauten Dingen suchte, war ausgerechnet das wichtigste Spielzeug nicht da.
    Sabina warf der Sklavin einen zutiefst vorwurfsvollen Blick zu, ehe sie sich mit Tränen in den Augen aufs Bett warf und ein Kissen auf den Kopf drückte um die Welt auszusperren. Dieser Tag war furchtbar und Sabina wäre am Liebsten in Rom. Dann könnte sie einen ihrer Freunde besuchen und müsste nicht hier in einer völlig fremden Umgebung darauf warten, dass dieses Geschrei endlich vorbei war.
    Bia setzte sich zu ihr und versuchte das Mädchen mit einer Geschichte wenigstens ein wenig abzulenken und auch zu besänftigen.

  • Eben noch war da der Schmerz gewesen und schon fühlte sich Septima, als ob sie wie ein Vogel fliegen könnte. Der Germane hatte sie kurzer Hand hoch gehoben und trug sie nun in die Villa, während seine Frau ruhig vorweg ging und alles und jeden aus dem Weg räumte. Erleichterung machte sich in der Tiberia breit, was sich im nächsten Moment damit rächte, dass Baldemar etwas feuchtes an seinem Arm herab laufen spürte und im nächsten Moment krampfte sich wieder alles in ihr zusammen, so das Septima gequält aufstöhnte. Das waren eindeutig andere Schmerzen, wie noch die Tage zuvor.
    „Alba? Alba wo bist du?“ rief sie nach ihrer Hebamme. Die werdende Mutter hatte gar nicht mitbekommen, dass es Serrana gerade ähnlich erging wie ihr und das die Hebamme sich gerade zweiteilen musste. „Frija! Geh und... aaahhhhh....“ Schon wieder dieser Schmerz. Keuchend wand sie sich in den Armen ihres Leibwächters, der sie kurz darauf endlich in ihr cubiculum brachte.


    Dank der Vorwarnung durch den Eques aus Mantua, war das Zimmer für eine Geburt vorbereitet worden und auf dem Bett lagen mehrere Lagen Stoff übereinander, damit die Mutter nach der Geburt kein komplett neues Bett benötigte. Sogar eine Holzwiege war irgendwo auf dem Dachboden gefunden und auf die schnelle gereinigt worden. Mit frischen Leinen bezogen, wartete die Wiege auf das neue Leben, welches bald darin liegen würde.


    Kaum hatte Baldemar Zeit seine schwere Last auf dem Bett abzulegen, als ihn seine Frau auch schon hinaus komplimentierte. „Geh und such die Hebamme. Ich kümmere mich um Septima.“ Immerhin wäre dies nicht ihr erstes Kind, welchem die Germanin auf die Welt helfen würde. Damit schob sie ihren Mann aus dem Zimmer. Zwei Sklavinnen standen auch schon mit Tüchern und Schüsseln bereit. Das warme Wasser würde kommen, sobald der endgültige Zeitpunkt der Geburt näher gekommen wäre.


    Mit Erstaunen verfolgte Septima die Geschäftigkeit um sich herum. Frija übernahm das Kommando, wohl in Ermangelung der Anwesenheit von Alba. Widerstandslos lies sich die Schwangere aus ihren Kleidern helfen, was im liegen gar nicht so leicht war. Immer wieder kehrte der Schmerz zurück und Septima krampfte sich mit den Händen in die Laken, um nicht so laut zu stöhnen. Nach dem die Hebamme den Zustand der Iunia überprüft hatte, kehrte sie zurück zu Septima. Für die Iunia würde eine Hebamme aus der Nachbarschaft herbei geholt werden. Gerne hätte Alba noch eine Hebamme aus Mantua mitgenommen, aber leider waren alle in der Stadt gewesen und die Anweisungen des Legatus waren sehr eindeutig gewesen. Sie hätten das Leben der Schwangeren und Ungeborenen riskiert, wenn sie eine Frau aus der Stadt nach dem Ausbruch der Seuche mitgenommen hätten.


    Die Stunden vergingen und irgendwann wurden Öllampen angezündet. Von Stunde zu Stunde nahmen die Schmerzen zu, bis dass es tatsächlich noch eine Steigerung derer gab. Beruhigend redete Frija auf ihre Herrin ein. Gleich würde es soweit sein, sie müsse jetzt nur noch pressen, wenn die nächste Wehe kam. Septima tat wie ihr gesagt wurde und ihr Kopf wurde hoch rot, so sehr strengte sie sich an, doch es dauerte zwei weitere heftige Presswehen, ehe der Kopf ihres Kindes zwischen ihren Schenkeln zu sehen war. Die Schreie drangen aus ihrem Zimmer und durch das Haus und es waren nicht die einzigen. In einem der anderen Zimmer bekam ihre Freundin Serrana gerade ebenfalls ihr Kind. Noch wußte die Tiberia nichts von dem doppelten Glück, welches Serrana und Sedulus widerfuhr. Zwei weitere Schreie später erklang ein leiseres, quäquiges Schreien. „Ein Junge! Es ist ein Junge!“ rief Frija freudig aus und stolz hielt Alba das kleine, verschmierte Bündel ein Stück in die Höhe, damit die Mutter es kurz sehen konnte. Tränen rannen schon seit einer gefühlten Ewigkeit über Septimas Wangen, doch nun waren es welche der Freude und Erleichterung. Ihr sehnlichster Wunsch war in Erfüllung gegangen. Ein Junge!


  • Die Reise mit den Sänften zum Gut der Tiberia Septima war eine recht ungemütliche Angelegenheit gewesen. Am liebsten hätte er sich ein Pferd bei der Legion ausgeliehen aber diese würden sie in nächster Zeit wahrscheinlich eh selbst benötigen. So hatte sie der zukünftige und schon Vater zu seinen beiden Frauen, seiner Frau Serrana und seiner Tochter Sabina in die Sänfte gesellt. Zum Glück waren diese groß genug gewesen und der Platz hatte soweit man es nennen konnte ausgereicht. Auf dem Gut angekommen ging es dann auch schon Schlag auf Schlag. Noch bevor Sedulus überhaupt fragen konnte, ob er denn bei etwas behilflich sein konnte, wurde er einfach beseite geschoben. Dann hatte er sich nach Sabina umgesehen, doch diese hatte gerade ganz andere Sorgen wegen einer ihrer vielen Puppen. Da beschloß sich der Vater erst einmal nicht einzumischen. Damit mußte das Hausmädchen wohl alleine fertig werden.
    Dann war es soweit. Aufgeregt hatte ein Sklavenmädchen nach ihm ausschau gehalten. Als sie Sedulus gefunden hatte, zog sie ihn einfach vor lauter Aufregung hinter sich her in das Zimmer wo seine Frau entbunden hatte.
    Als er eingetreten war, hörte zuerst zwei Kinderstimmen, so dass die Vermutung in ihm aufkeimte, dass eventuell auch das Kind von Septima in dieses Zimmer gebracht wurde. So fragte er die Hebamme zuerst nach seiner Frau.


    Geht es meiner Frau gut?


    Die Hebamma bestätigte dies mit einem Kopfnicken und erklärte ihm, dass sie schliefe da sie ein wenig erschöpft sei.
    Dann fragte Sedulus gleich weiter.


    Welches der beiden Schreihälse ist denn meines und was ist es? Ein Junge oder ein Mädchen?


    Die Hebamme schüttelte nur den Kopf und meinte dann lächelnd, dass beide Kinder von Sedulus seien und es ein Junge und ein Mädchen ist. Außerdem, das Beide gesund und munter waren wie man ja auch hörte.
    Prompt in diesem Moment wurde Sedulus greidebleich und er mußte sich einen Sitzplatz suchen.


    Zwillinge?


    Fragte er ungläubig.
    Die Hebamme grinste breit und bestätigte die Frage mit einem Nicken und reichte Sedulus ein Glas Wasser welches er in einem Zug leerte. Dann stellte er es ab und lächelte und ging die beiden Kinder begutachten bevor er an das Bett seiner Frau ging und sich darauf niederließ um ihr einen Kuß auf die Stirn zu geben und sie lange betrachtete.
    Leise meinte er nur.


    Jetzt weißt du auch warum du einen solchen dicken Bauch hattest. Gleich zwei Kinder...


    Dann rief er leise eine Sklavin zu sich, welche dann nach Sabina suchen sollte.

  • Die kurze Reise und die gebotene Eile waren nicht gerade das was sie sich vorgestellt hatte. Anspannung herrschte unter ihnen und Erleichterung breitete sich, aus, als die Sänften nach zwei anstrengenden Tagen endlich abgesetzt wurden. Doch just in diesem Augenblick überschlugen sich die Ereignisse. Flora war sofort an Septimas Seite. Sie hatte Titus versprochen für die Tiberia da zu sein und dieses Versprechen wollte sie auch halten. Während der Wehen wich sie nicht von Septimas Seite, saß bei ihr, hielt die Hand und redete aufmunternd auf sie ein. Flora gab sich alle Mühe ihrer Freundin ein wenig die Angst und die Sorge zu nehmen, ein wenig die lange Zeit der Schmerzen zu überbrücken in dem sie ihr irgendwelche Belanglosigkeiten erzählte oder aber einfach nur in den Arm nahm, damit diese wusste, dass diese nicht allein war.


    Nach Stunden war es dann soweit, Septima schenkte einem Sohn das Licht der Welt. „Es ist ein Junge“, flüsterte sie Septima ins Ohr und streichelte ihr über den Arm. „Sieh ihn dir an, er ist wunderschön!“ Septima strahlte über das ganze Gesicht, sie war erschöpft und dennoch überglücklich.

  • Irgendwann herrschte plötzlich schon beinahe gespenstische Stille im Haus. Bia hielt inne in ihrem Geschichteerzählen und blickte aufmerksam Richtung Türe. Die junge Germanica schob indes ihren Kopf unter dem Kissen wieder hervor. Die Tränen der Wut waren verschwunden, sie wirkte nur irgendwie müde. Diese Reise war schließlich lang gewesen und mit der Zeit wurde selbst die bequemste Sänfte ungemütlich und vor allem eng, wenn man sich nicht bewegen konnte und auch keine Pause eingelegt, weil man auf diese Weise hoffte, der Seuche zu entkommen. „Was ist los?“ fragte Sabina, mittlerweile hatte sie sich wieder beruhigt. „Ich vermute einmal, es ist vorbei!“ erklärte Bia schlicht. „Wollen wir nach sehen gehen?“ schlug sie dann ihrem Schützling vor. „Damit du dein Geschwisterchen kennen lernen kannst!“
    Sabina schürzte die Lippen und machte einen unsicheren Eindruck. Wollte Serrana sie überhaupt jetzt sehen? Es hatte furchtbar geklungen, diese Geburt und sie wollte bestimmt niemals selbst Kinder haben, wenn man solche Schmerzen durchlitt. Schließlich setzte sie sich auf und zog die Beine an ihren schlanken Köper. Oben auf die Knie legte sie den Kopf und lauschte ins Haus hinein. Es war tatsächlich ruhig, aber man konnte Sklaven hören, die herum liefen und dann auch das Geschrei von einem Säugling.
    Ebenso ein Hausgeist steckte dann auch den Kopf zur Türe rein. „Dein Vater will dich sehen, domina!“ erklärte diese. Ein bisschen unsicher warf Sabina Bia einen fragenden Blick zu. Diese nickte ermunternd. Mehr Aufforderung brauchte sie dann nicht. Lautlos huschte sie durch das Haus und tauchte einen Augenblick dann später bei Serrana an. Irgendwie plötzlich schüchtern geworden, blieb sie abwartend in der Tür stehen.

  • Serrana hätte keinen einzigen Augenblick in ihrem bisherigen Leben benennen können, in dem ihr Körper derart umfassend erschöpft und müde gewesen war und mit jeder einzelnen Faser nur noch nach Schlaf geschrien hatte. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde war sie eingeschlafen, doch als sie spürte, wie ihr die Kinder irgendwann wieder aus den Armen genommen und auf ein eigenes Lager gelegt wurden, kam sie aller Müdigkeit zum Trotz wieder zu sich, schlug die Augen auf und entdeckte als erstes ihren Mann, der auf der Bettkante saß und sie ansah. "Quintus." sagte sie lächelnd und fuhr sacht mit der Hand über seine Wange. "Bist du schon lange hier bei mir? Ich glaub, ich hab geschlafen." Ihr Blick glitt jetzt auf der Suche nach den Neugeborenen suchend durch den Raum, während sie sich so gut wie möglich aufrichtete. "Hast du die beiden schon gesehen? Sind sie nicht unglaublich? Könnte ich meine Kinder bitte noch einmal haben?" sagte sie schließlich an die Hebamme gewandt, nachdem sie diese in einer Ecke des Raumes entdeckt hatte. Praxilla nickte lächelnd, kam mit den beiden kleinen Bündeln zum Bett hinüber und legte sie der selig lächelnden Serrana zurück in die Arme, die in Ermangelung einer freien Hand ganz vorsichtig ihre Nase durch den weichen Flaum auf den kleinen Köpfen gleiten ließ. Für einen kleinen Augenblick schien die ganze Welt nur aus den beiden Babys, Sedulus und ihr selbst zu bestehen, doch dann nahm Serrana aus den Augenwinkeln eine Bewegung an der Tür des Cubiculums wahr und lächelte, als sie die Urheberin erkannte. "Sabina, wie schön, dass du da bist. Komm doch ein bisschen näher, ich möchte dich jemandem vorstellen."

  • Unsicher blieb Sabina in der Tür stehen. Sie kam sich irgendwie Fehl am Platze vor. Ihr Vater sah so glücklich aus. Ihr Vater hatte eine neue Familie, war da überhaupt noch Platz für sie? Sie schürzte die Lippen und war drauf und dran, einfach wieder weg zu gehen. Es hatte sie ja auch noch keiner gesehen. Doch ehe sie ihre Überlegungen in die tat umsetzen konnte, wurde sie doch noch entdeckt. Jetzt konnte sie nicht mehr weglaufen. Außerdem war sie doch irgendwie neugierig. Sie wollte ihr Geschwisterchen dann doch irgendwie kennen lernen. Ein wenig Verwirrung zeichnete sich auf ihren Zügen ab. Wieso bitte hatte Serrana eigentlich zwei Kinder im Arm?
    Schließlich trat sie ans Bett heran und warf einen neugierigen Blick auf die Kinder. Ein wenig war sie enttäuscht, die sahen ja nicht im Geringsten wie ihre Puppen aus. Die waren ja krebsrot und irgendwie faltig. So sah also ein Baby aus…

  • Es war nicht leicht. Mochte er sie doch nicht. Sie brauchte Hilfe. Also musste er. Dann spürte Baldemar es. Erschrocken holte er Luft. Frija. Rief er seine Frau. Es bebte in seiner Stimme. Der Germane wurde schneller. Sie waren da. Erleichtert legte er Septima auf das Bett ab. Alba. Ja. Wo war sie? Die Schmerzen die er in Septima erkannte. Sie machten ihn unsicher. Hasste er sie nicht? Besorgt stand er nur da. Stand da und sah sie an. Flora bekam er gar nicht mit. Er sah nur sie.
    Dann sah er die Holzwiege. Sah wieder zu ihr. Was würde er tun können? Was nur? Die Anspannung konnte man ihm ansehen. Frija wollte das er ging. Sie musste ihn etwas schubsen. Mit den Augen auf Septima gerichtet ging der Germane. Die Hebamme. Er nickte. Diesmal rannte er. Der Marser rannte so schnell er konnte. Alba kam ihm entgegen. Er folgte ihr. Wieder zurück. Sie war so langsam. Ungeduld stieg in ihm auf. Aber tragen konnte er sie schlecht. Sie kamen an. Doch bevor er eintreten konnte, fiel die Tür vor seinem Gesicht zu. Verdutzt stand er da. Der Germane fing an auf und ab zu gehen. Wie es ihr wohl ging? Immer wieder horchte er. Er hörte den Schmerz von Septima. Er wollte hinein. Horchte. Hörte Frijas ruhige Stimme. Das war gut. Ein gutes Zeichen.
    Dann hörte er es. Seine verschwitzten Hände lagen auf der Tür. Das Kind schrie. Er atmete durch. Horchte. Ging es Septima auch gut? Er hörte es. Ein Junge. Ein Grinsen. Ein Junge. Das war gut. Der Marser nickte. War das etwas Stolz? Nein. Er konnte sie nicht besonders gut leiden. Septima war Römerin. Ihr Kind ein Römer. Tief durchatmend lehnte er sich gegen die Tür.
    Gut das Frija da war. Und diese Römerin. Flora. Er hatte sie gehört. Baldemar war überwältigt. Warum war er so froh darüber, das sie da waren? Es konnte ihm doch egal sein.

  • Die Schmerzen hatte noch nicht vollständig nachgelassen, aber der Anblick ihres Sohnes lies das von der Anstrengung gerötete Gesicht der Mutter erstrahlen. Neugierig und unglaublich erleichtert konnte Septima sich nicht satt sehen an dem Kind. Erst als Alba das Kind in die wartenden Hände von Frija gab, damit sie selbst die Nabelschnur durchtrennen konnte, wand sich Septimas Kopf in Richtung von Flora. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass die Aurelia die ganze Zeit bei ihr gewesen war, dass sie sie überhaupt zum Landgut begleitet hatte, denn immerhin sollte Flora direkt zurück nach Rom reisen, um sich dort mit Durus zu treffen. „Flora!“ flüsterte Septima erschöpft und mit deutlicher Überraschung in dem einen Wort. Dann hatte sie plötzlich das Gefühl, dass noch ein Kind aus ihr hinaus wollte, doch die Hebamme klärte sie schnell über den weiteren Fortlauf der Geburt auf.


    Einige Zeit später überreichte Frija das frisch gewaschene und in Leinen gewickelte Kind an die junge Mutter. „Hier Herrin, dein Sohn.“ sprach sie mit leisen, warmen Worten und legte Septima das Baby in die Arme. Während dessen brachte eine der Sklavinnen das schmutzige Wasser nach draußen. Als sie die Tür zum cubiculum öffnete, fiel ihr Baldemar mehr oder weniger entgegen. Krachend zerschellte die Schüssel auf dem Boden und das mit Blut verschmutzte Wasser verteilte sich auf dem Boden. Erschrocken bückte sich die Sklavin sofort und eine weitere eilte herbei. Gemeinsam wischten sie hektisch das Wasser fort.


    Nur der Lärm der zerschellenden Schüssel lenkte Septimas Aufmerksamkeit kurz von ihrem Kind ab. Ein kurzer Blick, in der sie die Lage erfasste und Baldemar ein gelöstes – endlich waren diese schrecklichen Schmerzen vorbei – Lächeln zu warf und sie wand sich lieber wieder ihrem Kind zu. „Sieh nur Flora...“ Vorsichtig hatte sie das Leinen bei Seite geschlagen, um sich das Baby ganz genau anschauen zu können. Tatsächlich. Zwei Hände mit jeweils fünf winzigen Fingerchen, zwei Füsse, mit ebenfalls fünf Zehen und ein deutliche Kennzeichen dessen, dass es sich bei dem Baby in ihren Armen, um einen Jungen handelte. „Er ist so unglaublich winzig, nicht wahr?“ Begeisterung lag in ihrer Stimme und sollte Baldemar herein treten, um ebenfalls einen Blick auf das Kind zu werfen, so würde Septima ihm dieses durchaus gewähren. „Er ist perfekt.“ schwärmte sie, froh und stolz, dass sie ihre Pflicht als Frau bereits so kurz nach ihrer Eheschließung mit Ursus bereits erfüllt hatte. „Du wirst eines Tages ein angesehener und stolzer Politiker sein, Klein Titus.“ flüsterte sie ihrem Kind zu und hob ihn so hoch, dass sie ihm mit den Lippen über die Stirn streichen konnte. Das von der Geburt erschöpfte Kind blinzelte und strampelte nur kurz, ehe es seine blauen Augen wieder schloss und friedlich in ihren Armen lag.


    Frija beobachtete derweil das Geschehen und ihr Blick ging erst erschrocken, dann liebevoll zu ihrem Mann, der auf so ungewöhnliche Weise ins Zimmer gestolpert kam. Wie gern hätte sie ebenfalls dieses Glück eines eigenen Kindes. Doch bisher hatte Tanfana ihnen dieses Glück nicht zu Teil werden lassen und langsam verlor die Germanin den Glauben daran, dass es eines Tages noch gelingen könnte. Still stand sie neben dem Bett ihrer Herrin, jeder Zeit bereit dazu, dass Kind wieder an sich zu nehmen. Es hatte ihr große Freude bereitete, das Baby nach der Geburt zu säubern und sie hatte genau acht gegeben, dass Alba, die Hebamme, auch alles richtig machte, als diese das Kind untersuchte und anschließend zu Frieden nickte. Dabei wußte die Hebamme ganz genau was sie tat. Dies war bestimmt ihr hundertstes Kind, welchem Alba auf die Welt geholfen hatte, ganz zu schweigen von ihren eigenen drei Kindern. Sie konnte sehr gut nach empfinden, wie sich die Mutter nun fühlte.
    „Septima, du musst dein Kind an die Brust legen. Er wird gewiss hungrig sein und er sollte schnell lernen, wo und wie er etwas zu essen bekommt.“ Alba trat an das Bett heran und erklärte der Tiberia, wie sie ihr Kind zu stillen hatte. Aufgrund ihres überstürtzten Aufbruchs hatten sie die Amme nicht mitnehmen können, zumal diese sich noch in der Stadt befunden hatte und somit gar nicht mehr als Amme in Frage kam. Zu groß wäre die Gefahr, dass sie bereits an der Seuche erkrankt war und diese über die Milch in ihrer Brust an den Säugling weiter geben würde, was unweigerlich zum Tod des Kindes führen würde. Somit mußte Septima als Mutter her halten, ob es der Patrizierin passte oder nicht.

  • Eigentlich hätte sie auf den Weg nach Rom sein sollen. Aber zum einen hatte sie sich nach der unbequemen eiligen zweitägigen Reise in den Sänften einen Abend Ruhe gönnen wollen, aber anderer Seits, hatte sie dann Septima nicht allein lassen können. Da Titus nicht bei seiner Frau sein konnte, weil Mantua sich in einem Ausnahmezustand befand, hatte sie dann kurz entschlossen beschlossen, der Tiberier nicht von der Seite zu weichen, bis das Kind auf der Welt war. Diese sollte schließlich nicht ganz allein sein und Ursus würde ihr diese kleine Verzögerung sicherlich verzeihen. Flora war ganz dankbar, dass sich ihre Reise dadurch verzögerte. Eine gewisse Galgenfrist bis sie dann ihren zukünftigen Ehemann würde kennen lernen.


    Eine Schüssel zerschellte am Boden und lenkte die Aufmerksamkeit ganz kurz von dem Neugeborenen auf die unselige Sklavin. Ein kurzes Schmunzeln zeigte sich auf ihren Zügen, als sie sah, dass wohl der Germane Schuld an dem kleinen Aufruhr war. Hatte er etwa die ganze Zeit über vor der Tür gestanden? Es sah ganz danach aus.
    Doch lange hielt richtete sie ihre Aufmerksamkeit nicht auf die Sklaven, sondern dann wieder zu Septima und dem kleinen strammen Jungen in deren Arme. „Er ist wunderschön!“ Flora war ganz entzückt und betrachtete mit leuchtenden Augen, das Kind. „Jemand sollte Titus benachrichtigen!“ schlug sie vor. An niemand bestimmten gerichtet. Irgendwer würde diesen Wink sicherlich schon verstehen und ausführen.

  • An
    Iunia Serrana
    Villa der Tiberia Septima
    Mantua
    Italia


    Serrana, geliebte Freundin,


    ich kann kaum beschreiben, wie groß meine Freude über deinen Brief ist. Ich habe die ganze Zeit gewusst, dass du es schaffen wirt, und dein Schreiben beweist, dass meine Überzeugung die rechte gewesen ist. Dass du gleich Zwillinge bekommen hast, erfreut mich umso mehr – Sedulus muss stolz sein auf dich!


    [strike]Du musst mir alles erzählen, und zwar[/strike] Bitte, verzeihe mir meine unziemliche Neugierde, doch ich kann sie kaum zurückhalten angesichts dieser frohen Botschaft. Wie heißen deine beiden Kinder denn? Wann werdet ihr wieder nach Rom zurückkehren, sodass ich sie sehen kann? Wenn sie nach ihrer Mutter geraten, müssen es wahrlich hübsche Kinder sein.


    Um der Wahrheit Genüge zu tun, muss ich dir gestehen, dass ich bisher noch nichts von einer Seuche in Mantua gehört habe. Ich hoffe, sie war nicht allzu schlimm. Immerhin habt ihr es, wie es erscheint, geschafft, ihr zu entkommen. Gelobt seien die Götter dafür!


    Mein Nichtwissen muss ich abermals eingestehen in der Angelegenheit betreffs der Zwillingsgeburt. Auf deine Frage, ob deine Kinder ein Segen Dianas sind, muss ich ehrlich antworten, dass ich es nicht weiß. Natürlich ist die Rate der Geburten von Zwillingen erstaunlich in letzter Zeit, doch ich weiß keine Antwort auf die Frage, ob dies mit einer göttlichen Intervention zusammenhängt. Ich erachte es als möglich, dass die Fälle der Zwillingsgeburten nichts miteinander zu tun haben und einfach nur Zufall sind.


    In deinem Fall halte ich es aber für möglich, dass deine Zwillingsgeburt eine Belohnung der Götter war für die Art und Weise, wie du ihnen stets treu gedient hast. Doch dies, liebe Freundin, sind nur Spekulierungen, baue nicht auf die Überlegungen einer Frau, die keine Ahnung von der Materie hat – siehst du, Kindergeburten sind jetzt nicht unbedingt meine Welt.


    Mein Ratschlag wäre, dass du dir nicht sonderlich viele Sorgen machst. Investiere deine Energien in deine Kinder, und ehre die Götter in der Art und Weise, in der du sie schon vorher geehrt hast, dann kannst du nicht viel falsch machen.


    Ich habe nun doch noch eine Frage. Wird es dir als zweifache Mutter noch möglich sein, deinen Aufgaben als Aeditua nachzugehen? So sehr es mich persönlich freuen würde, wenn du wieder einsteigen würdest, so serkenne ich auch, dass dies illusorisch sein könnte; sicherlich willst du dich nun eher um deine Kinder und deine Pflichten als Matrone kümmern als um Tempelverwaltung.


    Da es mir schwer fällt, meine Freude auf deine Antwort zu verhehlen, kann ich hier nur meiner hoffnung Ausdruck verleihen, dass du mir bald zurückschreibst; falls nicht, verstehe ich natürlich, wie schon oben erwähnt, dass du nun an komplett anderes zu denken hast.


    Bitte, richte an Septima, Sedulus, und sonst noch alle, die bei dir sind, einen schönen Gruß aus.


    Mögen die Götter ihre Hände über dich halten, und vergiss nicht, bei mir reinzuschauen, wenn du wieder in Rom bist!


    In Liebe und Freundschaft,


    [Blockierte Grafik: http://img237.imageshack.us/img237/125/unterschriftcr.png]

  • Er lehnte gegen die Tür. Horchte. Hielt die Luft immer wieder an. Baldemar hörte Frija. Noch ein gutes Zeichen. Oder? Dann ruckte er nach vorne. Die Tür war weg. Sie wurde einfach so geöffnet. Er fiel mehr hinein, als das er ging. Er fing sich ab. Wollte nicht auf die Frau fallen. Hatte er sie doch genug erschreckt. Sein Blick ging runter. Die Sklavin machte sofort sauber. Andere kamen dazu. Der Germane sah auf. Versuchte unschuldig zu wirken. Seine Schultern zuckten. Septimas Lächeln tat irgendwie gut. Er erwiderte es. Warum nur? Er mochte sie doch nicht. Oder? Er stand nur da und beobachtete. Der Marser konnte das Kind nicht sehen. Nur den Stoff, in den es gewickelt war. Neugierig reckte er sich. Flora durfte es sehen. Die Glückliche. Noch immer beobachtete Baldemar nur. Stöße der Sklavin, die aufzuwischen versuchte, brachten ihn dazu zur Seite zu gehen. Damit auch etwas in den Raum hinein. Niemand warf ihn hinaus. Langsam kam er näher. Und näher. Und näher. Dann stand er hinter Flora. Er sah über die kleine Römerin hinweg. Das Kind wirkte so winzig. Unschuldig. Hilflos. Unrömisch. Er grinste breit. Ja, Septima. Er ist perfekt. Der Germane sprach einfach. Klein Titus sollte was werden? Baldemar schnalzte leicht. Hoffentlich nicht. Er sagte es nicht. Nicht jetzt. Er wirkte so friedlich. Baldemar sah zu Frija. Seine Hand ging zu ihr. Er wollte sie berühren. Nur kurz. Als Zeichen seiner Liebe. Eines Tages. Eines Tages würde sie ihm einen kleinen Baldemar schenken. Er verlor nicht den Glauben. Niemals.


    Der Marser zuckte zusammen. Brust? Er sah zu Septima. Zu Alba. Die Brust? Zu lange sah er Septima an. Zu viel sah er von ihr. Er drehte sich rasch um. Räusperte sich. Sah bettelnd zu Frija. Machten die das wirklich gerade? Er grinste. So unauffällig es ging, wollte er doch noch einmal hinsehen. Wenn Frija eines Tages den kleinen Baldemar so halten würde. Was für ein angenehmer Gedanke. Dass jemand Ursus benachrichtigen sollte, prallte an ihm ab. Das war ihm egal. Dafür waren Andere zuständig. Er wollte auch gar nicht gehen. Zu sehr hielt ihn das alles gefangen.

  • Das Landgut der Tiberia war eine Pferdezucht. Nicht nur ein riesiger Spielplatz, sondern im Grunde der wahrgewordene Mädchentraum. Septima hatte ihr erlaubt sich überall umzusehen. So fand man die kleine Germanica die meiste Zeit entweder draußen bei den Pferden oder aber in den warmen Stallungen, wo sie im Stroh lag oder aber die Pferde fütterte.
    Am heutigen Tage hing sie halb über die Wand eine der Boxen und sah, ebenso wie zwei Sklaven und Gadatas dabei zu, wie ein Fohlen geboren wurde. Das erste Fohlen des noch jungen Frühlings. Und Sabina hatte unbedingt dabei sein wollen. "Ist das bei Menschen auch so?" fragte sie ihren Lehrer. Bei der Geburt der Zwillinge, ihrer Halbgeschwister, war sie nicht dabei gewesen. Sie hatte ja schmollend in ihrem Bett gelegen, weil Bia ihre Lieblingspuppe vergessen hatte.
    Gadatas folgte ihr mittlerweile wie ein Schatten. Jedenfalls hatte sie das Gefühl, dass es so war. Immer wenn sie sich umdrehte war er da um sie dann mit seinen Weisheiten zu überschütten. Kaum wurde das Wetter besser, war sie nämlich nicht im Haus zu halten und schon gar nicht über langweiligen Büchern. Also musste der Unterricht zwangsläufig dort stattfinden, wo sie sich aufhielt.

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