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„Raghnall!“ Ein lauter Ruf hallte durch die mit zwielichtig noch ziemlich vorteilhaft beschriebene Taverne und begrüßte den Genannten, als der eben jene betrat. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er sich einen Krug griff und einen tiefen Schluck von dem Gebräu nahm. Er hatte allen Grund zu feiern – nicht dass das eine zwingende Voraussetzung für ihn gewesen wäre für einen Abend wie diesen, aber dennoch: er hatte allen Grund zu feiern. Nachdem die Decima ihn von dem Buchladen weggeholt hatte, hatte er ja fast schon befürchtet sie würde sich diesmal etwas für ihn einfallen lassen, bei dem er sich nicht mehr gar so einfach hätte herauswinden können. Zwar hatte sie ihn zunächst einfach nur wieder in der Casa arbeiten lassen, aber er hatte gespürt, dass das nur eine Übergangsphase war, dass sie unentschieden war, was sie nun genau mit ihm anfangen sollte. Und dann war da dieser Tag gewesen, an dem er es mal wieder zu weit getrieben hatte. Für einen Augenblick hatte er da tatsächlich geglaubt gehabt, dass sie nun endgültig die Schnauze voll von ihm hatte. Aber er hatte – mal wieder – unterschätzt, wie viel ihr dann offenbar doch an ihm lag. Oder besser: wie viel ihr an ihrer Familie lag, ihrer Mutter, ihrem jüngeren Bruder, und mit beiden war auch Raghnall unweigerlich verknüpft. Und zwar positiv. Der Gallier wusste, dass es das gewesen war, was ihm den Hals gerettet hatte, das und die Tatsache, dass er loyal war, wenn es darauf ankam. Irgendetwas musste man der Herrschaft halt bieten, sonst hatte man als Sklave nichts zu lachen. Aber wenn man es richtig anstellte, konnte man sich so ein ziemlich sorgenfreies Leben sichern. Natürlich musste er schuften. Aber hey, es fehlte ihm an nichts – er hatte eine gute Unterkunft, gutes Essen, deutlich besser als die meisten Bewohner dieser Stadt, und Abende wie dieser waren auch kein Problem, solange er nicht übertrieb. Natürlich hatte er sich nach jenem Tag erst zurückgehalten. Aber: die Decima hatte seine Schulden bezahlt, wie auch früher schon das ein oder andere Mal. Und sie drückte weiterhin ein Auge zu, oder besser gesagt beide – weil sie irgendwie an ihm hing, an dem, was er für sie repräsentierte. Was wollte er noch mehr?
Richtig. Ins Bett mit ihr. Und sogar das konnte er sich nun auf die Fahnen schreiben. Nicht dass er wirklich wüsste, was sie so plötzlich dazu gebracht hatte – er tippte auf einen jener inzwischen so selten gewordenen Temperamentsausbrüche, die sogar ihr die Beherrschung raubten –, aber es war ihm auch ziemlich egal warum. Ebenso egal war ihm, dass er keine Ahnung hatte, wie das noch weiter gehen würde. Wofür die Decima ihn in Zukunft wirklich einzusetzen gedachte, war ihm im Moment noch genauso unklar wie in den letzten Wochen – aber: darum scherte er sich im Moment nicht. Denn Fakt war: er war mit sich und seinem Leben derzeit ziemlich zufrieden.
„Du bist doch sicher auf ein Spiel aus“, feixte einer der Männer an dem Tisch, an dem er sich niederließ, und der Gallier grinste zurück – so heruntergekommen die Taverne auch sein mochte, aber hier scherte es keinen, ob Glücksspiel verboten war oder nicht, und Kontrollen waren nicht zu fürchten – auch wenn die Wachsamkeit nie ganz nachließ.
Bevor er dem Mann allerdings antworten konnte, fiel ihm ein anderer ins Wort: „Spiel? Er hat doch noch Schulden vom letzten Mal!“
Raghnall grinste womöglich noch ein wenig breiter, aber der Ausdruck seiner Augen wurde undurchsichtig. „Wie lieb von dir, Hegetor, dass du dir Sorgen um mich machst. Völlig unnötig – aber trotzdem so was von lieb. Deine Mutter wär sicher stolz auf dich.“
Gelächter brandete auf, während Hegetor ihn kurz missmutig anblitzte, aber was Raghnall bezweckt hatte, hatte er erreicht: es fragte keiner mehr nach dem letzten Mal. Es ging die Meute nichts an, wie er es geschafft hatte, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Die meisten hier wussten noch nicht mal, dass er Sklave war, und die meisten interessierte es wohl auch nicht wirklich. Aber es gab immer den ein oder anderen, der versuchte etwas zu finden, woraus er einem einen Strick drehen konnte, und so war Raghnall bei aller Risikofreudigkeit, die er beim Spiel an den Tag legte, doch sehr vorsichtig, was er über sich selbst preis gab. Oder über seine Herrin. So ambivalent die Besitzerin-Sklave-Beziehung zwischen ihnen auch sein mochte, beeinflusst von Geschehnissen einer gemeinsamen Vergangenheit, die die Decima ganz offenbar immer noch sentimental machten, was ihn betraf, so gab es doch einen ganz handfesten Grund, warum sie ihn nach wie vor behielt – nicht nur ganz allgemein im Haus, sondern bei sich, als persönlichen Sklaven – und warum sie ihm traute: weil sie ihm trauen konnte. Raghnall war loyal, daran gab es keinen Zweifel.
In Feierlaune griff er nach den Würfeln. „Also. Wie war das mit dem Spiel?“
Reserviert
SKLAVE - DECIMA SEIANA