Cubiculum | Quintus Flavius Flaccus

  • Die aufmunternde Aufforderung an Luca, alle Fragen, die ihm durch den Kopf schießen mochten, einfach frei heraus zu stellen, traf jenen offenbar etwas unerwartet, jedenfalls dauerte es einen gedehnten Moment lang, ehe der Sklave schließlich zögernd zu einer griechischen Antwort ansetzte. Als er daraufhin in ein herzhaftes Lachen ausbrach, musste Flaccus amüsiert schmunzeln. Offenbar fühlte Luca sich in seiner Gesellschaft doch in gewissem Maße frei und gelöst, denn sein Lachen klang aufrecht. Dies war ein Umstand, den der junge Flavius nur bei ganz wenigen der anderen Sklaven duldete, etwa den beiden Griechen Myson und Kleóbulos, bei dem ehemaligen Krieger jedoch geradezu forderte. Dann allerdings kam Luca doch eine Frage in den Sinn, die allerdings durch einen kleinen Versprecher abermals ein belustigtes Lächeln auf Flaccus' Lippen zauberte. "Kleóbulos wird dich in der lateinischen Sprache unterrichten, ihr könnt im Grunde schon morgen damit beginnen. Es ist wirklich wichtig, dass du all' deine Anstrengungen in nächster Zeit darauf richtest, die Sprache Roms zu erlernen. Nur so wirst du künftige Aufträge erfüllen können...", meinte der junge Mann, dem es tatsächlich wichtig war, dass Luca sein Latein schnellstmöglich perfektionierte, schließlich sollte sich sein Leibwächter durch etwaige Sprechschwierigkeiten nicht zur Lachnummer degradieren. Der nächste Vorschlag des Kriegers ließ Flaccus jedoch nachdenklich die Stirne runzeln. Einerseits gefiel ihm die Umsicht, mit der sich der Sklave seiner neuen Aufgabe widmete, andererseits mochte ihm der Gedanke an vergitterte Fenster in seinen Gemächern nicht recht behagen. Bevor er jedoch entgegnen konnte, sprach Luca bereits weiter und senkte bei seinen Worten beschämt den Kopf. Als er aber fertig gesprochen hatte und schluckte, war es nun an Flaccus, in herzhaftes Lachen auszubrechen. Nicht, weil er sich etwa über den Sklaven lustig machen wollte, sondern weil er den Umstand einfach lustig fand. Vergnügt wischte er sich eine kleine Lachträne aus seinen dunklen Augen, als er antwortete. "Aber natürlich kannst du mehr essen. Ich werde Kleóbulos Bescheid geben, dass deine Mahlzeiten in Zukunft größer portioniert werden sollen." Immer noch lag ein amüsiertes Grinsen auf seinen wohlgeformten Zügen. "Was das Fenster in deiner Kammer angeht, so verstehe ich deine Bedenken, doch ich will es dennoch nicht vergittern. Ich denke nicht, dass mir hier in der Villa tatsächlich Gefahr drohen könnte...", meinte er versöhnlich, "Aber ich weiß deine Sorgfalt sehr zu schätzen.", versicherte er noch, damit Luca nicht den Eindruck bekommen konnte, Flaccus wäre an seiner Meinung nicht interessiert. Mit einem wachen Ausdruck in seinen dunklen Augen blickte er den Dalmaten an, und nahm einen Schluck Wein. "Benötigst du noch Dinge für deine Kammer? Möbelstücke etwa?", erkundigte er sich daraufhin aufmerksam, schließlich musste die Einrichtung jenes kleinen Raumes doch im Moment noch eher spärlicher Natur sein.

  • Das sein Herr es normalerweise nicht bei allen Sklaven duldete, herzhaft zu lachen, ahnte Luca nicht und er hätte es darin irgendwie auch einen Widerspruch gesehen, hatte ihn sein Dominus doch stets darum gebeten, offen und ehrlich zu sein. Und dazu gehörte nun auch einmal Lucas Gesichtsausdruck. Er war ganz schlecht darin, sich zu verstellen. Sicherlich konnte er in gewissen Situationen seine Emotionen mimisch zurückhalten. Auch entglitten ihm niemals seine physiognomischen Hautpartien in Formen der Unhöflichkeit oder gar Missgunst. Aber Luca war eigentlich ein sehr humorvoller Mensch, zeigte er dies allerdings eher, wenn man den Dalmaten besser kannte und er seinem Gegenüber traute. Dies aber schien der Fall bei seinem Dominus zu sein, auch wenn Luca erst gerade neu hier im Hause war.


    Als er sich dann versprochen hatte, wegen dem Lesen von Latein, nahm Luca augenblicklich wahr, wie sein "Versprecher" ein Schmunzeln in Quintus Gesicht zauberte, was für Luca bedeutete, dass auch sein Dominus mit einer Spur Humor versehen und nicht so kleinlich war. Alleine dies gefiel dem Sklaven schon und er verzeichnete auch das später herzhafte Lachen seines Herren insgeheim auf der Liste der positiven Eigenschaften.


    Luca nickte schliesslich, als sein Herr dann von Kleóbulos sprach und das er bei ihm in die Sprache eingeführt werden würde, damit Luca diese möglichst schnell und vor allem noch besser sprach und schrieb. »Selbstverständlich, ich werde mich darum kümmern!.


    Und dann hatte Luca jenen Punkt angesprochen, der für ihn einfach sehr lebensnotwendig war: Das Essen. Aber was sollte Luca auch jeden Tag mit flauen Magen seine Arbeiten verrichten? Er war nun mal überdurchschnittlich groß und vor allem kräftig. Das sein Dominus nun selber in herzhaftes Lachen ausbrach, so sehr, dass er sich sogar eine Träne weg wischte, störte den Dalmaten nicht weiter, wenn er auch für den ersten Moment irritiert war. Aber die positive Antwort seines Dominus wiederum erzeugte ein strahlendes und vor allem erleichtertes Lächeln auf Lucas Antlitz. Doch bevor er sich bedankte, liess er seinen Herren weiter sprechen und hörte aufmerksam zu. Was das Fenster anging, nickte Luca einfach. Er beharrte da nun nicht drauf, sein Herr würde schon wissen, was er wollte.
    Gerade wollte Luca auf alles etwas erwidern, wenn auch gar nicht lange, fragte ihn sein Dominus nach Möbeln in seiner Kammer und Luca schürzte etwas verlegen seine Lippen. Doch dann lächelte er, denn sein Herr machte ihm ja schliesslich offen dieses Angebot und dies schätze Luca.
    »Nun, erst einmal danke ich Euch, dass Ihr Kleóbulos wegen des Essens Bescheid werdet.« Dies unterstrich Luca mit einem deutlich strahlenden Nicken.
    »Was das Fenster angeht: Akzeptiert. So schnell kommt auch niemand an mir vorbei ...« grinste er dann noch.
    »Und was meine Kammer angeht: Nun, da ist dann das nächste Problem ...« Luca räusperte sich und nahm dann noch schnell einen Schluck des vorzüglichen Weines, setzte den Becher wieder ab und erklärte, dass sein Liege einfach viel zu kurz wäre. Luca tat dies fast so leicht verlegen, als es eben noch um das Essen ging. Dies leuchtete Quintus dann aber ebenfalls ein. Schliesslich wollte er einen erholten und satten Leibwächter neben sich wissen.


    Und so unterhielten sich die beiden noch weiter und Flaccus versprach, dass Luca gerne ein wenig für seine Kammer anschaffen dürfte, worüber Luca sehr froh war. Es war auch Kleinigkeiten mit im Etat, die die Kammer einfach wohnlicher machen sollten, wie eine bunt bestickte Decke für das Bett und eine paar andere Dinge, die man so brauchte. Luca war sehr froh und bedankte sich für die Großzügigkeit seines Herren. Zum Soldatenspiel kamen sie an jenem Abend dann zwar noch nicht, aber es war für beide ein ruhiger Abend, ohne Stress und ohne, das man sich verstellen musste.


    Der Abend klang dann entspannt aus, auch wenn niemand sehr viel privates von sich preisgab. Aber dafür kannte man sich ja auch einfach noch nicht gut genug. Dies sollte sich aber ändern, spätestens ein wenig auf der Reise nach Germanien ... und vorallem danach. Aber dazu dann ein andermal.


    (Fortsetzung folgt nach Germanien)


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  • Die Reise nach Germanien war für Luca ein Erlebnis gewesen, auch wenn die Reise an sich für alle anstrengend war, sowohl für die zwei weiteren Sklaven, wie für Luca und natürlich auch für den jungen Dominus. OB die Reise ein Erfolg war, dazu war Luca unterwegs auf der Heimreise nicht gekommen, seinen Herren großartig zu fragen. Außerdem wollte Luca auch nicht neugierig er scheinen. Sein Dominus würde ihm schon etwas erklären, nun wo Luca eingeweiht war über diese allumfassende Verschwörung. Aber natürlich wussten die zwei anderen Sklaven nichts davon, in sofern war es vollkommen klar gewesen, dass sie während der Reise nicht offen darüber hatten sprechen können.
    Und dann war es leider unterwegs zu einem sehr unschönen Zwischenfall gekommen. Eher gesagt zu einem Überfall auf die vier Reiter.
    Es passierte nicht unweit von Rom selber, etwa drei Reitmärsche davor, als alle vier schon sich mit dem Gedanken befassten, endlich aus den Sätteln steigen zu können um ihre verspannten Körper etwas Ruhe zu gönnen. Die Sonne waar schon am Untergehen und so kamen sie vollkommen unerwartet. Es war eine Bande von sieben Strauchdieben gewesen, alle zu Fuss, aber bis an die Zähne bewaffnet. Nur hatten sie nicht mit der enormen Gegenwehr aller vieren gerechnet. Und schon gar nicht mit dem geübten Kämpfer unter ihnen, der Luca nun mal war.
    Dennoch war es ein unfairer Kampf gewesen. Sieben Männer, wenn auch nicht auf Pferden, gegen vier Männer auf Pferden.
    Alles ging dann schon recht schnell und die drei Sklaven taten ihr Bestes, ihren Herren, aber ach ihr eigenes Leben zu beschützen. Wer starb schon gerne. Die zwei anderen Sklavven wie auch Luca zeigten den Möchtegern-Strauchdieben dann aber schon sehr deutlich, dass sie nicht gerade Männer wären, die ihrem Herrn abends mit der Laute vorstellten und auch Quintus setzte dem ein oder anderen einen heftigen Fussstoss vom Pferd aus vor die Brust.
    Luca war aber sehr darum bemüht, eben gerade seinen Dominus zu schützen und so strich er ein wenig mehr Verwundungen ein, als die anderen Sklaven, welche sich aber auch sehr tapfer schlugen, wenn auch nicht ohne Blessuren. Doch sie waren eben auch mit einigen der Männer beschäftigt und so glaubte ein Teil der Strauchdieb-Bande, sich auf den Adligen stürzen zu müssen, was in Lucas Augen vollkommen sinnlos war, da die Männer, taktisch gedacht, doch erst einmal die stark kämpfenden Sklaven ausschalten hätten müssen.
    Aber schliesslich kam es dazu, dass Quintus von gleich zwei Männern arg bedrängt worden war und auch wenn er sich heftig wehrte, sein Pferd warf den jungen Flavier irgendwie ab, oder vielleicht würde er auch herunter gezerrt, biemand wusste das genau zu sagen. Luca aber hatte immer besonders an der Seite seines Herren gekämpft und war inzwischen auch vom Pferd herunter, da er es so besser koordinieren konnte, zu kämpfen. Leider nur mit seinen Fäusten. Und gerade war Luca mit einen der Spiessgesellen beschäftigt, als er sah, wie ein anderer mit einem Langdolch auf seinen Herren einstechen wollte, der mit einem anderen zu tun hatte.


    Geistig gegenwärtig und vielleicht etwas aber auch sehr kühn, warf sich Luca zwischen den Angreifer mit dem Langdolch und seinen Herren. Es war so schnell gegangen, da Luca ja eigentlich noch mit einem weiteren Mann kämpfte. Doch schnell riss Luca seinen Arm in die Höhe vor Flaccus Brust, und wehrte damit den Messerangriff ab. Allerdings hatte sich dessen Schneide nun tief in Lucas Oberarm gebohrt und Luca schwer verletzt.
    Doch Luca brach nicht zusammen, er kämpfte so weiter, wie er es von seiner Heimat kannte. Sein Adrenalin hatte in seinen Adern gepocht, so dass er den Schmerz unterdrückte ...


    Jedenfalls kämpften alle bis zur Erschöpfung und am Ende siegten sie. Die Spiessgesellen lagen entweder tot oder verletzt am Boden. Alle, außer Flavius Flaccus waren arg angeschlagen, lebten aber. Nur Luca war recht schwer verletzt, hatte er eben doch nun aber auch nicht nur um sein Leben gekämpft, sondern auch um das seines Herren. Das hatten die zwei anderen Gefährten natürlich auch getan, aber Luca war nun einmal der Kämpfer unter ihnen.
    Es war nicht so, dass Luca bewusstlos war, aber er war schwer angeschlagen gewesen und auch wenn es nicht mehr weit bis nach Rom war, so waren diese letzten Meilen doch sehr anstrengend für ihn gewesen.
    Zum Glück trafen sie schnell auf eine Gruppe von Soldaten, die sich der Spiessgesellen annahmen, so dass sie schliesslich zurück nach Rom reiten konnten.
    Luca hatte sich noch gerade auf seinem Pferd halten könne.


    In Rom angekommen aber, verfrachtete man ihn in seine Kammer, hatte einen Arzt geholt und ihn versorgt und Flaccus wies ihn an, dass er sich erst einmal ausruhen hatte sollen. Luca hatte nicht widersprochen. Viel anderes war ihm auch nicht übrig geblieben. Und wen er ehrlich war, genoss er sogar die Zeit ein wenig, in der er so lange schlafen konnte, wie es ihm beliebte. Dennoch machte er sich auch Sorgen, in dieser kurzen Zeit nicht für seinen Herren da sein zu können, der wiederum wichtige Erledigungen in Rom hatte. Doch nur wenige Tage später war Luca wieder auf den Beinen, denn er war sehr zäh. Und er wusste, dass sein Herr ihm zwar die Zeit gab, die Luca brauchte, ihn aber auch sehen wollte. (Natürlich hatte Quintus einen Sklaven auch zwischendurch kurz in dessen Kammer, welche ja nur eine Armlänge von den Gemächern von Quintus entfernt lag, besucht und sich nach seiner Gesundheit erkundigt, aber seit dem Vorfall hatten sie sich kaum gesprochen oder gesehen.


    Nun aber war Luca einigermaßen wieder gesundet und so hatte er von Kleóbulos erfahren, dass sein Dominus ihn gerne sehen und sprechen wolle, so bald es denn ginge.


    Und Luca kam dann eines Abends und klopfte von seiner Kammer an, als er wusste, eben durch Kleóbulos. dass sein Herr heute Zeit hätte und Quintus bat Luca in seine Gemächer.
    Luca trat ein und nickte zum Gruss. Sein Gesicht war noch leicht lädiert. Sein rechter Unterarm gehüllt in einer Bandage, aber sonst sah Luca fast aus wie immer: Voller Tatendrang und Elan. Wenn auch doch noch etwas erschöpfter. Denn Luca lag nun die Tage in seiner Kammer und hatte seinen Leibesübungen nicht nachkommen können, hatte weniger gegessen und weniger Sonne gesehen.


    »Dominus, Ihr wolltet mich sehen?!« begann Luca freundlich und lächelte, auch wenn dieses Lächeln vielleicht ein wenig lädiert aussah. Doch dann grinste Luca, der ja gelernt hatte, dass er stets offen seinem Herren gegenüber sein durfte, was er sehr schätzte und so winkte er fast schon ab, als wollte er keine bestimmten Worte seines Herren hören: »Mir geht es sehr gut und ich bin wieder vollkommrn Einsatz bereit. Aber wie geht es Euch, Dominus?«
    Lucas Frage war aufrichtig. Er stand einfach im Raum und wartete ab.


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  • Einige Tage waren ins Land gezogen seit der Rückkunft der Männer in die Stadt und die Reise zurück nach Rom war nicht so glücklich verlaufen, wie jene nach Germanien. Überschattet von jenem grauenhaften Zwischenfall, welcher sich bereits in Italia, und wohl kaum drei Tagesritte vor Rom zugetragen hatte. Und doch waren schließlich alle vier lebend zurückgekehrt, wenngleich besonders der große Dalmate, welcher mit unvergleichlichem Mut und der Tapferkeit eines Löwen gekämpft und seinen Herrn verteidigt hatte, nicht ohne schwere Blessuren davon gekommen war. In der Obsorge eines flavischen medicus war der zähe Kämpfer jedoch rasch genesen, sodass Quintus ihn an jenem Abend in sein cubiculum gerufen hatte. In dem größeren der Räume erwartete er die Ankunft des Sklaven, welcher seine Treue in so beeindruckender Weise unter Beweis gestellt hatte. Wiewohl der Körper des Flaviers selbst von dem gewaltsamen Überfall zum größten Teil verschont geblieben war, so hatte er sich doch einige Kratzer eingefangen, deren unangenehmster sich schlank beinahe über seine gesamte rechte Wange zog, vom hinteren Kiefer bis zu den hohen Wangenknochen. Sein ansonsten ebenmäßiges, edles Antlitz bekam durch diese Verletzung einen seltsam verwegenen Ausdruck, welcher den jungen Mann älter wirken ließ, als er eigentlich war. Von dem medicus fachgerecht verarztet, würde er keine bleibenden Male davontragen, und doch rief ihm das stetige sanfte Ziehen an seiner Wange unaufhörlich in Erinnerung, dass seine Unversehrtheit, ja letztlich sein ganzes junges Leben, nur durch die geistesgegenwärtige Tapferkeit Lucas gerettet worden war, mit der jener, wiewohl selbst aufs Heftigste bedrängt, seinen Arm schützend vor das Antlitz des Herrn gerissen hatte. In eine schlichte Tunika gekleidet, welche schnörkellos in dunklem Blau gehalten war, erwartete der junge Flavius nun also den verdienten Kämpfer und strich, an einem kleinen Tischchen stehend, behutsam über ein kostbar gearbeitetes und mit kunstvollen Einlagen verziertes längliches Kästchen aus Ebenholz, als es schließlich an der Tür klopfte.


    Luca trat ein und Quintus wandte sich zur Tür um. Den Sklaven in den Blick fassend, war er mit wenigen ausgreifenden Schritten an ihn herangetreten, und packte ihn mit festem Griff an den Schultern, als ob er sich der Wahrhaftigkeit des Anblicks erst versichern müsste. Nach einem leichten Druck ließ er seine Hände sinken, und starrte den Hünen weiter an, welcher nun, mit einem etwas schiefen Lächeln auf den Lippen, eine abwinkende Handbewegung machte, und nicht nur meinte, dass es ihm gut ginge, sondern sich vielmehr aufrichtig nach dem Befinden seines Herrn erkundigte. Ein seltsames Glitzern trat in die Augen des jungen Flaviers, als jener mit einem ebenso schiefen Lächeln, wie Menschen es erleichtert an sich zu tragen pflegen, wenn eine schwierige Situation überstanden wurde, den Kämpfer anstrahlte. "Ach Luca, es ging mir niemals besser." Mehr sagte er nicht, blickte dem Sklaven lediglich noch einen Augenblick lang direkt in seine braunen Augen, ehe er sich mit einer einladenden Bewegung umwandte und zu einer Sitzecke wies, welche aus zwei großen Klinen bestand, die mit dunkelroten Polstern voll beladen waren. Dort angekommen, bat er Luca Platz zu nehmen, während er selbst an das etwas abseits stehende Tischchen trat, um jenes kunstvolle längliche Kästchen herbeizubringen, in welchem er eine besondere Überraschung für den Sklaven aufbewahrt hatte. Während er das Kästchen auf dem zierlichen Tischchen, welches sich zwischen den beiden Klinen befand, abstellte, und sich gegenüber Luca niederließ, meinte er: "Luca, als wir überfallen wurden, hast du mit der Tapferkeit eines Löwen gekämpft und ohne deinen Einsatz säße ich heute vermutlich nicht mehr hier.", er schluckte schwer ehe er fortfuhr, "Du hast selbstlos mein Leben über das deine gestellt und deine Treue bewiesen.", stellte er ernst fest, "Diesen Einsatz kann ich nur auf eine Weise angemessen belohnen: Ich will dir die Freiheit schenken." Aufrecht blickte er in die dunklen Augen des Dalmaten, um zu erkennen, wie jener auf diese Entscheidung reagieren würde.

  • Als Luca, noch in einige Verbände gehüllt, aber schon recht gut genesen, das Cubiculum seines Herren betreten hatte, ahnte er überhaupt nicht, was ihn erwartete. Angst hatte er nicht. Warum sollte er auch. Es war nicht so, dass Luca die Furcht nicht kannte, im Gegenteil. Angst und Furcht waren wichtig, um sich selber und die Situation zu spüren und damals, bei dem Überfall, war es die Angst, die Luca angespornt hatte, alles in seiner Macht zu geben. Nicht nur wegen seinem Herren, auch er wollte nicht gerne sterben. Wer tat das schon gerne?
    Damals war es wie bei den Kämpfen gegen die Römer: Die Angst war ein schleichender Begleiter. Aber das Adrinalin liess sie dann bei Seite und bewegte unglaubliche Kräfte in einem. So eben bei Luca.


    Dieser stand nun im Raum und sein Dominus kam auf ihn zu, fast als wollte er ihn umrennen. Es war nur so unwirklich für Luca der natürlich nicht zurück wich, hatte er doch keine Nagst vor dem Mann. Er war nur irritiert. Luca wusste einfach nicht, was ihn erwartete. Der Griff seines Dominus war spürbar fest, aber im positiven Sinne. Dennoch war Luca irritiert. Er hatte bisher kaum solch engen Körperkontakt zu seinem Herren gehabt. Aber Luca blieb standhaft stehen, wenn auch gleich sein Blick erst sehr fragend war. Keine Frage, ja er hatte seinem Herren das Leben wohl gerettet. Aber das war für Luca selbstverständlich. Er hatte es geschworen. Warum nun dieser Aufstand? Nein, wenn Luca mal ehrlich zu sich war, genoss er es dann doch ein wenig. Denn jeder Mensch mochte es doch, gelobt zu werden. Dennoch war es eben für Luca noch etwas seltsam.
    Und dann sprach sein Herr, mit einem seltsamen Funkeln in dessen Augen, welches Luca aber als sehr wahrhaft deutete. Sein Herr zeigte erneut Emotionen und es freute Luca, auch wenn er noch nicht ganz wusste, was nun kommen würde. Ja, wenn Luca ehrlich war, wusste er gar nichts. Dennoch ahnte er etwas. Doch bei weitem nicht das, was kommen würde. Ja, natürlich hatte er seinem Herren geholfen, aber das hatte Luca doch auch versprochen. Natürlich war das nicht gerade selbstverständlich. Aber Luca wusste, zu was er fähig war und da war es doch nur klar, dass er sein Versprechen, seinen Herren zu schützen auch nach kam. Das war doch sein Ehrenwort und Ehre schrieb Luca sehr gross.


    Doch sein Herr schien irgendwie seltsam offen. Wieder war dieses seltsame Glitzern in den Augen seines Herren. Und er strahlte Luca regelrecht an. Luca lächelte zurück, wenn auch erst noch etwas unsicher, da er zwar verstand, dass sein Herr ihm wohl einfach nur dankbar war und Luca gab zu, dass es auch gut so war. Er mochte es schon, wenn man ihn lobte, schliesslich war es dann doch nicht so selbstverständlich, sein Leben für einen anderen zu riskieren. Aber Luca hielt zu seinem Wort. Nun kam also der Dank. Gut. Luca war bereit, aber dennoch wollte er das nun auch nicht zu wichtig nehmen. Luca war nun einmal der Leibwächter. Und Lob und so war er eh gar nicht gewohnt.
    Als sein Dominus aber dann davon sprach, dass es ihm niemals besser ging, verengte Luca leicht seine Augen, nicht aus Misstrauen. Er war das einfach nicht gewohnt, seinen Herren so emotional offen zu erleben, denn allein aus diesem Satz strahlte förmlich die Dankbarkeit. Ja, Luca nahm es ehrlich dankbar an und freute sich. Und er bemerkte den festen Blick seines Herren in seine Augen. Luca hielt dem stand und schaute nun wohl fast schon fragend, wollte noch so etwas sagen wie: Das es ihn freute, dass es seinem Dominus niemals besser ging.


    Was dann aber kam, hatte Luca nicht im Geringsten erwartet. Wie er eigentlich kaum etwas erwartete. Er nahm dann auch Platz auf einer der Klinen, als sein Dominus ihm den Platz anbot. Wieder setzte sich Luca nur darauf und nahm nicht liegend Platz. Luca hatte das Gefühl, dass da doch mehr noch im Raum stand. Was nur würde nun kommen? Dann sprach sein Herr von dem Überfall. Luca hörte ernsthaft zu. Schaute seinem Herren fest in die Augen. Dessen Worte dann berührten Luca, aber er lächelte dann fast ein wenig verlegen, als dieser ihn mit der Tapferkeit eines Löwen verglich. Dann sprach er davon, dass er ohne Lucas Einsatz wohl nicht mehr leben würde. Ja, vielleicht, ja, wahrscheinlich. Aber es war doch einfach Lucas Aufgabe. Er hatte sein Wort gehalten. Dabei war es schon komisch. Luca liebte sein Leben, wollte sicherlich nicht selber sterben. Aber Wort war Wort, eine Ehrensache.


    Dennoch freute es Luca, dass sein Herr diese Aktion würdigte, denn es stimmte schon. Vielleicht wäre der junge Flavier umgekommen. Vielleicht, was wusste schon das Schicksal. Doch Luca kam nicht zum Antworten. Auch wenn sein Herr dann eine Pause machte, in die Luca hätte reinreden können. Aber sein Dominus schluckte und es war für Luca unangemessen, nun etwas zu sagen.


    Und dann sprach sein Herr etwas aus, was diesmal Lucas Gesichtszüge doch ein wenig entgleiten liess. Luca starrte seinen Herren ungläubig an. DAS hatte er nun wirklich nicht erwartet. Sein Herr wollte ihm die Freiheit schenken???
    Luca starrte seinen Herren ungläubig an und schwieg. Er fand einfach für den Moment nicht die angemessenen Worte.


    Er war frei? Dabei war Luca noch erst so kurz ein Sklave, und hatte es wirklich gut erwischt. Wie musste es da erst einem Sklaven mit solch einer Aussicht ergehen, der Jahrzehnte lang gedient hatte? Luca war dennoch erst einmal sprachlos. So schnell war er frei? Natürlich freute er sich, aber Luca konnte es noch nicht ganz glauben.


    Und so starrte er seinen Herren einfach erst einmal vollkommen sprachlos an.
    »Erst wollte ich fragen, dass es nicht Eurer Ernst ist, aber ... ich sehe und spüre es: Das ist euer Ernst, ich sehe es in euren Augen. Aber ... « sprach Luca dann aber doch erst vollkommen ungläubig. Nein, Luca wollte, konnte es erst nicht glauben und dennoch war es so und er nahm die Worte seines Herren ehrlich auf. Aber es war so verdammt unerwartet.
    In Lucas Gehirn spielten die Gedanken verrückt. Er wollte so viel sagen, aber er konnte es nicht. Und dennoch freute er sich. Er war bald frei? Nach so kurzer Zeit? Nein, Luca konnte es kaum glauben. Und dennoch versuchte er es.


    Aber dennoch fühlte er sich seinem Herren verbunden. Irgendwie. Denn nach allem was geschehen war, fühlte es Luca einfach. Er hatte alles verloren. Seine Familie, seine Kampfgefährten, seine Heimat. Und nun das? Er wollte seinen Herren irgendwie nicht verlieren, da dieser so gut zu ihm war. Das war schön aber sehr seltsam. Sehr seltsam sogar. Denn eigentlich hätte Luca vielleicht auch einfach gehen können, aber er erinnerte sich an die Worte seines Herren in Germanien. Als dieser davon sprach, ihn frei zu lassen ...


    Luca wusste nicht wie er angemessen reagieren sollte. Und dann überkam es ihn einfach, so wie vielleicht damals in Germanien seinen Herren. Es bildeten sich Tränen in Lukas Augen, ohne dass er wirklich weinte. Aber es war so überwältigend, so unwirklich. Er wischte sie dann schnell weg, aber es war sichtbar gewesen. Und der Tränenfluss nahm einfach kein Ende. Luca war das sehr peinlich und er drehte sich etwas weg. Wischte sich erneut die Tränen der vollkommenden Freude weg. Sprach dann:
    »Ich ... ich danke Euch .. ich bin nun etwas sprachlos ... Aber danke ... ich ... ja ich danke Euch! «


    Luca war sichtlich angetan. So sehr, das er es einfach noch nicht fassen konnte und was das nun auch neues beinhaltete. Konnte er zurück in seine Heimat? Wollte er das eigentlich, wo es diese Heimat doch nicht mehr gab? Zumindest nicht mehr die Menschen, die er dort einst kannte, liebte, mochte.


    Luca saß einfach vollkommen perplex da. Immer noch ungläubig. Was hätte er nun dafür getan, einen Schluck Wein zu sich zu nehmen ...
    Doch dann fragte er: »Darf ich dennoch für Euch da sein? Ich meine ... also Ihr seid in Gefahr. Und ... ich mache mir Sorgen um Euch! Dominus! « Luca schluckte. Was nur tat er hier? Er verstand es noch nicht ganz. Konnte ihm sein Herr nicht einfach egal sein? Nun? Aber nein, Luca fühlte sich mehr als verpflichtet. Er mochte diesen Mann irgendwie. »Verzeiht, Dominus, aber ich kann das irgendwie noch nicht ganz glauben ...« sprach er dann, ohne dass er es böse meinte oder so, als würde er seinem Herren keinen glauben schenken. Luca war einfach nur überwältigt.


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  • Vollkommen sprachlos und ungläubig reagierte Luca auf die Worte seines jungen Herren und wer konnte es ihm verübeln? Zweifellos war die Hoffnung auf ein Leben in rechtlicher Freiheit seit jenem Gespräch, da Flaccus von der möglichen Freilassung gesprochen hatte, in ihm geglommen, und doch musste der Zeitpunkt, die plötzliche und unerwartete Erfüllung seines tiefsten Wunsches ihn vollkommen überraschend treffen. Und so stotterte, stammelte der Sklave zunächst einige Augenblicke reichlich perplex herum, ehe er das Gesagte nicht nur als völlig ernst gemeinte Aussage des jungen Flaviers einzustufen, sondern darüber hinaus auch die tatsächlichen Konsequenzen desselben wenigstens zu erahnen vermochte. Dann allerdings traten Tränen in die Augen des Kriegers, die jener schnell wegwischte und doch konnte er sich ihrer nicht dauerhaft erwehren. Freudentränen mussten es sein, dessen war sich Flaccus sicher, sodass er den vom Glück überwältigten Luca einfach nur anstrahlte, bis jener sich selbst und seine Emotionen wieder einigermaßen in den Griff bekommen hatte.


    Ein breites Grinsen machte sich jedoch auf den Zügen des jungen Flaviers breit, als Luca ihn beinahe besorgt fragte, ob er auch noch als freier Mann seinem früheren Herrn würde beistehen dürfen und danach, in weniger rührigem, denn vielmehr berührenden Ton erneut seine Verbundenheit zu Flaccus bekräftigte. Ich mache mir Sorgen um Euch!, brach es schließlich ehrlich und aufrecht aus ihm heraus und einmal mehr durfte Quintus erkennen, dass jenes seltsame Band, welches er seit ihrer ersten Begegnung zwischen ihm und seinem Sklaven bestehend glaubte, sich immerfort kräftigte und spannte. "Aber natürlich, wie könnte ich nur auf dich verzichten?", stellte er eine rhetorische Frage, deren Kern doch gänzlich der Wahrheit entsprach. Doch nicht nur auf die ausgezeichneten Dienste des Dalmaten als Leibwächter wollte er verzichten, viel schmerzlicher noch würde ihn der Verlust des Vertrauten treffen, des Freundes. Da Luca ohnehin sicherlich noch ein wenig brauchen würde, um den sonderbaren Umstand völlig zu verinnerlichen, fuhr Flaccus, immernoch mit jenem breiten Lächeln auf den Lippen, in jovialem Ton fort. "Natürlich müssen wir die Freilassung erst offiziell machen, doch wir können schon morgen zum Prätor gehen, und die manumissio hinter uns bringen... aber ich habe hier noch etwas für dich.", meinte er sodann geheimnisvoll und richtete sich etwas auf, während er zu dem schmalen Kästchen langte, welches zwischen den beiden ruhte. Den Deckel sanft anhebend, brachte er zunächst eine schlicht verzierte Scheide zum Vorschein, die er behutsam aus ihrem schmalen Gefängnis barg. Im warmen Licht der Öllampen zog er sodann langsam die funkelnde Klinge eines Dolches hervor und begutachtete sie wohlwollend und mit kreisenden Bewegungen. "Ein pugio. Die Klinge ist aus gallischem Stahl, der Griff aus afrikanischem Elfenbein - ein wahres Meisterwerk." Nach einigen Augenblicken der kontemplativen Betrachtung steckte er das todbringende Kunstwerk wieder zurück in die Scheide und bettete die Waffe sanft in das Kästchen welches er dann zu Luca schob. "Ich möchte ihn dir gerne schenken - er wird dir gewiss gute Dienste leisten.", meinte er und nickte seinem Sklaven mit einem aufmunternden Lächeln zu.

  • Luca konnte das alles noch nicht fassen. Es kam ihm zu irrreal vor. Es ging alles so schnell. So schnell sollte er wieder ein halbwegs freier Mann sein. Nein, Luca konnte es noch nicht wirklich glauben und dennoch tat er es, denn er war ja noch nicht lange ein Sklave. Wahrscheinlich der von den Jahren jüngste hier in der Villa. Und er glaubte es, weil er seinem Herren traute. Voll und ganz. Warum, das war nicht wichtig. Vielleicht war es das Band, was er spürte zwischen ihnen, auch wenn er es niemals aussprechen würde.


    Er hatte Fragen gestellt und er hatte seinen Gefühlen sogar mehr freien Lauf gelassen, als er es jemals einem Fremden zeigen wollte, aber er hatte es getan, als sein Herr von seiner Freiheit sprach, denn dies war etwas, was Luca das Wichtigste war. Seine Freiheit. Mochte er auch mit seinen Gedanken frei sein, es war doch schon etwas anderes, Sklave zu sein, oder ein freier Mann.
    Und schliesslich hatte Luca damals nicht gerne gekämpft, aber er tat es im Glauben an die Freiheit.
    Und er schämte sich nicht wegen seiner Tränen, oder vielleicht doch ein wenig, weswegen er sie auch so schnell weg gewischt hatte. Aber es war doch nur ein Zeichen der Freude. Waren diesbezüglich nicht alle Menschen gleich? Wer war man denn noch, wenn man sich nur noch verstellen musste und keinerlei Emotionen zeigen durfte? War man dann nicht erst recht ein Sklave? Ein Sklave der falschen Konventionen? Der falschen Welt, der falschen Lebenseinstellung? verband nicht eigentlich doch alle nur das eine: Überleben und irgendwie sein Glück zu finden?


    Luca aber war nun einfach überwältigt und auch wenn er die Worte seines Dominus wahr nahm, so kam alles irgendwie seltsam bei ihm an, da er noch vollkommen im Taumel des Glückes verweilte: Er sollte bald frei sein. Dies war sein tiefster Wunsch.


    Aber was hier gerade passierte, war einfach so unglaublich, dass es Luka erst schwer fassen konnte. Es kam zu schnell und dennoch wusste Luca, dass es ernst gemeint war. All seine Vorurteile gegenüber den Menschen von Rom, welche eben Sklaven hielten wie andere Menschen Vieh, zerschmolzen irgendwie. Und dennoch wusste er, dass es andere Sklaven sicherlich schlimmer traf.
    Warum also ausgerechnet er? Warum ging das mit der Freiheit so schnell? Luca hatte doch nur seine Arbeit getan und seinen Herren beschützt. Was war daran edler, als für die Herrschaften Essen zu kochen oder ihre Kleidung zu reinigen? Luca war vollkommen neben der Spur. Aber er hatte sich dann doch recht schnell unter Kontrolle.
    Und als sein Herr dann noch meinte, das er doch auf Lucas Schutz nicht verzichten könnte, da merkte Luca, still und leise, dass da mehr war als nur ein Band eines Arbeitsverhältnisses. Luca bildete sich nichts darauf ein, aber auch er hatte das Gefühl, dass da einfach mehr war. Es war die Art, wie sein Dominus mit ihm redete: offen und frei von Konventionen. Und irgendwie war da noch weit aus mehr. Etwas, was Luca vielleicht nicht gleich erkannte. Er wollte nicht auf ihn verzichten? Das klang fast freundschaftlich. Er hätte es auch ganz anders in Worte fassen können. Luca war verwirrt und dennoch stark genug und lächelte, wenn auch erst verhalten.


    Doch dann lachte Luca, nicht abfällig, eher dankbar, fast schon unsicher, während er dennoch seinen Dominus und seine Mimik studierte. Und daraus sprach absolute Ehrlichkeit. Mehr noch.
    Luca war einfach überwältigt.
    Zuerst aber war er fast misstrauisch. War er doch im Kampf gegen die Römer von seinem besten Freund verraten worden. Aber dies war wirklich etwas anders.
    Ein Band der Freundschaft und Verbundenheit war es, was er glaubte zu spüren. Und das lag nicht daran, dass ihm sein Dominus die Freiheit schenkte und sogar sofort davon sprach, gleich morgen mit Luca alles amtliche zu regeln.


    Luca konnte erst nichts sagen. Er wollte etwas sagen, liess seinen Herren aber erst einmal aussprechen. Und dann kam das nächste und Luka fragte sich dann doch für einen Moment, ob das nicht alles ein abgekartetes Spiel sei. So viel Glück und Freude, so viele Geschenke in einem Moment, dass konnte doch nicht real sein.


    Luca blickte verwundert auf das Kästchen, blickte seinen Herren an und blickte dann wieder auf das Kästchen, nachdem sein Herr ihm den Inhalt gezeigt und ihm erklärt hatte, worum es sich handelte. Und er schenkte ihn Luka, diesen schönen Dolch.
    Luca schluckte. Das war wahrlich viel für einen Abend wie heute. Aber Luca war fest im Glauben, er hatte sicherlich seine Schwächen und so zeigte er zwar seine Verblüffung, konnte sich aber auch zusammen reissen.


    Da er zuerst nicht wusste, wie er angemessen reagieren sollte und sich dann einen Narr deswegen nannte, denn Luca wollte immer ehrlich sein und sich nicht einfach nur "angemessen" verhalten. Dennoch war das auch eine kleine Gradwanderung.


    Luca nahm nun das Kästchen und nahm den Dolch heraus, ebenso aus der Scheide und legte diese behutsam fast andächtig zurück in das Kästchen. Dann wiegte er den Dolch in seiner Hand, lächelte versonnen. Es war wirklich nicht einfach nur ein Dolch, sondern ein Schmuckstück, wie er es noch niemals gesehen hatte. Auch das nahm Luca wahr: Sein Herr schenkte ihm nicht einfach nur einen Dolch, sondern einen ganz besonderen. Luca strich andächtig über den Griff aus Elfenbein. Dann fand er endlich seine Sprache wieder. Und sein Herr konnte in seinem Gesicht diese unglaubliche Freude erkennen. Es war das Funkeln in Lucas dunklen Augen. Ein Funkeln, wie es selten in der letzten Zeit war: Voller Leben und Glück.
    Und dann hatte Luca die Luft fest eingezogen und stiess sie nun fast mit etwas Erleichterung aus.
    »Herr, bitte verzeiht meine Verwirrung. Aber ich bin einfach überwältigt.« Mehr sagte er erst einmal nicht. Dann legte er den Dolch zurück, nachdem er ihn in die Scheide steckte. Es war auch eben nicht der Dolch alleine, das war zwar ein schönes Stück, über das sich Luca zusätzlich freute. Es ging hier um Lucas Freiheit.
    Und so schaute er seinen Herren an und nickte leicht, schüttelte dann den Kopf und lachte verhalten.
    »Das mit dem amtlichen ... nun, wenn es Eure Zeit erlaubt, natürlich gerne. Aber auf einmal ... ich weiss gar nicht wie ich es sagen soll. Es erscheint mir so unwichtig und doch nicht ... ich meinte ... die Eile ... « Verdammt, lass dich nicht so von deinen Emotionen hinreissen schoss es Luca durch den Kopf.


    Doch dann schaute er seinen Herren fest an, wenn auch glücklich und überwältigt.
    »Ich weiss ehrlich gesagt gar nicht, wie ich Euch für das alles danken soll. Außer mit meiner Treue Euch gegenüber. Aber das ist auch nur ein Wort ... « Doch dann hielt Luca einfach inne. Er wollte noch so viel sagen, wie schön auch dieser Dolch war, aber auf einmal sagte Luca gar nichts,, denn sein ungläubiger und vor allen so glücklicher Blick sagten viel mehr aus.


    Erst hatte er sogar noch Zweifel, was denn die anderen Sklaven denken würden. Luca wusste nicht so recht, ob er es ansprechen sollte, tat es dann aber doch. Er fand das nur fair.
    »Dominus, ich danke Euch unermesslich. Ich kann es fast kaum fassen ... « Luca grinste leicht schief. Und dann sprach er es doch an: »Und doch habe ich eine Frage. Die beiden anderen Sklaven auf der Reise haben auch alles getan, was in ihrer Macht stand und sie sind doch schon viel länger in Euren Diensten ... ich meine ...« Luca hob seine Hand und stich sich durch sein Haar.


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  • Vergnügt beobachtete der junge Flavier das Mienenspiel seines Sklaven, der bereits in naher Zukunft kein solcher mehr sein würde, und versuchte seine Gedankengänge nachzuvollziehen. Natürlich gelang ihm das nur bis zu einem gewissen Grad und doch glaubte er das grundlegende Gefühl des Glücks und der Freude zu erfassen, das Luca in diesen gewiss denkwürdigen Momenten erfüllen musste. Sicherlich konnte Flaccus nicht gänzlich das volle Ausmaß dieses unermesslichen Gefühls nachvollziehen, teilte er doch nicht die mannigfachen Erfahrungen des vielgeplagten Mannes, der zum Verlust seiner Familie auch den der Heimat und der Freiheit hatte hinnehmen müssen, um nun wenigstens die Hoffnung, nein vielmehr die unverbrüchliche Gewissheit zu erhalten, dass wenigstens die Letzte ihm wiedergeschenkt werden würde. Er mochte es für eine glückliche Fügung des Schicksals halten, der Moiren gar, die in geheimnisvoller Weise und keineswegs geradlinig die Fäden des Lebens sponnen und deren oftmals grausames Spiel die Sterblichen nicht selten in tiefe Verzweiflung stürzte, oder aber er schrieb es einfach dem gütigen und edlen Wesen seines Herren zu, der die Treue des Kämpfers zu entlohnen als seine ehrenvolle Pflicht ansah. Schwerlich aber würde er auch den tieferen Grund in Erwägung ziehen, der den jungen Mann kaum daran zweifeln ließ, dass er das richtige tat, indem er Luca in die Freiheit entließ. Die Hoffnung auf ehrliche und aufrichtige Freundschaft war es, die der Flavius in seinem Inneren hegte, gleichsam wachsen und gedeihen ließ, um eines Tages die reifen und köstlichen Früchte zu pflücken, wie Horaz den Tag zu pflücken als hohe Tugend ansah.


    "Treue...", begann er schließlich freundlich, als Luca innehielt in seinem Redeschwall, der doch ohne rechte Richtung sich stets hin und her wand, gleichsam von dem vollkommenen Glück allein gelenkt, welches seinen Körper musste im Augenblick durchströmen, "... mag nur ein Wort sein. Doch dein edles Wesen und deine tugendhafte Tapferkeit lassen für mich keinen Zweifel daran, dass du die Treue, die du mir einst geschworen hast, auch in Zukunft genauso strahlend hochhalten wirst, wie auch ich die meine. Stets will ich dir zur Seite stehen wenn du meiner Unterstützung bedarfst, denn auch du bist nicht von meiner Seite gewichen, als ich deinen Beistand nötig hatte.", erklärte er und seine Stimme wurde von einem feierlichen Ton getragen. Dann allerdings brachte Luca eine Angelegenheit zur Sprache, die Flaccus erneut aufzeigte, wie selbstlos und umsichtig sich der Kämpfer selbst in dieser Situation des vollkommenen Glücks erwies. Ein beruhigendes Lächeln legte sich bei seinen Worten auf die feingeschwungenen Lippen seines Herrn, als der seine Besorgnis beschwichtigte. "Du sagst es, sie stehen bereits lange in meinen Diensten, so wie sie zuvor auch in den Diensten meines Vaters gestanden hatten. Es mag dir seltsam, ja kaum glaubhaft erscheinen, doch diese Männer verspüren kein Bedürfnis nach Freiheit. Sie sind mit ihrer Stellung zufrieden und genießen die Vorzüge, die ihnen das Leben als meine Sklaven zu bieten vermag. Sie sind Krieger, keine Handwerker und in der Freiheit winken ihnen wohl nur die Hilfstruppen oder die Arena - beides keine sonderlich guten Aussichten, wenn du mich fragst. Aber du hast Recht, sie haben durch ihren Kampfesmut die gleiche Belohnung wie du verdient und sollen auch nicht leer ausgehen, sei beruhigt." Dann aber lehnte er sich entspannt zurück und klatschte in die Hände. "Jetzt sollten wir aber feiern! Wo ist der Wein?", rief er ausgelassen, als auch schon ein Sklave mit Bechern und Krügen herbeieilte. Flink füllte er sie mit dem köstlichen Trunk ehe er sie dem Herrn und Luca reichte. Flaccus prostete dem Dalmaten jovial zu und meinte: "Auf dich, Luca - und dein Leben in Freiheit!"

  • Luca war eigentlich ein ganz normaler Mensch. Er war ein Schmied gewesen, ein Bauer, hatte Frau und Kinder. Dann kamen die Römer. Und nicht jeder Römer war gleich Römer. Natürlich wollte man sich nicht einfach so annektieren lassen. Es kam halt auf die Umstände an. Und Lucas Heimat war sehr attraktiv, denn dort wurde Gold gesichtet. Was die einfachen Bewohner dieses Landesteils nicht wussten. Daher kam es dann eben auch zu sehr kriegerischen Handlungen, so dass Luca, der seine Heimat verteidigen wollte, eben auch zu dem geworden war, was er zum Schluss geworden war: Ein Kämpfer und Rebell. Aber er wollte eben nur sich und die seinen verteidigen. Dennoch hatte er nach einem jahrelangen Kampf schliesslich verloren, leider auch, weil sein bester Freund die ganze Sache verraten hatte und vor allen ihn, Luca. Luca hatten diesen Freund geliebt wie einen Brüder. Heute wusste er nicht mehr wirklich, ob er ihn verstehen oder nur einfach hassen sollte. Aber Luca hatte seine Familie verloren und viele Mitkämpfer die ihren ... es war eine sehr komplizierte Sache ...


    Doch es war vorbei. Luca wollte nicht hassen. Er versuchte zu verstehen. Dennoch fiel es ihm schwer. Aber er bemühte sich. Und vielleicht war er daher so einfühlsam, was die anderen zwei Sklaven anging. Luca bemühte sich um einen ihm sehr wichtigen Grundsatz: Zu verstehen und möglichst gerecht zu sein. Dabei wusste er inzwischen, dass dies nur ein hohler Ausdruck war. Was war schon gerecht? Es lag immer im Angesicht seines Betrachters. Dennoch hatte Luca seine Prinzipien. Für ihn gab es nicht einfach nur gut und böse. Er hatte gelernt, dass man abwegen musste, warum ein Mensch etwas tat oder etwas nicht tat. Manchmal fiel ihm das natürlich sehr schwer. Besonders, nachdem er seine sterbende Frau in den Armen gehalten hatte ... was ihm heute noch nächtliche Alpträume einbrachte. Er hatte sie so unglaublich geliebt und verstand bis heute nicht, warum die Götter sich entschieden hatten, sie auf so brutale Weise von ihm zu nehmen. Und auch seine Kinder ...


    Doch so sehr Luca auch für den Moment schmerzlich an seine Vergangenheit erinnert wurde, so war er auch sehr schnell wieder in der Gegenwart und schaute jenen Mann an, der ihm die Freiheit schenkte und Luca lächelte. Erst war es wirklich schwer zu fassen, aber nun begriff Luca. Denn er traute seinem Herren. Er traute ihm schon fast von Anfang an, warum auch immer. Vielleicht war es einfach das Schicksal.


    Und so lauschte er nun sehr andächtig seinen Worten, was Treue anging und Luca nickte erst einmal nur, aber sehr beherzt. Ja, Treue konnte einfach nur ein Wort sein, er erinnerte sich an seinen besten Freund, welcher ihn und die Sache dann doch verraten hatte. Und es war furchtbar schmerzlich und eigentlich wollte Luca seit diesem Moment niemanden mehr trauen oder jemanden treu sein. Und doch wusste er, dass er jedem Menschen diese Chance erneut geben sollte da die Menschen nicht gleich waren. Es gab immer Ausnahmen. Und sein Dominus gehörte zu diesen Ausnahmen, da war sich Luca sehr sicher, mehr sogar.


    Und so schaute er seinen Dominus an, seinen Herren, den er aber nicht einfach nur als Herren ansah, sondern fast schon als Freund, auch wenn es Luca niemals wagte auszusprechen. Dennoch würde Luca offen sein in seiner Meinung. Und auch offen für das, was sein Herr sagte. Und was dieser sagte war wahr: Treue war zwar nur ein Wort, es kam auf die Handlung an. Und ja, Luca hatte es wohl bewiesen. Und er lächelte, ja strahlte fast, als sein Herr von ihm als ein edles Wesen und eine tugendhafte Tapferkeit sprach. Fast wäre Luca rot geworden, aber er war nicht mehr so unsicher und nickte einfach nur dankbar. Denn es stimmte nun mal. Dennoch war es Luca irgendwie seltsam, da er solche Worte auf diese Weise nicht kannte.
    Doch dann sprach sein Herr etwas aus, was ihn viel mehr bewegte, denn Komplimente hin oder her, Luca wusste, dass er aufrichtig war und dennoch freute es ihn natürlich. Und dann sprach sein Dominus von etwas viel wichtigeren:
    Nämlich dass er auch Luca stets zur Seite stehen wolle. Das war viel mehr, als alles vorher, was Luca je erwartet hätte. Und wieder war es so viel auf einmal und am liebsten wäre Luca gegangen, um für sich das alles zu verarbeiten. Ja. Luca war gerührt. Zeigte aber dann Stärke und weniger Emotionen. Dennoch war das einfach alles nicht einfach, es war eine Gradwanderung zwischen Emotion und Stärke zeigen ... etwas sehr menschliches. Und als sein Herr dann von den anderen Sklaven sprach, nickte Luca erneut, um zu zeigen, dass er es verstand. Und er nickte dankend, als es darum ging, dass auch diese etwas bekommen würden, für ihre Treue, was immer das auch war, aber Luca schenkte seinem Herren Glauben.


    Aber Luca wollte ehrlich sein, denn er war es vorher auch. Und so nickte er und sprach nur: »Ich danke Euch sehr, Dominus und ja. Ich werde Euch treu sein, so wie bisher ... denn das Wort eines Menschen ist mir heilig, so eben auch mein Wort, und so will ich Euch nicht enttäuschen. Die Ehre eines Menschen ist mit heilig.« Luca meinte es vollkommen ernst. Und er hoffte, dass es sein Herr irgendwie mitbekam, glaubte.


    Dann sprach dieser von den anderen Sklaven und Luca nickte dankbar. Luca wollte so viel sagen, doch er hielt sich zurück. Dann auf einmal klatschte sein Herr in die Hände und ohne dass es Luca schnell genug sah, war ein Sklave da und schenkte ihnen Wein ein. Es war Luca unangenehm. Er wollte sich nicht bedienen lassen. Er war doch auch ein Sklave und daher schaute er erst ein wenig irritiert. Aber er liess es dann zu. Allerdings dankte er dem Sklaven dann sehr, das war das Mindeste.


    Und dann nahm Luca den Becher Wein, trank aber noch nicht davon. Er schaute seinen Herren an, prostete ihm zu und beobachtete ihn dann ganz heimlich. Als dieser dann auf Luca einen Trinkspruch sprach, lächelte Luca bescheiden. Das war er einfach nicht gewöhnt. Luca hob dann auch seinen Becher und bevor er davon trank, sprach er: »Ich danke Euch Herr. Und ich trinke auf einen Menschen wie Euch, dem ich die Treue schwöre, den ich schätze und dem ich immer ehrlich gegenüber sein will und hoffe, dass es auf ... wie bisher ... auf Gegenseitigkeit beruht.«


    Luca hatte keine Angst, so ehrlich zu sprechen. Sein Herr hatte es nicht nur verlangt. Er wollte es ehrlich, also sollte er auch diese Ehrlichkeit weiter bekommen. Es war Luca wichtig. Und dann prostete der Dalmate seinem Herren zu, trank einen Schluck. E setzte den Becher ab und blickte sein Gegenüber an. Luca lächelte.
    »Ihr werdet es aber nicht immer leicht mit mir haben, Herr. Ihr wolltet Ehrlichkeit und die habe ich Euch gegeben und versprochen. Aber es können auch andere Zeiten kommen, wo Ihr vielleicht keinen Wert auf meine Meinung legt, weil sie Euch nicht passt ...« Luca lächelte selbstbewusst. »Ich werde dann aber nicht klein beigeben und Euch weiter fordern. Ich hoffe, Ihr wisst das zu verstehen. Ich tue das, weil ich es für Euch richtig halte ...« Luca hoffte, dass sein Herr seine Worte verstand.
    Luca blickte dann sein Gegenüber offen und fest an. Aber freundlich, nicht fordernd aber eben fest..

  • Fröhlich lauschte Flaccus dem Dalmaten, als auch jener seinen Becher hob und einen Trinkspruch kundtat, auf das Wohl seines Herrn. Dann tranken die beiden Männer und der junge Flavius grinste Luca vergnügt an, als jener meinte, dass er es wohl nicht immer leicht mit ihm haben würde. Obwohl seine Miene den entspannten und glücklichen Ausdruck beibehielt, so wurden die folgenden Worte des Flaviers doch von einem ernsteren Ton getragen. "Gerade in den Zeiten, da ich womöglich keinen Wert auf deine Meinung zu legen scheine, bitte ich dich nun, sie mir dennoch mit aller Kraft vor Augen zu halten.", er überlegte kurz, wie er seine Gedanken am besten in Worte fassen konnte, um sie dem Krieger verständlich zu machen, "Es mag sein, dass ich dennoch anders handle, als du es vielleicht für richtig halten wirst, doch stehe stets zu deinen Ansichten und verteidige sie auch dann, wenn ich dir widersprechen sollte." Jetzt blieb zu hoffen, dass Luca das richtig verstehen würde, denn wiewohl Flaccus ihn nicht zu Ungehorsam auffordern wollte, so lag ihm doch viel daran, dass er in seiner persönlichen Meinung stets frei und ehrlich sein würde. Und er begegnete dem offenen und festen Blick seines Sklaven mit einem ebenso eindringlichen. Es war der Rat eines Freundes, den Flaccus sich in schwierigen Situationen von Luca erhoffte, einem Mann, den das Unglück mit aller Gewalt geschlagen hatte, und der doch nicht daran untergegangen war. Im Grunde bewunderte der junge Flavius den Dalmaten, der an dem widrigen Schicksal, das die Unsterblichen ihm in ihrer Grausamkeit bestimmt hatten, dennoch nicht zu verzweifeln schien, sondern eher noch daran zu wuchs, an Reife und innerer Kraft. Jedenfalls hatte Flaccus diesen Eindruck bekommen, der möglicherweise auch ein gänzlich falscher war, doch Luca wollte einfach nicht in das Bild des vom fatum gebrochenen Mannes passen, der mit seinem Leben bereits vollkommen abgeschlossen hatte. Zu ehrlich war da die Freude über seine Freilassung, zu offensichtlich der glückliche Ausdruck in seine dunklen Augen und während der junge Flavius also solcherlei Gedanken nachhing, nahm er noch den einen oder anderen Schluck des perlenden Weines.

  • Luca blickte seinen Herren ebenso offen an. Erst freudig, als sie sich zu prosteten. Dann aber wurde Lucas Gesichtsausdruck ernster, auch wenn sein Herr erst vergnüglich noch zu schmunzeln schien, nachdem Luca offen davon gesprochen hatte, dass es sein Herr nicht immer einfach mit Luca haben würde und so lauschte Luca den Worten seines Gegenübers, der zwar immer noch sein Herr war, aber den Luca nicht als diesen ansah. Denn es gab nur einen Herren. Und das war Luca selbst. Über ihm gab es noch die Götter. Sonst niemanden.
    Und Luca nippte noch einmal an seinem Wein, stellte dann den Becher aber vor sich ab und fixierte sein Gegenüber, als dieser sprach und Luca ernsthaft lauschte. Und Luca liess sie Worte erst einmal auf sich wirken und schaute dann aber ernsthaft, wenn auch nicht unfreundlich.
    »Natürlich wird es so sein. So ist es fast immer. Wenn man etwas nicht wissen oder hören will. Aber keine Sorge, Dominus. Ich werde hart sein und es nicht persönlich nehmen. Ich kann so etwas ab. Und ich werde schonungslos sein. Denn ...« Und Luca wirkte nicht arrogant, aber überzeugt und sprach. »Es ist Eurer Leben und ich habe das meine. Und jedem das seine.« Fast ein wenig keck, aber eben sehr selbstbewusst zwinkerte Luca seinen Herren an. Doch er meinte es nicht böse, auch nicht arrogant. Es zeigte nur, dass Luca genau das war, was sein Herr vielleicht über den Krieger dachte: Er war nicht gebrochen, trotz all dem Leid, was dieser erlitten hatte, einem Leid, was Luca kaum in Worte fassen konnte. Es sprach da kein arroganter Mensch, sondern einer, der sehr viel erlebt hatte. Ein Mensch, der sicherlich seine Schwächen hatte, aber eben auch ein Mensch, der niemals aufgeben wollte, der innerlich stark war und das Leben und all seine Härten kannte.


    »Ihr könnt also gewiss sein: Ich werde euch nicht schonen, wenn ich glaube, dass das, was ich meine, zu Eurem besten ist. Und nun, wo ihr mich auch noch dazu auffordert. Notfalls ... aber das wird hoffentlich nicht vorkommen - werde ich mit der nötigen Härte vorgehen.« Luca hielt inne. War er nun zu weit gegangen? Nein, denn er meinte es nur richtig und gut. Und er schätzte seinen Herren so ein, dass er es verstand. Und schliesslich vernahm er die letzten Worte und schaute seinen Herren ernst an. Und er antwortete ehrlich:
    »Natürlich werde ich dass, Dominus. Ich werde immer zu dem stehen, was ich tue. Und sei es Euch von was auch immer zu warnen oder wegzuzerren. Oder Euch sogar zu schelten. Das macht mir nichts aus. Ich stehe zu dem, was ich tue. Kein Mensch ist perfekt und auch nicht perfekt in seinen Handlungen oder in seinen Entscheidungen. Ich bin auch nicht fehlerlos. Aber wenn es z.B. um einen Kampf geht, so werde ich Euch, wenn es nötig ist, hinter mich ziehen oder gar wegstossen. Nicht, weil ich Euch keine Stärke zu traue. Sondern weil ich Euch schützen möchte. Das ist meine eigene Entscheidung. Und auch wenn wir bei anderen Dingen nicht konform gehen, sei es in Ordnung. Aber ich will Euch schützen, wie ich es versprochen habe. «


    Luca schaute nun sehr ernst, denn das Thema war ihm sehr ernst. Aber er zeigte auch, dass er Ungehorsam nicht gleichsetzte mit, eine eigene Entscheidung zu führen. Dennoch zeigte er sehr stark, was er sich vorstellte und dies unerbittlich, ohne dabei drohend zu wirken.


    Das sein Herr ihn heimlich bewunderte, wusste Luca nicht und es war ihm auch nicht wichtig. Ihm war einfach nur wichtig, ernst genommen zu werden. Aber Luca hatte nicht den Eindruck, dass Quintus ihn nicht ernst nahm, im Gegenteil.
    Und so schaute er sein Gegenüber an, seinen Herren, den er eben wegen seiner Offenheit schätzte. Nun nahm auch Luca seinen Becher und trank einen Schluck. Er hoffte nun auch, dass sein Herr wusste, was Luca meinte: Ja, er würde gegen angehen, wenn er glaubte, dass sein Herr im Unrecht war oder so und Luca es besser wusste. Dies betraf natürlich vieles. Aber eher die Verteidigung, den Kampf.
    Luca ging es nicht darum, Recht zu behalten. Und er hoffte, dass sein Herr dies wusste. Aber Luca hatte auch deutlich gemacht, dass er auf gewisse "Dinge" keinerlei Rücksicht nehmen würde. Sein Herr mochte von Adel und sehr wichtig sein, aber das half ihm nicht, wenn er dahin gemetzelt würde. Und dafür war Luca da, dies zu verhindern.


    »Eine Frage, Dominus, wie gut beherrscht ihr den Kampf Mann gegen Mann?« fragte Luca dann noch, denn das war sehr wichtig.


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  • Quintus hörte aufmerksam zu, denn Luca hatte viel zu sagen. Den Großteil davon glaubte der junge Flavius nachvollziehen zu können, wenngleich er bisweilen auch ein wenig die Stirn runzelte, konzentriert und nachdenklich zugleich. Nachdem der Sklave geendet hatte, beließ er es bei einem ernsten Nicken, um zu zeigen, dass er den Worten gefolgt war, und die Einstellung des Kämpfers gut hieß. Und abermals hoben sie die Becher und tranken gemeinsam an einem Tisch, nicht wie Herr und Sklave, sondern vielmehr wie zwei Freunde. Und dann stellte Luca noch eine Frage und erkundigte sich, wie es mit der Kampfeskunst des jungen Flaviers bestellt war. Diese Frage, die offensichtlich ernst gemeint war, und auch so klang, als wäre sie dem Krieger wirklich wichtig, entlockte Flaccus nur ein müdes Lächeln. Er blickte in die tiefroten Schatten des Weines in seinem Becher, während er ihn langsam in seinen Händen kreisen ließ. Unendlich viel hatte Nikodemos, als greiser Mentor des Jungen, Flaccus in zartem Knabenalter gelehrt, ihn in allen Formen der Wissenschaften und der Künste unterwiesen, doch ein Schwert war dem eher schmächtigen Jungen nie in die Hand gedrückt worden. Und wenngleich er es auch später nie für ernsthaft notwendig gehalten hatte, dieses Defizit zu einem wahrhaft römischen Wesen - der Porcier Cato Censorius hatte die fortitudo, die Stärke im Kampf, schließlich als Bestandteil des mos maiorum verstanden – durch Übung auszumerzen, so war es ihm nun doch etwas unangenehm, seine Unerfahrenheit einem bewährten, wenngleich letztendlich doch im Kampf unterlegenen Krieger einzugestehen.


    „Luca, ich wurde nie im Umgang mit dem Schwert unterwiesen, auch nach anderen Waffen hat diese Hand noch nie gegriffen …“, erklärte er also langsam und blickte die schlanken Finger seiner rechten Hand nachdenklich an. „Doch nach all dem, was passiert ist…“, fuhr er fort, und sprach natürlich von dem Überfall auf der Heimreise aus Germanien, „wäre es wohl nicht schlecht, könnte man diesen Umstand ändern… Wärst du bereit, dein Wissen mit mir zu teilen?“, blickte er den Krieger dann aufrichtig und forschend an. „Allfällig wäre es auch von Vorteil, würden wir die palaístra und den drómos aufsuchen und uns dort in allen sportlichen Disziplinen üben …“, spann der Flavius das gedankliche Gebilde konsequent fort. Dann blickte er den Sklaven an, um zu sehen, was jener von der Sache hielt.

  • Vielleicht hatte Luca ein wenig viel gesprochen. Dies lag sicherlich aber auch daran, dass er immer noch nicht fassen konnte, dass sein Herr ihn aus der Sklaverei und in die Freiheit entlassen wollte. Dies kam so schnell, dass Luca, der sich innerlich sehr freute und dies auch zum Ausdruck gebracht hatte, wenn auch dezenter, eben nun auf andere Weise versuchte mit seiner inneren Aufgeregtheit umzugehen.
    Ihm war nicht entgangen, dass sein Dominus manchmal die Stirn runzelte oder nachdenklich drein schaute. Denn Luca hatte auch sehr klare Worte gesprochen. Aber von seinem Herren kamen keine Widerworte, auch dann nicht, als Luca meinte, das er notfalls mit energischer Härte angehen würde, seinen Herren zu schützen. Luca hatte auch ausdrücken wollen, dass er im Notfall kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn er meinte, im Sinne der Unversehrtheit seines Herren agieren zu müssen.
    Doch statt Widerworte, folgte ein Nicken, welches Luca zeigte, dass sein Herr ihn verstanden hatte und es gut hiess. Und so hoben die Becher und tranken weiter von dem köstlichen Wein.
    Doch als Luca dann seine Frage wegen der Fähigkeiten im Kampf stellte, glaubte Luca erst, dass er wohl eine falsche Frage gestellt hatte. Denn sein Herr lächelte auf einmal fast ein wenig müde und Luca wusste diesen Moment nicht richtig zu deuten. Auch nicht, als sein Herr dann in seinen Becher mit Wein schaute und diesen in seiner Hand kreisen liess. Aber Lucas Frage war doch nicht falsch und auch nicht arrogant gewesen. Selbst wenn sein Herr niemals in die Kampfkunst eingewiesen worden war, so war das doch keine Schande. Oder beherrschte er den Nahkampf viel besser, als Luca ahnte??


    Doch nach einer gefühlten Ewigkeit antwortete sein Dominus schliesslich und sprach davon, dass er keinerlei Ahnung vom Kampf hatte. Luca blieb ernst. Denn nach dem, was ihnen auf der Heimreise nach Rom widerfahren war, war das ein ernstes Thema. Natürlich war Luca weiterhin, auch als Libertus, bereit, der Leibwächter seines Herren zu bleiben. Aber dennoch fühlte Luca, dass es besser wäre, wenn sein Herr zumindest die üblichen Techniken kannte, denn Luca war auch nur ein Mensch. Uns sollte er mal unterliegen, so sollte sein Herr doch eine Chance haben, sich selbst zu verteidigen. Und so lauschte Luca angeregt und nickte zu den Worten seines Herren.
    Und dann kam das, was Luca zwar nicht erwartet, sich aber fast erwünscht hatte. Sein Herr fragte, ob Luca bereit wäre, sein Wissen um den Kamp mit ihm zu teilen. Innerlich strahlte Luca. Äusserlich blieb er noch ernst und lauschte weiter, als es dann um die Leibesübungen ging beim palaístra und dem drómos.


    Luca nahm dann erst noch einen weiteren Schluck Wein und stellte dann fest, dass sein Becher inzwischen leer war, stellte diesen dann auf den kleinen Tisch und blickte seinen Dominus offen an und seine Augen schienen jenes freudige Funkeln auszumachen, dass immer in Luca auflebte, wenn es um das ging, was er mit am besten konnte. Das Kämpfen mit dem Gladius. Aber Luca beherrschte auch noch mehr.
    »Selbstverständlich möchte ich gerne mein Wissen mit dir teilen, Dominus. Deshalb habe ich ja auch gefragt. Sicherlich wirst du wenig Zeit haben, nun, wo du dich als Senator beworben hast und die Politik sicherlich genug Aufmerksamkeit verlangt. Aber ja, es wäre mir eine große Ehre, dich in die Kampfkunst einzuführen. Und ja, gerne können wir uns in sportlichen Disziplinen üben! Das hält nicht nur den Körper, sondern auch den Geist fit.«
    Luca war sich nicht sicher, ob sein Herr das verstand. Aber Luca ging es so: Er betätigte sich fast jeden Morgen nach dem Aufstehen körperlich, um seinen Körper zu kräftigen und er hatte immer den Eindruck gehabt, das dies auch seinem Geist gut tat.
    »Sag, wann du Zeit hast. Ich werde uns Holzschwerter besorgen. Im Hortus ist viel Platz.« Luca strahlte nun doch mehr, als er wollte. Es lief alles fast zu perfekt, er war das schon gar nicht mehr gewohnt. Aber er war beschwingt. Weniger durch den Wein, mehr doch durch die Aussicht, bald frei zu sein. So wie er es sein ganzes Leben war.
    Das er da auch noch viele Fragen hatte, wie das dann alles wäre und was das für ihn und seinen Herren mit sich brachte, darüber dachte er zwar nach, stellte aber noch nicht eine seiner vielen Fragen. Das hatte Zeit. Heute war einfach ein ganz besonderer Tag, da konnte Luca auch mal geduldig sein.
    Dennoch fuhr er sich unbewusst mit einer Hand unter den Verband an seinen rechten Arm, weil es ihn dort juckte, und versuchte mit einem kleinen Kratzen den Juckreiz zu unterbnden.


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  • Luca strahlte übers ganze Gesicht, als Flaccus ihn bat, seine Erfahrung im Kampf mit ihm zu teilen. Und auch die Aussicht auf ein wenig gemeinsamen Sport in Zukunft schien ihm durchaus zu gefallen. Flaccus selbst grinste, denn auch er war vergnügt, zu sehen, wie sehr die Aussicht auf ein Leben in Freiheit Luca zum Strahlen brachte. "Ich werde dir Bescheid geben, wenn ich dafür Zeit habe.", meinte er freundlich, als ihm einfiel, dass es vermutlich schon reichlich spät sein musste, und ein unbewusstes Kratzen Lucas an seinem verwundeten Arm, ihm auch dessen Zustand wieder in Erinnerung rief. "Aber ich denke, wir werden ein anderes Mal weitersprechen. Du solltest dir noch ein wenig Ruhe gönnen, damit du bald wieder ganz bei Kräften bist.", meinte der junge Flavius mit einem freundschaftlichen Zwinkern und beendete damit das Gespräch, über dem die Nacht über die ewige Stadt hereingebrochen war und Phoibe das schwarze Firmament in Besitz genommen hatte.

  • Wenn Luca einem Menschen vertraute, was in der letzten Zeit weniger vorkam, dann zeigte er relativ offen seine Gefühlte. Und seinem Dominus traute er. Mehr als das. Auch Luca wünschte sich insgeheim, mal eine Freundschaft zu seinem "Herren" aufzubauen, wenn so etwas überhaupt als Sklave möglich war. Luca kannte das Sklavendasein nun einmal nicht. Und nun versprach sein Herr ihm die Freiheit. Das akm schneller, als er wartet. Und Luca war sehr dankbar. Sehr, denn er zeigte es in seinem Strahlen.


    Dann nickte Luca Flavius Flaccus zu und nickte. Ja, er würde ihn schon rufen, wenn er ihn brauchte. Und Luca würde gerne kommen. Er hatte wirklich Glück. Aber ja, Luca musste sich auch tatsächlich noch etwas ausruhen. Damit er bald wieder voller Kraft war um für seinen Herren da zu sein. Luca würde es fast nicht ertragen, wenn Flavius Flaccus etwas zustossen würde. Nicht, weil dieser ihm die Freiheit versprach, sondern weil er den Mann mochte.
    »Ja Dominus ... « und Luca bemerkte das freundschaftliche Zwinkern, was ihn noch einmal das Gefühl gab, hier ein Mensch und nicht ein Gegenstand zu sein. »Danke! Und schlafe gut! Wenn was sein sollte, ich bin ja in der Nähe ...« Luca räumte dann aber schon sein leeres Glas Wein weg und nickte seinem Herren noch einmal mit jenem Strahlen zu, bevor er sich in seine kleine Kammer nahe der Räumlichkeiten seines Dominus zurückzog. Ja, er musste sich noch etwas erholen, noch waren nicht alle Wunden verheilt. Aber die seelischen, die verheilten irgendwie schneller mit der Aussicht auf Freiheit ...


    tbc: Lucas kleines Reich


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