So langsam ging der Winter zu Ende. Es war noch immer frisch, es regnete noch immer viel, aber zwischen drin waren immer wieder Tage, an denen die Sonne über einen azurfarbenen Himmel strahlte und die Luft soweit erwärmte, dass man schon an Frühling glauben mochte. Und just einer dieser Tage war es, an dem Axilla beschloss, dass er viel zu schön sei, um in den eigenen vier Wänden zu bleiben.
Die Horti Luculliani waren noch so winterlich wie alle Gärten Roms, und doch hatten sie auch jetzt ohne Blumenpracht und ohne das satte Sommergrün eine subtile Schönheit. Die Bäume hier waren hoch und schön gewachsen, wenngleich die meisten noch völlig kahl dastanden. Hier und da standen feine, weiße Gebäude, die in der Spätwintersonne hell leuchteten und glänzten und sich kräftig gegen den dunkelblauen Himmel dahinter absetzten. Blumenbeete waren bereits angelegt, nur die Blüten mussten noch ihren Weg finden und aufblühen, und der Garten wäre an Pracht kaum zu überbieten. Höchstens vom Paneion, an das die ganze Anlage Axilla stark erinnerte.
Sie schlenderte über einen feinen Weg, Malachi als unsichtbarer Schatten kurz hinter ihr. Die meiste Zeit hatte sie die Augen geschlossen und genoss einfach das warme Gefühl der Sonne auf ihrer Haut. Wenngleich es nicht mit der ägyptischen Sonne zu vergleichen war, es war so unbeschreiblich wundervoll warm, dass Axilla es mit allen Sinnen genießen wollte. Verträumt schlenderte sie den Weg entlang und summte hier und da sonnenverliebt vor sich hin. Es war ein wirklich wunderschöner Tag.
Eine Bank war auch schnell gefunden, die schön mit Blickrichtung zur Sonne lag, und Axilla setzte sich gemütlich darauf, lehnte sich leicht zurück und genoss einfach die hellen strahlen. Ein wenig verschlafen blickte sie sich um. Kaum zu glauben, dass ein so schöner und friedlicher Ort so viel Grausamkeit gesehen hatte. Und doch war in ihm und für ihn gemordet worden. Messalina soll den einstigen Besitzer, den Consul Decimus Valerius Asiaticus, zum Selbstmord gezwungen haben, nur um die Gärten zu erben. Dabei war er mit ihr verwandt. Und auch ihren Stiefvater, Gaius Appius Iunius Silanus – der über so viele Ecken mit Axilla verwandt gewesen sein mochte, dass sie nicht sagen konnte, wie nun genau – hatte sie wegen angeblicher Verschwörung durch Kaiser Claudius hinrichten lassen. Da war es fast schon ausgleichende Gerechtigkeit des Schicksals, dass sie in just diesen Gärten von den Prätorianern bei einem Fest verhaftet wurde und hier starb.
Aber auch die größte Schönheit konnte Axilla nicht davon ablenken, weswegen sie eigentlich nach draußen gegangen war. Sie musste noch immer den Artikel über Purgitius Macer schreiben, beziehungsweise über das Gespräch mit ihm. Und sie hatte absolut keine Ahnung, wie sie das vernünftig in Worte kleiden sollte, was alles vorgefallen und besprochen worden war. Was davon durfte sie schrieben, was durfte sie nicht schreiben, was sollte sie mutmaßen, was nicht... Das waren schwierige Fragen, wenn man den eigenen Namen daruntersetzen sollte und das alles mit der Staatszeitung verbreiten wollte. Noch dazu, da sie wohl der ungeeignetste Mensch im ganzen Imperium war, so etwas zu tun. Sie hatte keine Ahnung von Politik. Es interessierte sie auch nicht einmal großartig, mehr aus Tradition denn aus Interesse. Sie hatte keine Ahnung von Intrige, keine Ahnung von den kleinen Feinheiten eines solchen Gesprächs. Und keine Ahnung, wem sie es sonst aufs Auge hätte drücken können, ohne das derjenige durchschaut hätte, dass sie von der Materie keine Ahnung hatte.
Ein letzter Blick auf die Sonne, dann klappte sie die mitgebrachte Wachstafel auf. Sie hatte sie immernoch, und noch immer stand nicht wirklich viel darauf. Sie hatte sich kaum Notizen bei Purgitius Macer gemacht. Aber was sollte sie sonst anstarren, um auf eine Idee zu kommen, was sie schreiben könnte?
Falls jemand sich dazugesellen und Axilla vor schlimmen Grübeleien retten will, ist er herzlich eingeladen.