Das Haus war groß, und so prunkvoll eingerichtet, wie man es erwarten konnte von einer Familie wie dieser.
Merkwürdigerweise war es das, was ihr durch den Sinn ging, als sie am noch sehr frühen Morgen durch die Gänge hastete auf dem Weg zum Ausgang. Prunkvoll. Angemessen. Nicht übertrieben. Der Reichtum wurde zur Schau gestellt, auf eine Art, die sich, je nach Geschmack, mal mehr, mal weniger dicht an der Grenze zur Aufdringlichkeit bewegen mochte – sie aber nie wirklich überschritt.
Flüchtig streifte ihr Blick im Vorbeigehen Gemälde, Büsten, Mosaike. Symbole für das, wie diese Familie sich zeigen wollte. Geld, Einfluss, Macht. Kombiniert mit Geschmack, oder vielleicht auch nur den richtigen Beratern.
Irgendwo hinter ihr war ein Geräusch zu hören, und hastig wandte sie im Gehen den Kopf, warf einen gehetzten Blick über ihre Schulter zurück. Sie wollte von niemandem aufgehalten werden. Sie wollte nicht einmal von jemandem gesehen werden. Von niemandem, nicht in diesem Moment. So schön diese Villa war, wollte sie doch keinen Augenblick länger als unbedingt nötig hier verweilen. Nicht mehr.
Und dabei hatte es im Grunde gut angefangen. Sie hatte eine Einladung erhalten, zu einem Gastmahl für den gestrigen Abend. Sicinius hatte sie eingeladen, in ihrer Funktion als Auctrix, und nachdem der Senator einer ihrer Unterstützer war und zudem regelmäßig spendete, war es sozusagen ein Pflichttermin gewesen. So ungewohnt es für sie zu Anfang ihrer Amtszeit noch gewesen sein mochte, ohne männliche Begleitung derartigen Einladungen zu folgen, hatte sie sich inzwischen daran gewöhnt. Natürlich gab es solche und solche Einladungen – es gab freilich die, bei denen es Gerede geben könnte. Aber als Auctrix gab es eben auch jene, bei denen es keinerlei Problem darstellte, wenn sie allein hinging, die keinen Anlass zu Tratsch gaben. Eine solche war die Einladung zu der gestrigen Feier gewesen. Einige Freunde und Geschäftspartner hatte der Senator eingeladen, die Dame des Hauses hatte die Gästeliste noch ein wenig umgeschrieben und ergänzt sowie den Abend organisiert. Die kleine Feier war so exquisit gewesen wie die Einrichtung der Villa. Seiana hatte den Abend sogar ein wenig genossen, obwohl es für sie mehr lästige Pflicht denn Vergnügen war, als Auctrix auch gewissen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommen zu müssen. Im Grunde sogar mehr als ihr Vorgänger, der viele der wichtigen Persönlichkeiten häufig genug ohnehin getroffen hatte, im Senat, in einem der Collegien, bei privaten Besprechungen. Als Frau standen ihr diese Kommunikationswege nicht offen, was es zu einer Notwendigkeit werden ließ, andere Mittel und Wege zu nutzen. Abende wie dieser gehörten dazu. Nirgends war es leichter so zwanglos Kontakte zu pflegen wie auf einer dieser Feiern. Kontakte, die sie brauchte, weswegen sie immer häufiger in den sauren Apfel gebissen und sich durchgerungen hatte, Einladungen wie dieser zu folgen.
Und dieser Abend hatte sich durchaus positiv hervorgetan. Luxuriöse, aber geschmackvolle Einrichtung, die gerade jetzt die vorherrschenden Eindrücke in ihren Gedanken ausmachten und ein Anker waren für sie. Für ihre Beherrschung. Luxuriöse, aber geschmackvolle Einrichtung, die den Rahmen vorgab für eine Abendgesellschaft, die sich ganz diesem Stil anpasste. Einige Gäste, mit denen es sich gut unterhalten ließ, insbesondere dem Gastgeber, der ihr durchaus tatsächlich sympathisch war und als solches ein angenehmer Gesprächspartner.
Alte Kontakte gepflegt. Neue geknüpft. Alles in allem ein gelungener Abend. Bis, ja, bis sie hatte gehen wollen.
Reserviert