Es war Markttag in Mogontiacum und es war nicht zu vergleichen mit dem, was Sermo aus der ewigen Stadt kannte. Das Forum von Mogontiacum war zwar vollgestopft mit Ständen, es war voll und laut und überall stank es nach den verschiedensten Dingen, die hier zum Verkauf geboten wurden. Hier zog einem der erbärmliche Geruch fast frischen Fisches in die Nase, während dort Blut in der Luft lag, wo Fleischer Schweinehälften an Gerüsten aufgehängt hatten, die vor blutigem Fleischsaft nur so tropften. Die Marktstände bildeten zahlreiche Gassen, die vor Kunden überliefen. Eine breite Gasse zog sich über das komplette Forum hin bis zur Basilica, die selbstverständlich ebenfalls vor Händlern und Käufern überquoll. Es herrschte der übliche Lärmpegel, denn überall wurde gefeilscht und getratscht. Rinder muhten, Schweine grunzten, Hühner gackerten, Weiber gackerten, Händler grunzten, Bettler bettelten.
Und dennoch war es kein Vergleich zu Roms Märkten.
Sermo zog es heute in eine ganz bestimmte Ecke des Marktes. Seine Schritte lenkten ihn in Richtung der Sklavenpodeste. Anders als in Rom gab es keine "Mottotage", das heißt es gab keine unterschiedlichen Verkaufstage, an denen dann jeweils andere Sklavenarten angeboten wurden. Seien es zur Feldarbeit geeignete Sklaven, Küchensklaven, Verwaltungssklaven, männliche oder weibliche Sklaven, junge oder alte Sklaven, dunkelhaarige oder blonde Sklaven, germanische, keltische oder britannische Sklaven, Sklaven mit Lyrabegabung, Sklaven mit Tanzbegabung, Sklavinnen für das Bett ihres Herrn, Sklaven für das Bett ihrer Herrin, oder Bettvorlegersklaven. An diesem Tag wurde in Mogontiacum einfach alles feil geboten, was man pünktlich zum Markttag hatte herbringen können.
Sermo schlenderte mit wachsamem Blick an den verschiedenen Podesten vorbei auf der Suche nach einem Sklaven, der seinen speziellen Vorstellungen entsprach. Zunächst kam er bei einem gewissen Gordius vorbei, der ein Dutzend Arbeitssklaven anbot, allesamt Gefangene aus den verschiedenen Stammesstreitigkeiten jenseits des Limes. Daran hatte Sermo kein Interesse, also ging er weiter ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Er sah weiterhin einige Mägde, Leibwächter und sogar einen Zwerg, den er einen Augenblick lang belustigt betrachtete. Dann hörte er etwas, das seine Aufmerksamkeit ablenkte. "Gelehrte Sklaven, günstig und hoch gebildet!" brüllte da jemand mit polternder Stimme über den Sklavenmarkt. Sermo wandte sich um und blickte in die entsprechende Richtung, in die er seine Schritte dann lenkte. Kurz stachen ihm drei jungen Keltinnen ins Auge, die barbusig von einem Sklavenhändler vorgeführt wurden und von geifernden Interessenten begrabscht wurden, doch Sermo verschwendete nur einen kurzen lüsternen Blick auf sie.
Dann erreichte er das angestrebte Podest, das ein gewisser Acrotatus als Verkaufsplattform nutzte. "Junge und mittelalte Sklaven, des Lesens, Schreibens und Rechnens mächtig! Latein, Griechisch, Syrisch! Manche sind gar poetisch angehaucht! Schaut und staunt, Leute von Mogontiacum, denn hier bekommt ihr die besten Scribae und Vilicae! Hier, bei Acrotatus, dem Sklavenhändler eures Vertrauens!"
Das klang ja vielversprechend. Sermo wollte unbedingt einen Jungen, der nicht nach wenigen Jahren Arbeit an Altersschwäche krepierte. Und am besten sollte er in Sklaverei bereits geboren sein.
Und da wurde er auch schon auf das Podest gestoßen.
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"Und hier ist schon das nächste Vorzeigeexemplar!" donnerte Acrotatus, der kräftige Sklavenhändler, dessen geflochtener Bart von Eisenringen geziert wurde. "Dieser junge Mann hier kann Griechisch und Latein lesen und schreiben und kann mit dem Abacus umgehen. Jung, höchstens vierzehn ist er. Und gesund dazu! Gepflegte Zähne, kräftig und ohne Verkrüppelungen!"
Sermo strahlte. Der war perfekt! Alles andere was da auf dem Podest herumlungerte, interessierte den Quintilius nicht mehr. Nicht der bärtige Sklave im mittleren Alter, der auch syrisch sprach. Nicht der Knabe, der die Kithara spielte und Sappho fließend rezitieren konnte. Nicht einmal der ehemalige Schreibsklave, der Vilicus eines reichen Mannes der Gegend gewesen war und eine ganze Villa Rustica samt Klientel und Handelsgeschäften verwaltet hatte. Nein, Sermo hatte nur noch Augen für den jungen Mann, der sein Sekretär sein sollte.
"He, Händler! Was soll der Junge kosten?" übertönte er daher die umstehende Menge, besonders die plappernden Weibsbilder, die dem jungen Sklaven schöne Augen machten, als er an den Rand des Podestes herangetreten war. "Zwanzig Aurei," säuselte Acrotatus, als wäre das ein Spottpreis. Sermo traute seinen Ohren nicht. Verdammt, der musste ja was auf dem Kasten haben! Viel wahrscheinlicher war aber, dass Acrotatus viel zu hoch pokerte. "Ich will sehen, dass er es wert ist!" verlangte Sermo, woraufhin Acrotatus ihn freundlich auf das Podest heraufbat. Daraufhin unterzog er den Sklaven der üblichen menschenunwürdigen Behandlung. Er besah sich die Zähne, Hände und Augen des Jungen, konnte jedoch weder schlimme Krankheitsnarben oder andere Verunstaltungen erkennen. Sein Körper war nicht muskelbepackt, aber kräftig und zäh genug um einen Stapel Wachstafeln und Schreibzeug herumzuschleppen. Das reichte Sermo. "Na, sonderlich gut sieht der ja nicht aus. Die Zähne faulen ja schon und seine Statur ist wirklich kümmerlich. Und wahrscheinlich kann er nicht einmal richtig Griechisch sprechen," behauptete Sermo knallhart. "Ich geb' dir fünf." Fünf Aurei, fünfhundert Sesterzen. Das war schon fast richtig unverschämt. Acrotatus gab sich entsetzt und gestikulierte empört vor Sermos Gesicht herum. "Fünf? Bist du von Sinnen? Schau ihn dir an, der ist quasi unbezahlbar! Fünfzehn, mindestens!"
Sermo zog nur eine Augenbraue hoch und zückte seine Börse. "Acht," erhöhte er dreist um läppische dreihundert Sesterzen und betrachtete belustigt wie der Sklavenhändler die Haare zu raufen begann. "Du beleidigst mich!" polterte er, so dass die umstehenden zusammenzuckten. Sie verfolgten das Schauspiel höchstinteressiert. "Zwölf, nicht weniger!" Sermo schüttelte enttäuscht den Kopf und hielt Acrotatus eine handvoll Münzen hin. "Zehn, letztes Angebot. Sonst geh' ich zu Sadocus dem Thracer, der gibt mir einen besseren für zwei." Völlig irre, diese Behauptung, mal ganz davon abgesehen, dass der Thracer heute nur eine Bande germanischer Plünderer feil bot. Aber Acrotatus fiel darauf herein und lenkte zerknirscht ein. "Du runinierst mich!" blaffte er, wohl wissend, dass dem nicht so war. Trotzdem nahm er das Geld schnell an sich und ließ sich die Übereignungsurkunde von einem Handlanger reichen. Der Kauf wurde besiegelt und Sermo hatte einen Sklaven mehr und tausend Sesterzen weniger. "Es war mir eine Freude, mit dir Geschäfte zu machen, Acrotatus," erklärte er. "Mir ebenso, ...äh..." "...Quintilius Sermo. Vale." "Äh, vale..."
Und so marschierte Sermo von dannen, einen Sklaven an der Hand, ein breites Lächeln auf den Lippen.