Leise trommelten die Tropfen des kalten Regens auf die Fassade der Realität, auf grünfarbene Blätter und rotfarbene Dachziegel, an steinerne Mauern und hölzerne Barrieren, bäumten sich auf in den Fängen des Windes zu einer kaskadierenden Symphonie, ebbten ab in der Stille zu einem graven Rauschen, vereinigten sich zu kleinen, strömenden Flüssen zwischen den Platten der Wege oder versickerten klanglos in den unendlich gierigen Erdschichten der Blumenbeete. Nicht immer, wenn es regnete, weinte auch der Himmel, doch an diesem Tage hingen die Wolken schwer und düster über Rom, legten auch über Gracchus' Gemüt ein dunkles Tuch aus trübseligen Gedanken, aus devastativer Erinnerung. Es schien ihm als wäre sein Leib unendlich träge, als wären seine Glieder starr und unbeweglich, wiewohl nur sein Geist in viskosem Nebel sich bewegte, zähflüssig wie Honig durch sein Gedankengebäude waberte, ohne ein Ziel, ohne einen Pfad und ohne einen Beginn. Nichts gab es, dessen es sich zu grämen galt - seine Tochter war gesund zur Welt gekommen, Minor entwickelte sich prächtig, die Ehe mit Antonia erträglich, beinahe angenehm, sein Amt herausfordernd ohne Last zu sein, seine Pflicht war alltäglich. Längst hatte im Peristylium das saftige Grün die Tristesse des Winters verscheucht, hatten die Blüten des Frühlings sich erhoben, strahlten selbst an diesem trüben Tage in prachtvollem Rot, Gelb und Weiß, reckten zarte Knospen sich zum Himmel empor, war die kühle Temperatur einer erbaulichen Milde gewichen. Nichts gab es, dessen es sich zu grämen galt, nicht im Außen, noch im Inneren, und doch lastete der Gram schwer auf Gracchus' Gemüt. Er sehnte sich nach dem Feuer Faustus', misste die Unbeschwertheit Marcus', die Leichtigkeit Epicharis'; er sehnte sich nach der Vertrautheit Caius', nach dem Esprit Leontias, nach den Berührungen seines alten Sciurus' - ja sogar nach der nie gekannten Brüderlichkeit Quintus'. Die Larven hatte er in ihre Schranken verwiesen, hatte sie ihrer Gewalt über ihn entmachtet, doch allfällig war es bereits zu spät gewesen, hatten sie ihm doch längst zu viel schon geraubt. Leer waren die Flure seines Gedankengebäudes, grau vom Staub der Vergangenheit, überzogen mit einer Patina aus Desperation und Desillusion, welche keinen Ursprung kannten als jenen aus sich selbst heraus, welchen keine Zweckhaftigkeit inhärent war als die Zerstörung jeglich anderen Sentiments. Mehr als einmal zog es ihn darob von der trockenen Kline unter dem überdachten Säulenumgang hinaus in den Regen, dass die kalten, scharfen Tropfen ihm die Sinne mochten klären, dass der Schmerz auf seiner Haut allfällig den Schmerz in seinem Inneren würde übertönen, oder aber die Leere ausfüllen, die dort herrschte - doch nicht einmal zu solcherlei Regung konnte er sich bewegen, nicht einmal der Regen, an welchem er sonstig so großen Gefallen fand, konnte diesen Tages ihm sein Gemüt aufhellen, dass er in sich selbst versunken nur auf der Kline lag, den Blick in das graue Gewölk am Himmel gerichtet ohne es wirklich zu sehen, seine Gedanken auf dem Punkt der Unendlichkeit beständig sich um nichts drehend.
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!